St. 131. 27. ZahrglMg.Mlsolh. 8. Iuui 1910.Hbgcordnetenbaus»80. Sitzung vom Dienstag, den 7. Juni,nachmittags 1 Uhr.Um Ministertische: Freiherr v. Rheinbaben.Auf der Tagesordnung steht zunächst der Gesetzentwurf Be»treffend dieErhöhung der Krondotatio».(Erhöhung der Zivilliste und Zuschuß zu den königlichen Theatern.)Wg. v. Hcydebrnnd(!.): Meine politischen Freunde werdenausnahmslos für die Vorlage stimmen. Wir sehen ausder Begründung, daß die Forderung in Anbetracht der Verhältnissevoll begründet ist und halten auch eine 5kommissionSberatuug fürüberflüssig.(Bravo! rcchls.)Abg. Fricdberg(natl.): Für uns handelt eS sich lediglichdarum, zu prüfen, ob das Bedürfnis für eine Erhöhung derKrondotation vorliegt oder nicht. Wir glauben, diese Frage bejahenzu müssen. Daß die Lebensverhältnisse überhaupt teurer gewordensind, hat daS HauS selbst durch die Erhöhung der Beamtengehälteranerkannt. Such daß die königlichen Theater bedeutend höhere Auf«Wendungen erfordern als früher, ist nicht von der Hand zu weisen.Die Höhe der geforderten Summe scheint uns ausreichend begründetzu sein. Um aber jeden Zweifel darüber auszuschließen, ob dieseErhöhung notwendig ist, beantragen wir die Ueberweisung der Vor-läge an die Budgetkommission.(Bravo I bei den Nationalliberalen.s� Abg. Fischbcck(Fortschr. Vp.): Die Beratung der Vorlage imKreise meiner Freunde hat ergeben, daß auch wir anerkennen, daßgewisse Momente dafür sprechen, daß in eine Erhöhung der Krön-dotation eingetreten wird. Ob die Vorschläge im einzelnen daSRichtige treffen, kann noch Zweifeln begegnen. Was die Erhöhungder Subvention für die königlichen Theater anbetrifft, so meinenwir, daß daS Parlament eine gewisse Kontrolle auch über den Betriebder königlichen Theater gewinnen wird. Wir glauben, daß es durch-aus notwendig ist, diese königlichen Theater mehr«IS es vielleicht in den letzten Jahren der Fall gewesen ist, dem Volke zurVerfügung zu stellen und volkstümliche Vorstellungen zu billigenPreisen zu veranstalten. Wir hoffen, daß, wenn das Parlament beider Geldbewilligung mitzusprechen hat, sich auch Gelegenheit bietenwerde, die Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Mir dem Vorrednerhalte ich eine Kommissionsberatung für notwendig. Einige meinerpolitischen Freunde haben sich heute noch nicht überzeugen können,daß daS vorliegende Material zur Begründung der Vorlage aus-reicht, wie wir uns überhaupt unsere Stellungnahme vorbehalten.(Bravo! bei der Fortschr. Bp.)Abg. Dittrich(Z.): Meine Freund» fiud bereit, die Vorlage zubewillige«, und wir sind sogar der Meinung, daß bei der Klarheitder Sachlage eine Kommissionsberatung nicht notwendig sein wird.Wir werden uns aber dem Antrag der Nationalliberalen nicht wider-setzen.(Beifall im Zentrum.)Abg. Frhr. v. Zedlitz(frk.): Meine Freunde halten die geforderteErhöhung für notwendig und dringend und wären bereit/ für dieVorlage zu stimmen. Wir wollen aber auch einer KommissionS«Beratung nicht widersprechen in der Hoffnung, daß dadurch einegrößere Einigkeit unter de« bürgerlichen Parteien erreicht wird.(Bravo l rechts.)Abg. Hoffman»(Soz.):Sie werden es wohl begreiflich finden, wenn ich w das all-gewein« Harmoniekonzert, das wir eben gehört haben, nicht ein-stimmen kann. Ich fteue mich im übrigen, heute ein so gut besetzte?Haus vorzufinden und hoffe, daß daS auch künftig bei den Debattenüber Regelung von Arbeiterlöhueu der Fall fein wird.(Sehr gut Ibei den Sozialdemokraten.) Die Vorlage läßt an Kürze, Klarheitund llebersicht wirtlich nicht? zu wünschen übrig. Hier hat einmaldie Regierung»olle Arbeit gemacht. Die Vorlage und die Bc-gründung ist kurz aber inhaltreich.(Heiterkeit.) Zu den jetzigen16 719 296 M. sollen 3'/g Millionen hinzutreten, sodaß künftig dieZivilliste19 219 286 M.betragen wird. Interessant ist vor allem die Art der Einbringungder Vorlage. Die vertraulichen Besprechungen haben im Volke diegrößte Mißstimmung erweckt. Selbst die.Post' hatzu der Borlage geschrieben:.Daß die Forderung einer be-gkleines feuiUeton.Sin Preisausschreibe» für Chorkompesitioneu hat die Leitung desReichsverbandes der Arbeitergesangveretne Oesterreichs am 1. Aprildieses Jahres erlassen. Die Bedingungen des Ausschreiben« lauten:1. Zur Annahme gelangen Komposittonen für Männer» undgemischten Chorsatz.2. Borzug erhalten Chorkompositionen einfacherer Faffung mitfreiheitlichem, gutem Text sund mit nicht zu tiefer und nichtzu hoher Tonlage.S. Chorkompositionen mit außerparteilichem Text finden, fallssie den sozialdemokratischen Prinzipien nicht entgegengehalten find.Annahme.4. Auch finden Cborkomposittonen mit kleinbesetzter,einfacher Orchesterbeglciwng Annahme. Druckreife KlavierauS-züge sind beizulegen.5. Ein Komponist kann gleichzeitig mehrere der eigenen Chor-kompositionen einsenden.6. Sämtliche Einsendungen dürfen noch nirgends auf-«führt worden und noch in keinem Verlag erschienen sein.7. Unvollendete, nur skizzierte, unleserliche und textlose Kom-Positionen sowie unfrankierte Zusendungen werden nicht berücksichtigt.S. Die Kompositionen haben zur Prüfung nicht den Komponisten-namen, sondern ein selteneres Kennwort oder einen solchen Leit-spruch mit einer Zahl zu tragen....g. Die für den Verlag gewählten Komposittonen gehen durchguten Ankauf mit allen Rechten in das Eigentum des oben»erwähnten Verbandes über.10. Einsendungen sind zu richten an den VerbandsarchivarLudwig Gatterer. Wien XVI., Liebhardtgasfe 26.11. Schluß des EinsenduugStermin am 1. Juli 1910.12. Falls keine Komposition entspricht, findet keine Wahl statt,sondern eine neuerliche Ausschreibung.13. Die Einsendungen werden nicht retourniert.14. DaS Wahlergebnis wird, sobald die Durchprüfung beendigtist, in diesem Blatte(.Oesterreichische Arbeiter-Sängerzeitung". Wien)bekanntgegeben werden.Chile als Erdbebenlaud. Der Kreis der Erdbebenstationenschließt sich allmählich um die ganze Erde zusammen. Diese Eut-Wickelung ist von größter Bedeutung für die Ausklärung der Erd-beben überhaupt. Ob man dann auch allmählich zu eiuer Bor-aussage vvn Erdbeben gelangen wird, das ist freilich noch un-sicher. Jetzt endlich hat sich zu planmäßiger Teilnahme an derErdbebenforschung ein Land entschlossen, das diese Aufgabe eigentlichschon längst hätte erfüllen müssen, weil es von solchen Natur-ereignissen besonders häufig und schwer bettoffen wird, nämlich diesüdamerikanische Republik Chile. Nach einer Mitteilung des.Kosmos'hat Chile jetzt einen besonderen seismologischen Dienst eingerichretund einen der hervorragendsten Erdbebenforscher der Gegenwart,den französischen Grasen Montessus de Ballore, für dessen Leitunggewonnen. Bis jetzt sind Beobachtungsstationen zwischenTakna und den Süd SchetlandZ-Jnseln eingerichtet worden,also auf einer Strecke von etwa 6000 Kilometern imMeridian. An 430 verschiedenen Orten sind 660 Beobachterträchtlichen Erhöhung der Zivilliste im gegenwärtigen Augenblickvom politischen Standpunkt aus nichts weniger als erwünscht er-scheint, unterliegt keinem Zweifel. Die agitatorische Aus-Nutzung dieser Erhöhung der Zivilliste wird sich dieSozialdemokratie nach Möglichkeit angelegen sein lassen—Wir wären ja Narren, wenn wir es nicht täten.— Das ist im Hin-blick auf die bevorstehenden Rcichstagswahlen zweifellos schädlich.Es wäre daher im Interesse der Krone selbst sicher sehr viel besser,wenn zurzeit von eiuer Erhöhung der Zivilliste Abstand genommenwürde.' Zum Sibluß heißt es dann, daß die in den Beratungender Vertrauensmänner oder Fraktionen von der Negierung bei-gebrachten Daten keinen Zweifel darüber gelassen hätten, daß dieErhöhung dringend notwendig sei. Wenn hier von beigebrachtenDaten die Rede ist, so sind solche in der Vorlage nicht zu finden.Wenn sie lediglich im vertraulichen Zirkel bekannt gemacht wordensind, so ist das ein Verfahren, das mit der Verfassung in Wider-spruch steht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Zuerst be-absichtigte man sogar, die Vorlage ohne Kommissionsberatung an-zunehmen. Ich glaube, daß die Nationalliberalen zu ihrem Antragaus Kommissionsberatung nicht in letzter Linie durch die in Aussichtstehenden Rcichsiagswahlen veranlaßt wurden.(Sehr wahrt bei denSozialdemokralen.) In übrigen sind»ach der Verfassung alle Ab-geordneten gleich zu behandeln. Wir mögen Ihnen unbequemsein, aber wir haben die gleichen Rechte zu beanspruchen und des-halb müssen wir uns entschieden gegen solchevertraulichen Besprechungenverwahren. Die Regierung hat vor dem ganzen Hause oder in derKommissionsberatnng den Nachweis der Notwendigkeit der Vorlagezu erbringen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dernationalliberale.Hamburgische Korrespondent' schrieb:„Es liegt inder geheimen Sondierung der Parteien etwas einer starken RegierungUnwürdiges'. Sehr richtig schrieb der.Hannoversche Volkswille':„Die geflissentliche Umgehung der sozialdemokratischen Abgeordneten— und ich kann wohl annehmen, auch der Polen und Dänen— istgleichbedeutend mit eiuer geringschätzigen Bciseiteschiebung jenerbreiten Volksmassen, die hinter der Sozialdemokratie stehen'.(Sehrwahr I bei den Sozialdemokr.) Auch die Eile, mit der diese Vorlageberaten wird, muß vor dem Hause festgenagelt werden. Die Vorlage wardem Hause noch gar nicht zugegangen, als die bürgerlichen Fraktionenschon ihre Verhandlungen abhielten, und eS ist sogar einSchweigegebotergangen, damit über die Verhandlungen nichts in die Oeffentlichkeitdrrngl. Geglückt ist das ja nicht. Daß die freisinnige Bolls-Partei dabei mitgemacht hat, wird ihr bei den kommenden Wahlensehr unbequem werden. Als 1839 Bismarck eine solche Erhöhungbeantragte, stimmten noch neun Freisinnige dagegen; diesmal wirdsich wohl die Zahl auf zwei vermindern.(Zurufl) Auf einen hoffeich jedenfalls bis jetzt noch.(Heitcrleit.) Sonnabend nach-mittag erhielten wir die Vorlage und heute wird sie bereits ver«handelt. Bei der Einlösung des Versprechens einer Fonentwicke«lung des Wahlrechts hat man es nicht so eilig gehabt. Manfürchtet in diesem Falle wahrscheinlich die unangenehmeKritik, die Bewegung im Volke gegen diese abermalige Bewilligungvon 3V, Millionen. Derselbe Ministerpräsident, der es nicht fertiggebracht hat, auch nur ein organisch fortentwickeltes Wahlrecht, dasdie Krone als wichtigste Aufgabe der Gegenwart bezeichnet hat,durchzusetzen, wagt es, kaum acht Tage nach der Berscharrung derWahlrechtsmißgeburt an das Volk diese geradezu ungeheuerliche Zu-mutung zu stellen nach dem Motto:Steuern zahle»— Maul halteu.Schon vor zwei Jahren war davon die Rede, die Zivilliste umeine Million zu erhöhen. Aber eS kam nicht zu der Vorlage;die einen behaupten, weil die Absicht zu ftüh ans Tageslichtgekommen war, die anderen, weil einige Sozialdemokraten in diesesHaus eingezogen waren. Damals verwies die„Kölnische Volks-zeitung' darauf, daß der alte Kaiser Wilhelm mit 12'/« Millionenausgekommen sei. Sein Enkel beziehe über eine Biertelmilliarde.Sie schrieb:.Wenn unsere Hofhaltung weniger prunkvoll und kost-spielig wäre, s» wäre das kein Schade, schon wegen des ton-angebenden Beispiels. Die recht kostspielige kaiserlicheSommerfrische auf Korfu sprach am beredtesten gegen denPlan. Aber man erinnert sich auch der Seltenheit undder Schlichtheit der Reisen des alten Kaisers und der Ansicht,daß die Abwesenheit des Herrschers vom Sitze der Politik ihrtätig, die während de« letzten halben Jahren 740 ver-schieden« Erderschütterungen nachgewiesen haben. Dieses Ergebniszeigt, daß Chile als Erdbebenland kaum hinter Japan zurücksteht, welche« in dieser Hinsicht am meiften zu leiden, dafür aberauch am frühesten eine regelmäßige Erdbebenforschung eingeführthat. In der Hauptstadt von Chile ist noch ein besonderer Apparataufgestellt worden, der durch elektromagnetische Wellen beeinflußtwird und dazu dienen soll, Warnungen vor herannahenden Erdbebenzu erteilen. Diese Anlage<ist die erste ihrer Art, und von ihrerBewährung wird daher die Entscheidung zunächst abhängen, ob eineVoraussage von Erdbeben in dem angedeuteten Sinne möglich istoder nicht. Sonst werden als Erdbebenapparate solche von deutschemund japanischem Muster verwandt.Humor und Satire.� Schweigegold.Emst hielt er Reden unbedenklichvoll hochpolitischer Tendenz.bis man ihn merken licB,_ man fänd'Smitunter doch etwas verfänglich.Man gab respektvoll zu verstehen,daß Reden freilich Silber sei,doch Schweigen Gold und stellt' ihm ftei�vom Silber künftig abzusehen.Er beugte sich dem Volkeswillen,er rang mit sich, gewann den Sieg,indem er ziemlich häufig schwieg,und dachte sich sein Teil im stillen.Und heute will er liquidierenlaut Rechnung jenes Schweigegold.Heut' soll das Volk— es hat'S gewollt �sich untertänigst revanchieren.Da spricht wohl manch ein Widcrwill'ger,indes ein Seufzer ihm entfährt:Das Schweigen ist von hohem Wert,bei Gott, das Reden war viel bill'ger lFranz.Die blamierte Kosmologie. Der„Halleh" hat sich als„Falle y' und die„Drei Eisheiligen' haben sich als die„DreiSchweißheiligen' entpuppt.E r st e r K l a s f e. Zur LanMagSwahl erscheint ein Herr, dersich durch seine besonders erfreuliche Steuerqualität als der einzigeWähler erster Klasse in seinem Bezirk ausweist. Seine Stimme besitzt sonli: das erdrückende Uebergewicht.Der Wahlvorsteher, nur dem schuldigen Respekt im Beamtemantlitz. fragt ihn:„Und wen wollen Sie zum Abgeordneten wählen?'Der Wähler: Mich selbst.Vor st eher: Sehr wohl. Nehmen Sie di! Wahl an!Der Wähler: NeelVor st eher: Dann schreiten wir zum zweiten MahlgangsWen wählen Sie nunmehr?Der Wähler: Mich selbst.politisch MißhelligeS hat.' So hieß es damals in den Kreisen deSZentrums. Heute will das Zentrum sogar ohne Kom missions-beratung der Erhöhung zustimmen. Mau sitzt eben jetzt wiederan der Rcgicrungskrippe, und da muß man sich lieb Kind machen.damit man nicht wieder gegangen wird. Zum mindesten hätte dochdie Volkspartei diesmal verlangen müssen, ehe sie sich überhaupt aufdie Verhandlungen über die Vorlage einließ, daß das Versprechender Thronrede über die Fortentwickclung des Wahlrechts eingelöstwurde.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Wer keine Rechte hat, muß auch die Pflichten ablehne».Wir sind der Ansicht, daß die jetzigen Bezüge der Krone nichtnur nicht zu niedrig, sondern viel zu hoch sind. Selbst in strengmonarchistischen Kreisen ist man der Ansicht, daß sie die Spar-samkeit, die sie den Offizieren empfiehlt, selbst üben möchte.Präsident v. Kröcher: Ich nehme an, daß Sie unter Krone dieHofhaltung und die Beamten meinen, sonst würde ich Sie bittenmüssen, die Person des Königs nicht in die Debatte zu ziehen.Abg. Hoffman»(Soz.) fortfahrend: Auf dem zweiten nationalenArbeiterkongreß hat Herr v. B e t b m a n n H o l l w e g den Ar-beitern vier Grundpfeiler: Fleiß, Gottesfurcht. Nüchtern-h e i t und Zufriedenheit empfohlen. Das letzte sollte er dochauch einmal nach oben empfehlen.(Sehr gut! bei den Sozialdemo«kraten.) Der Onkel unseres Monarchen, der König von England...(Präsident v. K r ö ch e r bittet erneut, die Person des Monarchennicht in die Debatte zu ziehen.) Der König von England,dessen Land größer und reicher ist, mutz sich mit 10 860 000 M.begnügen. Bayern zahlt nur 4 231 000 M., Sachsen gar nur3 410 000 M. Wir sind ja überhaupt Gegner einer solchen Zivil-liste. Unser prinzipieller Standpunkt ist: Wahl aller Staatsdienerdurch das Volk, auch des ersten Dieners des Staates...Präs. v. Kröcher: Diese Bemerkung ist Hochverrat, ichrufe Sie zur Ordnung!Abg. Hoffmann(Soz.): Friedrich, der Große genannt, sagte ein»mal, der erste Diener des Staates bin ich. Daß das Hochverrat ist,habe ich nie angenom m� n, denn man hat mich das in derSchule gelehrt.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.)Präs. v. Kröcher: Um kein Mißverständnis aufkommen zulassen:Ich habe Sie doch nicht zur Ordnung gerufen, weil Sie den Königden ersten Diener des Staates genannt haben, sondern ichhalte es für Hochverrat, daß Sie verlangen, daß der erste Dienerdes Staates, also unser Monarch, durch das Volt gewählt wird.Abg. Hoffmanu(Soz.):Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, will ich nur fest-stellen, daß ich lediglich die Grundsätze, die ja in unseremProgramm überall zu finden find, hier ausgesprochen habe.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Präsident v. Kröcher: Sie mögen Grundsätze in Ihrem Pro-gramm haben, welche Sie wollen, Sie dürfen aber hochverräterischeGrundsätze nicht hier öffentlich von der Tribüne des Hauses kundgeben.(Große Unruhe bei den Sozialdemokraten. Rufe: Unglaublich I Abg.S t r ö b e l zu den Freisinnigen: Das lassen Sie sich gefallen? I)Abg. Hoffmann(Soz., fortfahrend):Wir wollen auch den ersten Staatsdiener durchaus nobel be-solden, aber entsprechend den übrigen Staatsdienern, und wirmeinen, daß 15»/. Millionen zu viel sind. Man spricht mit Rechtim Volke von der Zivilliste, der„Zuviclliste".(Heiterkeit.)Ich komme nun zur Begründung der Vorlage. Selten find inder Begründung einer Milliouensorderung so unglaubliche Argumentevorgebracht. Man erinnert an eine Verordnung vom 17. Juni 1820,durch welche dem Staat die Einkünfte aus den Domänen und Forstenüberlassen wurden und der Krone dafür eine jährliche Rente von7 719 276 M. gewährt worden ist. Die Krone ist jedenfalls beidieser Abfindung nach damaligen Verhältnissen glänzend bezahlt.Aber selbst, wenn sie Opfer gebracht hätte, so wäre daS nur ihrePflicht gewesen, angesichts der ungeheuren Opfer an Gut und Blut,die das preußische Volk in den Jahren 1806 bis 1820 gebracht hattefür die Befreiung aus dem Morast, in den eine unfähige Regierungund ein vaterlandsloses Junkertum das preußische Volk geführt hatte.(Sehr wahr! b. d. Sozialdemokraten.) Wenn in der Begründung aufdie steigenden Erträge der Domänen und Forsten hingewiesen ist, so istdagegen zu bemerken, daß inzwischen auch die Zivilliste dreimal»minsgesamt 8 Millionen erhöht worden ist. Außerdem hat ja derStaat im Jahre 1820 1 80 Millionen' Taler Schuldenübernehmen müssen, die durch die unglaubliche Mißwirtschaft in denVor st eher: Nehmen Sie die Wahl an!Der Wähler: Nee lVor st eher: Ich beraume also den dritten Wahlgang an undemeuere meine Frage.Der Wähler: Ich wähle mich selbst. Nachdem mir dieWählerschaft einstimmig ihr Vertrauensvotum dreimal ausgesprochenhat, sehe ich mich veranlaßt, die Wahl anzunehmen._(.Lustige Blätter'.)Notizen.— Eine verunglückte Vorstellung, die aber nichtuninteressant, ja sozusagen h i st o r i s ch ivar, fand letzten Sonnabendin den„Ausstellungshallen am Zoo' statt. CS handelte sich um diekinematographicrte Vorführung der bis vor kurzer Zeit im„DeutschenTheater" dargestellten komitragislben HarcmS- Pantomime„S u«m u r ü n' von Freksa(Musik von Viktor Holländer). Die Vorstellungist— wie gesagt— verunglückt, und sie mußte verunglücken.weil der„Bcwegungsschreiber'(Kinematogrnph) mit seinemzuckenden Licht noch immer ein so nnvollkommener Apparatist. daß er zwar scharf umrisscne, zumal groteske Be-wegungen gut wiederzugeben vermag, aber nicht jene feinen Gesten,jene vielsagenden Schritte und Schrittchen eiuer Pantomime vomSchlage der„Sumurlln'. Dazu kommt, daß ja der Kinemato-graph von heute noch keine farbigen Bilder zeigt, daß erdas Minen spiel der handelnden Personen nicht scharf genugerkennen läßt— ganz zu schweigen davon, daß, wenn lebendeMimiker über die Bühne schreiten, tanzen, rasen, schleichen, uns auchihre Beweg ungS-Geräusche allerlei zu sagen wissen, wasdurch das häßliche Rattern des kinematographischcn Apparats nichtersetzt werden kann..... Trotzalledem war der Versuch interessantund„historisch", weil früher oder später einmal der Kinematographso verbessert sein dürfte, daß er Pantomimen, Balletts und dergleichenmit weit erfreulicherer Naturtreue wiedergeben wird als amSonnabend im.Zoo'. Das Gros deS Publikums zeigte sichübrigens gegenüber dem doch immerhin diskutablen Experimentebenso Verständnis- wie anstandslos.— Wilhelm Velhaqen, Mitinhaber der bekanntenVerlagsfirma„Velhagen und Älasiug"(Bielefeld und Leipzig), ist inder Nacht von Montag aus Dienstag— 6£p/z Jahre alt— gestorben. Der Kommerzien- und Stadtrat Wilhelm Velhagen warein Sohn von A u g u st Velhagen, einem der Begründer des Hauses,da? seit 1835 besteht. Der Verlag gibt u. a. heraus„Velhagen undKlasingS Mouatsheste", AndreeS„Allq. Handatlas der Erde' undandere Kartenwerke sowie allerlei Geschichts- und Kunstkram. Sehrverbreitet ist V. u. K.s Sammlung französischer und englischerSlbriftsiellcr, in neuerer Zeit auch die Sammlung deutscherSchulausgaben: Hilföbiicher für den meist öden und unfruchtbarenSprachunterricht au Deutschlands„höheren' Schulen.— O. Henry, ein amerikanischer Romanschriftsteller undNovellist, der mit seinem richtigen Namen Syney Porter hieß und„der zweite Mark Twain' genannt wurde, ist am Montag gestorben.In den Nachrufen für Hcnry-Porter wird vor allem hervorgehoben.daß der gute Manu Honorare von anderthalb Mark proWort bezog....