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Domänen und Forsten entstanden waren. Ein Berliner   fjfirgerlicheZ Blatt schreibt sehr richtig:Wenn die Krone mit solchen Argumenten kommt, so könnten ebenso gutdie Schö'neberger Kartoffelbauern von den heutigen Besitzern ihrer Grundstücke ein paar Millionen nachfordern. Ebenso gut könnten auch die Hereros Forderungen erheben auf Grund des Landes, das man ihnenabgekauft" hat. Ja, sie hätten dazu noch >nehr Recht, als die Krone, die 1820 doch wohl sich der Konsequenzen ihrer Handlungsweise bewußt war, was man bei den Hereros wirk- lich nickt sagen kann. Wir hätten ja nichts dagegen, wenn man das Prinzip des Gewinnanteils an steigenden Erträgen aufgegebener Rechte gelten lassen will. Dann sollte man aber nicht nur bis 1820 zurückgehen, sondern gleich bis zur Zeit der alten Germanen, wo Grund und Boden, Acker und Jagd dem Volke gemeinsam gehörten. Mit diesem Prinzip fahren wir direkt in den von Ihnen so gefürchteten sozialdemokratischen Zukunftsstaat hinein. In der Be- gritndung wird dann weiter auf die Steigerung der Löhne, Bau Materialien usw. hingewiesen. Wir haben ja diese Steigerung als Folge der verkehrte» Zollpolitik borausgesagt, und eS gibt keinen parlamentarischen Ausdruck, der scharf genug wäre, um das Verhalten der Regierung zu kennzeichnen, die die Folgen ihrer verkehrten Zoll- und Steuerpolitik jetzt als Begründung für die Erhöhung der Zivilliste anführt. Ganz ab gesehen davon, daß die Krone ja als Privateigentum 150000 Morgen Wald, 90 Rittergüter usw. besitzt und durch dieselbe Zollgesetzgebung eine Steigerung des Ertrages dieser Besitztümer von etwa 8 Millionen erfahren hat. fZuruf rechts: Lauter I) Sie verstehen das doch nicht, und wenn ich noch so laut rede.(Heiterkeit.) Wenn wir im ganzen 12 bis IS Millionen Privateinkommen des Königs aus Besitzungen rechnen, so ist das gering geschätzt. Diese ganzen Einnahmen sind vollständig steuerfrei.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Außerdem wird behauptet, daß die Krone noch von 1849 her ein Anrecht darauf hat, daß aus dem Hauptgestüt Trakehnen   jährlich 40 Pferde kostenfrei geliefert werden. DaS bedeutet mindestens eine Einnahme von 120090 M. Dazu kommt ein Mehrertrag der Güter durch die moderne Bewirtschaftung, der in der letzten Zeit bis zum Vier- fachen gestiegen ist. Interessant wäre, zu erfahren, wieviel Schnaps- vrennereien sich auf den Besitzungen der Krone befinden, wie- viel Anteile an der Liebesgabe also noch hinzukommen. Pro Tag hat die Krone eine Eiunahme von 43 065 M., das bedeutet eine Bezahlung pro Stunde von 5333 M.(Zuruf rechts; Pro Minute I) Pro Minute macht eS 89 M., und loenn Sie es pro Sekunde wissen wollen, 1,50 M. und etwas darüber I Die Hälfte der Einwohner Preußens hat ein Einkommen von unter 900 M. jährlich. Ein Arbeiter, der 1000 M. im Jahre verdient, hat, wenn er 42 Jahre lang arbeitet, immer noch nicht soviel verdient, wie Sie der Krone jetzt für einen Tag bewilligen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In der Begründung ist dann auch von der Not- wendigkeit der Erhöhung der Gehälter der Hof- b e a m t e n die Rede. Ich meine, die Krone, die Millionen Vorteile aus der Zollpolitik hat, sollte dann auch die durch die Zoll- Politik bedingte Aufbesserung der Gehälter der Hofbeamten selbst bezahlen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Ist denn über- Haupt eine solche Anzahl von Hofbeamten nötig? Herr v. Gerlach schrieb seinerzeit:Als ich im zweiten Berliner   Stadtbezirk zur Stadtverordnetenwahl kandidierte und die Wählerliste durch- sah, bekam ich einen Schrecken ob des Gewimmels von Hofchargen, die sich darin findet, Seite auf Seite gab es nichts wie Silberdiener und Kammerdiener, Lakaien und Ob erlakeien, Königliche Frotteure und Königliche Braten- f p i ck e r(Heiterkeit), wieviel Angestellte hat allein der Königliche Marstall! Dabei liest man doch eigentlich immer nur von Automobilfahrten der sogenannten allerhöchsten Herrschaften". Es ist gewiß das gute Recht der Krone, sich so viel Beamte zu halten, wie sie will, aber sie soll sie a u S ihrem Privateinkommen bezahlen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Was dann die Erhöhung des Zuschusses an die Königlichen Theater anlangt, so schrieb selbst die konservativeSchlestsche" Zeitung":daß die Hastheater nicht so vorbildlich in ihrem Be- triebe genannt werden können, daß eine solche Unterstützung gerecht- fertigt wäre.Dazu kommt, daß die hohen Eintrittspreise die König  - licheu Theater für das Volk überhaupt unzugänglich machen. Wenn das neue Opernhaus gebaut wird, dann wird man ja wahrscheinlich eine Iveitere Forderung erheben und wird dann die zwanzig Millionen voll machen. Dabei wird die wahre Kunst von den Hoftheatern geradezu boykottiert. Da« Schiller-Theater hat mehr für Förderung der Kunst und der Volksbildung getan und zwar ohne Zuschüsse als alle königlichen Theater zusammen. Oder hat jemand den Mut, zu behaupten, daß gewisse Hohenzollem-AuSstattungsstücke oder Jndianeroper» zur Förderung der Kunst gehören? Ungeheuere Summen könnte die Krone bei den Denkmälern und Bauten sparen, ohne daß darunter die Kunst oder der gute Geschmack leiden würde.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Auch der Export von Denkmäler« könnte eingeschränkt werden, ohne dem Ansehen der Krone zu schaden. Ja, man würde noch befreundeten Nationen Verlegenheiten er- sparen, die nicht wissen, wie und wo sie die Dinger unter« bringen sollen.(Heiterkeit.) Die sechzig oder mehr Schlösser, die die Krone besitze, sollten den Provinzen oder Ge- meinden überantwortet werden zur Benutzung als Museen oder Erholungsstätten für altersschwache Kranke. Dadurch würde die Krone ungeheuer entlastet und der. Menschheit ein wirklicher Nutzen gebracht. Es scheint wirklich höchste Zeit gewesen zu sein zur Erhöhung der Zivilliste, denn die Krone hat ja schon einige Schlösser verkauft. Auf der anderen Seite sind dann aber Hunderttausende ausgegeben für die Beleuchtung von Rosensträuchern mit elektrischen Glühbirnen auf Korfu  . Hier paßt daS Sprichwort: Kaufe nicht, lvas Du nicht brauchst, sonst mußt Du verkaufen, was D» brauchst! Weiter wird dann als einer der Jjaupb gründe die Unterhaltung der! angeführt. Demgegenüber ist der vielen königlichen Prinzen darauf hinzuweisen, daß neben der Zivilliste daS durch den König Friedrich Wilhelm   l. aus angekauften Gütern begründete, sehr bedeutende Hausfideikommiß besteht, ferner der von Friedrich Wilhelm III. begründete Krontresor. Der Gründer hat ihn seinerzeit mit 18 Millionen Mark dotiert, dazu kommen aber die Ersparnisse des Königs und die Summe, die man ihm 1815 als Entschädigung aus der französischen   Kriegskontribution ge- zahlt hat. 1873 ist noch eine StaatSdotativn von 4 500 000 M. dazu gekommen. Aus diesem Fonds werden die kömglichen Prinzen apanagiert und einige junge Ehepaare können auS den Einkünften, die dieser Fonds abloirft, glänzend leben, auch wenn ihnen die privaten Vermögen, die den Söhnen des Kaisers von ihren Gattinnen zugebracht worden sind, nicht zur Verfügung ständen. Man ver- weist dann darauf, daß die Zahl der Prinzen sich seit 1889 mehr als verdoppelt hat. Das ist eine sonderbare Logik. Mit viel mehr Recht könnte man die Forderung, sich nach der Decke zu strecken, erheben. Was würde ein Fabrikbesitzer sagen. wenn seine Arbeiter von ihm Lohnerhöhung verlangten, weil ihre Kinderzahl sich verpoppelt habe?(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten.) Vielleicht bekämen die Arbeiter dieselbe Antwort, wie sie Frau V. V o p e l i u S, die Frau eines Mannes ans dem Hause da drüben einer armen Wöchnerin, Mutter von 14 Kindern, als Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins erteilte. Sie schrieb:Der Vaterländische Frauenverein kann doch nichts dafür, daß Ihr so viele Kinder habt. Ich finde, daß sowohl der Mann wie auch die Frau sich mehr hüten können davor, daß sie so viele Kinder in die Welt setzen. Mit kaltem Wasser kann man die Triebe auch zurückhalten, eine kleine Waschbütte mit kaltem Wasser ist dagegen sehr gut für die Männer und vorher sich tüchtig müde schaffen." Das ist eine Empfehlung, die die Arbeiter bekommen, wenn sie zu viele Kinder in die Welt setzen. Ich meine, das Volk ist doch mindestens ebenso unschuldig an den vielen Kindern der Krone. Vielleicht vermittelt das Herrenhausmitglied mal«ach oben gute Ratschläge.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nach der Decke strecken, sparsam wirtschaften würde eine solche Vor- läge unnötig machen. In der Villa Malta   soll ein herrliibes Bild von einem alten Meister hängen, das die monarchischen Tugenden darstellt, die Gerechtigkeit, die Milde und die Spar- s a m k e i t. Vielleicht kann man das Bild nach Berlin   bringen und an hervorragender Stelle aufhängen.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Freifinnige Blätter haben sogar schon von einer Zivilliste für den Kronprinzen gesprochen. Dabei gehört dem Kronprinzen die Herrschaft Oels   in Schlesien   mit 15 Gütern»nd 9238 Hektar Land. Das ist eine Besitzung von vielen Millionen, die zur Not ausreichen sollte, um auch einen sehr noblen Hausstand zu führen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Sehr viel sparen könnte die Krone auch an den kostspieligen Jachten»nd Reisen. Sie brauchen darüber nur die Debatten über das persönliche Regiment nachzulesen. Wenn wir sehen, wie oft die Krone abwesend ist (Präs. v. K r ö ch e r bittet den Redner erneut, die Person des Königs aus der Debatte zu lassen), ich meine, vielleicht kommt man einmal auf den Gedanke», anstatt der festen Zivilliste Anwesenheitsgelder zu zahlen.(Große Heiterkeit.) Man zieht ja auch den Reichstagsabgeordneten für jeden Tag, wo sie nicht da sind, etwas ab. Am meisten wundert eS mich, daß der Freisinn in demselben Augenblick für diese Forderung zu haben ist, wo er an der Bahre des letzten Zeugen der fteifinnigen Mitregierungsillufion, dcS Herrn Dernburg, steht. Dem Hottentottenblock folgte der schwarz-blaue Block, und jetzt löst ihn der Byzantinerblock ab. Die Fortschrittliche Volkspartei  war schon bei ihrer Geburt ein Weichtier, jetzt kommt es gar noch zur Rückgratverkrümmung. Die Wähler müssen schon bei den nächsten Wahlen eine Operation zur Ausscheidung häßlicher Auswüchse vornehmen, selbst wenn dem Neugeborenen dabei das Lebenslicht ausgehen sollte.(Heiterkeit und Sehr gut' bei den Sozialdemokraten.) Die Freisinnigen stimmen diese Forderung zu, wo die notwendigsten Kulturforderungen auS Mangel an Mittel» abgelehnt werden. Angesichts der Zehnmilliardenschuld in Preußen, angesichts des jämmerlichen FiaöloS der Finanzreform. Einkommen von 1200 M. ab werden mit Steuerzuschlägen belegt. Aber man verhöhnt das Volk, weil es Erweiterung seiner politischen Rechte verlangt. Dasselbe Abgeordnetenhaus, das im vorigen Jahre 30 Pf. Lohnzulage für die schlcchtest bezahlten preußischen StaatSarbeiter ablehnte, will jetzt 8'/z Millionen für die Krone bewilligen. Im Reiche hat man kein Geld fiir die Erhöhung der MaiinschaftSlöhne, für die Veteranen nur die lumpigen 120 M. Ehrensold, die brotlos gewordenen Tabakarbciter werden mit 4 Millionen und einigen hunderttausend Mark abgespeist. Aber hier bewilligt man ohne große Rederei 3>/, Millionen Marl   für die Krone. In Kattowitz   treibt man Sparsamkeitspoltttk, zweimalige Benutzung der Kuverts, und hier wirft man millionenweise daS Geld heraus. DaS ist eine so unerhörte Provokation deS Volkes, wie sie noch keine Regierung gewagt hat. Nicht wir, sondern Sie peitschen das Volk auf, und das Volk wird Ihnen die Ant> wort für diesen brutalen Faustschlag nicht schuldig bleiben. Bei den nächsten RcichstagSwahlen sehen wir uns wieder. Möge die Re gierung, mögen die Parteien dafür sorgen, daß Ihnen der sozialdemokratische Wolkenbruch nicht in die Bude regnet.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Finanzminister v. Rhelnbaben: Die Ausführungen des Bor- rednerS beweisen, daß zwischen seiner Weltanschauung und der der bürgerlichen Parteien und der Regierung ein tiefer Abgrund klafft. Ich freue mich, daß die Sozialdemokratie ihr Gesicht so offen vor dem Volke gezeigt hat. Es ist eine Anmaßung, wenn die Sozialdemokratie namens des preußischen Volkes zu sprechen wagt. (Lebh. Bravo! rechts.) Ebenso, wenn sie für die deutschen   Arbeiter zu sprechen wagt, denn in den sozialdemokratischen Gewerk chaften sind etwa 1 800 000 Arbeiter vertreten und 19 Millionen Arbeiter haben wir in Preußen. Diese stehen hinter den nationale» Parteien und nicht hinter der Sozialdemokratie.(Lebhaste Zw timmung rechts; Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Daß die Sozialdemokraten die Borlage bei den ReichStagswahlen ausnutzen wurden, wußten wir vorher, daher hatten wir gar keinen Anlaß, sie auch zu den Barver   Hand- lnngen zuzuziehen.(Bravo  ! rechts.) In Oesterreich   b* kommt die Krone 19 Millionen, und die englische Krone, die nur 11 Millionen erhält, hat nicht silr die Apanage der Prinzen ein zutreten und keine Theater zu unterholten.(Hört I hört!-rechts. Selbst königliche Reisen und Besuche werden aus der Staatskasse bestritten.(Hört I hört! rechts.) Darüber. daß die lieber- lassung der Domänen und Forsten im Jahre 1320 für 2'/» Millionen Taler Rente seitens der Krone ein Akt der Selbstlosigkeit war, stimmen alle Staatsrechtslehrer überein. Würde man den Er- trag der Forsten und Domänen auf die heutigen Verhältnisse um- rechnen, so käme für die Krone eine Rente von 22 Millionen heraus. An den königlichen Theatern find in der letzten Zeit eine ganze Reihe volkstümlicher Borstellungen zu billigen Preisen gegeben worden. Die Mittel für Korfu sind aus einer kleinen Erbschaft bestritten worden. Die preußische Krone kann ein gutes Gewissen haben.(Lebhafter Beifall rechts.)So werde ich die Erbschaft führen, daß ich mir stets bewußt bin, es handelt sich um die Angelegenheiten des Volkes und nicht um meine An- gelegenheiten", steht an dem Berliner   Schlosse. Diese Ge- sinnung hat die Krone Preußens in der Bauernbefreiung, in der Aufhebung der Erbuntertänigkeit, in der sozialen Fürsorge unter Wilhelm I.   und der Arbeiterschutzgesetzgebung unter Wilhelm II.  betätigt. Um de« Sinn der Hohenzollern   für die Not der nntrren Klassen beneidet uns die Erde. (Lebhafter Beifall rechts.) Für die soziale Fürsorg« sind bis 1907 6 Milliarden 300 Millionen Mark aufgewendet loorden, davon sind von den Arbeiten: 3 598 000 000 M. aufgebracht. Wenn die Steigerung der letzten Jahre anhält, so werden seit dem Inkrafttreten der Arbeiter- Versicherung bis 1909 den Versicherten 3 Milliarden 450 Millionen als sie an Veiträt (Wg. L e i n e r t(Z en geleistet oz.): Das haben ist ja mehr zugeflossen sein (Hört! hört! rechlS.) verdreht I) Präsident von Kröchcr ruft den Abgeordneten Le inert zur Ordnung, Wenn durch die Reichsversicherungsordnung auch die landwirt  - schaftlichen Arbeiter und das Gesinde usw. in die soziale Fürsorge aufgenommen werden, so wird die Aufwendung sich in Zukunft auf etwa eine Milliarde jährlich sich belaufen.(Hört I hört! rechts.) Mit unserer Steuergesetzgebung entlasten wir immer mehr die minderbemittelte» Klassen.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Hand in Hand damit geht eine immer stärkere Besserung der wirtschaftlichen Lage der Minderbemittelten. Die Zahl der Einkommen unter 900 M. ist von 03 Proz. im Jahre 1895 auf 45 Proz. gesunlen. Durch das Kinderprivileg und die Berücksichtigung der besonderen Notlage sind bei der Stcueraufbringung gerade die mittleren und unteren Klassen berücksichtigt worden, wodurch der Staat 16 Millionen Mark Ausfall erhält. In den Jahren 1895 bis 1907 ist der Durchschnittslohn der Eisenbahnarbetter um 50 Proz. gestiegen. der der Unterbeamten um 45 Proz., während für die Kronbotation nur eine Erhöhung von 13 Prozent verlangt wird. Ich verzichte auf den Versuch, den Vorredner zu überzeugen, hielt aber die Mitteilung dieser Daten für notwendig, damit nicht in der sozialdemokratischen Presse behauptet werde, die Regierung sei nicht in der Lage gewesen, die vorgebrachten Anschuldigungen zu widerlegen. Im übrigen sage ich den großen bürgerlichen Parteien lebhaften Dank stir ihre Bereitwilligkeit, der Borlage zuzustimmen. Ich hoffe, daß dieser Vorgang von weittragender Bedeutung sein möchte, daß die bürgerlichen Parteien geeinistt«mch fernerhin eine geschlossene Phalanx gegen die Sozialdemokratte bilden mögen.(Leb­hafter Beifall rechts, Gelächter und Hurrarufe bei den Sozialdemo- kratcn.) Präsident». Kröche»: Die Beratung ist geschlossen. Abg. Ströbrl(Soz.) meldet sich zum Wort. Präsident v. Kröchcr: Die Besprechung ist geschlossen. Der Antrag aus Kommisstonsberatung wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die Vorlage geht an die Budgetkommission. Alsdann wird die Selundärbahnvorlage in zweiter Lesung nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Hierauf vertagt sich das Hans. Nächste Sitzung: Mittwoch 11 Ubr: Anträge, Petitionen, Fortsetzung der Beratung der Ansiedlungs- denkschrist. Schluß 5-/« Uhr.  _ Der reaßtioträre ßrandcnburgltche Städtetag. Lanbsverg, 7. Juni. (Privatdepesche desVorwärts".) Der Brandenburgische Städtetag hat auch an seinem zweiten Verhandlungstage bewiesen, daß er in seiner Mehrheit sogar die reaktionäre Gesinnung des Herrenhauses überragt. Seine Volks- feindlichkeit ging so weit, daß er sich nicht entblödete, seine eigene Würde mit Füßen zu treten, nur um nicht Volks- und Städterechte verteidigen zu müssen. Genosse Bernstein   muß dem Genossen Hirsch eingestehen, daß er mit seinem Urtett über den Brandenburgischen Städtetag nicht übertrieben habe. Man könnte diesen als eine schlechte Ausgabe eines Gemeindejunkerparlaments mit starkem Einschlag von HauSknechtSmanieren bezeichnen. Zunächst wurde am Dienstag über eine verwaltungstechnische Frage, betreffend die Inanspruchnahme der Gemeinden bei Er- lebigung der staatlichen Aufgabe» in der Sozialversicherung ver- handelt. Dann folgte eine Erörterung über die Anwendung des F l nchtli n i en gje fe tz es bei Eingemeindungen, Anlage von Bürger st eigen usw. Bei dem nächsten Punkt der Tagesordnung:Volksparks", wozu Herr Gartendirektor L e s s e r- Steglitz ein fachlich instruktives Referat hielt, wagte sich in der Diskussion ein« schüchterne Kritik gegen die fiskalische Politik in bezug auf die Hergabe fiskalischer Waldungen für den Er- holungsverkehr herbor, nachdem Gen. Groger mit besserem Bei» spiel vorangegangen war. Bewegt« Szenen folgten dann der Verlesung folgender Resolution. Der Brandenburgische Städtetag, am 7. Juni 1910 itt Landsberg   a. W. tagend, nimmt mit Wcfremden und Bedauern Kenntnis davon, daß das preußische Herrenhaus eine Petition der Schöneberger Stadtvertretung, in Sachen des dem preußischen Landtag« vorgelegten Wahlgesetzentwurfes, ohne jede Begründung als in seinem Plenumzur Erörterung ungeeignet" bezeichnet hat." Bernstein-Schöneberg. Düwell-Lichtenbcrg. Groger-Rix- dorf. Wilk-Charlottenbnrg. Dr. Bell-Schöneberg. Gerlach- Schöne- berg(Stadtbaurat). Boymann-Schöneberg  (StadtshndikuS). Der Vorsitzende bemerkte sofort, der Städtetag könne eS ab- lehnen, den Punkt noch zu verhandeln; die Versammlung habe darüber zu entscheiden..(Rufe: Ablehnen, nicht ttetn handeln.) Genosse Bernstein  (zur Geschäftsordnung): Der Zweck unserer Resolution ist, Sie zu veranlassen(Rufe: Nein, nein, nei»!) Ich darf mir doch erlauben zu sagen(Rufe: Nein, wir erlauben nichtsl Schluß! Schluß! Aufhören! Abstimmen!) M«ine Herren, ich will doch«ür sagen,«aS wir wollen.(Rufe: Wir wollen nichts hören, Schluß! Abtreten! Abstimmen! Heraus!). Ich bitte Sie, über die Sache zu verhandeln.(Lärmende Ruf«: Nein, wir verhandeln nicht, gehört nicht hierher!). Ober- bürgermeister Werner: Ich beantrage auf jeden Fall, die Rede- zeit auf 2 Minuten zu beschränken. Düwell(zur Geschäftsord« nun«): Ich bitte, den Antrag abzulehnen. Die Angelegenheit ist von so großer Bedeutung, daß sie erörtert werden muß. ES handelt sich um die Wahrung der Rechte und Würde der Stadt- Vertretung.(Stürmische Unterbrechungen, Schlußrufe, raus! ufhören! Zur Sache!) Nein, meine Herren, zur Sache darf ich nicht sprechen, auf die Materie werde ich jetzt nicht ein- gehen, sondern werde nur zu dem Geschäftsordnungsantrag sprechen.(Rufe: Schluß! Schluß!) Die Angelegenheit ist zu wichtig, um sie als Bagatelle zu behandeln. Eine durch das Ver- trauen der Mitbürger gewählte Körperschaft ist durch ein« Ver- tretung, die durch keinerlei Volksäußerung und»Vertrauen legitt- miert ist, mit provokatorischer Mißachtung behandelt worden; das SelbstverwaltungS. und andere Rechte gebieten da--(Lärm. Nein, wir wollen nicht! Schluß! Abstimmen!). So ging es noch eine Zeitlang unter Lärmen und Toben der Stadtgewaltigen fort. Der Städtetag verzichtete darauf, Würde zu wahren. Gegen etwa ein Dutzend Stimmen wurde beschlossen, über die Resolution nicht zu verhandeln. Professor Leidig hatte vorher versucht, für die blamable Haltung ein formales Deck- mäntelchen zu finden mit der Behauptung, es fehle an Unterlagen. um in eine Erörterung eintreten zu können, worauf Gen. Bern  - tein treffend bemerkte: Wir sind die Vertreter von Schöneberg  , die jede Unterlage unterbreiten können. Die Gemeindejunker wollten nichts wissen, keine Stellung präzisieren. Sie entschädigten 'ich dafür durch ein K a i s e rh o ch, daS die Sozialdemokraten, wie das bei Eröffnung der Tagung ausgebrachte, draußen genossen.! , Heute abend tagt in Landsberg   eine Proteftversammlung gegen das skandalöse Verhalten deS Städtetages. Sämtliche sozial- demokratischen Vertreter referieren� Frau von Schönebeck  vor de» Selchworene». Die Angeklagte hat sich von ihrem Schwächezustand erholt. Gegen Mittag mußte aber in der Verhandlung wieder infolge eines kleinen Anfalls der Angeklagten eine längere Pause gemacht werden. Die Verhandlung wurde dann wieder bis zum Abend mit Ver- nehmung der Fron von Schöncbeck-Weber ausgefüllt. Den wesent- lichsten Inhalt ihrer auf Fragen des Vorsitzenden gemachten Aus- lassungen fassen wir iiachstehenp zusammen. Anfälle. In Bernstadt   hatte ich in einer Gesellschaft bei Freiherrn von Löwenstein einen Anfall. Ich wurde bewußtlos nach Hause gebracht. Davon, daß ich erzählt habe, mein Vater habe mir bei solchen An- allen eine Karaffe Wasser über den Kopf gegossen, weiß ich nicht«. Vielleicht habe ich ähnliches von meinem Mann erzählt. Auf die Fragen, ob die Angeklagte perversen Neigungen gehuldigt sowie die über ihre erotischen Neigungen äußert sich die Angeklagte erst, nachden, der Vorsitzende und die Sachverständigen die Notwendigkeit der Darlegungen auf diesen, Gebiet für dringend erforderlich erklärt haben, und auch da nur mit offensichtlichem Widerstreben. Sie bejaht die Fragen. Heber das