wenig entrüstet über jeden Zweifel an dieser Prinzipienfestigkeit.Ohne die verwandtschaftlichen Gefühle des Blattes noch mehr ver-letzen zu wollen, fassen wir Dernburgs Austritt doch etwas nüch-terner auf. Herr Dernburg sah eben ein, daß seine Uhr abgelaufen.Auf der einen Seite bedrängten ihn die Agrarier und dasZentrum immer stärker, auf der anderen ist Herr v. B e t h-mann Hollweg nicht der Mann, um den Wünschen dieserseiner Gebieter zuwider zu sein. Und selbst wenn Herr D e r n-bürg noch eine Gnadenfrist erhalten hätte, so wußte er doch,daß der schmähliche Zusammenbruch dieser Regie-r u n g unausbleiblich ist, und er sah nicht ein, wozu er sich u n-nütz kompromittieren sollte. Da er kein Buceaukrat ist,wartete er nicht geduldig die Kündigung ab, sondern kam seinenGegnern zuvor und sicherte sich einen guten Abgang. ES war einerichtige Baissespekulation. Allzuviel Begeisterung darfman deshalb nicht von uns verlangen.Der schwarzblaue Block steht begreiflicherweise dem RücktrittDernburgs mit gemischten Gefühlen gegenüber. UnverhohleneFreude äußern nur die„Deutsche Tageszeitung" und Herr MathiasErzberger. Die übrigen Organe der Rechten aber sind wenigerentzückt. Zwar daß sie den Eindringling loS geworden, ist derkonservativen Bureaukratie sicher sehr erwünscht, undauch das Zentrum kann jetzt seine Rache genießen. Aber derZeitpunkt des Rücktrittes ist den Herrschaften schon wenigerangenehm. Dernburg war der letzte Rest aus der Bülow-Aera, derletzte, der in diesem Ministerium nicht als Parteigänger oder Lakaides schwarzblauen Blocks galt. Die Bethmänner sind jetzt untersich und der Gegensatz zwischen den bürgerlichen Parteien erhältneue Nahrung Die politische Situation wird immer klarer. Dieschwankenden und indifferenten Schichten, die bei den letztenWahlen, von Bülow und Dernburg betört, so vortreffliche Arbeitfür die Reaktion verrichteten, haben eine neue Lektion er-halten. Begeisterung für die Regierung wird wirklich das letzteGefühl sein, das bei den nächsten Reichstagswahlen die Wähler andie Urne treiben wird.Rur soweit Dernburgs Idücktritt ein Symptom für die unum-schränkte Herrschaft des schwarzblauen Blocks ist, hatsein Sturz größeres Interesse. Denn der wütende Kampf derInteressenten über dieAusbeutungderKolonienlähtdieVolksmassenwirklich kalt. Herr Dernburg hat sich die erbitterte Feindschaftder südwestafrikanischen Kolonisten zugezogen, weil er sie um denerhofften Anteil der Beute brachte zugunsten der Kalo-nialgesellschaften und der hinter ihnen stehendenBa n k e n. Daß Herr Dernburg dabei das Staatsinteressenicht in vollem Umfange gewahrt hat, ist eine Behauptung, die nichtnur Herr Erzberger vertritt. Wobei es freilich schon richtig ist, daßbei der Politik der Agrarier für den Staat noch viel weniger ab-gefallen wäre.Als Nachfolger Dernburgs wird der Unterstaatssekretärd. Lindequist, einer seiner„Schüler", genannt.Sie Blahl an der OdermOndung.Aus dem Reichsdagswahlkreise Ueckermiinde-Usedom-Wollin werden uns von einem in der Agita-tion stehenden Genossen die folgenden ergänzenden Aus-führungen zu unserem Artikel in Nr. 127 gesandt:„Am Donnerstag, den 9. Juni, wird abermals ineinem ostelbischen Wahlkreise die Probe aufs Exempel ge-macht werden, ob die Partei der Junker und Agrarier nochBoden im Volke hat. Die eigentliche Domäne der Konscr-vativen ist Hinterpommern: in Vorpommern haben sie vonjeher weniger gut abgeschnitten und die Vertretung des ge-nannten Kreises, der noch zu Vorpommern gehört, hat bisherimmer zwischen konservativ und liberal gewechselt. Der KreisUeckermiinde grenzt an den Kreis Randow(Stettin Land)und ist stark rndustriell: der Kreis Usedom-Wollin mit derKreisstadt Swinemünde besteht aus den beiden InselnUsedom und Wollin, welche durch die drei Ausflüsse der Oderin die Ostsee(Peene, Swine, Dievenow) gebildet werden,hier gibt es wenig Industrie, aber die Bevölkerung ist durchdcir Verkehr mit Fremden, ivelche die zahlreichen Seebäderbesuchen, nicht mehr so rückständig wie die Landbevölkerungim Binnenlande. Die schwarze Ecke bildet hauptsächlich dieInsel Wollin.Die Wahlagitation ist noch niemals so intensiv betriebenwie diesmal. Die beiden bürgerlichen Kandidaten ziehen inBegleitung von Parteisekretären von Ort zu Ort. DerSozialdemokratie wird die Agitation durch den Umstand er-schwort, daß ihr nur in wenig Orten Versammlungslokaleoffen stehen. Doch ist dieser Mangel in der letzten Zeit da-durch ausgeglichen worden, daß Versammlungen unter freieinHimmel abgehalten wurden, wozu die Witterung prächtigwar. Noch nie waren die sozialdemokratischen Versamm-lungen so gut besucht wie gegenwärtig: in Dörfern, wo nieeine sozialdemokratische Versammlung stattfand, ja wo esbisher noch keinen Parteigenossen gab, kommen die Wählermassenhaft herbei und stimmen am Schluß in das Hoch aufdie völkerbefreiende Sozialdemokratie ein. Es ist eine wahreLust zu agitieren.Im Vordergrund der Agitation steht natürlich dieReichsfinanzreform, die eine tiefgehende Erbitterungerzeugt hat. Die Landleute begreifen auch ganz gut dieStellung unserer Partei zum Militarismus: so können ebendie unsinnigen Rüstungen nicht weiter gehen, weil das Volkverarmt.Für den konservativen Kandidaten agitieren die Ange-stellten des Bundes der Landwirte. Der Hansa-Bund hatauch schon einige Versammlungen abgehalten, die natürlichdem liberalen Kandidaten zugute kommen, aber er greiftdoch nicht so heftig in die Agitation ein, wie vermutet wurde.Der Bund der Landwirte hält als solcher keine Versamm-lungen ab; er würde damit sich nur selbst schädigen.Die Sozialdemokratie darf auf guten Ertrag lhrerfleißigen Arbeit hoffen._Oer weiße Schreckten in Argentinien.Die Jahrhundertfeier der Argentinischen Republik ist für ihreherrschende Klasse zum Vorwand geworden, ihr Schreckensregimentnoch zu verschärfen, den an der Arbeiterschaft begangenen Ver»brechen neue, nicht minder infame hinzuzufügen. ES ist notwendig,daß die ganze zivilisierte Welt erfährt, wie daS mit Kulturfirnisüberstrichene Barbarentum, dessen lügnerische Jubiläumsphrasenleider auch europäische Freiheitsfreunde, ja sogar Sozialisten be-stachen haben, in seinem Herrschaftsgebiet wütet. Der mörderischeund diebische Regierungsterror der südamerikanischen Republikmuh ebenso an den Pranger gestellt werden wie der der zarischenHenkersknechte. DaS internationale Proletariat aber schuldet dentapferen Genossen jenseits des AcquatorS, in der gegen ihre Organi-sationen und ihre Personen entfesselten brutalen Hetze, neben derLiorali scheu auch schleunige matkiielle Hilfe.Heber die Lage in Argentinien unterrichtet uns nächstehender.vom 16. Mai datierter Bericht eines Genossen in BuenosAires:Es sind heute gerade sechs Monate verflossen, seitdem dieTyrannen von Argentinien wegen der Tötung des PolizeichcfsObersten F a l c o n den Ausnahmezustand erklärt haben. Siewerden sich noch der Brutalitäten erinnern, die die aus Polizei-agenten in Zivilkleidung, aus Offizieren und aus Stutzern derindianischen Aristokratie zusammengesetzten schwarzen Bandenverübt haben. Diese wilden Horden, die damals die Lokale der Ar-beiterorganisationen und die Werkstätte der„Protesta" geplündertund zerstört hatten, haben nun ihre Gewalttaten erneuert.Am 25. Mai werden 100 Jahre seit der Proklamierung unsererRepublik verflossen sein. � Aus diesem Anlaß hat die Regierungeine Ausstellung organisiert und einige Feste vorbereitet. Tiebei den AusstellungSbauten beschäftigten Arbeiter traten in denStreik, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen. Andere ähnlicheKonflikte kamen hinzu und es entstand eine richtige Agitation, alsdie Regierung, in der Furcht, daß die Ausstellung zum angesetztenTermin nicht eröffnet werden könnte, sich entschloß, den A u S<nahmezustand über die ganze Republik zu ver-hängen.Da geschah eS, daß Offiziere— von den Ausländern zivili-sierte Jndianerabkömmlinge— Polizeiagenten in Zivil und einigeAristokraten in Lackstiefeln und Smoking, Scharen von Studenten,Lumpengesindel, abgestraften Verbrechern— darunter solchen,die man aus diesem Anlaß entlassen hatte, in Be-wegung brachten. Sie formierten eine Kolonne, an deren Spitzeeine Militärmusik marschierte und zogen wie borsechs Monaten herum, um die Lokale der Arbeiterschaften zu ver-wüsten. Sie zerstörten die Maschinen derZeitungen„Protesta" und„La B a t a l l a" und st e ck t e nhierauf die Werkstätten in Brand. Als die wildeHorde zur„Vanguardia— dem sozialistischen Tageblatt— kam,glaubten die wenigen, in dem Augenblick anwesenden Genossen,daß die Polizei die Manifestanten verhindern würde, die kund-gegebenen Zerstörungsabsichten zu verwirklichen. Wie erstauntenwir aber, als wir die Polizisten daS nichtswürdige Werk be-günstigen sahen, indem sie die Strolche mit dem Revolver in derFaust in unser Lokal eindringen ließen IDaS, was nun geschah, zu schildern, ist einfach unmöglich.Unbeschreiblich der Zustand, worin sie die Maschinen zurückließen.Alles wurde zerschlagen, die Setzkästen umge-warfen, die Buchhan dl ung ausgeraubt, das Geldaus der Kasse fortgetragen. Nichts, absolut nichtsblieb unbeschädigt. Der Schaden beträgt an 100000Frank.Ueber 300 Genossen sind im Gefängnis, derSchrecken regiert von neuem in unserem berüchtigten Land. Ar-beiterfamilien wurden brutalisiert. In den Arbeitervierteln ver-wüsteten die schwarzen Banden die Familienwohnungen undschlugen Frauen und Kinder.Wir können nichts machen. Kein bürgerliches Blatt darfnoch etwas schreiben. Selbst in den Straßen zu zirkulieren istsehr gefährlich, da man den schwarzen Banden zum Opfer fallenkann.Wir brauchen Hilfe jeder Art. Wir bitten ganz Europa ummoralische und materielle Unterstützung. Wir wollen die Befrei-ung. Helfet uns dazul Verkündet der ganzen Welt, dem ganzenProletariat, daß man in Argentinien nicht mehr leben kann!Niemand, dem seine Haut lieb ist, soll in dieses vom Wildenbeherrschte Land kommen IUnsere ganze Arbeit von 14 Jahren ist zerstört.Im Namen der internationalen Solidarität bitten Wtr Euchum Geldopfer, um uns zu verteidigen und den Opfern zu helfen.Die Beiträge sind an das Internationale sozialistischeBureau in Brüssel zu senden.Nachtrag: Bestohlen und verbrannt sind noch: die Buch-Handlung des Vertreters der„Modernen Schule" von Barcelona.die Gewerkschaftslokale der Bäcker und Holzarbeiter, die russischeBibliothek, die Arbeiter-Selbsthilfegenossenschaft. ES gibt Toteund Verwundete.__"'poUtxfcbc ücbcrlicbt.Berlin, den 7. Juni 1910,Gegen die Erhöhung der Zivilliste»vendet sich daS Organ der rheinischen Groß-tndustric. die.. Rheinisch-Westfälische Zeitung"in außerordentlich scharfer Weise. DaS preußische Volkbringt heute schon eine um Millionen höhereSumme für die Krone auf. als volkreichereLänder, wie Oesterreich. England und Rußland. Die Regie-rung habe selbst das Motiv der Sparsamkeit in allenTonarten erklingen lassen, damit in den nächsten Jahren nichtnoch schwerere Steuerlasten auf den Rücken des Volkes auf-gebürdet zu werden brauchen. Es sei eine starke Leistung,die Vorlage mit der Abtretung der Krondomänen am Anfange desvorigen Jahrhunderts zu begründen. Diese Krondomänengehörten von Rechts wegen überhaupt nicht denMonarchen, sondern dem Staate und seien vonden einzelnen Fürsten widerrechtlich an sichgebracht worden. Auch sonst wäre mancherlei über diefinanzielle Verlegenheit des Kaisers zu sagen. Sie entspringezum Teil einer Repräsentation, die keine sachlicheBerechtigung habe. Die Millionenschöpfung der Sieges-allee mit ihren steifen Denkmalspuppen. der unbegreiflicheAnkauf des MarmorschlosseS auf K o r f u und manches anderefei weder vomdeutfch-nationalen, noch k ü n st-lertschen. noch vom repräsentativen Stand-punkte aus zu rechtfertigen.Die Steuerveranlagung.Der Allmächtige in Preußen, der preußische Landrat, hat heutenoch die überaus wichtigen Geschäfte der Steuerveranlagung inseiner Hand. Darauf ist eS auch zurückzuführen, daß. währenddem Arbeiter jeder Pfennig feines Einkommen» versteuert wird.die Grundbesitzer jährlich Tausende dem Staate vorent.halten können, ohne daß ihnen auch nur ein Härchen gekrümmtwird. Gegen dieses Privileg der Landräte hat man wiederholt an-zukämpfen versucht, aber stets mit negativem Resultat. Jetzt end-lich soll diesem Zustande ein Ende gemacht werden. Wie die„Schlesische Zeitung" meldet, ist im Unterausschuß zur Beratungder preußischen Verwaltungsreform ein Antrag angenommenworden, wonach die Steuerverwaltung von den LandratSämternabgetrennt und zu einer selbständigen Behörde ausgestaltet werdensoll. Diesem Beschluß soll auch der Finanzminister zugestimmthaben. Sehr wahrscheinlich klingt diese Botschaft nicht.Ein dringendes Bedürfnis.Die Klage, daß für Kulturaufgaben in Preußen zu weniggeschehe, ist offenbar ganz unberechtigt. Man lese nur, wasdie„Verl. Polit. Nachr.- über preußische Kulturbestrebungenzu melden wissen. Sie schreiben:Im Etat der Generalordenskommission wird eineErhöhung des Fonds für Anschaffung und Unterhaltungder Ordensinsignien für das Rechnungsjahr 1S11 angefordertwerden. Der Fonds beläuft sich seit dem Jahre 1903 auf 220 000Mark. Aber auch nach der damals vorgenommenen Erhöhungum 90 000 M. hat er sich nicht als ausreichend erwiesen.Regelmäßig haben sehr erhebliche Ueberschreitungenstatlfinden müssen, und zwar um rund 93 100 M. imEtatsjahr 1903, um 166 000 M. in 1006, um 161 000 M.in 1907 nnd um 137 300 M. in 1908. Auf Grunddieser Entwicklung war bereits für den Etat des laufendenRechnungsjahres eine weitere Erhöhung dieses Fonds inAussicht genommen. Sie mußte aber unterbleiben, da die fort-dauernd mißliche Finanzlage und die ungünstige Gestaltung desEtats es notwendig niachten, in allen Verwaltungen von einerVerstärkung der sächlichen Fonds mit ihren naturgemäß schwankendenAusgaben grundsätzlich abzusehen. Nach einer in der Rechnungs-koinmission des Abgeordnetenhauses abgegebenen Erklärung desKommissars des Slaatsministeriunis wird mit Bestimmtheit er-wartet, daß eine angemessene Verstärkung des Fondsim Etat für 1911 sich ermöglichen lassen wird.Hoffen wir das beste I Was sollte aus der preußischenKultur werden, wenn das Verdienst wegen Mangel an Mittelnnicht mit Orden belohnt werden könnte lDie elsaft-lothringische Verfaffung.Im Laufe des Juni werden sich der StaatssekretärDelbrück und Geh. Ober-Rogierungsrat Gallenkamp nachStraßburg begeben, um mit der reichsländischen Regierungund Vertretern der Fraktionen des Landesausschusses B e-sprechungen über den neuen Verfassungs-e n t w u r f abzuhalten. Den Besprechungen wird ein vorläufig schriftlich fixierter Entwurf zugrunde gelegt werden.Dabei soll, nach der„Straßburg. Post", für das Wahlrechtneben dem Verhältnisverfahren auch der Gedankedes Pluralwahlrechts erörtert werden. Einer anderenMeldung zufolge sieht der Verfassungsentwurf ein Ausschaltendes Bundesrats und des Reichstages aus der Gesetzgebungfür Elsaß-Lothringen und dafür die Errichtung einer Erstenelsaß-lothringischen Kammer, der Wahlrechts-entwurf die Einführung des allgemeinen, gleichenund direkten Wahlrechts auf Grund des Pro-portionalwahlverfahrens vor.Die Zeugnisfolter.Am 9. Juni soll der Redakteur Nowak in gabrze endlichaus der Zeugniszwangshaft entlasse!' werden, in der er sichdann sechs Monate weniger vier Tage befand. Nowaksollte in einem Disziplinarverfahren gegen einen Amtsgerichlsrat inKlauSthal wegen eines veröffentlichten Artikels als Zeuge aussagen.und wurde, da er das Redaktionsgeheimnis Ivahrte und die Aussageverweigerte, am 13. Dezember 1909 in ZeugniSzwangShaft ge-nommen. Am 16. Juni hätte er aus dem SmtsgerichtSgefängniS inZabrze entlassen werden müssen, da die Zeugniszwangshaft nichtlanger als sechs Monate dauern darf. Auf das Gesuch Nowaks hatder Kommissar jetzt verfügt, daß Nowak am 9. Juni zu entlassen.Um ganze vier Tage hat man die Maximalzcit dieser Haft ab-gekürzt IDie Strafprozeßreform will die Möglichkeit des Zeugnis-zwangeS gegen die Presse und Disziplinarvergehen ungeschmälerterhalten I_Zur Reichstagsersatzwahl in Zschopa« Marieuberg.Die Fortschrittliche Volkspartei beschloß,«ineneigenen Kandidaten aufzustellen.Ein ungeheuerliches Kriegsgerichtsurteil.An der st rammen Haltung muß ein Soldat einenVorgesetzten, auch wenn dieser in Zivil ist, erkennen. Alsomeint das Oberkriegsgericht Würzburg, das gegen denArtilleristen Wittenmeier verhandelte. W. befand sich in derFaschingszeit betrunken auf einem Ball, wo es Schiebereien gab, indie sich ein in Zivil anwesender Jnfanteriesergeant einmischte. Alsder Letztere dem benebelten Soldaten einen Knopf abriß, beschimpfteihn der Mann und führte ein paar Säbelhiebe nach ihm. DerSoldat wurde wegen tätlichen Vergreifen» an einemVorgesetzten angeklagt, das Kriegsgericht nahm jedoch ledig-lich Körperverletzung an. indem eS dem AngeklagtenGlauben schenkte, daß er den Sergeanten nicht als Vor-gesetzten erkannt habe. Aber das Oberkriegsgericht entschied,eS liege ein tätliche» Vergreifen vor, da Wittenmcier schonan der strammen Haltung de« in Zivil befindlichen Sergeanten hättesehen müssen, daß er einen Borgcsctzten vor sich habe. Und also er-kannte das ObcrkriegSgericht auf die entsetzliche Strafe von zweiJahren Gefängnis!!ES sind schon grausamere Militärgerichtsurteile gefällt worden— ein ungeheuerlicheres aber wohl noch nicht!Der Polizeikampf gegen die Sozialdemokrati«in Oberschlesien.Am Sonnabend wurde das Vereinslokal in Neudorf, indemein Bierausschank für Mitglieder eingerichtet ist, zum fünften Malepolizeilich geschlossen und die Mitglieder hinauSgetrieben. Der Ver-trauensmann P a j o n k vom Bergarbeiterverband wollte aus einemSchrank noch wichtige Belege herausnehmen, er wurde dabei ver-hastet und an beiden Händen gefesselt abgeführt. Einarmer Krüppel Ciesta, der sich durch Zeitungaustragen«in paarPfennige verdient, wollte seine Zeitungen mitnehmen, konnte aber.weil er lahm ist, nicht schnell genug herausgehen, darum wurde aucher verhaftet und durch zwei Polizisten abgeführt. Als der Vor-sitzende Genosse BieS eine Bemerkung machte, wurde auch er ge»fesselt abgeführt. Im ganzen Dorf herrscht große Em-pörung. Als am Sonntag die Genossen vom Gefängnis zurPolizei geführt wurden, belagerte eine große Menschenmenge dieStraße. Die Genossen, die einzeln entlassen wurden, empfing manmit großer Begeisterung.— Zu bemerken ist noch, daß der Amts-Vorsteher I a s i n s k i kein schriftliche» SuSschankverbot erließ undauch nicht mit Strafen drohte, er ging vielmehr von der erstenMinute an mit Gewalt vor._Deutsches Preßrecht.Die„Mecklenburger Volkszeitung-, da« sozial-demokratische Organ in R o st o ck hatte aus einem Gerichtsurteil einpaar Sätze zitiert, die das Verfahren eines dem RcichSverbande er-gebencn Redakteur« in St e u st r e l i tz betreffen. Dieser verlangtedaraus auf Grund de?§ 11 des PreßgesetzeS den Abdruck weitererPartien aus dem Gerichtsurteil. Diese sonderbare Berichtigunglehnte die„Mecklenburger BolkSzeitung" natürlich ab. Jetzt wurdeGenoffe Franke dafür vom Amtsgericht zu 100 M.Geld.strafe und zur Publikation der„famosen Berichts»gung' verurteilt.Da» Urteil erscheint ganz unhaltbar! Wir nehmen an, daß diehöhere Instanz es aufheben wird.Hundert Millionen Ueberschust.In der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses macht« derMinister v. Breitenbach die Mitteilung, daß der Rtzinüber,