GewerhrcbaftUchce.Die Bauunternehmer zu den Simgungs-vorschlagen.Auf der Konferenz der Bauunternehmer in Leipzighat es sicher größere Schwierigkeiten gemacht, bis ein Beschlußüber die Einigungsvorschläge der Unparteiischen gefaßt werdenkonnte. Obgleich vereinbart war, daß bis 9 Uhr abends demReichsamt des Innern das Abstimmungsresultat der Parteienzugehen sollte, lief dort doch erst kurz vor 10 Uhr abends vonden Unternehmern die Mitteilung über die Annahme derVorschläge ein. Die Unternehmer hatten folgende Resoluttongefaßt:„Der Deutsche Arbeitgcberbund sieht in den von den Un-parteiischen gemachten Vorschlägen keine die Arbeitgeber voll be-sriedigende Lösung der Tarifabschlußfragen. In Anbetracht dessenaber, daß die gewählte Form einen Fortschritt auf dem Wege zumerstrebten Reichstarif bedeutet und die vorgeschlagene Lösung desHauptvertrogcs und der Lokalverträge aus den protokollarischenErklärungen und Erläuterungen erhoffen läßt, daß der von denArbeitgebern erstrebte dreijährige Friede tatsächlich gewährleistetwird, erklärt er sich mit den Vorschlägen einverstanden. DieVersammlung nimmt die Vorschläge der Unparteiischen an unterder ausdrücklichen Voraussetzung, daß sie auch von den Arbeit«nehmern bedingungslos angenommen werden."Mit der Annahme des Vertragsmusters der Unparteiischenist der erste Teil der Tarifbewegung beendet. Der zweite Teilbeginnt nun mit der Festsetzung der Löhne an den einzelnenOrten und bei Zulassung der Akkordarbeit mit der Aufstellungvon Akkordtarifen.Bekanntlich haben die Bauarbeiter beim letzten Tarif-abschluß und während der Zeit der Krise wenig oder keineLohnerhöhungen bekommen. Der Lebensunterhalt ist aber inder Zeit gewaltig verteuert worden. Es wird also hier vonder Einsicht der Unternehmer abhängen, die berechtigtenForderungen auf Lohnerhöhung für die Arbeiter anzuerkennen.Daran wirds bei den Unternehmern oftmals hapern. DieFestsetzung der Löhne wird also nicht so glatt gehen.Kommt keine Einigung in der Lohnfrage örtlich zustände,so entscheidet das Tarifschiedsgericht, das zu gleichen Teilenaus Unternehmern, Arbeitern und Unparteiischen zusammen-gesetzt ist.Erst nach endgülttger Erledigung der Lohnfrage kanndann von einem Frieden im Baugewerbe geredet werden.Kerlin und Umgegend.Der Streik der Holzbildhauer bei der Firma Neumann u.B u n a r am Lausiher Platz stand in einer am Montag im Gewerk-schaftshause tagenden Branchenversammlung der Holzbildhauer zurErörterung. L a m p k a schilderte im Auftrage der Branchen-kommission die Entstehungsgeschichte des Konfliktes. Danach warendie Holzbildhauer schon im Frühjahr beim Einsetzen des besserenGeschäftsganges im Gewerbe bestrebt, in allen Betrieben auf diefeit Jahren konstant gebliebenen Lohnverhältnisse einzuwirken, umihre durch die gesteigerte Lebenshaltung ungünstig beeinflußtewirtschaftliche Lage zu verbessern. Es gelang auch in fast allenBetrieben, auf friedlichem Wege Lohnerhöhungen durchzusetzen.Bei der Firma Neumann u. Bunar war jedoch der Geschäfts.gang noch ein zu schleppender; erst Mitte April trat eine Besserungdarin ein, die sofort zum Vorgehen gegen die Firma benutzt wurde,um die dort noch außerordentlich niedrigen Löhne zu erhöhen.Anstatt die minimale Forderung einer Lohnerhöhung von S Proz.zu bewilligen, glaubte die Firma ihre Arbeiter verhöhnen zudürfen, denn nicht anders könne das gemachte Zugeständnis von2 Pf. Lohnaufschlag pro Stunde vom 1. Oktober d. I. ab aufgefaßtwerden. Die Arbeiter kamen um des lieben Friedens willen derFirma bis auf 3 Pf. für die Stunde per sofort entgegen. DieFirma lehnte es jedoch ab, darauf einzugehen. So kam eS am28. Mai zur Arbeitseinstellung der dort beschäftigten 12 Arbeiter.Da die Firma keinen Ersatz für die Ausständigen erhalten konnte,annoncierte sie nach kleinen selbständigen Holzbildhauern, die dieAusführung der Arbeiten in eigener Werkstatt übernehmen sollten.Hilfsbereit sprangen auch einige solcher Küchenkrauter der Firmabei. Es legten dieserhalb auch die bei dem HolzbildhauermeisterKühnemund beschäftigten drei Arbeiter die Arbeit nieder.während es den beim Meister Renner beschäftigten Arbeitern ge»lang, ihren Arbeitgeber zur Zurückgabe der Streikarbeit zu der-anlassen. Dahingegen haben es der Kleinmeister Bergmann inder Oranienstraße, der Bildhauermeister Kämpf und der Bild-Hauermeister Breitkopf in Rixdorf, ein besonder« frömmelnderchristlicher Bruder, der zudem durch seine Lehrlings„ausbildung"eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. vorgezogen, den Ausständigenin den Rücken zu fallen. Alle Versuche der Streikleitung, dieseHerren von ihrem Tun abzubringen, scheiterten an dem bei ihnenausgeprägten Mangel an Solidaritätsgefühl. Aber trotz Dieser„Rausreitzer" wird die Firma Neumann u. Bunar ihre aus-ständigen Arbeiter nicht lange entbehren können. Schon amMontag machte sie den erneuten Versuch einer Verständigung mitdenselben. Sie erklärte sich bereit, die 2 Pf. Zulage proStunde nunmehr sofort zu zahlen, doch war auchdieses Zugeständnis zu gering, um die Zustimmungder Arbeiter zu finden. Bei dieser Verhandlunggaben die Firmeninhaber ihrer Entrüstung über die an diesemTage im„Vorwärts" erschienene Notiz über den Streik in heftigenWorten Ausdruck. Man müsse sich darüber wundern, meinte derReferent, welche Rücksichtnahme die gegen ihre Arbeiter so rück-sichtslos vorgehende Firma von ihren Arbeitern im Kampfe er-wartet. Die Diskussionsredner waren sich allesamt einig in derVerurteilung des Verhaltens der Firma Neumann u. Bunar, wäh-rend das Vorgehen der streikenden Arbeiter allgemeine Sympathieund Anerkennung fand.Buchbinder, Etuisarbeiter, Galanteriearbeiter und Arbeite-rinnen! Die Firma H. Büchner. Apparate- und Maschinenbau,Belle-Alliancestr. S6. ist wegen Reduzierung der Akkordprcise biszu 33% Proz. gesperrt._ Die OrtSverwaltung.Achtung» Steinarbeiter und Bauarbeiter aller Berufe!Die Firma Gebr. Friesecke, Kunststeinfabrik, hat sich immernoch nicht entschließen können, in ein TarifvertragsvcrhältniS mituns zu treten, obgleich die angeblichen Differenzpunkte im Jnter-esse eines friedlichen Abschlusses der Bewegung von uns beseitigtwaren. Bestärkt wird die Firma in ihrem Verhalten durch«ineAnzahl Streikbrecher, mit deren Hilfe sie imstande ist, die not-wendigsten Arbeiten fertig zu stellen. Wir weisen erneut daraufhin, daß sämtliche Steinmetzarbeiten der Firma Gebr. F r i e s e ck egesperrt sind, und bitten sämtliche Bauarbeiter, zur Wirksamkeitder Sperre beizutragen. Zweckdienliche Meldungen sind zu richtenan das Verbandsbureau, Seydelstr. 30.Zentralverband der Steinarbeiter Deutschland«. OrtsverwaltungBerlin.Achtung, Töpfer! Herr Töpfermeister Heideck, welcher wegenNichteinhaltung de» TarifeS und Beschäftigung von Wilden ge-sperrt werden mußte, verlangt im„Vorwärts" die Erklärung, daßer keine Wilden beschäftige, sondern daß der Bauherr diese ein-gestellt und er, Heideck, mit dem Bau nichts mehr zu tun habe.Hierzu haben wir zu erklären: Entweder ist die HeideckscheErklärung unrichtig, oder der Herr arbeitet nun selbst als Arbeiterauf dem Bau und ist demnach ebenfalls Sperrebrecher, denn erhat am letzten Sonnabend, den 4. Juni, wieder die Löhne an dieTöpfer ausgezahlt und auch noch nach Verhängung der Sperre vondem Töpfermeister Nietzel vom Nebenbau Kachelzeug für dengesperrten Bau besorgt.Die Firma bleibt selbstverständlich gesperrt, und somit derBau Carmen-Shlvastraße, Ecke Straße 32s, BauunternehmerUteg u. Miecicki.Weiter geben wir bekannt, daß sich die Kollegen des Jnnungs-bezirks Alt-Landsberg in der Lohnbewegung befinden. Bei eini-gen Firmen stehen schon Differenzen bevor. Die Kollegen seiendeshalb davor gewarnt, im dortigen Jnnungsgebiet in Arbeit zutreten. Etwaige Anfragen und Auskünfte darüber im BerlinerFilialbureau, Gewerkschaftshaus, Engelufer 15, Zimmer 5g. Tele-Phon Amt 4, Nr. 9837. In Frage kommen die Orte an und umder Ostbahn bis Dahmsdorf, an der Wriezener Bahn bis Wer-neuchen, und Herzfelde und Rüdersdorf.Zentralverband der Töpfer und Berufsgenossen Deutschland«.Oeutlches Reich.Der Bnchbinderverband im Jahre 190S.Aus dem Bericht des Buchbinderverbandes für das verflosseneJahr geht hervor, daß dieser Verband zu den auserwählten ge-hört, die während der verflossenen Krise und ihrer Nachwehennicht nur keinen Verlust, sondern einen ansehnlichen Gewmn zubuchen hatten. Schon während des schlimmsten Krisenjahres, alsviele Gewerkschaften an Mitgliedern verloren, gewann der Buch-binderverband über 350 neue, und 1809 kamen weitere 1597 hinzu, so daß er am Schlüsse 1909 im ganzen 23 914 Mitgliederzählte, darunter 10 228 weibliche, die sich auf 110 Zahlstellen ver-teilen. Eingetreten sind im letzten Jahre 4727 weibliche und 3560männliche Mitglieder. Die gesamten Einnahmen des Verbandesbelaufen sich auf 534 857,03 M.(ausschließlich der Lokalkassen).Das find 46 509,19 M. mehr als 1308. Von dkn Ausgaben ent-fallen die meisten auf die Arbeitslosenunterstützung, nämlich für3858 Personen mit 117136 Tagen 126942,77 M. Ferner wurdegezahlt an männliche Mitglieder zum ersten Male Krankenunter-stützung, und zwar insgesamt an 4807 Mitglieder für 116 099Tage 71223,90 M., an die weiblichen Mitglieder wurden bezahltan 2244 Personen für 64 381 Tage 29 921,90 M. Für Streiksund Lohnbewegungen, Aussperrungen usw. wurden ausgegeben16 539,71 M., für Gemaßregeltenunterstützung 5321,70 M.. fürRechtsschutz usw. 282,07 M., Umzugsunterstützung 2937,50 M., fürHinterbliebenenunterstützung 2616 M., insgesamt(ohne Streikausgabe) 210 237,94 M. an Unterstützungen der Mitglieder, das sind45,7 Proz. aller Einnahmen. Schließlich wurden ausgegeben fürAgitation 15 415,91 M., für Unterrichtskurse an zwei Kollegen344,60 M., für Verwaltungskosten persönlicher Art 35 448,84 M..sächlicher 9762,89 M. An die Generalkommission zahlte der Ver-band 3122,40 M., für den schwedischen Generalstreik 3000 M., die�Buchbinder-Zeitung" kostete 1909 30 386.91 M. Das Gesamtver-mögen betrug am Jahresschlüsse 549 474,89 M. oder pro Mitglied24,29 M.Der Bericht nennt das finanzielle Ergebnis des JahreS be-friedigend:„Konnte doch das Vermögen des Verbandes, soweit eSdie Zentrale als solche anbelangt, von 225 665,44 M. auf 385 526,92Mark erhöht werden, was eine Zunahme von 159 861,48 M. be-deutet. Dazu die Lokalkassen mit 30 000 M."Von greifbaren Erfolgen zählt der Bericht eine ganze Anzahlauf; u. o.: 4942 Mitglieder waren au den Lohnbewegungen(fünfStreiks in 43 Orten) beteiligt, 4099 davon erreichten ihre For-derungen ohne Streik, dabei wurden für 3420 Personen Tarif-Verträge abgeschlossen. Es wurde, wie an Tabellen illustriertwird, erreicht eine Verkürzung der Arbeitszeit für1374 Personen uni 2710 Stunden pro Woche, eine Lohn-erhöhung für 2921 Personen um 2148 Mark pro Woche.Ferner wurden abgewehrt Lohnkürzungen bei 42 Personen, Ver-schlechterung der Arbeitsbedingungen bei 62 Personen. Die Ge-samtausgabe dafür betrug 15 164 M. In den letzten fünf Jahrenhat der Verband den Mitgliedern erkämpft eine Verkürzung derArbeitszeit um 1 020 188 Stunden und eine Lohnerhöhung von845 260 M.. davon für 1909 140 920 Stunden und 111696 M. Für1674 Betriebe mit 20 982 Personen sind jetzt Tarife abgeschlossen.In den nächsten Tagen tritt in Erfurt der 11. Verbandstagdieses Verbandes zusammen, der sich u. a. beschäftigen wird mitdem weiteren Ausbau des Unterstützungswesens(Einführung einerInvaliden unter stützung), mit der Organisation derLehrlinge und jugendlichen Arbeiter, denen eine Beitragsklasse ge-öffnet werden soll, mit der Frage der eventuellen Gründung eine?graphischen Jndustrieverbandes. Im Anschluß an den Verbands-tag. der vom 13. bis 20. Juni tagen wird, findet die zweite i n t e r.nationale Konferenz der Buchbinderverbände statt. Jnzwi-schen hat das neue Jahr wieder neue Erfolge gebracht. DieMitgliederzahl ist inzwischen um weitere 1200 gestiegen, so daß derVerband im 25. Jahre seines Bestehens rund 25 000 MitgliederZählt._Achtung, Former! 23 Former der Firma Komnick in Elbingsind wegen Akkordabzüge in den Streik getreten. Zuzug ist fern-zuhalten. Arbeiterblätter werden um Abdruck gebeten.Tiusland.Drohender Eisenbahnerausstand in Frankreich.Dem„Petit Parisien" zufolge steht ein großer Ausstand derEisenbahner, speziell der Eisenbahner der Nordbahnen, bevor. DieLokomotivführer und Heizer dieser Gesellschaft haben sich in einerMassenversammlung zugunsten dieses AusstandeS geäußert. Ein Aus-schuß der Angestellten, der Lokomotivführer und Heizer ist von derDirektion der Nordbahnen empfangen worden. Die Deputierten unter-breiteten ihre Forderungen und Wünsche. Unter diesen Forderungenbefindet sich als wichtigste an erster Stelle eine namhafte Lohn-erhöhung. Die Direktion hat schroff und ohne sich inUnterhandlungen einzulassen, diese Forderungen der Eisenbahnerrundweg abgelehnt. Die Pariser Gruppe der Eisenbahner hielthierauf sofort eine Sitzung ab. in welcher nach erregter Debattemittelst verdeckter Stiumizertel der Ausstand befürwortet wurde.Sierauf wurde die Einstellung der Arbeit einstimmig beschlossen. Dietreikleiter wurden bcaufttagt, das Datum für das Inkrafttretende? AusstandeS festzusetzen. Andererseits beabsichtigt der Verbandder Lokomotivführer und Heizer, den Gesamtausstand der Eisen-bahner zu betreiben.Es wurde ferner beschlossen, daS nationale Syndikat derEisenbahnangestellten solle ersucht werden, sich gegebenen Fallesdem Ausstand anzuschließen. Nach Beendigung der Versammlungzogen etwa 1500 Bahnangestellte vor den Nordbahnhof ünd sangendort die Internationale. Die Manifestanten wurden durch Schutz-leute auseinandergetrieben._Agitation der römischen Bildhauer.Rom, den 4. Juni 1910.(Eig. Ber.) Die römischen Bild-Hauer haben eine Agitation gegen die gesundheitsschädlichen pneu-matischen Hämmer eingeleitet. Bei dieser Bewegung steht ihnenals mächtiger Schutz eine Enquete des Reichsarbeitsamtes zurSeite, aus ver hervorgeht, daß für einen Teil der Arbeiter derGebrauch des pneumatischen Hammers in hohem Matze erschöpfendund aufreibend ist. Di« Bildhauer haben daher alle die Werk-stätten boykottiert, die diese Hämmer verwerten.Mett der vereine und Organisationengegen die Cuitbarlleltsiteuer.Die vom Berliner Magistrat in Vorschlag gebrachte Lustbar-keitssteuer hat in den Kreisen der Interessenten allerArt. namentlich auch der V e r ei n e und Organisationen,die davon betroffen würden, gewaltige Entrüstung hervorgerufen.Das konnte man gestern abend in der öffentlichen Pro-te st Versammlung gewahr werden, zu der sich die Vorständevon Organisationen, Vereinen und Korporationen der verschieden-sten Art in FrdherS großem Saal zusammengefunden hatten.Der Stadtverordnete Hugo Heimann referierte und be-leu'chtels best Mgeheüerli'chen Plan b>S Magkflra!« nach afftnSeiten. Der Redner zeigte, wie diese Vorlage, die den Stadtver-ordneten ohne jede Begründung zugestellt wurde, neben allemanderen auch die Kunst- und Bildungsbestrebungen auf dasschwerste treffen muß, so daß sie eminent kulturfeindlich wirkenmuß. Geht dies doch sogar so weit, daß, wie der Obcrbürger-meister Reicks dem Redner gegenüber erklärte nach dem Wort-laut der Vorlage auch die Ausstellungen für künstlerischen Wand-schmuck im Gewerkschaftshause, die bestimmt sind, die geschmack-losen Oeldrucke und dergleichen Schund aus den Wohnungenzu verdrängen, von dieser Steuer betroffen würden. Daßdie Steuer viele Lokalbesitzer ruinieren muß, daß die Vergnügun-gen und sonstigen Veranstaltungen aus Berlin nach den Vorortenverdrängt werden, die sich dann natürlich um so mehr hüten wer-den, dem abschreckenden Beispiel Berlins zu folgen, legte derRedner ebenfalls ausführlich dar. Er schloß seinen inhaltreichenVortrag mit den Worten, daß die sozialdemokratische Fraktionalles aufbieten werde, damit dieses Scheusal einer Steuervorlageauf Nimmerwiedersehen verschwinde, daß aber, wenn dieseKämpfe Erfolg haben sollen, sie von einem Sturm der EntrüstungauS den Kreisen der Interessenten unterstützt werden muß.—Nach dem Vortrag, der lebhaften Beifall fand, kamen in großerZahl die Vertreter der verschiedenen Vereine und Interessenten-gruppen zum Wort und legten, jeder in seiner Weise, dar, welcheungeheuerlichen Folgen diese Vorlage haben muß, wenn sie wirklichdurchgeführt werden sollte. Der Besitzer eines Kinemato-graphentheaters wies zahlenmäßig nach, wie der größteTeil der Unternehmungen gänzlich ruiniert werden muß, weil inmanchen Fällen die Steuer, die der Magisttat verlangt, kaum durchdie nackten Einnahmen zu decken sein wird. Da kann man eS ver-stehen, wenn der Mann die Vorlage„blödsinnig" nannte.Ein Vertteter der Zivilmusiker schilderte, wie in dem Beruf,dessen Angehörige so schon hauptsächlich infolge der Schmutz-konkurrenz durch die Militörmusik am Hungertuche nagen müssen,in vielen Fällen erst recht gründlich um ihre armselige Existenzgebracht werden, weil ja die Vereine und Gesellschaften, die ihnenjetzt noch Verdienst bieten, wegen der Steuer auf ihre Mitwirkungverzichten. Dr. Markwald, stellvertretender Vorsitzender der„Neuen freien Volksbühne", berechnete, daß dieses Kunst- und Bil-dungsinstitut allein für das kommende Finanzjahr mit einerSteuersumme von 108 000 Mk. zu rechnen hätte, wenn die Vorlageangenommen werden sollte, und von der„Freien Volksbühne" be-rechnete er die Steuer für jede Vorstellung auf 110 Mk. Ver-glichen mit der Tatsache, daß die Wiener Freie Volksbühne von derösterreichischen Regierung eine Subvention von jährlich 3000 Kronenerhält, die demnächst noch erhöht werden wird, erscheint das Vor-gehen des Magisttats von Berlin um so schmählicher.Von kleinen Theatervereinen sprachen mehrere Ver-treter ihre Erbitterung darüber aus, daß ihr Streben, den ärmstenLeuten für billigstes Geld eine Vorstellung zu bieten, ihnen reinunmöglich gemacht werden soll. Von der Bühnengenossen-schaft wandte sich der zweite Vorsitzende, Herr Holthaus.im Interesse seiner Kollegenschast wie der Theatcrunternehmungcn,die auch Bildungsinstitute sein wollen und sollen, ganz entschiedengegen den Plan deS Magisttats, der die so wie so schon zum größtenTeil schver um ihre Existenz ringenden Schauspieler und auchdie Direktoren ihr Dasein noch weit mehr als je in Gefahr bringenmuß. Ebenso schilderten für ihre Bcrufsgruppen P o e tz s ch vomGastwirtsgehilfenverband, L i t f i n von der Gastwirtsorganisationund andere, wie die Interessen ihrer Kollegenschaft aufs Spiel ge.setzt werden, wenn der Magistrat mit seiner Vorlage Erfolg habensollte.Die Versammlung nahm dann einstimmig folgendeResolution an:Die Versammlung erhebt den entschiedensten Pro-t e st gegen die vom Magisttat Verlin der Stadtverordnetenver»sammlung unterbreitete Lustbarkeitssteuervorlage. Die Ver-fammlung erblickt in dieser Vorlage eine unermeßliche Schädi.gung aller künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturellen Be-strebungcn, wodurch besonders die ärmeren Schichten der Be-völkerung schwer getroffen werden. Die Vorlage ist, falls sieAnnahme finden sollte, geeignet, die Existenzen interessierterKreise in hohem Grade zu schädigen und sie völlig dem Ruinpreiszugeben. Die Versammlung erwartet daher von der Stadt.verordnetcnversammlung die einmütige Ablehnung dieser ae-meinschädlichcn Vorlage."Es wurde sodann ernp Kommission gewählt, die da« Materialgegen die Magistratsvorlage sammeln und zu einer Denkschriftverarbeiten soll. In der Kommission sind folgende Organisationenund Interessengruppen vertteten: Die beiden freienVolksbühnen, die Bühnengenossenschaft, die Ge-s a n g v e r e i n e, die O r g a n i s at io n e n der Gastwirte,der Verband der G a st w i r t S g e h i I f e n, die Gewerk.schuften im allgemeinen, die Rauchklub S. die Kinemato-g r a p h e n b e f i tz e r. die Musiker, die T a n z m e ist e r. derRadfahrerbunÄ und die sozialdemokratischePartei.Letzte JVacbncbten und DcpcFcbcn.Vom Blitz getötet.Bebburg a. Rh. 7. Juni.(W. T. B.) Bei einem heftigen,mit Hagelschlag verbundenen Gewitter wurden drei Fcldarbciterbeim Mähen vom Blitz getroffen. Einer war sofort tot, diebeiden anderen waren betäubt.— In Torisdorf fuhr einBlitzstrahl in ein HauS und tötete ein auf Besuch dort weilendesjunges Mädchen.Opfer seines„Berufs".Metz, 7. Juni. Generalmajor Rummelsbacher, Kam.mandeur der 67. Jnfanteriebrigade, stürzte bei einer Truppen.besichtigung auf dem UebungSplatz Elsenborn so unglücklich, daß erinfolge der dabei erlittenen inneren Verletzungen gestorben ist.Judenverfolgung.Petersburg, 7. Juni.(B. H.) Nach einer Meldung auSPetersburg müssen die aus Kiew ausgewiesenen und inDarniza übergesiedelten Juden laut polizeilicher Anweisungletzteren Ort binnen 4 Tagen wieder verlassen.Eine Brandkatastrophe.Bialobrzegi(Gouv. Radom), 7. Juni.(W. T. B.) Bei einerFeuersbrunst, welche die Synagoge und sechzig Häuser zerstörte,sind vier Personen umgekommen. Acht haben schwere Brand-wunden erlitten.Die Erdbebenkatastrophe in Süditalien.Potenza, 7. Juni.(W. T. B.) Im Dorfe San Felewurden, wie über das Erdbeben weiter gemeldet wird, vierHäuser zerstört und zwei Personen leicht verletzt. In der Nähedieses Dorfes stürzte ein Haus ein und begrub fünf Personenunter seinen Trümmern. Das Gefängnis in Melfi droht ein-zustürzen.Berantw. Redakt.: Richard Barth. Berlin. Inseratenteil uetanto,; rtz. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärt« Buchdr.u.verlagSanftalI Paul Singer Sc Co., Berlin L�V. Hierzu 3 Leilaoe««.Unterhaltung««.