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YSltnisse des gesamten Volkes fordern vir diesen Unterricht,(©ratio l bei den Sozialdemokraten.) Mg Brandhuber(Z.) tritt für den Antrag ein im Hinblick auf die guten Erfahrungen in Baden und der Schweiz . Abg. GicSlierts(Z.): Ich begrüße den sozialdemokratischen Antrag und nehme ihn auf. Ich möchte aber feststellen, daß die private Initiative auf dem Gebiete des hauswirtschaftlichen Unter- richts nicht von der Sozialdemokratie, sondern von anderen Parteien gekommen ist. Speziell Professor Hitze ist von der Sozial- demokratie viel geschmäht worden wegen seines bahnbrechenden Buches auf dem Gebiete, aus dem man ein Rezept herausgriff, durch welche» den Arbeiterfrauen empfohlen wurde, auch in der Zeit der Arbeitslosigkeit möglichst ihrer Familie etwas Warmes zu bieten. Heute finden wir in der sozialdemokratischen Presse genau dieselben Rezepte. Abg. Schepp(Fortschr. Bp.) tritt für den Antrag ein. Abg. Leinert(Soz.): Ich habe kein Gewicht gelegt auf die Wohltätigkeit der reichen Kreise, sondern die Aufgabe des Staates betont. WaS das Buch von Hitze betrifft, so ist es merkwürdig: erst verteuern sie den Arbeitern die Lebensmittel durch ihre Zoll- und Steuerpolitik und dann erteilen Sie ihnen gute Ratschläge, wie sie mit Bettelsuppen sich langsam durchhungern könnten. Der hauswirtschastliche Unter­richt soll nicht etwa erteilt werden, um die Möglichkeit zu schaffen, mit IV bis 19 M. Lohn in der Woche auszukommen, sondern er soll den Arbeiterinnen zeigen, daß mehr zum Leben gehört, als die Arbeiter heute meist verdienen, und sie so auf eine höhere Kulturstufe heben.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Für den Zentrumsantrag werden wir natürlich stimmen; ich stelle aber fest, daß der Antrag von uns ausgegangen ist. Abg. GieStertS(g.): Di« Priorität will ich der Sozialdemokratie durchaus nicht bestreiten, auch bin ich mit Herrn Leinert in der Sache selbst ganz einer Meinung. Nur kann kein« Rede davon sein, daß Herr Hitze die Arbeiter mit Bettelsuppen abfinden wollte. Sie werden den christlichen Gewerkschaften nicht bestreiten, daß sie für die Berbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse eintreten. Damit schließt die Debatte. Der Antrag Ecker« Winsen und der vom Zentrum aufgenommene Antrag Borgmann gehen an die Budgetkommission. Ein weiterer Antrag E ck» r- Winsen(natl.), die Regierung möge die auf Schaffung von Naturschutzparks gerichteten Be« strebungen unterstützen, wird nach kurzer Debatte an di««grar- k o m m i s s i o n verwiesen. Ein Antrag Beyer« Dortmund (g.) betreffend Erhöhung der Staatszuschüsse zur Pensionskasse der Eisenbahn- arbeiter wird für erledigt erklärt, nachdem ein Regierungsvertreter erklärt hat, daß schon am 1. Juli d. I. eine Erhöhung dieser Zuschüsse eintreten werde. Die Ansiedelungsdenkschrift wird nach einigen Aul« führungen deS Abg. G l a tz e l(natl.), der die gortführuna der An« siedelungspolitik als«ine staatliche und nationale Pflicht bezeichnet, durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.' Hierauf vertagt sich da« HauS. Nächste Sitzung: Donnerstag 11 Uhr: Interpellationen über die Borromäus-Snzyklika, zweite und dritte Lesung der Vorlage betreffend die Erhöhung der givtlltst«. Schluß t'/« Uhr. _ Bus der ßeichsverncherungsordDungs- hommlfflon. Sitzung vom Mittwoch, S. Juni 1910. Dem Antrage der Sozialdemokraten, den Kranken- vevstcherungszwang auf die Lehrlinge auszudehnen, die nicht gegen Entgelt beschäftigt werden, hatten sich inzwischen die Na- tionalliberalen angeschlossen. Auch oaS Zentrum trat dafür ein. Dabei herrscht« Uebereinstimmung darüber, daß diesen Lehrlingen nicht wie den anderen Versicherten, die gegen Entgelt beschäftigt sind, ein Krankengeld gewährt werden kann. Maßgebend müßte aber sein, daß diese Lehrlinge im Falle einer Krankheit der Pflege und ärztlichen Hilfe bedürftig seien. Diese müßte ihnen durch die Krankenversicheruiig gesichert werden. Die Regierungsvertreter erkannten diesen Grund als berechtigt an. Es komme jedoch nur ganz selten vor, daß Lehr» linge ohne Entgelt beschäftigt würden. Die Sozialdemo- kra ten versickierten aber, oaß solche Fälle durchaus nicht so selten seien, namentlich in der ersten Zeit de» Lehrverhältnisses. Das bestätigte auch der Abg. Irl vom Zentrum. Die Konservativen wandten sich gegen den Antrag. Ebenso warnte der Redner der Fortschrittlichen Volks- Partei davor, die Staatsfürsorge auf immer weitere Personen» kreise auszudehnen. Schließlich wurde der Antrag gegen die Stimmen der Konservativen, Fortschrittlichen Volkspartei und des Abg. Erzberger angenommen. Eigenartig gestaltete sich die Debatte über den weiteren An- trag der Sozialdemokraten, den Krankenversicherungs - zwang auf die selbständigen Gewerbetreibenden auszudehnen. Für die Ausdehnung sprach sich sehr entschieden auch der freiionservattve Abg. v. G a m p aus. Dt« bürgerlichen Par- teien, rief er aus, haben schon so lange den Handiverkern Ver­sprechungen gemacht, daß unbedingt de, dieser Reform auch eine Verbesserung für die Handwerker erreicht werden müsse. Auf der anderen Seite nahmen die Z e n t r u m S abgeordneten grundsätzlich" Stellung gegen die Anregung. Sie würden unbe- dingt auch fernerhin daran festhalten, daß die Arbeiterverstchcrung nur für die Arbeiter, nicht aber für die selbständigen Gewerbe- treibenden bestimmt sei. Dem schlössen sich die Konserva- tiven und F o r t s ch r t t t l er an. Letztere fügten hinzu, daß gerade den kleineren selbständigen Gewerbetreibenden ihr gutes Fortkommen durch die Beiträge für die obligatorische Kranken- Versicherung sebr erschwert werde. Die Sozialdemokraten antworteten, daß e« aber für dte kleineren Geschäftsleute noch viel schlimmer sei, wenn sie in Krankheiten ohne H i lfe dastehen. Ferner seien viele kleine Geschäftsleute in Wahrheit nicht mehr wirtschaftlich selbständig. Endlich sei es ungerecht, daß die Handwerker in jungen Jahren, solange sie als Geselle usw. arbeiten, versicherungspflichtig find und Kassenbeiträge befahlen müssen. In dieser Zeit sind sie in der Regel verhältnismäßig selten krank. In späteren Jahren aber, wenn sie häufiger von Krankheiten heimgesucht würden, dann würden sie nach der Vorlage nicht mehr in der Krankenversicherung sein, weil sie inzwischen ein eigene« Gesckäft begonnen haben und damit von der Versicherungspflicht befreit worden seien. Die Ausdehnung de» VersichcrungSzwanges wurde aber mi t allen Stimmen gegen die der Sozialdemokraten und der Fretkonservativen abgelehnt. Für die Ausdehnung des Bersicherungszwanges auf die etwas besser ge st eilten Werkmeister, Techniker. Handlungsgehilfen usw. sprachen sich die Sozial- demotraten, das Zentrum und die Nationallibe- r u l e n aas. Aber die beiden letzten Parteien bemühten sich, diese Verbesserung möglichst einzuschränken. Die Sozialdemokraten hatten beantragt, daß der Ver- sicherungSzwang, der nach dem geltenden Gesetz nur für die An- gestellten mit einem JahrcSgehalte bis zu LllOV M. besteht, auf alle Angestellte mit einem JahreSgehalt bis zu 5000 M. ausgedehnt werde. Sie erinnerten daran, daß bereits im Jahre 1899 die Grenze für die Unfallversicherung auf 8000 M. erhöht worden sei. Nach den vorliegenden Statistiken sei aber jetzt, zumal mit Rück- ficht auf die Verteuerung der Lebenshaltung, die Grenze bei dem JahreSgehalt von V(XX1 M. festzulegen. Trotzdem kam daS Zentrum mit dem Antrage, da» JahreSgehalt von 8000 M. und schließlich die Nationalliberalen mit dem Anfrage, da? JahreSgehakk von 8500 M. maßgebend sein g« lassen. Die Konservatiben wollten die Angestellten auf daS angeblich noch im nächsten Winter kommende Versicherungsgesetz für die Privatbeamtcn vertrösten. Sie mußten sich aber belehren lassen, daß das Gesetz mit der Krankenversicherung gar nichts zu tun haben würde. Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Sozialdemokraten mit allen Stimmen gegen die der Antragsteller abgelehnt. Auch der Zentrumsantrag fand keine Mehrheit, weil die National- liberalen nicht dafür stimmten. Erst der Antrag der National- liberalen wurde gegen die Stimmen der Konservativen und der Fortschrittler angenommen. Dann wurde noch hinzugefügt, daß Betriebsbeamte, Werk- Meister, Techniker sowie andere in gehobener Stellung befindliche Angestellte nur dann dem Versicherungszwange unterliegen, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet. Die Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge ist nach der Vorlage dem Versicherungszwange nur unterstellt, soweit sie weder unter die ZK 59 bis 62 der Seemannsordnung, noch unter die KZ 553 553b des Handelsgesetzbuches fällt. Die Sozial- demokraten beantragten, daß diese Beschränkung gestrichen werde, da die Fürsorge nach den besonderen Bestimmungen der Seemannsordnung und des Handelsgesetzbuchs nicht in allen Punkten der Fürsorge nach dem Krankenversicherungsgesetz ent« spricht. Der Antrag wurde jedoch gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Die Vorlage wollte dem Gemeindoverband die Befugnis geben, für seinen Bezirk oder Teile davon die Versicherung statutarisch auf Familienangehörige des Arbeitgebers auszudehnen, die ohne Entgelt und Arbeitsvertrag in seinem Betriebe tätig sind. Solche Bestimmungen sollten vom Oberversicherungsamt genehmigt und veröffentlicht werden. Auf Antrag des Zentrums wurden diese Bestimmungen gestrichen. Nächste Sitzung morgen. Bus der luftizfeommiffion. Die Beratungen in der Mittwochsitzung begannen mit einem Antrag v. Dzicmbowski, einen§ 139» zu schaffen, in dem bestimmt wird, daß, wenn eS einem Angeschuldigten nicht gelingt, zu den Sätzen der Gebührenordnung einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt als Verteidiger zu erhalten, das Gericht einen Rechtsanwalt zu bestellen hat, der von dem Antragsteller nach den Bestimmungen der Gebühren- ordnung zu entschädigen ist. Gegen den Antrag wendeten sich Redner deS Zentrums und der Nationalliberalen. Unsere Ge- nossen traten für den Antrag ein und sprachen gegen einen An- trag deS ZcntrumSabgeordneten Maher-Kaufbeuren, nach dem nur dann der Verteidiger zu stellen ist, wenn daS Verfahren nicht aussichtslos ist. Die Regierungsvertreter stellten sich dem An- trag sympathisch gegenüber. Als in der Diskussion ein national- liberaler Redner auf die im allgemeinen zu niedrig bemessenen Sätze der Gebührenordnung für Rechtsanwälte hinwies, erklärte einer der Reaicrungskommissare, daß bereits im Schöße der ver« bündeten Regierungen Erwägungen darüber gepflogen werden, die eine angemessene Erhöhung der Rechtsanwalts- gebühren zum Ziel haben. Nach Zurückziehung der vorliegen- den Anträge beschloß die Kommission, daß dem Beschuldigten dann ein Verteidiger zu stellen ist, wenn er einen in der Nähe des Ge- richte? wohnenden Verteidiger nicht erlangen konnte. Die Bei- ordnung im BerufungS - oder Revisionsverfahren unterbleibt, wenn die Anfechtung einer Entscheidung aussichtslos erscheint. Dem gestellten Verteidiger ist von dem Beschuldigten ein nach den Vor- schriften der Gebührenordnung zu bemessender Vorschuß zu zahlen. Einen Antraa, der in letzter Linie jede wirksame Verteidi- gungSmöglichkeit für den Verteidiger beseitigen würde, stellten die Konservativen. Sie forderten einen§ 146a, dessen zweiter Satz lautete:Er(der Verteidiger) darf jedoch keine Handlungen vornehmen, die den Zweck verfolgen, die Ermittelung der Wahrheit zu verhindern oder zu erschweren oder den schuldigen Täter der Bestrafung zu entziehen." Gegen diese Forderung wendeten sich selbst die Regierungsvertreter. Der Antrag wurde mit Stimmengleichheit abgelehnt. Nach Z 147 hat der Verteidiger da« Recht, die gerichtlichen Akten einzusehen. Die Einsichtnahme kann verweigert werden, wenn dte Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht bean. tragt ist und durch die Einsichtnahme der Zweck der Untersuchung gefährdet werden könnte. Diese Beschränkungen zu beseitigen be- zweckten Anträge, die von den Polen und vom Abg. Gröber gestellt waren. Unter Ablehnung sämtlicher Anträge wurde die Regierungsvorlage angenommen. Im Z 148 bestimmt der zweite Absatz, daß der in Unter» suchungshaft sich befindende Deschuldigte von seinem Verteidiger nur durch die Vermittelung des Richters schriftliche Mitteilungen empfangen darf. Ist eine Kollusionsgefahr im Verzug, so kann jede Mitteilung deS Verteidigers zurückgewiesen werden; auch haben Unterredungen deS Verteidigers mit dem Klienten nur in Gegenwart des Richters stattzufinden. Dazu beantragten die Nationalliberalen, dieses AuffichtS- und Kontrollrecht neben dem Richter auch dem Staatsanwalt zu geben. Abg. Gröber beantragte dagegen, die Bestimmungen überhaupt zu streichen. Die Vertreter der Negierung sprachen sich gegen beide Anträge aus, und die Nationalliberalen mußten sich sagen lassen, daß ihre reaktionären Allüren selbst der Regierung zu weit gehen. Die Debatte wurde auf Donnerstag vertagt Hus der parteü Delegation zum Internationalen Kongreß. Mit der Vertretung der schlesischen Genossen auf dem Jnter- nationalen Kongreß wurde Genosse Löbe-Brcslau beauftragt. Die Wahl wurde durch Urabstimmung vorgenommen. Parteiliteratur. Liebe Schwester I Unter diesem Titel ist im Verlag von W. Pfannkuch u. Co. in Magdeburg «ine kleine AgitationS- broschiire erschienen, die der Agitation für Partei und Gewerkschaften unter den Landarbeitern und in Berufen, die ihre Arbeiterschaft vom Lande ergänzen, dienen soll. Einzelpreis 5 Pf. Bei Bezug größerer Partien bedeutende Preisermäßigung. Bon der österreichischen Sozialdemokratie. Bekanntlich wurde auf dem letzten Parteitag in Reichenbera be- schloffen, die politische Organisation überall auf den politischen sWahl-) Bereinen aufzubauen. Die Wiener fürchteten diese Aenderung. Dort war dte Partei bisher zumeist ein Verband von Abnehmern des WochenblattesVolkstribiine". Am letzten Sonntag hielt der Stnmmbezirk der Wiener Sozialdemokratie, der X.(Favoriten), in dem der Genoffe Dr. Adler gewählt ist, seine General- Versammlung ab und es zeigte sich, daß der Wnhlvercin in füuf Monaten seine Mitgliederzahl versieben unddreißig- facht hat. Er zählt jetzt 3712 Mitglieder. eL sollen aber bis Jahresschluß 5000 werden. In einer weitauSgreifenden Rede über die politische Lage und das parlamentarische Vorgehen der Partei konnte Dr. Adler sagen, daß m Wien schon 26 000, in ganz Oester- reich 100 000 Arbeiter den Partelvereinen angehören. Dabei besteht noch für Frauen und Jugendliche daS verbot, politischen Vereinen anzugehören. polieeUicbeS, Orricbplicbes uftv. Eingerechtfertigter" Bi'ngermrister. Sechs Wochen Gefängnis für eine Bürger» meisterbeleidigung erhielt Genosse Schiefer st ein- Odersbach von der Limburger Strafkammer zudiktiert. Er hatte kn einem Flugblatt dem Gemeindeoberyaupt Vor« geworfen, daß er mit zweierlei Maß messe, sittlich nicht intakt s«t und anderes. In der Verhandlung am Montag, die vierzehn Stunden dauerte und in der 24 Zeugen aufmarschierten, wurden in der Lak grobe Dinge festgestellt, so daß der eigentlicbe Verurteilte der Bürger- meister Dorn ist. Er hat ein Wahlprotokoll nicht objektiv verfaßt. an Dokumenten radiert, die Frau deS früheren Gemeinderechners Krämer nachts von 1 4 besucht und nach Angabe der Frau sie zu vergewaltigen versucht und ist gegen sozialdemokratische Bürger im großen und ganzen recht forsch aufgetreten. Der Notzuchtsversuch wurde nicht aufgeklärt, daS Gericht nahm nur an,»daß etwas ge- schehen ist", aber nichts im Sinne des§ 176. Für die Feststellung all dieser Dinge erhielt dann unser Genoffe sechs Wochen Ge- sängni«._ Eine Haussuchung wurde in den Geschäftsräumen der Essener»Arbeiter« z e itun g" vorgenommen. Diesmal handelt es sich um das Manu« skript eines im Anfang Mai veröffentlichten Artikels in der Affäre des Grafen Schulcnburg, der entmündigt wurde und deshalb An- schuldigungen der Rechtsbeugung gegen hochstehende Personen erhebt. Gefunden wurde nichts._ Frau von SchSuebeck vor den Geschworenen. Die gestrige Verhandlung wurde wieder durch einen Anfall der Angeklagten unterbrochen. Die Beweisaufnahme erstreckte sich im wesentlichen auf die in der Untersuchung gegen von Gäben vorgenommene Durchsuchung. Nachmittags fand eine Lokal- bestchttgung statt. Zu Beginn der Sitzung verliest der Lorsttzende, Seheimer Justizrat B r ö s e. einen der ihm zugegangenen anonymen Briefe, die Beleidigungen gegen ihn und die Angeklagte enthalten. Auf Antrag der Verteidigung wird beschlossen, einen Herrn von Löhberg als Zeugen zu laden. Der Zeuge soll bekunden, daß Herr von Gäben ein unbeeinflnßbarer Mann gewesen sei, der sich durch niemand, am allerwenigsten durch eine Frau zu etwas hätte anstiften lassen. Für die nun folgende Vernehmung der Zeugen Hauptmann L a m o t t e und Hauptmann Rerchardt wird Ausschluß der Oefsentlichkeit angeordnet. Es werden, um den Königsberger Blättern eine schnellere Berichterstattung zu ermöglichen, insgesamt fünf Vertreter der Presse zugelassen. Der Hauptmann Lamotte hat früher in Allenstein als Regimentsadjutant beim 10. Dragoner« regiment gestanden, jetzt wohnt er in Charlottenburg . Vor- sitzender: Es soll da irgend«twaS vorgekommen sein mit Frau Weber, die damals noch mit Herrn v. Schönebeck verheiratet war. Sie soll einen Brief an eine Dame gerichtet haben ich bitte den Namen der Dorne bei Ihrer Bernehmung nicht zu nennen was ist Ihnen darüber bekannt? Zeuge: Im Frühjahr 1902 kam eines Morgens die Dame zu mir in meine Privatwohnung und zeigte mir einen Brief, wobei sie fragte, ob mir die Handschrift des Briefe» bekannt sei. Ich konnte der Dame jedoch keinerlei Auskunst darüber geben und sie ging wieder fort. Mittags klingelte es an der Haustür, draußen wartete Frau v. Schönebeck. Ich ging hinaus und traf sie, auf dem Erdboden liegend, mit be« schmutztem Mantel an. Ich ließ sie in da» giinmer schaffen. Ich bemerkte den Geruch von bitteren Mandeln und sah ein Fläschchen vor der Tür liegen. Ich schloß daran», daß sie Gift getrunken habe, und ließ daher sofort Milch bringen und sie trinken. Ich schickte auch zum RegimentSarzt und zu meinem Hausarzt Dr. Seidel. Frau v. Schönebeck warf sich in dieser Zeit auf dem Erdboden hin und her, schlug mit Armen und Füßen und fing an zu schreien. Zunächst hatte ich den Eindruck, daß der Anfall ein künstlicher wäre, und sagte auch meiner Frau, daß man heftig dagegen einschreiten sollte. Schläge seien vielleicht da» beste. Nach einiger Zeit wurde dt« Frau ruhiger, ich legte sie auf die Chaiselongue und hotte dann den Eindruck. daß sie einen richtigen Krampfanfall bekam. Sic beruhigte sich später, bald danach trat aber eine große Erschlaffung ein. Schließlich kam der Oberstabsarzt, dem ich das Fläschchen zeigte. Er sagte, eS sei Opiumtinktur. Der Zeuge zeigt den Sach- verständigen das Fläschchen. DaS Gerickt beschlreßt, es als BeweiS- mittel zu akzeptieren. Der Zeuge erzählt weiter, daß er sofort zu Herrn v. Schönebeck sandte und daß dieser mit dem Dienst- mädchen in einer Droschke ankam und seine Frau nach Hause schaffte. Die Angeklagte erklärt, ste sei auf dem Wege zur Frau Lamotte gewesen. Die angegriffene Dame sei später freunvschastlich mit ihr zusammengekommen. Auf Besrngen schildert der Zeuge den f crrn v. Schönebeck als einen sehr tüchtigen, ruhigen, in seinen ebenSgewohnheiten sehr mäßigen Offizier. Er sei ein passionierter Jäger gewesen. AuS Gesellschaften habe er sich sehr wenig gemacht, sei streng und gerecht gewesen. Die Angeklagte sei lebenslustig gewesen, in der Gesellschaft unterhaltend und vergnügt, später ließ sie sich stark von den Herren den Hof machen. ES folgt die Verlesung der Ange»schnn»pratokolle der Schöneieckschen Wohnung. Sie werden vom Vorsitzenden an der Hand von Zeichnungen erläutert. Während der Verlesuirg beginnt die Angeklagte erst leise, dann immer stärker zu weinen und zu schluchzen. AI » der Vor- sitzende auf die Lage de« Kinderzimmers zu sprechen kommt, stößt sie gellende Schreie aus. Sie wird in? Nebenzimmer getragen. Dort bemühen sich die Sachverständige» um die von einem Schrei- krampf Befallene. Nach längerer Zeit erscheint die Angeklagte wieder im Sitzungssaal. I» dem Protokoll über die Jnaugeufcheinuahme wirb festgestellt, daß sämtliche Fensterscheiben der Wohnung nach innen zu öffnen tvarcn, und daß da« Fenster, durch welche» Herr v. Göbeu einstieg, 1,40 Meter über dem Erdboden, etwa einen Fuß über dem Erdboden befindet sich ein Borsprung, der da» Einsteigen erleichterte. Der dann vernommene KriegSgerichtSrat Reichardt hat die Untersuchung geführt. Er hat sich davon überzeugt, daß mn» den Biudfadcu, durch den ei» gequollenes Fenster geschlossen war. nicht von außen durchschneiden tonnte. Dem Schreibtisch wurden Briefe, Wertpapiere und daS Testament eulnoinmen. DaS Siegel des Testaments war unversehrt. ES wurde dem Bruder de» Ermordeten übergeben. ES wurden auch mehrere Schlüssel gefunden, von denen einer zu der Haustür'des Schönebeckschen Hauses paßte. Am 28. Dezember fand die Durchsuchung bei Frau v. Schönebeck statt. Im Schlafzimmer befand sich ein großes Bild des Herrn v. Göben, das diesen im Kreise von vier Kriegsschülern zeigt, ferner ein große» eingerahmtes Bild deS Herrn v. Göben und sein Brustbild. UebcrdicS wurden zwei Schlüssel in der Wäsche versteckt vorgefunden. Die beiden Schlüssel waren an einein Ringe. Der eine paßte zu v. GöbenS Wohnung, während die A u g e k l a g t e angegeben hatte, eS sei ein Schlüssel zur Wohnung eines Herrn. Das Silberzeug war unberührt. Es fand sich noch ein anonymer Brief, der an Herrn v. Schönebeck gerichtet war. vor. Angeklagte: Die übrigen hatte ich vernichtet. Auf Beschluß des Gerichts wird der Brief verlesen. Er lautet: Ich bitte um Verzeihung, icb habe noch was vergessen von die Frau von zu schreiben. Eine Schneiderin hat uns erzählt überall, daß die gnädige Frau sich den Lsfiziers preisgibt, nämlich eine Tür läßt sie einen rein und durch andere läßt sie einen raus und die gnädige Frau sich nicht schämt solche kodderigen Seiden» bemdcn zu trage», daß alles durchzusehen ist und sich bloßstellt. Da» har die Schneiderin zu mehreren Frauen gesagt und aus« gelacht also ich mache von diesem aufmerksam. Frau KrajewSkt.*