Verfügung zu stelletAm Mittwoch wurde zunächst über den Bericht des Ausschussesdiskutiert. Nachdem dieser Punkt der Tagesordnung erledigt wdr,wurde dieVerschmelzung mit dem Verbände der Mühlenarheiterbehandelt. Bekanntlich haben die Mühlenarbeiter kürzlich aufihrem Verbandstage die Verschmelzung mit den Brauereiarbeiternbeschlossen. Der vorige Verbandstag der Brauereiarbeiter hat sichgegen die damals auf der Tagesordnung stehende Frage des Zu-scrmmenschlusses der Bäcker, Brauer, Fleischer und Müller zumVerbände der Nahrungs- und Genußmittelarbeiter ausgesprochen.Später tauchte die von den Mühlenarbeitern angeregte Frage eineseventuellen Anschlusses an den Brauereiarbeiterverband auf. Eine.Vorständekrsferenz des letzteren beschäftigte sich mit dieser Frageund dann fiel eine unter den Mitgliedern des Brauereiarbeiterver-bandeS vorgenommene Urabstimmung für den Zusammenschlußmit den Mühlenarbeitern aus.Etzel, der über die Verschmelzungsfrage referierte, trat derin Mitgliederkreisen vorhandenen Auffassung entgegen, welchedahin geht, die Verschmelzung mit dem Äiühlenarbeiterverbandewiderspreche dem Beschlutz des Münchener Verbandstages. DieserBeschlutz richte sich nur gegen die Gründung eines Verbandes derNahrungS. und Genußmittelarbeiter, aber nicht gegen die Ver�fchmelzung mit den Mühlenarbeitern. Diese seien wegen der Ver-fchmelzung an den Verband der Brauereiarbeiter herangetretenund wenn der Vorstand auf diese Anregung einging, so habe ernicht gegen den Beschluß des Münchener Verbandstages verstoßen.— Zur grundsätzlichen Bedeutung der Verschmelzungsfrage sagteder Redner: Die Konzentration der Organisationen zu großenVerbänden vollzieht sich nach und nach geWitz. Auch der Brauerei.arbeitcrverband kann nicht ewig für sich ecklein bestehen bleiben.Die Verschmelzung mit den Mühlenarbeitern sei der Anfang derEntWickelung zur Konzentration. Früher umfaßte unser Verbandnur die Brauer. Die wirtschaftliche EntWickelung im Braugewerbevcranlaßte uns, auch die Hilfsarbeiter, dann die Mälzereiarbeiteraufzunehmen, und. nachdem Brauereien oft mit Brennereibetriebenvereinigt wurden, nahmen wir auch die Brennereiarbeiter auf.Nach der Erhöhung der Biersteuer gehen die Brauereien mehr undmehr zur Herstellung alkoholfreier Getränke über. Also müssenwir auch die Arbeiter dieses Industriezweiges aufnehmen. Sosind wir zum Jndustrieverband gekommen und in dieser Richtunggeht die EntWickelung weiter. Wenn wir jetzt die SOOO Mühlenarbeiter aufnehmen, so werden wir uns in die Neuerung einleben,ohne daß man etwas besonderes bemerkt. Einen Schaden kannunser Verband davon nicht haben. Der Zug der Zeit geht nachZusammenschluß zu immer gröberen Organisationen. Tragen wirdem Zuge der Zeit Rechnung, indem wir dem Anschluß derMühlenarbeiter zustimmen.S a s s e n b a ch al« Vertreter der Generalkommission ver-wahrte diese gegen die Annahme Etzels, daß sie in Grenzstreitig-leiten nicht nach Zweckmäßigkeitsgründen, sondern zugunsten dergroßen Organisationen entscheide. Die Entscheidung sei meist sehrschwer, denn auf beiden Seiten würden gute Gründe vorgebracht.Man müsse sich stet» bewußt sein, daß Grenzstreitigkeiten nie aus/bösem Willen auf der einen ooer anderen Seite entstehen, sonderndaß sie ihre Ursachen in der wirtschaftlichen EntWickelung der In-dusirieverhältnisse haben.DieDiskussion über die BerschmelzungSfragewar eine sehr ausgedehnte. Von den Rednern, die heute zumWort kamen, erklärten sich die meisten gegen die Verschmelzung.Hauptsächlich deshalb, weil die Berührungspunkte zwischen Mühlen.arbeitern und Brauereiarbeitern nur sehr gering seien und dieVerschmölzung deshalb keine praktische Bedeututig habe. Es wurdegesagt, mit den Bäckern hätten die Mühlenarbeiter viel mehrBerührungspunkte, sie täten also besser, sich dem Bäckerverbandeanzuschließen. Auch der Anschluß der Mühlenarbeiter an denFabrikarbeiterverband würde noch eher begründet sein, wie ihrAnschluß an die Brauereiarbeiter.K ä p p l e r, Vorsitzender des MühlenarbeiterverbandeS, sagt«,sein Verband komme nicht als Bittender zu den Brauereiarbeitern,sondern weil er willens fei, mit ihnen gemeinsam zu arbeiten undzu kämpfen. Die in der Diskussion ausgesprochene Befürchtung,die Kämpse der Mühlenarbeiter würden den Brauereiarbeitern vielGeld kosten, sei unbegründet. Die Mühlenarbeiter würden selbstdie Mittel aufbringen, welche sie für ihre Kämpfe brauchen. DieMühlenarbeiter müssen nicht den Anschlutz betreiben, aber sie wollenihn ernstlich.Nachdem noch mehrere Redner teils für, teils gegen den Anschlutz gesprochen hatten, wurde die weitere Diskussion bis morgenvertagt._13. Gkneralversammlullg der Schchmcher DeMlands.Köln, den 7. Juni 1910.Am zweiten Verhandlungstage sprachen 42 Redner zu denVorstandsberichten, trotzdem wurde die Debatte darüber nicht zuEnde gebracht. Nur über eine Frage wurde«ine Entscheidungherbeigeführt. Sie sei kurz registriert, da sie für den Verbandvon allgemeiner Bedeutung rst.— Bei den Jnventuraufnahmen zuWeihnachten 1996 waren in Berlin, wie üblich, eine große Zahlvon Mitgliedern vorübergehend entlassen worden. MehrereHundert von ihnen blieben längere Zeit arbeitslos, so daß sienach dem Statut Anspruch auf Arbeitslosenunter-stütz ung bekamen. Die Berliner OrtSvcrwaltung rechnete ihnennun bei der Auszahlung die in die Zeit ihrer Beschäftigungslosig-keit entfallenden Wochenfeiertage ebenfalls als Unter-stützungStaae an, was vom Vorstand als gegendas Statut verstoßend behandelt worden ist.Die Sache bekam wegen der daraus entstehenden Konsequenzenfür den Verband eine prinzipielle Bedeutung. Der Streit darüber,der schon mehrere Instanzen beschäftigte, setzte auch auf dem Ver-bandstage mit Entschiedenheit«in, fand aber schließlich seine Er-ledigung dadurch, daß Vorstand und Berliner Delegierte sich aufeme einstimmig angenommene Erklärung einigten,die den Berlinern den guten Glauben zuspricht, dem Vorstand aberin der Sache recht giht. ES heißt darin, daß man Ivohl den Wort-laut jener statutarischen Bestimmung, auf die die Berliner sichstützten, zugunsten der Berliner auslegen könne, ja, daß die Ber-liner,»ach der Definition jener Stelle, die ihnen der derzeitigeSekretär des Hauptvorftandes gab, glaubten, vollständig im Sinnedes Statuts zu handeln, daß aber, nachdem die jetzigen Vorstands-Mitglieder einstimmig erklären, daß bei der Schaffung jener Be-stimmung(Absatz 19) die Absicht maßgebend war, die Wochen-fciertage nicht nur als Karenzzeit, sondern auch als Unter-stützungStage auszuschalten, die Generalversammlungsich dieser Auslegung anschließt.— Lebhaft besprochen wurde auch ein Antrag aus dem Frankfurter Gau,eine Studienkommission zur Erforschung der englisch-amerikanischen Arbeitsverhältnisse nack jenen beiden Ländern zudelegieren. Im Frankfurter Bezirk lieben die Fabrikanten es,ihre angebliche Vertrautheit mit überseeischen Arbeitsverhältnissenzu zeigen und stets auf der größeren Leistungsfähigkeit und ver-hältnismätzig geringeren Entlohnung des amerikanischen Arbeitersherumzureiten. Diesen Blugfs soll die Siudienkommission durchdas Material, das sie sammelt, endgültig ein Ende bereiten. Zu-gleich können sie die bis jetzt fehlenden internationalen Verbrn-düngen mit den englisch-amerikanifchen Bruderorganisationen her-stellen. Fast alle Opponenten diese» Antrages stießen sich lediglichan der K o st e n f r a g«.Äladbach-Rheydt hatte einen Antrag auf Anstel-lung einer besoldeten Kraft für seinen Bezirk gestellt.Der Kampf sei dort besonders schwierig, weil er nach zwei Fronten,gegen Unternehmer und Christliche geführt werden müsse.Es lagen noch weitere Anträge vor, von denen einer, fußendauf den guten Wert jener Lohnstatistik, die bis jetzt nur für dieZuschneider.hergestellt werden konnte, ähnliche Statistiken füralle KakegorieN de? Berufes verlangt. Ein anderer Antrag willdie Höhe der Unterstützungen nach der Dauer der Mitgliedschaftstaffeln.An der Vorstandstätigkeit und der Haltung de? FächorgansChatten nur wenige Redner, und diese nichts erhebliches, auszusetzen.Das Fachorgan hätte schon einmal unvorsichtigerweise u n g ü n-st ige Lohntarife veröffentlicht, die dann von den Unter-nchmcrn den Arbeitern als Knüttel zwischen die Beine geworfenfeien, ebenfalls hätte es schon häufiger auf gewisse Artikelder ,,W e r k m e i st e r z e i t u n g" eingehen können.— Der Vorstand wäre anscheinend etwas lax bei der Behandlung verschiedenerBeschwerden verfahren, sonst hätte der Ausschuß einige der Vor-standsbeschlüsse nicht zu inhibieren brauchen— eine Meinung,gegen die VorstandSsekrs�är Meckert eindringlich sich wandte.Aber im allgemeinen wurde anerkannt, daß alle Teile ihreSchuldigkeit getan hätten.— Die Schlußworte und Abstimmungenerfolgen Mittwoch morgen.Es wurden noch Sympathieresolutionen für die Bauarbeiterund für die ausgesperrten Schuharbeiter in Tuttlingen an-genommen..Zehnte Generalversammlung des Zentralvereins der inder Hut- und Filzmamundufine beschäftigten Arbeiter.Altenburg, 7. Juni 1919.L. BerhandlungStag.Nach der Entlastung des Vorstandes werden zur besonderenAgitation im Algäu 5999 M. zur Verfügung gestellt.Den Bericht des VerbandsausschusseS erstattetP f ü tz n e r- Dresden. Die einzelnen Beschwerden, die er zu erledigen hatte, betreffen lokale Verhältnisse.ES werden dann die Anträge aufVerschmelzung dcS Verbandes mit dem ber Blumenarbeiterberaten und zugleich die Anträge auf Verlegung des Ver-bandssitzes und auf Aenderung des Namen» derOrganisation.Dazu spricht zunächst die Vertreterin des Verbandes derBlumenarbeiterinnen, Genossin Ihrer: Die Ver-fchmelzung der Hut» und der Putzbranche ist etwas ganz Natür-liches. Beide gehören organisch zusammen. DaS haben schonunsere-Unternehmer eingesehen, die gemeinsam über die Arbeiterfragen verhandeln und auch ein gemeinsames Blatt, den„Modisten", haben. Wir werden schließlich gezwungen, gegenüberdieser breiteren Organisation der Unternehmer auch uns zusam»menzuschließen. Wir Blumenarbeiter kamen zu dem Beschlutz,eine Verschmelzung zu versuchen, als wir hörten, daß Sie diePutzmacherinnen in den Hutfabriken organisieren wollen, auf dieauch wir reflektieren. Es werden dadurch Grenzstreitigkeiten veDmieden und wir erreichen zugleich eine Stärkung der Organisa-tion. Allerdings sind wir die Schwächeren und Jüngeren, wirhaben auch geringere Beiträge, aber wir stehen aus demselbenStandpunkt wie Sie, und eine Beitragserhöhung wird keine großenSchwierigkeiten machen. In der Blumen- und Schmuckfederindu-strie haben wir etwa 19 999 Arbeiterinnen und 1999 Arbeiter. Da.zu kommen dann noch 29— 25 999 Heimarbeiter. Von den Fabrik.arbeitern haben wir 999 fest organisiert, zu denen in der Saisonnoch ein größerer Teil kommt, der dann wieder abspringt. EineVerschmelzung würde auch der Frauenorganisation unter den Hutmachern zugute kommen. Die Hut- und Hutschmuckbranche ge-hören zusammen, sie sollten nicht vereinzelt, sondern gemeinsamkämpfen.G ran tvaldt- Berlin: Jede einzelne Gewerkschaft wirdbei ihren Organisationsarbeiten zu der Erkenntnis geführt, daßein immer größerer Zusammenschluß notwendig ist. Neben denBlumenarbeitern kommen aber noch andere Verbände in Betracht.Ich habe da den Verband der Kürschner im Auge, der eng mituns liiert ist; in Berlin gibt es eine große Zahl Kollegen, diezeitweise im Kürschnerberuf arbeiten. Es wäre erwünscht, daßsie da ohne Reibereien übergehen könnten. Dadurch würden auchunsere Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung zurüch>ehen.—Heber die Zweckmäßigkeit, den Verbandssitz nach Berlin zu ver.legen, ist schon viel gesprochen worden. Dort könnte eine besser»Arbeit innerhalb der Zentralverbände im Zentrum der Arbeiterbewegung eintreten.Herrmann-DreSden: Wir möchten den Blumenarbeiterngern tatkräftig zur Seite stehen, haben aber auch die Ueberzeugung. daß wir jetzt viel zu schwach dazu sind. Die Blumenbezirke sind in der Regel andere als unser«. Wir müssen deshalbeine besondere Agitation betreiben. Zur Sitzverlegung haben dieBerliner dieselben Gründe schon vor sechs Jahren vorgebracht;sie sind dadurch nicht stichhaltiger geworden.Metzschke: Im Prinzip stehen wir der Verschmelzung sympathisch gegenüber. Bei einer Umfrage haben wir aber festgestellt.daß Hut- und Blumenmacher fast gar nicht im gleichen Betriebearbeiten. Andere Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der Frageder Heimarbeit. Die Verschmelzung mit anderen Verbänden liegtrecht nahe, so mit den Sckineidern, Schuhmachern, Kürschnern.Der Gedanke eines Jndustrieverbandes der Bekleidungsindustriehat ja unsere volle Sympathie. Damit ist aber noch nicht zurechnen. Dem Zusammenschluß mit den Blumenarbeitern könnteman näher treten, wenn die Generalkommission Zuschüsse zu denAgitationskosten auf dem neuen Gebiete leisten würde.U m b r e i t(Generalkommission) zeigt in längeren AuSführungen die Vorteile der Verschmelzung. Wer den Jndustrieverbans wünsche, müsse sich zuerst mit den nächsten Berufsverwandtenverbinden. Zu notwendigen Agitationskosten auf einem schwiert-gen Gebiete, die die Organisation nicht tragen könne, werde dieGeneralkommission sicher beitragen.In der weiteren Debatte sprechen noch viele Redner, die sichim Prinzip mit der Verschmelzung einverstanden erklären, sie abernoch für verfrüht halten. Folgende Resolution wird ange-nommen:..Die Generalversammlung steht der Verschmelzung mit demVerband der Blumenarbeiter und anderen berufsverwandtenVerbänden sympathisch gegenüber. Sie hält es aber für verfrüht,schon jetzt definitiv über die Verschmelzung zu entscheiden. Sieempfiehlt den beteiligten Verbänden, die Verschmelzungsfragezu studieren und beauftragt die Verstände, die Frage weiter zuperfolgen und einer Lösung entgegenzuführen."Als Sitz des Verbandes wird wiederum Altenburg bestimmt. Der 5tame der Organisation wird in den folgenden um-geändert:..Verband der Hut- und Filzwarenarbeiter und-arbei-terinnen Deutschlands"._"'v"Sericbts- Leitung.!Zum Schuhe eines„nützlichen Elements*hat wieder einmal die Staatsanwaltschaft einschreiten zu sollengeglaubt. Im Betriebe der Grammophonplattensabrik von Grün-bäum in Rixborf(Schinkesiraße) waren im Januar dieses JahresDifferenzen zwischen dem Firmeninhaber und Arbeltern entstanden,weil entgegen dem Tarif den Pressern Lohnabzüge gemacht werdensollten. Nachdem dann Anorganisierte eingestellt worden waren.wollten die Presser die Arbeit niederlegen, und die Schleifer warenbereit, mit ihnen zu gehen. Ein unorganisierter Arbeiter AlbertSchmidt aus Lichtenberg, der schon drei Jahre in dem Betriebebeschäftigt war, hatte gelegentlich Schleifcrarbeit gemacht, ohneeigentlich Schleifer zu sein. Auf Befragen der Arbeiter, ob er sichjetzt dazu hergeben würde, Schleiferarbeit zu machen, verneinte erda» und fügte die Versicherung hinzu, gerade in diesem Punktewerde er handeln wie ein Organiiicrtcr. Er hielt aber nichtWort, sondern stellte sich an die Schleifermaschine, so daß dieKollegen, die sich aus seine Zusage verlassen hatten und hieraufihr Vorgehen gebaut hatten, sich getäuscht sahen. Au» diesemAnlaß soll es dann aus dem Heimweg von der Fabrik zu einererregten Szene gekommen sein, die den vier Arbeiter« Pähl»Schuhmacher, Lang, Lorenz eine Anklage einbrachte.Am Montag hatten sie vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte<135. Abteilung) sich zu verantworten, die drei ersten Angeklagtenwegen Beleidigung gegen Schmidt, den sie„Streikbrecher",„Strolch",„Lump" usw. geschimpft haben sollten, der vierte An-geklagte wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzunggegen Schmidt, dem er einen Tritt ins Kreuz gegeben haben sollte.Alle vier Angeklagte(Lorenz war vom Erscheinen entbunden undkommissarisch vernommen worden) bestritten jede Schuld. Pählund Schuhmacher geben nur zu, daß auf dem Heimwege über denStreik gesprochen worden sei. Dabei seien wohl scharfe Reden,aber nicht die behaupteten Schimpfworte gefallen. Gegen AlbertSchmidt, der als Belastungszeuge zur Stelle ivar, wurde der Vor-Wurf erhoben, daß er die gegen ihn entstandene Erregung selberverschuldet habe und noch durch höhnende Rede gesteigert habe.Der Bcrtridigcr, Rechtsanwalt Theodor Liebknecht, bot Beweisdafür an, daß Albert Schmidt, als man ihm Wortbrüchigkeit vor-warf, geantwortet habe, seine Kollegen gingen ihn nichts an» diewerde er„in einem Bogen bes..."Zeuge Albert Schmidt bekundete, auf dem Heimwege habe zu»nächst Kollege Blumenthal ihn begrüßt, nachher habeSchubmacherein gleiches getan, habe ihn dann aber beschimpft und bedroht.Am Hochbahnhof Kottbuser Ton sei ein ganzer Trupp hinterSchmidt gewesen; er sei beschimpft und gestoßen worden, schließ-lich habe er zwei Tritte ins Kreuz gekriegt, einen von Lorenz undeinen von Laiig, doch habe er das wohl nicht so genau gesehen.Selbst auf dem Perron und im Hochbahnzug sei er noch mitSchimpfreden überschüttet worden, so daß auch andere Passagiere?egen ihn Partei nahmen. An den Schimpfreden haben auch Pählowie Lang sich beteiligt. Daß auch Lang ihn getreten habe, warganz neu. Nicht mal die Angeklagebehörde hatte aus Schmidtsfrüheren Angaben etwas darüber zu entnehmen vermocht. Ausdes Verteidigers Frage nach dem Versprechen, das er den Kollegengegeben habe, antwortete Schmidt, er habe nur zugesagt, weil erbestürmt worden sei. Von einer späteren Aeußerung daß er dieKollegen bes.... werde, wisse er nichts. Auf wiederholtes Be->fragen erklärte er, sich nicht an derartige» erinnern zu können, undschließlich fügte er hinzu, öffentlich habe er eine solche Aeußerungnicht getan.Den Bekundungen Schmidts über die Behandlung, die ihmwiderfahren sei, widersprachen sehr bestimmt die Zeugen ArbeiterBlumenthal, der mit ihm bis zur Hochbahn gegangen war, undArbeiter Drehler, der die Szene im Hochbahnwagen mitangesehenhatte. Blumenthal gab auch Auskunft über Schmidts Wort»brüchigkeit. Seiner Zusage habe Blumenthal sich vorher versichert,anderenfalls würde man gar nichts unternommen haben. Amnächsten Morgen habe Blumenthal den Schleifern die Antwort ge»bracht, aber schon an demselben Vormittag habe man Schmidt ander Schleifmaschine tätig gesehen. Die Zeugen Arbeiter Richardund Arbeiter Seifert bekundeten, daß Schmidt aus die ihm deshaldgemachten Vorwürfe tatsächlich geantwortet habe, er werde die-zenigen Kollegen, die ihm das verargten,„in einem Bogen bes..."Der AmtSanwalt sah Schmidts Bekundungen als ausreichendenBeweis an. Das Vorgehen gegen Schmidt sei so roh, daß erschwere Strafe fordern müsse: gegen Pähl, Schuhmacher, Langwegen Beleidigung 9 Tage Gefängnis, gegen Lorenz wegen Körper-Verletzung 1 Woche Gefängnis. Der Verteidiger führte aus, daßZeuge Schmidt durch die Unsicherheit seiner Aussagen überfeineVerhandlungen mit Blumenthal sowie über seine zögernden Wortegegen die Kollegen sich selber als unzuverlässig gekennzeichnet habe.Ihm könne man keinen Glauben schenken, daher seien alle An-geklagten freizusprechen. Bezüglich der Tritte ins Kreuz seivollends nicht erwiesen, wer sie dem Schmidt gegeben habe. Wöllsaber das Gericht verurteilen, so sei zu berücksichtigen die Berwerf»lichkeit der Handlungsweise Schmidts, seine Wortbrüchigkeit gegen-über den Kollegen. Daß da Erregung und Erbitterung entstandensei, lasse sich verstehen und müsse strafmildernd wirken, so daßwenigstens nicht auf Freiheitsstrafe erkannt werde.Das Urteil lautete: Lorenz wird freigesprochen, weil nichtfestgestellt ist, wer getreten hat; bestraft werden wegen BeleidigunzPähl mit 30 M. Geldstrafe, Lang mit 40 M. Geldstrafe, Schuhmacher aber mit einer Woche Gefängnis, weil er Schmidt anrschwersten zugesetzt hat. Dem Urteil wurde eine sehr ausführlicheBegründung beigegeben. Sie galt dem Zeuge» Schmidt, den derVerteidiger so derb zerzaust hatte und dem nun das Gericht einPflästerchrn mit auf den Heimweg geben wollte. DaS Gericht er-kannte an, daß sein Verhalten Erregung hervorrufen konnte unddaß es als strafmildernd zu berücksichtigen sei. Ihm wurde aberbescheinigt, daß er kein ehrloser Mensch sei, sondern nur ei«schüchterner und ängstlicher junger Mann, der auf Drängen de»Kollegen wider Willen zugesagt habe und auch vor Gericht durchdie Anwesenheit seiner Gegner in Verwirrung geraten sei.—Die Geheimnisse einer„Tanzakademie"sollten gestern in einer längeren Verhandlung die 3. Strafkammerdes Landgerichts l beschäftigen. Aus der Untersuchungshaft wurdeder„Schauspieler" Albert Hieber vorgeführt, um sich wegen wieder-Holter schwerer Sittlichkeitsverbrcchen und Verführung Minder-jähriger zu verantworten. Zwei der zur Anklag« stehenden Fällesollen sich in Wien abgespielt haben.Der Angeklagte, gegen den schon mehrere ähnliche Verfahrengeschwebt hatten, die aber wegen vermeintlicher Geisteskrankheiteingestellt wurden, hat in Wien und später in Berlin unter demNamen eines Direktors Haimar Thsatcrschulen und insbesondereeine„Tanzakademie" erngerichtet, in der hauptsächlich derSchleiertanz" und„lebende Marmorgruppen" einstudiert wurden.Diese Hebungen wurden von dem Angeklagten zumeist nackt odernur mit einer �Badehose bekleidet geleitet. Bei diesen Tanzübungensoll dann der Angeklagte die zur Anklage stehenden Straftaten anden meist auch unbekleideten Mädchen vorgenommen haben.Schon gleich bei seinem Eintritt in den Gerichtssaal trug derAngeklagt« ein recht merkwürdiges Wesen zur Schau. Er verdrehtedie Augen, weinte und lamentierte und rief fortwährend:„Wo istmeine geliebte Paula?" und„Muttchen darf hier nicht hinein»kommen, das ist nichts für sie!" Auf die Frage des Vorsitzenden,ob er Schauspieler oder Schausteller sei, antwortete Hieber im Tonetiefgekränktcn„Künstlerstolzes":„Ich bin Schauspieler, kesen Siemeine Rezensionen. Haben Sie mein« Werke da, die ich geschriebenhabe?" Auf das Ersuchen des Vorsitzenden, sich möglichst ruhig zuverhalten, antwortete der Angeklagte:„Ich bin ruhig, aber bittenicht grob sein." Auf den Hinweis des Vorsitzenden, daß mit H.als kranken Menschen alle Rücksicht genommen werden würde, er-klärte dieser:„Ich bin nicht geisteskrank. Diese Behauptung isteine Gemeinheit. Ich habe nur einen kleinen Nerv!" Auch in'einer weiteren Vernehmung über seine Personalien benahm sich)er Angeklagte in dieser Weise, weinte und jammerte und verlangteimmer wieder nach„seiner Paula".— Auf Antrag des Staais-anwalts wurde sodann wegen Gefährdung der Sittlichkeit dieOeffentlichkeit ausgeschlossen.Der Vorsitzende, Landgerichtsrat Neumann, hielt sodann demAngeklagten die ihm zur Last gelegten Handlungen vor, erhieltedoch von diesem nur konfuse Antworten oder emphatische Ausrufe,die der Angeklagte in wirrem Durcheinander vorbrachte. Rechts-anwalt Dr. Alsberg bezweifelte wiederholt die Verhondlunasfähig-keit ves Angeklagten und bat, die Sachverständigen darüber zu'ören. Medizinalrat Dr. Hoffmann erklärte, daß erheblicheZweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten beständen.Sr. Marz, Dr. Leppmann und Dr. Auerbach schlössen sich dieserAnsicht an. Die Verteidiger beantragten infolgedessen die Aus-ctzung und Ucberführung des Angeklagten in eine Krankenanstalt.Der Angeklagte bat dagegen, die Verhandlung zu Ende zu führen.DaS Gericht beschlost die Aussetzung der Beryandlung und fordertede» Medizinalrat Dr. Hoffmann auf, seinerseits dahin zu wirken,daß der Angeklagte aus dem Untersuchungsgefängnis tn eineKrankenanstalt übergeführt wird. Nach einigen Monaten soll dannwieder der Versuch gemacht werden, gegen den Angeklagten zu ver,handeln.