Ar. 132. 27. Jahrgang. 1. KnW ilrs Jstmätfs" Iftlintt AlksdIM Dstmerstag. S. Inn! ISIS. /Zbgeorclnetendaus. Kt. Sitzung, Mittwoch, den 8. Juni, vormittags 11 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung der allge- ««einen Rechnung über den Etat von 1906. Abg. Graf Clairon d'Haussonville(k.) ersucht die Rechnungs- kommission um zeitigere Vorlegung solcher Rechnungen, da- mit eine wirkliche Prüfung möglich werde. Die Rechnung wird genehmigt. Es folgt die dritte Beratung des Gesetzes, betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten. Die Nationalliberalen haben den in zweiter Lesung abge- lehnten Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage im K 1(Tagegelder für aktive Minister, Beamte der ersten bezw. zweiten und dritten Rangklasse von SS, 28 und 22 M., statt 30, 25 und 20 M. nach den Kommissionsbeschlüssen) wieder eingebracht. Nachdem mehrere Redner für und gegen den Antrag gesprochen haben, wird das Gesetz mit dem Antrage und einer Aenderung in beziig auf die Dienstreisen, die an einem oder zwei Tagen beendet werden, angenommen. Es folgen Petitionen. Eine Petition des Verbandes der Konfitürenhändler Deutsch lands um Ablehnung jeder weiteren Einschränkung der Verkaufszeit an Sonn- und Feiertagen bean- tragt die Kommission zur Erwägung zu überweisen. Abg. Hoffmann(Soz.): Wir beantragen, über diese Petition zur Tagesordnung überzugehen. Die Gründe, die von den Konfitürenhändlern angeführt werden, sind dieselben, die bisher von allen Berufen in der ersten Zeit gegen die Sonntagsruhe ins Feld geführt worden sind. Man hat immer von Vernichtung der Gewerbe usw. ge» sprachen, aber wir haben �erleben müssen, datz gerade die Ge- schäftsleute, die gegen die Sonntagsruhe eingetreten waren, nach her sehr dankbar waren, wenn sie eingeführt war. Wenn man sich darauf beruft, daß meist selbständige Frauen, Witwen usw. von dieser Maßnahme schwer betroffen würden, so trifft das nicht zu. denn die Erfahrung beweist, daß das Publikum seine Einkäufe danach einrichtet. Auch bedürfen gerade diese Frauen, die wie Galeerensklaven die ganze Woche hinter den Ladentisch gebannt sind» dringend des freien Sonntags.(Sehr wahrl bei den Sozial- demokraten.) Dazu kommt, daß, wenn man mit dieser Begrün- düng Ausnahmen von der Sonntagsruhe gestattet, das ein An- reiz für andere Berufe, z. B. Großdestillateure, Zigarrenfabri- kanten usw. ist, statt eigene Filialen mit Angestellten zu errichten, überall kleine Läden zu mieten, wo sie Mädchen hineinsetzen, die auf ihren Name» das Geschäft übernehmen. Dadurch würde die Sonntagsruhe umgangen und außerdem sparen die betreffenden Unternehmer eine Menge Steuern.— Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie also, über die Petition zur Tagesordnung überzu- gehen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Metzenthin(k.) empfiehlt den Antrag der Kommission, der einstimmig gefaßt sei.» Unter Ablehnung des Antrages auf Uebergang zur Tages. ordnung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinni- gen wird der Kommissionsantrag angenommen. Ueber eine Petition des Zentralverbandes der Handlungsgehilfen und»gehilfinnen Deutsch » lands um Schaffung öffentlich-rechtlicher Stellenvermittelung für Handlungsgehilfen, Beseitigung der gewerbsmäßigen Stellen, vermittelung und der gewerbsmäßigen Herausgabe von Vakanzen. listen beantragt die Kommission Uebergang zur Tage?» ordnung. Abg. Leinert(Soz.) begründet einen Antrag Borgmann, die Petition der Regie. rung zur Erwägung zu überweisen. Die Frage der Stellen. vermittelung der Handlungsgehilfen ist eine außerordentlich wichtige, und es würde ihrer Bedeutung nicht entsprechen, wenn man darüber einfach zur Tagesordnung übergehen würde.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ganz unverständlich ist, wie kleines femlleton. gu Otto Nicolais 100. Geburtstag. Eine eigenartige Zufalls- tugung läßt das goldene Jubiläum der Wiener Philharmoniker in dasselbe Frühjahr fallen, in dem der hundertste Geburtstag des Begründers dieser Konzertgesellschaft gefeiert wird. Otto Nicolai , der am 9. Juni 1810— also einen Tag nach Robert Schumann — in Königsberg geboren wurde, ist weiteren Kreisen nur als Kom. ponist der»Lustigen Weiber von Windsor " bekannt, und dieses einzige Werk hat den Namen seines Schöpfers bis auf die Gegen- wart erhalten. Ein tragisches Schicksal setzte dem Schaffen des Hochbegabten ein frühzeitiges Ende— gerade als er den Aufstieg zu neuen künstlerischen Höhen begonnen hatte. Nicolai gehört zu jenen frühreifen Persönlichkeiten, die in unablässigem Tatendrang und rastlosem Streben sich selbst verzehren. Vom Vater zum Klaviervirtuosen bestimmt, verließ er als Sechzehnjähriger heim- lich das Elternhaus, um sich eine reichhaltigere musikalische Aus- bildung zu verschaffen. Von Berlin , wo er den Unterricht Zelter? und Bernhard Klein ?— der beiden Lehrer Mendelssohns— ge- noß, führte ihn sein Weg nach Rom . Dort wirkte er in der Kapelle des preußischen Gesandten v. Bunsen als Organist, wäh. rend er gleichzeitig seine Studien bei dem berühmten Baini ab- schloß. Sein lebhafter Trieb zum Theater veranlaßte den Sieben- undzwanzigjährigen. eine Kapellmcisterstellung am Wiener Kärntertor-Theater anzunehmen, die er indesien bald aufgab, um sich der Komposition italienischer Modeopern zuzuwenden. Die schnellen Erfolge, die er auf diesem Gebiete errang, verschafften ihm 1841 einen Ruf als Kapellmeister an die Wiener Hofoper. Bis zum Jahre 1847 blieb er hier. Dann vertauschte er Wien mit Berlin , wo er als Operndirigent und Leiter des König- lichen Domchors wirken sollte. Doch nur zwei Jahre waren ihm noch zu leben beschieden. In dieser Zeit vollendete er sein popu- lärstes Werk, das er bereits in Wien begonnen hatte: die„Lustigen Weiber". Acht Wochen vor seinem Tode fand die erste Aufführung statt— am 11. Mai 1849 schloß der Ruhelose seine Augen für immer. Dieser frühe Tod macht es erklärlich, daß Nicolais übrige Werke ausnahmslos der Vergessenheit anheimgefallen sind. Auch die in letzter Zeit an einer Sinfonie und einer Weihnachts- ouvertüre mehrfach unternommenen Wiederbelebungsversuche haben keine dauernden Erfolge gehabt. Nicolai lebt und empfindet mit der Mode seiner Zeit. Und diese Mode ist für uns erstorben. Nur einmal spielte sie ihm ein Thema in die Hände, das alle originellen Quellen seiner Begabung aufdeckte. Der feine Humor, die schallhafte Liebenswürdigkeit, die zarte landschaftliche Stim» mungskunst, die launige Schilderung des Elfentreibens— alle diese Vorzüge der Lustigen-Weiber-Partitur wirken auch heute noch mit unverminderter Frische und sichern dem Schöpfer des an» niutigen Werkes dauerndes Weiterleben im Gedächtnis der Nach- Welt. Die Mntza- Indianer, die— wie die Zeitungen gestern meldeten— V a l l a d o l i d. die Hauptstadt des mexikanischen Staates Dukatan, angegriffen und geplündert haben, wohnen in den mexikanischen Staaten Chiapas und TabaSca und auf der Halbinsel Aukatan. In Dukatan bilden diese halbwilden Indianer die ganze Landbevölkerung und in den Städten wenigstens die Mehrzahl der 1 als Grund des Beschlusses der Kommission angeführt werden kann, wie das in der Kommission geschehen ist, daß die gewerbsmäßigen Stellenvermittler bei einem Verbot der gewerbsmäßigen Stellen- vermittelung entschädigt werden müßten. Als es sich bei der Reichsfinanzreform darum handelte, daß Arbeiter durch die Ge- setzgebung brotlos würden, hat man verschiedentlich unseren An» trag auf Entschädigung dieser Arbeiter abgelehnt. Im übrigen gibt es unter den gewerbsmäßigen Stellenvermittlern auch recht viele Parasiten, die einen höchst unmoralischen Gewinn aus der Ausbeutung arbeitsloser und mittelloser Menschen ziehen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist dringend notwendig, daß auch im Handelsgewerbe die paritätischen Arbeitsnachweise eingeführt werden. Die große Masse der Handlungsgehilfen weiß heute überhaupt nicht, wo Vakanzen vorhanden sind. Im allge- meinen steht man ja hier im Hause solchen paritätischen Arbeits- nachweisen wenig freundlich gegenüber. Es muß dafür gesorgt werden, daß auch die Handlungsgehilfen den bestehenden paritä- tischen Arbeitsnachweisen der Gemeinden angegliedert werden. Aus allen diesen Gründen verlangen wir, daß die Regierung diese Frage wenigstens in Erwägung zieht.(Bravo ! bei den Sozial. demokraten .) Abg. GiesbcrtS(Z.) beantragt, die Petition der Regierung als Material zu überweisen. Es gäbe auch andere Berufe, bei denen eine öffentliche rechtliche Stellenvermittelung dringend not- wendig sei. Abg. Gantert(Fortschr. Vp.) stimmt dem Antrage GieS- berts zu. Abg. Leinert(Soz.): Wenn wir der Regierung die Petition zur Erwägung über. weisen, so schließt das natürlich nicht aus. daß die Regierung dabei auch andere Berufe in Erwägung zieht. Wir halten daher unseren Antrag aufrecht, werden aber im Falle seiner Ablehnung für den Antrag GieSberts stimmen. Unter Ablehnung dcS Antrages Borgmann wird hierauf der Antrag GieSberts auf Ucberweisung der Petition als Mate ria angenommen. Es folgt die Beratung dcS Antrages Strosser(k.), die Regierung aufzufordern, die ihr unterstellten Polizeiorgane anzuweisen, dahin zu wirken, daß die für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen erlassenen gesetzlichen Bestimmungen und polizeilichen Vorschriften auch befolgt werden und auf besonders verkehrsreichen Straßen die Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen auf die engsten Grenzen eingeschränkt oder wo nötig, ganz untersagt wird. Abg. Strosscr(k.): ES ist unbegreiflich, daß jetzt sogar der Berliner Polizeipräsident die zulässige Geschwindigkeit der Auto- mobile von 15 auf 25 Kilometer erhöht hat. Wir verlangen die Beseitigung der ZuverlässigkeitS- und Schnellig- k e i t s f a h r t e n, die für den Unbeteiligten viele Gefahren mit sich bringen. Das hat fich wieder bei der P r i n z> H e i n r i ch> Fahrt gezeigt. Die Herren Automobilisten sollten sich eigene B a b n e n bauen. Ein Kommissar aus dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten betont, daß von der Regierung eine strenge Durchführung der Be- stimmungen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen durchaus verlangt würde. Der Forderung, auf besonder? verkehrsreichen Straßen die Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen möglichst ein- zuschränken oder ganz zu untersagen, könne nn allgememen nicht entsprochen werden. Was die Wettfahrten anbetrifft, so sind nur Zuverlässigkeitsfahrten und Schnelligkcitsprüfungen über kurze Strecken erlaubt. Die Industrie kann solche Veranstaltungen nicht entbehren, und da wir noch keine Bahnen haben, um diese Fahrten zu veranstalten, können wir Straßenwettfahrten noch nicht verbieten. Sehr wichtig ist die Frage, aus was für Elementen sich der Chauffeur- stand zusammensetzt. Das Material bessert fich fortgesetzt, namentlich seit der Bundesrat Bestimmungen über die Prüfung der Chauffeure erlassen hat. Ein Kommissar des Ministeriums des Innern schließt fich den Ausführungen des Vorredners an. Abg. Freiherr v. Zedlitz(k.) beantragt, über die Teile des An- träges gesondert abzustimmen. Abg. Freiherr v. Eynatten(Z.): Bei unS auf dem Lande sieht die Bevölkerung mitsteigender Erbitterung dem Automobil- Einwohner. Sie halten zueinander, verraten sich in keinem Falle, so daß ihnen die mexikanische Regierung völlig machtlos gegenüber- steht. Ihre Sprache(die Mayasprache) ist noch heute sehr weit ver- breitet; sie gehört zur huaptekischen Sprachfamilte und zerfällt m fünf Dialekte: das Lacandon, Peten, Karibeh, Chamabal und Purutuna. Die angegriffene und geplünderte Stadt Valladolid, im Jahre 1643 gegründet, liegt im Osten von Dukatan, hat ein sehr schönes, gesundes Klima, viele einst herrliche, aber im Ausstand von 1843 zerstörte Gebäude(wie die Kathedrale und das Franziskanerkloster) und etwa 5000 Einwohner. Südlich von der Stadt liegen die Welt- berühmten altindianischen Ruinen von Chichen-Jtza, westlich die von Tinun. Jene ist nicht sowohl einzelne Ruine als vielmehr eine ganze— und noch dazu recht ansehnliche— Ruinenstadt, die in- mitten einer waldbedeckten Ebene liegt. In Jahren großer Trocken- heit brachte man hier den Regengottheiten kostbare Steine und kleine Kinder zum Opfer, die von einem kleinen, am oberen Rande des Felsens gelegenen Tempel aus ins Wasser gestürzt wurden. Die Ruinen bedecken jetzt eine Fläche von fast 3 Kilometer. Hitze und Kleidcrfarde. Im allgemeinen hält man Weiß für die Farbe, die bei großer Hitze für unsere Kleidung am besten ge- wählt wird. Früher hat man sich nicht viel Gedanken darüber ge- macht, ob dieser Brauch wirklich schon das Zweckmäßigste darstellt. Da jetzt aber mehr und mehr Europäer Gelegenheit haben, auch in den Tropen Erfahrungen zu sammeln, wo eine Hitze, wie sie uns die ersten Junitage gebracht haben, Wochen- und monatelang herrscht, hat man Versuche mit noch anderen Farben der Kleider angestellt. Besonders bekannt ist in dieser Hinsicht das Khaki geworden, das sogar vorübergehend die große Mode in Europa zu beeinflussen versucht hat. Die Bezeichnung„Khaki" be- zieht sich aber mehr auf den Stoff als auf dessen Farbe, und es bleibt noch immer Spielraum zu weiteren Prüfungen. In ver- schiedenen Tropenarmeen, namentlich in Indien , hat man in den letzten Jahren probeweise Kleidungsstücke von orangeroter Farbe gewählt, man scheint damit aber auch nicht das Richtige ge- troffen zu haben. Nach einem jetzt erschienenen amtlichen Bericht aus Indien wurde dort die Hälfte jeder Kompagnie mit weißen, die andere Hälfte mit orangeroten Uniformen ein und desselben Gewebes bekleidet. Sodann wurde ein ganzes Jahr lang genau über den Gesund- heitszustand der Soldaten Buch geführt, auch Gewichtsprüfungen und Blutuntersuchungen vorgenommen. Es stellte sich heraus, daß beide Gruppen gleich viel Krankheiten aufzuweisen hatten, auch unter der Sonne in gleichem Grade iitten. daß aber die orangerote Gruppe zu übermäßiger Schweißabsonderung neigte und infolgedessen stärkeren Gewichtsverlust und eine Blutverdickung erfuhr. Dieser Umstand erklärt sich daraus, daß die farbigen Stoffe die Sonnen- strahlen mehr aufnehmen als weiße. Danach scheint die alte Ge- wohnheit. weißen Kleidern im Sommer den Vorzug zu geben, tat- sächlich das Richtige und Beste getroffen zu haben. Humor und Satire. Was witzige Männer sagten! Karl der Einfältige fragte seinen Hofnarren: „Wollen wir tauschen?" „Nein. Majestät," gab der Narr zur Antwort. „Würdest Du Dich denn schämen, König zu sein?" fragte der Herrscher erstaunt. unfug zu. ES muß einmal hier öffentlich ausgesprochen werden, daß die Regierung nicht mit der nötigen Energie vorgeht, weil gewisse hochgestellte Persönlichkeiten besondere Freunde und Anhänger des Automobilsports sind.(Sehr richtig I) Wenn die Regierung eS nicht weiß, wir wissen es. Wir wissen, wie eS koinmt, daß alle unsere Reden hier nichts nützen. Abg. Röchling (natl.): Die Hauptsache ist nicht die Ein- schränkung der Geschwindigkeit, sondern die Erhöhung der Ouali- fikation der Fahrer. Abg. Strosser(k): Ich bedauere, daß die Regierung auch heute noch auf dem Standpunkt steht, daß die Landstraßen den, Automobil- verkehr gehören. Wir müssen dagegen protestieren, daß Landstraße» meilenweit für den Verkehr gesperrt werden im Interesse der Automobilrcnnen.(Bravo !) Die Landstraßen um V e r l i n herum, der ganze Grunewald, ist an trockenen Sonntagen z. B. durch die Automobile total verstaubt und für die Hunderttausende fleißiger Berliner , die am Sonntag ihre Erholung suchen, unpassier- bar.(Sehr richtig I> Die Fußgänger sind doch sozusagen auch noch Menschen l(Bravo I) Der Antrag S t r o s s e r wird in beiden Teilen angenommen. Abg. Ecker-Winsen(natl.) begründet einen Antrag, die Regierung zu ersuchen, vom Jahre 1911 an für hauswirtschaftliche Unterweisung der weiblichen ländlichen Jugend erhöhte Mittel in den Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung einzustellen. Hierzu liegt ein Antrag Borgmann(Soz.) vor, den Antrag in folgender Fastung anzunehmen:„Vom Jahre 1911 an für Haus- wirtschaftliche Unterweisung der weiblichen Jugend erhöhte Mittel in die Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung und der Handels« und Gewerbeverwaltung einzustellen." Der Antrag findet nicht die genügende Unterstützung von 80 Mitgliedern des Hauses. Abg. Leinert(Soz.): Ich bedauere, daß unser Antrag nicht die nötige Unterstützung gefunden hat. Die Herren Antragsteller hatten mir vorhin erklärt, daß sie mit ihm einverstanden seien und dafür stimmen würden. Wir halten es für dringend notwendig, daß die weibliche Jugend nicht nur auf dem Lande, sondern auch in den Städten Hauswirt- schaftlichen Unterricht erhält. Heute ist das Kultusministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Handelsministerium an den Ausgaben für den Hauswirt- schaftlichen Unterricht beteiligt. Diese Zerteilung schadet der Sache, sie müßte in einem Reffort einheitlich geregelt werden. Die Herren der Rechten werfen den Arbeiterinnen immer vor, daß sie vom Hans- halt nichts verstünden und vergessen dabei, daß nicht die Arbeite- rinnen daran schuld sind, sondern die wirtschaftlichen Ber- Hältnisse. So veröffentlichte die„Deutsche Tageszeitung" auS Anlaß der Fleischverteuerung eine völlig absurde Zuschrift aus Schlesien , worin behauptet wurde, daß die Arbeiterfrauen keine Ahnung vom Kochen hätten. Es gäbe Frauen, die kaum einen Topf Kaffee oder Kartoffeln kochen könnten. AuS Beguemlichkeit täten die Arbeiterinnen einfach ein Stück Wurst in einen Topf mit kochendem Waffer oder benutzten als SonntagSeffen gehacktes Fleisch, das auch nicht viel Arbeit mache, in dieser Form ist eine solche Be- hauptung eine Beleidigung für die Arbeiterfrauen. Aber waS soll man schließlich von den Frauen verlangen, die nie die Fürsorge in ihrer Jugend kennen gelernt haben, wie die Töchter der Neichen, sondern die gleich nach der Schule in die Fabrik kommen und noch als Frauen weiterarbeiten müssen. Die Zahl der in der Industrie tätigen Frauen betrug im Jahre 1909 über eine halbe Million, 21 000 mehr als 1908. Die Berichte der Gewerbeinspektoren bestätigen, wie traurig die Lage der Arbeiterinnen ist und auch, daß besser entlohnte Arbeiter ein besseres Hauswesen haben. Es fehlt vor allem an dem hauswirtschaftlichrn Unterricht in der Volksschule. Ein besonderes trauriges Zeichen der preußischen Unkultur ist auch der Mangel an geeigneten Lehrerinnen für den hauswirtschaftlichen Unterricht. Heute werden die Kräfte aus den höheren Töchterschulen genommen. Meist fehlt aber den Töchtern der besitzenden Klassen die Kenntnis der Ver- Hältnisse der Arbeiterklasse. Wir verlangen, daß der Staat die nötigen Einrichtungen schafft für die Erteilung eine? brauchbaren wirtschaftlichen Unterrichts an die gesamte Arbeiterjugend in Stadt und Land. Nicht als Sport oder als besondere Wohltat für die Arbeiter, sondern im Interesse der Hebung der kulturellen Ver- „Da? nicht," erwiderte sein Spaßmacher,»aber ich würde mich eines solchen Narren schämen I" » Der französische Philosoph und Schriftsteller Fontenelle lag in den letzten Zügen. Ein Freund, der an seinem vettrand saß. fragte ihn teilnehmend mit leiser Stimme: „Wie geht's?' „ES geht überhaupt nicht mehr," antwortete ebenso leise der Sterbende.„Ich gehe!" In Gegenwart einiger hochgeborener Studenten stellte der Mathematiker und Physiker Kästner Beobachtungen mit einem Fernrohr an. Dabei lief ihm ein junger, lebhafter Prinz mehrere Male vor dem TubuS vorüber, so daß Kästner immer wieder in seinen Beob» achtungen gestört wurde. Zweimal ließ sich der Mathematiker das gefallen, da? dritte Mal runzelte er die Stirn und fixierte den Prinzen. Als es aber zum vierten Male passierte, wandte er sich mit den Worten an ihn: „Durch l a u ch t i g mögen Ew. Hoheit immerhin sein, aber durch- sichtig sind Sie darum noch lange nicht!" Gegen den Rat seiner Minister wollte Georg II. eine bedeutende Stelle an einen seiner Günstlinge vergeben. Die Minister boten alles auf, um ihn von diesem Entschluß abzubringen, aber«S nützte nichts. So brachte ihm endlich Lord Chesterfield das Dekret, damit er den Namen und seine Unterschrift eintrüge. Der Minister war eisig ehrerbietig. „Wem geruhen also Majestät die Stelle zu geben?" Gerade diese Unterwürfigkeit des LordS machte den König wankend. „Gebt sie dem Teufel meinetwegen l" sagte er ärgerlich. Chesterfield verzog keine Miene und fragte: „Befehlen Ew. Majestät, daß die Formel beibehalten werde: „Unserem getreuen, vielgeliebten Vetter"?" Der König sah den Lord überrascht an, mußte lachen und gab nach. An einem Platz, auf dem ein Denkmal für den LandcSfürsten errichtet werden sollte, waren Arbeiter mit den Grabungen dafür beschäftigt. Saphir kam dazu und stellte sich hin, um den Leuten bei ihrer Arbeit zuzusehen. Nach einiger Zeit gesellte sich ein Herr zu ihm, besichtigte eben- falls mit Interesse die Arbeiten und sagte zu Saphir : „Entschuldigen Sie I Warum wird denn hier so tief gegraben?" „Die Leute können keinen Grund zu dem Denkmal finden!" lautete die Antwort. (Aus dem Buche„Dreimal hunderttausend Teufel", da? soeben bei Robert Lutz in Stuttgart erschienen ist und zu dem Adolf Saager die Anekdoten gesammelt und verarbeitet hat. Da? Buch kostet brosch. 2 M, geb. 3 M.)
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