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St. 131. 27. ZahrglMg. Mlsolh. 8. Iuui 1910. Hbgcordnetenbaus» 80. Sitzung vom Dienstag, den 7. Juni, nachmittags 1 Uhr. Um Ministertische: Freiherr   v. Rheinbaben. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Gesetzentwurf Be» treffend die Erhöhung der Krondotatio». (Erhöhung der Zivilliste und Zuschuß zu den königlichen Theatern.) Wg. v. Hcydebrnnd(!.): Meine politischen Freunde werden ausnahmslos für die Vorlage stimmen. Wir sehen aus der Begründung, daß die Forderung in Anbetracht der Verhältnisse voll begründet ist und halten auch eine 5kommissionSberatuug für überflüssig.(Bravo  ! rcchls.) Abg. Fricdberg(natl.): Für uns handelt eS sich lediglich darum, zu prüfen, ob das Bedürfnis für eine Erhöhung der Krondotation vorliegt oder nicht. Wir glauben, diese Frage bejahen zu müssen. Daß die Lebensverhältnisse überhaupt teurer geworden sind, hat daS HauS selbst durch die Erhöhung der Beamtengehälter anerkannt. Such daß die königlichen Theater bedeutend höhere Auf« Wendungen erfordern als früher, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Höhe der geforderten Summe scheint uns ausreichend begründet zu sein. Um aber jeden Zweifel darüber auszuschließen, ob diese Erhöhung notwendig ist, beantragen wir die Ueberweisung der Vor- läge an die Budgetkommission.(Bravo I bei den Nationalliberalen.s Abg. Fischbcck(Fortschr. Vp.): Die Beratung der Vorlage im Kreise meiner Freunde hat ergeben, daß auch wir anerkennen, daß gewisse Momente dafür sprechen, daß in eine Erhöhung der Krön- dotation eingetreten wird. Ob die Vorschläge im einzelnen daS Richtige treffen, kann noch Zweifeln begegnen. Was die Erhöhung der Subvention für die königlichen Theater anbetrifft, so meinen wir, daß daS Parlament eine gewisse Kontrolle auch über den Betrieb der königlichen Theater gewinnen wird. Wir glauben, daß es durch- aus notwendig ist, diese königlichen Theater mehr«IS es viel­leicht in den letzten Jahren der Fall gewesen ist, dem Volke zur Verfügung zu stellen und volkstümliche Vorstellungen zu billigen Preisen zu veranstalten. Wir hoffen, daß, wenn das Parlament bei der Geldbewilligung mitzusprechen hat, sich auch Gelegenheit bieten werde, die Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Mir dem Vorredner halte ich eine Kommissionsberatung für notwendig. Einige meiner politischen Freunde haben sich heute noch nicht überzeugen können, daß daS vorliegende Material zur Begründung der Vorlage aus- reicht, wie wir uns überhaupt unsere Stellungnahme vorbehalten. (Bravo  ! bei der Fortschr. Bp.) Abg. Dittrich(Z.): Meine Freund» fiud bereit, die Vorlage zu bewillige«, und wir sind sogar der Meinung, daß bei der Klarheit der Sachlage eine Kommissionsberatung nicht notwendig sein wird. Wir werden uns aber dem Antrag der Nationalliberalen nicht wider- setzen.(Beifall im Zentrum.) Abg. Frhr.   v. Zedlitz(frk.): Meine Freunde halten die geforderte Erhöhung für notwendig und dringend und wären bereit/ für die Vorlage zu stimmen. Wir wollen aber auch einer KommissionS« Beratung nicht widersprechen in der Hoffnung, daß dadurch eine größere Einigkeit unter de« bürgerlichen Parteien erreicht wird. (Bravo l rechts.) Abg. Hoffman»(Soz.): Sie werden es wohl begreiflich finden, wenn ich w das all- gewein« Harmoniekonzert, das wir eben gehört haben, nicht ein- stimmen kann. Ich fteue mich im übrigen, heute ein so gut besetzte? Haus vorzufinden und hoffe, daß daS auch künftig bei den Debatten über Regelung von Arbeiterlöhueu der Fall fein wird.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Die Vorlage läßt an Kürze, Klarheit und llebersicht wirtlich nicht? zu wünschen übrig. Hier hat einmal die Regierung»olle Arbeit gemacht. Die Vorlage und die Bc- gründung ist kurz aber inhaltreich.(Heiterkeit.) Zu den jetzigen 16 719 296 M. sollen 3'/g Millionen hinzutreten, sodaß künftig die Zivilliste 19 219 286 M. betragen wird. Interessant ist vor allem die Art der Einbringung der Vorlage. Die vertraulichen Besprechungen haben im Volke die größte Mißstimmung erweckt. Selbst die.Post' hat zu der Borlage geschrieben:.Daß die Forderung einer be- g kleines feuiUeton. Sin Preisausschreibe» für Chorkompesitioneu hat die Leitung des Reichsverbandes der Arbeitergesangveretne Oesterreichs   am 1. April dieses Jahres erlassen. Die Bedingungen des Ausschreiben« lauten: 1. Zur Annahme gelangen Komposittonen für Männer» und gemischten Chorsatz. 2. Borzug erhalten Chorkompositionen einfacherer Faffung mit freiheitlichem, gutem Text sund mit nicht zu tiefer und nicht zu hoher Tonlage. S. Chorkompositionen mit außerparteilichem Text finden, falls sie den sozialdemokratischen Prinzipien nicht entgegengehalten find. Annahme. 4. Auch finden Cborkomposittonen mit kleinbesetzter, einfacher Orchesterbeglciwng Annahme. Druckreife KlavierauS- züge sind beizulegen. 5. Ein Komponist kann gleichzeitig mehrere der eigenen Chor- kompositionen einsenden. 6. Sämtliche Einsendungen dürfen noch nirgends auf- «führt worden und noch in keinem Verlag erschienen sein. 7. Unvollendete, nur skizzierte, unleserliche und textlose Kom- Positionen sowie unfrankierte Zusendungen werden nicht berücksichtigt. S. Die Kompositionen haben zur Prüfung nicht den Komponisten- namen, sondern ein selteneres Kennwort oder einen solchen Leit- spruch mit einer Zahl zu tragen.... g. Die für den Verlag gewählten Komposittonen gehen durch guten Ankauf mit allen Rechten in das Eigentum des oben» erwähnten Verbandes über. 10. Einsendungen sind zu richten an den Verbandsarchivar Ludwig Gatterer. Wien   XVI., Liebhardtgasfe 26. 11. Schluß des EinsenduugStermin am 1. Juli 1910. 12. Falls keine Komposition entspricht, findet keine Wahl statt, sondern eine neuerliche Ausschreibung. 13. Die Einsendungen werden nicht retourniert. 14. DaS Wahlergebnis wird, sobald die Durchprüfung beendigt ist, in diesem Blatte(.Oesterreichische Arbeiter-Sängerzeitung". Wien  ) bekanntgegeben werden. Chile   als Erdbebenlaud. Der Kreis der Erdbebenstationen schließt sich allmählich um die ganze Erde zusammen. Diese Eut- Wickelung ist von größter Bedeutung für die Ausklärung der Erd- beben überhaupt. Ob man dann auch allmählich zu eiuer Bor- aussage vvn Erdbeben gelangen wird, das ist freilich noch un- sicher. Jetzt endlich hat sich zu planmäßiger Teilnahme an der Erdbebenforschung ein Land entschlossen, das diese Aufgabe eigentlich schon längst hätte erfüllen müssen, weil es von solchen Natur- ereignissen besonders häufig und schwer bettoffen wird, nämlich die südamerikanische Republik Chile  . Nach einer Mitteilung des.Kosmos' hat Chile   jetzt einen besonderen seismologischen   Dienst eingerichret und einen der hervorragendsten Erdbebenforscher der Gegenwart, den französischen   Grasen Montessus de Ballore, für dessen Leitung gewonnen. Bis jetzt sind Beobachtungsstationen zwischen Takna und den Süd SchetlandZ-Jnseln eingerichtet worden, also auf einer Strecke von etwa 6000 Kilometern im Meridian. An 430 verschiedenen Orten sind 660 Beobachter trächtlichen Erhöhung der Zivilliste im gegenwärtigen Augenblick vom politischen Standpunkt aus nichts weniger als erwünscht er- scheint, unterliegt keinem Zweifel. Die agitatorische Aus- Nutzung dieser Erhöhung der Zivilliste wird sich die Sozialdemokratie nach Möglichkeit angelegen sein lassen Wir wären ja Narren, wenn wir es nicht täten. Das ist im Hin- blick auf die bevorstehenden Rcichstagswahlen zweifellos schädlich. Es wäre daher im Interesse der Krone selbst sicher sehr viel besser, wenn zurzeit von eiuer Erhöhung der Zivilliste Abstand genommen würde.' Zum Sibluß heißt es dann, daß die in den Beratungen der Vertrauensmänner oder Fraktionen von der Negierung bei- gebrachten Daten keinen Zweifel darüber gelassen hätten, daß die Erhöhung dringend notwendig sei. Wenn hier von beigebrachten Daten die Rede ist, so sind solche in der Vorlage nicht zu finden. Wenn sie lediglich im vertraulichen Zirkel bekannt gemacht worden sind, so ist das ein Verfahren, das mit der Verfassung in Wider- spruch steht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Zuerst be- absichtigte man sogar, die Vorlage ohne Kommissionsberatung an- zunehmen. Ich glaube, daß die Nationalliberalen zu ihrem Antrag aus Kommissionsberatung nicht in letzter Linie durch die in Aussicht stehenden Rcichsiagswahlen veranlaßt wurden.(Sehr wahrt bei den Sozialdemokralen.) In übrigen sind»ach der Verfassung alle Ab- geordneten gleich zu behandeln. Wir mögen Ihnen unbequem sein, aber wir haben die gleichen Rechte zu beanspruchen und des- halb müssen wir uns entschieden gegen solche vertraulichen Besprechungen verwahren. Die Regierung hat vor dem ganzen Hause oder in der Kommissionsberatnng den Nachweis der Notwendigkeit der Vorlage zu erbringen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der nationalliberale.Hamburgische Korrespondent' schrieb:Es liegt in der geheimen Sondierung der Parteien etwas einer starken Regierung Unwürdiges'. Sehr richtig schrieb der.Hannoversche Volkswille': Die geflissentliche Umgehung der sozialdemokratischen Abgeordneten und ich kann wohl annehmen, auch der Polen   und Dänen ist gleichbedeutend mit eiuer geringschätzigen Bciseiteschiebung jener breiten Volksmassen, die hinter der Sozialdemokratie stehen'.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokr.) Auch die Eile, mit der diese Vorlage beraten wird, muß vor dem Hause festgenagelt werden. Die Vorlage war dem Hause noch gar nicht zugegangen, als die bürgerlichen Fraktionen schon ihre Verhandlungen abhielten, und eS ist sogar ein Schweigegebot ergangen, damit über die Verhandlungen nichts in die Oeffentlichkeit drrngl. Geglückt ist das ja nicht. Daß die freisinnige Bolls- Partei dabei mitgemacht hat, wird ihr bei den kommenden Wahlen sehr unbequem werden. Als 1839 Bismarck   eine solche Erhöhung beantragte, stimmten noch neun Freisinnige dagegen; diesmal wird sich wohl die Zahl auf zwei vermindern.(Zurufl) Auf einen hoffe ich jedenfalls bis jetzt noch.(Heitcrleit.) Sonnabend nach- mittag erhielten wir die Vorlage und heute wird sie bereits ver« handelt. Bei der Einlösung des Versprechens einer Fonentwicke« lung des Wahlrechts hat man es nicht so eilig gehabt. Man fürchtet in diesem Falle wahrscheinlich die unangenehme Kritik, die Bewegung im Volke gegen diese abermalige Bewilligung von 3V, Millionen. Derselbe Ministerpräsident, der es nicht fertig gebracht hat, auch nur ein organisch fortentwickeltes Wahlrecht, das die Krone als wichtigste Aufgabe der Gegenwart bezeichnet hat, durchzusetzen, wagt es, kaum acht Tage nach der Berscharrung der Wahlrechtsmißgeburt an das Volk diese geradezu ungeheuerliche Zu- mutung zu stellen nach dem Motto: Steuern zahle» Maul halteu. Schon vor zwei Jahren war davon die Rede, die Zivilliste um eine Million zu erhöhen. Aber eS kam nicht zu der Vorlage; die einen behaupten, weil die Absicht zu ftüh ans Tageslicht gekommen war, die anderen, weil einige Sozialdemokraten in dieses Haus eingezogen waren. Damals verwies dieKölnische Volks- zeitung' darauf, daß der alte Kaiser Wilhelm   mit 12'/« Millionen ausgekommen sei. Sein Enkel beziehe über eine Biertelmilliarde. Sie schrieb:.Wenn unsere Hofhaltung weniger prunkvoll und kost- spielig wäre, s» wäre das kein Schade, schon wegen des ton- angebenden Beispiels. Die recht kostspielige kaiserliche Sommerfrische auf Korfu   sprach am beredtesten gegen den Plan. Aber man erinnert sich auch der Seltenheit und der Schlichtheit der Reisen des alten Kaisers und der Ansicht, daß die Abwesenheit des Herrschers vom Sitze der Politik ihr tätig, die während de« letzten halben Jahren 740 ver- schieden« Erderschütterungen nachgewiesen haben. Dieses Ergebnis zeigt, daß Chile   als Erdbebenland kaum hinter Japan   zurück­steht, welche« in dieser Hinsicht am meiften zu leiden, dafür aber auch am frühesten eine regelmäßige Erdbebenforschung eingeführt hat. In der Hauptstadt von Chile   ist noch ein besonderer Apparat aufgestellt worden, der durch elektromagnetische Wellen beeinflußt wird und dazu dienen soll, Warnungen vor herannahenden Erdbeben zu erteilen. Diese Anlage<ist die erste ihrer Art, und von ihrer Bewährung wird daher die Entscheidung zunächst abhängen, ob eine Voraussage von Erdbeben in dem angedeuteten Sinne möglich ist oder nicht. Sonst werden als Erdbebenapparate solche von deutschem und japanischem Muster verwandt. Humor und Satire. Schweigegold. Emst hielt er Reden unbedenklich voll hochpolitischer Tendenz. bis man ihn merken licB,_ man fänd'S mitunter doch etwas verfänglich. Man gab respektvoll zu verstehen, daß Reden freilich Silber sei, doch Schweigen Gold und stellt' ihm ftei� vom Silber künftig abzusehen. Er beugte sich dem Volkeswillen, er rang mit sich, gewann den Sieg, indem er ziemlich häufig schwieg, und dachte sich sein Teil im stillen. Und heute will er liquidieren laut Rechnung jenes Schweigegold. Heut' soll das Volk es hat'S gewollt sich untertänigst revanchieren. Da spricht wohl manch ein Widcrwill'ger, indes ein Seufzer ihm entfährt: Das Schweigen ist von hohem Wert, bei Gott, das Reden war viel bill'ger l Franz. Die blamierte Kosmologie. DerHalleh" hat sich als Falle y' und dieDrei Eisheiligen' haben sich als dieDrei Schweißheiligen' entpuppt. E r st e r K l a s f e. Zur LanMagSwahl erscheint ein Herr, der sich durch seine besonders erfreuliche Steuerqualität als der einzige Wähler erster Klasse in seinem Bezirk ausweist. Seine Stimme be­sitzt sonli: das erdrückende Uebergewicht. Der Wahlvorsteher, nur dem schuldigen Respekt im Beamtem antlitz. fragt ihn:Und wen wollen Sie zum Abgeordneten wählen?' Der Wähler: Mich selbst. Vor st eher: Sehr wohl. Nehmen Sie di! Wahl an! Der Wähler: Neel Vor st eher: Dann schreiten wir zum zweiten Mahlgangs Wen wählen Sie nunmehr? Der Wähler: Mich selbst. politisch MißhelligeS hat.' So hieß es damals in den Kreisen deS Zentrums. Heute will das Zentrum sogar ohne Kom missions- beratung der Erhöhung zustimmen. Mau sitzt eben jetzt wieder an der Rcgicrungskrippe, und da muß man sich lieb Kind machen. damit man nicht wieder gegangen wird. Zum mindesten hätte doch die Volkspartei diesmal verlangen müssen, ehe sie sich überhaupt auf die Verhandlungen über die Vorlage einließ, daß das Versprechen der Thronrede über die Fortentwickclung des Wahlrechts eingelöst wurde.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wer keine Rechte hat, muß auch die Pflichten ablehne». Wir sind der Ansicht, daß die jetzigen Bezüge der Krone nicht nur nicht zu niedrig, sondern viel zu hoch sind. Selbst in streng monarchistischen Kreisen ist man der Ansicht, daß sie die Spar- samkeit, die sie den Offizieren empfiehlt, selbst üben möchte. Präsident v. Kröcher: Ich nehme an, daß Sie unter Krone die Hofhaltung und die Beamten meinen, sonst würde ich Sie bitten müssen, die Person des Königs nicht in die Debatte zu ziehen. Abg. Hoffman»(Soz.) fortfahrend: Auf dem zweiten nationalen Arbeiterkongreß hat Herr v. B e t b m a n n H o l l w e g den Ar- beitern vier Grundpfeiler: Fleiß, Gottesfurcht. Nüchtern- h e i t und Zufriedenheit empfohlen. Das letzte sollte er doch auch einmal nach oben empfehlen.(Sehr gut! bei den Sozialdemo« kraten.) Der Onkel unseres Monarchen, der König von England... (Präsident v. K r ö ch e r bittet erneut, die Person des Monarchen nicht in die Debatte zu ziehen.) Der König von England, dessen Land größer und reicher ist, mutz sich mit 10 860 000 M. begnügen. Bayern   zahlt nur 4 231 000 M., Sachsen   gar nur 3 410 000 M. Wir sind ja überhaupt Gegner einer solchen Zivil- liste. Unser prinzipieller Standpunkt ist: Wahl aller Staatsdiener durch das Volk, auch des ersten Dieners des Staates... Präs. v. Kröcher: Diese Bemerkung ist Hochverrat, ich rufe Sie zur Ordnung! Abg. Hoffmann(Soz.): Friedrich, der Große genannt, sagte ein» mal, der erste Diener des Staates bin ich. Daß das Hochverrat ist, habe ich nie angenom m� n, denn man hat mich das in der Schule gelehrt.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Präs. v. Kröcher: Um kein Mißverständnis aufkommen zulassen: Ich habe Sie doch nicht zur Ordnung gerufen, weil Sie den König den ersten Diener des Staates genannt haben, sondern ich halte es für Hochverrat, daß Sie verlangen, daß der erste Diener des Staates, also unser Monarch, durch das Volt gewählt wird. Abg. Hoffmanu(Soz.): Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, will ich nur fest- stellen, daß ich lediglich die Grundsätze, die ja in unserem Programm überall zu finden find, hier ausgesprochen habe. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Präsident v. Kröcher: Sie mögen Grundsätze in Ihrem Pro- gramm haben, welche Sie wollen, Sie dürfen aber hochverräterische Grundsätze nicht hier öffentlich von der Tribüne des Hauses kundgeben. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten. Rufe: Unglaublich I Abg. S t r ö b e l zu den Freisinnigen: Das lassen Sie sich gefallen? I) Abg. Hoffmann(Soz., fortfahrend): Wir wollen auch den ersten Staatsdiener durchaus nobel be- solden, aber entsprechend den übrigen Staatsdienern, und wir meinen, daß 15»/. Millionen zu viel sind. Man spricht mit Recht im Volke von der Zivilliste, derZuviclliste".(Heiterkeit.) Ich komme nun zur Begründung der Vorlage. Selten find in der Begründung einer Milliouensorderung so unglaubliche Argumente vorgebracht. Man erinnert an eine Verordnung vom 17. Juni 1820, durch welche dem Staat die Einkünfte aus den Domänen und Forsten überlassen wurden und der Krone dafür eine jährliche Rente von 7 719 276 M. gewährt worden ist. Die Krone ist jedenfalls bei dieser Abfindung nach damaligen Verhältnissen glänzend bezahlt. Aber selbst, wenn sie Opfer gebracht hätte, so wäre daS nur ihre Pflicht gewesen, angesichts der ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die das preußische Volk in den Jahren 1806 bis 1820 gebracht hatte für die Befreiung aus dem Morast, in den eine unfähige Regierung und ein vaterlandsloses Junkertum das preußische Volk geführt hatte. (Sehr wahr! b. d. Sozialdemokraten.) Wenn in der Begründung auf die steigenden Erträge der Domänen und Forsten hingewiesen ist, so ist dagegen zu bemerken, daß inzwischen auch die Zivilliste dreimal»m insgesamt 8 Millionen erhöht worden ist. Außerdem hat ja der Staat im Jahre 1820 1 80 Millionen' Taler Schulden übernehmen müssen, die durch die unglaubliche Mißwirtschaft in den Vor st eher: Nehmen Sie die Wahl an! Der Wähler: Nee l Vor st eher: Ich beraume also den dritten Wahlgang an und emeuere meine Frage. Der Wähler: Ich wähle mich selbst. Nachdem mir die Wählerschaft einstimmig ihr Vertrauensvotum dreimal ausgesprochen hat, sehe ich mich veranlaßt, die Wahl anzunehmen. _(.Lustige Blätter'.) Notizen. Eine verunglückte Vorstellung, die aber nicht uninteressant, ja sozusagen h i st o r i s   ch ivar, fand letzten Sonnabend in denAusstellungshallen am Zoo' statt. CS handelte sich um die kinematographicrte Vorführung der bis vor kurzer Zeit imDeutschen Theater" dargestellten komitragislben HarcmS- PantomimeS u« m u r ü n' von Freksa(Musik von Viktor Holländer). Die Vorstellung ist wie gesagt verunglückt, und sie mußte verunglücken. weil derBcwegungsschreiber'(Kinematogrnph) mit seinem zuckenden Licht noch immer ein so nnvollkommener Apparat ist. daß er zwar scharf umrisscne, zumal groteske Be- wegungen gut wiederzugeben vermag, aber nicht jene feinen Gesten, jene vielsagenden Schritte und Schrittchen eiuer Pantomime vom Schlage derSumurlln'. Dazu kommt, daß ja der Kinemato- graph von heute noch keine farbigen Bilder zeigt, daß er das Minen spiel der handelnden Personen nicht scharf genug erkennen läßt ganz zu schweigen davon, daß, wenn lebende Mimiker über die Bühne schreiten, tanzen, rasen, schleichen, uns auch ihre Beweg ungS-Geräusche allerlei zu sagen wissen, was durch das häßliche Rattern des kinematographischcn Apparats nicht ersetzt werden kann..... Trotzalledem war der Versuch interessant undhistorisch", weil früher oder später einmal der Kinematograph so verbessert sein dürfte, daß er Pantomimen, Balletts und dergleichen mit weit erfreulicherer Naturtreue wiedergeben wird als am Sonnabend im.Zoo'. Das Gros deS Publikums zeigte sich übrigens gegenüber dem doch immerhin diskutablen Experiment ebenso Verständnis- wie anstandslos. Wilhelm Velhaqen, Mitinhaber der bekannten VerlagsfirmaVelhagen und Älasiug"(Bielefeld   und Leipzig  ), ist in der Nacht von Montag aus Dienstag 6£p/z Jahre alt ge­storben. Der Kommerzien- und Stadtrat Wilhelm Velhagen war ein Sohn von A u g u st Velhagen, einem der Begründer des Hauses, da? seit 1835 besteht. Der Verlag gibt u. a. herausVelhagen und KlasingS Mouatsheste", AndreeSAllq. Handatlas der Erde  ' und andere Kartenwerke sowie allerlei Geschichts- und Kunstkram. Sehr verbreitet ist V. u. K.s Sammlung französischer und englischer Slbriftsiellcr, in neuerer Zeit auch die Sammlung deutscher Schulausgaben: Hilföbiicher für den meist öden und unfruchtbaren Sprachunterricht au Deutschlands  höheren' Schulen. O. Henry, ein amerikanischer Romanschriftsteller und Novellist, der mit seinem richtigen Namen Syney Porter hieß und der zweite Mark Twain  ' genannt wurde, ist am Montag gestorben. In den Nachrufen für Hcnry-Porter wird vor allem hervorgehoben. daß der gute Manu Honorare von anderthalb Mark pro Wort bezog....