haben. Ebenso mußte er auf eine weitere Frage Heines zugeben,baß er dem Btickermeister durch den Kreisauitsbotcn habe bedeutenlassen, er solle seine Beitrüge an den landwirtschaftlichen Krcisvercineinschicke», sonst werde ihm die Lieferung für das Kreiskranleiihausentzogen!Z)c persönlichen Interessen des Herrn Landrats spielen mit beiEntziehung der Milchlieferung für das KreiskrankenhauS, die einenMilchhcindlcr traf, der auch dem landrätlichen Haushalt die Milchlieferte. Der Herr Landrat wollte zuerst vor allen anderen Kundenbedient sein, als der Milchhäudler das nicht bewerkstelligen konnte,verlor er auch die Lieferung für das Krankenhaus. Der Herr Land-rat meinte bei seiner Zeugenvernehmung freilich auch, die Milch seinicht gut gewesen, er hat sie aber nicht amtlich untersuchen lasse»,weil sie.nicht direkt schmutzig" war. Bei der Leitung des Kranken-Hauses hat er nicht wegen der Milch angefragt. Mehrere Zeuge»,die von demselben Händler die Milch bezogen, erklärten sie für sehrgut, ebenso die Oberin des Krankenhauses, die außerdem noch aufBefragen ZielowskiS die interessante Mitteilung machte, daß dieFrau Landrätin die Milch für das Krankenhaus abbestellte.Der Herr Landrat set eine? TageS mit Frau Gemahlin ins Kranken-haus gekommen. Da sagte die Frau Landrätin: die Milch wird vonSpieß nicht mehr bezogen, ich habe sie bereits abbestellt und werdesie Ihnen von anderer Seite beschaffen. Der Herr Landrat sagtegar nichts.— Auf die Bemerkung des Genoffen Zielowski, daß dieFrau Landrätin doch gar nicht dazu berechtigt sei, meinte der Vorsitzende unter allgemeiner Heiterkeit: Die Frau Landrätin istgewissermaßen die Mutter des Kreises.Einem jüdischen Lehrer hat der Landrat auf der Straße gesagt,er solle ihn.ordentlich" oder lieber gar nicht grüßen. Als derLehrer das nächste mal nicht grüßte, erhielt er eine amtliche Bor-ladung aufs LaudratSamt. Er ging nicht hin, weil der Landratnicht sein Vorgesetzter ist. Der Landrat erklärte dazu, erhabe geglaubt, der Lehrer unterstehe ihm. Er behauptet,der Gruß sei wirklich nicht„ordentlich" gewesen, wasder Lehrer energisch bestreitet, worauf beide Zeugen dem Gerichtmit dem Hute vordemonstrieren mttffen, wie stark nach ihrer Meinungin besagtem Falle der Hut gelüftet wurde.Dem KreiSamtsboten Honnighauscn hat der Landrat eS schwerverdacht, daß er sich zum Vorsitzenden des Kriegervcrein« wieder-wählen ließ, nachdem von anderer Seite zwei Offiziere der Land-wehr, der Bürgermeister Hornung und der Kammerdirektor Dornfelsvorgeschlagen waren. Zeuge Honuighausen bekundete:Am folgenden Morgen wurde ich vom Landrat in sein Bureaubestellt. Der Landrat schrie mir entgegen: Wie kommen Sie dazu,sich wieder zum Vorsitzenden des Kricgervereins wählen zu lassen?Ich antwortete: Ich habe ablehnen wollen, wurde aber von meinenFreunden geradezu zur Annahme gedrängt. Sie hätten, nachdemein Offizier als Ihr Gegenkandidat vorgeschlagen war, allesaufbieten müssen, daß der Offizier gewählt werde, versetzte derLandrat. Ich antwortete: Ich sei dazu außerstande.— Vorsitzender:Der Herr Landrat soll zu Ihnen gesagt haben: Sie sind nichtwert, Staatsbeamter zu sein.— Zeuge: Da» ist richtig.— Vorsitzender: Der Herr Landrat bestreitet das mit vollster Eni-schiedenheit.— Zeug«: Das hat der Herr Landrat ganzbestimmt gesagt.— Vorsitzender: Der Herr Landrat soll zßIhnen auch gesagt haben: Der Verein ist nicht wert, dem deutschenKriegerverbande anzugehören, und nicht würdig, eine Fahne zuführen?— Zeuge: Jaivohl, das hat der Herr Landrat auch gesagt.Der Zeuge ist anS dem Dienst geschieden. Der Landrat. ehe-maliger Vorgesetzter des Zeugen, verweigert die Genehmigung zuder Beantwortung der Frage, weshalb der Dienstaustritt erfolgte.Er findet dabei den Beistand des OberrcgierungSratS Siseviui,der trotz des Vorhalt? der Verteidigung, daß durch die Beant-tvortung dieser Frage unmöglich das Wohl desDeutschen Reiches oder Preußens gefährdet wer.den könne, dabei bleibt, daß die Genehmigung nicht er-teilt werden könnet Der Herr erklärte auch außerdem amSchluß der Sitzung, daß er sämtlichen Beamten,, dieals Zengcn vorgeschlagen werden, die Genehmigung zurAussage verweigern werde. Der Gerichtshof beschloßdaher, nur vier Nichtbcamte als Zeugen zu laden. Uebrigens werdedurch die Frage an den Zeugen Honnighaufen, ob er außer-dienstlich von Beamten gehört habe, sie seien vom Landrat sobehandelt worden, daß sie Selbstmord begehen möchten, dieFeststellung ermöglicht, daß allerdings zwei Beamte, Weber undScholz, gesagt haben, sie würden wegen der Behandlung durch denLandrat zum Revolver greisen, wenn sie nicht Familien-Väter wären!Am Mittwoch und Donnerstag ruht der Prozeß wegen andererVerhandlungen, am Freitag soll er fortgesetzt werden.politircbc QcbcrlicbtBerlin, den 9. Juni 1910.Slninrna cnm lande— entlassen?Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung"" der»öffentlicht ein allerhöchstes Handschreiben, das Herrn Dernburganläßlich seines Ausscheidens aus dem Amte zugegangen ist. ESlautet:„Da Sie zu Meinem Bedauern auf dem Wunsche bestandenhaben, aus Ihrem Amte als Staatssekretär des Reichökolonwl-amts entlassen zu werden, habe Ich Mich entschlossen, Ihnen durchOrder vom heutigen Tage den erbetenen Abschied in Gnaden zubewilligen. Ich spreche Ihnen hierbei Meine vollste Anerkennungfür die hervorragenden Verdienste aus, die Sie sich in vierjäb-riger, an Erfolgen reicher Arbeit um die Entwickcluna der beut»schen Schutzgebiete erworben haben. Als Zeichen dic>er MeinerAnerkennung habe Ich Ihnen die Brillanten zum Roten Adler-orden erster Klasse verliehen und die Generalordenskommissionbeauftragt. Ihnen die Dekoration zugehen zu lassen.Ihr wohlgeneigter Kaiser und KönigWilhelm. I. R."Das offiziöse Organ fügt diesen Worten hoher Anerkennungnoch weitere Schmeicheleien hinzu. Wenn Exzellenz T«rnburg sichnicht habe entschließen können, sein Amt noch weiter fortzuführen,so sei das Bedauern darüber nicht am wenigsten leb-Haft beim Reichskanzler, der in ihm„einen tatkräf-tigen, unermüdlichen und sachverständigen Mit-a r b e i t e r auf einem Gebiete geschätzt" habe,„das wesentlicher st durch Dernburgs Tätigkeit zu einem ver.heißungsvollen Fruchtseld geworden" sei. DasBlatt bestätigt auch, daß Dernburg bereitsvor Jahresfristdem Reichskanzler seine RücktrittSabsichtcn angekündigt und sie demjetzigen Reichskanzler bei dessen Antritt wiederholt habe.Auch diese Darlegungen beweisen nicht das geringste gegen dieAusfassung der Ursachen des Rücktritts für Dernburg, die wir inunserem ersten Artikel dargelegt haben. Der liberale Kolonial-sekretär ist bereits seit geraumer Zeit bei seinem Bestreben, dieKolonialpolitit nach großkapitalistischen Interessenzu gestalten, sowohl innerhalb der maßgebendenbürgerlichen Parteien, als auch der Kolonial»burcaukratie und der Ansiedler selbst auf so heftigenWiderstand gestoßen, daß er die Ucberwindung dieser Schwierig.leiten schließlich für eine Unmöglichkeit ansah. Die völlige AuS-schaltung des Liberalismus aus der Reichs- und Staatspolitik magfür ihn nur ein Grund mehr gewesen sein, an der dauerndenFesthaltung seines kolonialpolitischen Standpunktes zu verzweifeln.Als kluger Mann hat Herr Dernburg nicht erst das Ge-gan genwerden abgewartet» sondern selbst seinen Ab-schied eingereicht. Wie man dabei freilich im letzten Endevon einem freiwilligen Ausscheiden zu reden vermag, dürftedas Geheimnis des„Berliner Tageblatt" bleiben.Dernburgs Viachfolger.Wie fcer„Reichsanzeiger" mitteilt, hat der Kaiser dasEntlassungsgesuch des Staatssekretärs Dernburg genehmigtund den Unterstaatssekretär im Reichskolonialamt v. L i n d e.q u i st zum sttachfolger Dernburgs ernannt.Ter„Berliner Lokalanzeiger" nennt als?!achfolger desUnterstaatssekretärs v. L i n d e q u i st den AkinisterialdirektorDr. C o n z e. In das Amt des Gouverneurs für Südwest-afrika soll der bisherige Gouverneur von Kamerun Dr. S e i tzeintreten.__Konservative Verleumdungstaktik.Zu einem Zusammenstoß zwischen dem konservativen Ab-geordneten Graf v. Westarp und Genossen Hoch kaines heute in der Reillfsversicherungsordnungs-Kommission desReichstags. Graf v. Westarp hatte gegen die Aeußerung desGenossen Hoch protestiert: die Konservativen wollten durcheine Ausnahmebestimmung die Krankenversicherung der land-wirtschaftlichen Arbeiter illusorisch machen. Im An-schluß hieran fragte Graf v. Westarp den Genossen Hoch, waser antworten würde auf die Behauptung: die Sozialdemo-traten wollten nur aus Parteiinteresse, ohne Rücksicht aus dieInteressen der Arbeiter, alle landwirtschaftlichen Arbeiterunter die Leitung sozialdemokratischer Kassenvorstände brin-gen? Genosse Hoch antwortete: Er würde sich freuen, wennalle landwirtschaftlichen Arbeiter unter die„Leitung sozial-demokratischer Kassenvorstände" kämen— aber nicht ausParteiinteresse sondern weil er überzeugt sei, daß erst danndie Krankenfürsorge für die ländlichen Arbeiter so gut, wienur irgendmöglich durchgeführt werde. Tarauf erhob sichder konservative Parteiführer mit der ganzen Wichtigkeit, dieer sich beilegt, und erklärte: er nähme zu den Akten, daß die so-zialdemokratische Partei nach dem Zeugnis des Herrn Hoch nuraus Parteiinteresse ohne Rücksicht auf das Interesseder Arbeiter die Arbeiterschaft unter die Leitung der sozial-demokratischen Kassenvorstände bringen wolle. Dies würdendie Sozialdemokraten noch oft zu hören bekommen. Ge-nosse Hoch stellte fest, daß er klar und deutlich das Gegenteilvon dem gesagt habe, was ihm jetzt Graf v. Westarp unter-stellt habe. Er nähme, fügte er hinzu, zu den Akten, daßGraf v. Westarp es fertig bringe, in einer solchen Tis-kussiop die Worte eines Kollegen in ihr Gegenteil zu ver-drehen.„Ich verbitte mir eine so unparlamcntarische Bc-leidigun�," schrie jetzt Graf v. Westarp durch den Saal.„Undich pxrbltte mir eine so unparlamentarische Verdrehungmeiner Worte," antwortete Genosse Hoch in demselben Tone.Damit war der Zwischenfall erledigt.Trotz dieser Klarstellung wird sicherlich die v. WestarpscheVerdrehung ihren Weg durch die Reichsverbandsprcsse machen.Ihr ist keine Sache zu dumm, um sie nicht gegen die Sozial-demokratie auszuspielen._Noch ein Tcharfmacherblatt gegen den Byzantinerbloch.Gleich der„Rh eint s ch- W e stf ä Iis ch en Zeitung"wenden sich anch die„Hamburger Nachrichten"gegen die Stellungnahme der bürgerlichen Parteien bei derErhöhung der Zivilliste. Da Herr Fischbeck sich am Donnerstagdie drollige Bemerkung gestattete, daß das Volk mit den B e-w i l l i g c r n der Liebesgabe für die Krone einverstanden sei.aber für die Stellungnahme der Sozialdemokratie kein Ver-ständniS haben werde, wollen wir ihm hiermit die Kritik zuGemüts führen, die sogar ein großkapitalistisches,rechtsnationalltberales Blatt an dem Verhaltender bürgerlichen Parteien zu üben nicht umhin kann. Die„Hamburger Nachrichten" schreiben:„Die gestrigen Berhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über die Zivilliste haben lediglich bestäligt, daß alle Par-teien deS HauseS, natürlich mit Ausnahme der sozialdemokratischen,die Mehrforderung bewilligen werden. DaS kann sicherlich untermanchem GestchtSpiinkte befriedigen. Gleichwohl glauben auch wir,daß es nicht richtigvon den bürgerlichen Parteienwar, die ganze Kritik an der Finanzwirtschaft deSHofeS, die sich bei dieser Gelegenheit vonselb st ergab, der Sozialdemokratie zu über«lassen. Es hätte sicher einen gute» Eindruck im Lande gemacht,wenn sie von bürgerlicher Seite in aller Ehrerbietung vor demMonarchen c r n st und würdig erfolgt wäre. S omancherlei würde doch zi» sagen gewesensein, namentlich in einem Momente, wo man bereit war, demKönige zur Bestreitung seiner Hofhaltung weitere Millionen zurVerfügung zu stellen. ES wäre u. a. darauf hinzuweisen ge-wesen, daß wenn die Mittel nicht ausreichten, dies nicht nurin der Verteuerung der Lebensverhältnisseliege, sondern auch an Ausgaben, über derenNotlvendigkeit die Ansichten mindesten» ver-schieden sein konnten, hierher gehören so zum Beispieldie Millionenschöpfung der SiegeSallee mit ihrensteifen Denkmalspuppen, der Ankauf des Marmor-fchlosses auf Korfu und manches andere, das wedervom deutsch-nationalen, noch künstlerischen, noch vom repräsentativenStandpunkt zu erklären ist. Es hätte auch darauf hingewiesenwerden sollen, daß die Regierung selbst das Motiv derSparsamkeit in allen Tonorten habe erklingenlassen, damit in den nächsten Jahren nicht nochschwerere Steuerlasten dem Volle aufgebürdetzu werden brauchten.An der Rede, die Herr v. Rheinhaben gehalten hat, um dieNotwendigkeit der Erhöhung der Zivilliste dorzutun, vermissen wiru. a. da« Eingehen auf die Kritik, die an einzelnenPunkten der Begründung der Vorlage in derbürgerlichen Presse geübt worden ist. Der Ministerhat zwar dem sozialistischen Redner widersprochen, der die Bc-gründung der Vorlage insofern als falsch bezeichnet hatte, alssie den Verzicht der Krone auf die Domänen und Forsten unterVorbehalt nur einer festen Rente alö einen Akt der Selbst-losi gleit hingestellt habe, und erklärt, er müsse an dieserAuffassung durchaus festhalten. Es hat daran erinnert, daßdie Domänen und Forsten seiner Zeit dem Staate über-lassen worden seien, um das tief daniederliegende Land auf-zurichten und zu heben. Aber mit keiner Silbeat er den Einwand widerlegt, daß die demande überlassene Kronendomänen von Recht»wegen überhaupt nicht dem Monarchen, sonderndem Staate gehört hätten. WaS aber den Exlurs desMinisters auf die sozialpolitischen Leistungen de» Reichesbetrifft, so wissen wir absolut nicht, welcher Zusammen-hang zwischen ihnen und der preußischen Zivil-liste b e st e h t!"Wenn so selbst Blätter urteilen, die fast mehr zu denreikonservativen als zu dem äußer st en rechtenlügel der Nationalliberalen gehören, können sichdie Herren vom Byzantinerblock wohl eine Vorstellung da-von machen, wie das Volk über die Verschleuderung der3'/, Millionen denkt!_Zur Liebesgabe an die Hohenzollern.Ein ehemaliger'Offizier schreibt uns: Das regierendeHaus Hohenzollern kommt also mit seiner bisherigen Tages-einnähme von 43 000 M. nicht mehr aus, sondern braucht alle24 Stunden unbedingt 82 600 M. Natürlich ist das Geldnach Ansicht der bürgerlichen Parteien da. Man dreht dieSteuerschraube aufs neue ein bißchen um und das HausHohenzollern brauchtam Abend nicht mehrHeringe und Kartoffelnzu essen. Wir erinnern uns hier an die Zeit, in der dasjetzige Militärpensionsgesetz geschaffen wurde. Da hegten diePensionisten der unteren und untersten militärische� Chargendie stille Hoffnung, daß das neue Gesetz rückwärtige Geltungerhalten werde, denn die Pensionen waren bis zur Majors-stelle aufwärts doch gar zu jämmerlich. Aber in diesem Fallehat die hohe Obrigkeit sich nicht um das Sinken des Geld-wertes, auch nicht um die Familien der Pensionisten ge-kümmert, obwohl hier meistens tvirklicher Mangel, wirklicheNot in Betracht kanien. Allerdings war das Reichsangelegen-heit, aber wenn Preußen so viel Geld hat, daß es das Gehalt der regierenden Hohenzollernfamilie im Tage um 9600Mark aufbessert, dann sollte man glauben, daß auch das Reichgenug Geld besitzt, um neuen Pensionsgesetzen, die alle mitden steigenden Lebensmittel- und Äohnungspreisen begründetwerden, rückwirkende Kraft zu verleihen. Fast �ur nämlichenZeit, in der den„gemeinen" Soldaten die kärgliche Sold-aufbeffernng von 8 Pf. pro Tag verweigert wurde, erhältdie regierende Familie im Tage nahezu 10000 M. mehr.Das macht natürlich einen famosen Eindruck und dient sehrzur Erhaltung des monarchischen Prinzips.Noch ein mandatsmüder Freisinniger.Es wird gemeldet» daß der preußische Landtagsabgeordneteabrikdirektor Dr. Berschel(Fortschr. Vp.), der den zweitenerliner Wahlkreis vertritt, wegen andauernder Krankheit seinMandat nicht weiter behalten will. Dr. Berschel wurde im Jahre1808 mit 345 freisinnigen gegen 107 sozialdemokratische und 14konservative Wahlmännerstimmen gewählt.Westfälische Nationalliberale.Die, W e st f. Pol. N a ch r.". die offizielle national-liberale Parteikorrespondenz für Westfalen, schrieben dieser Tagefolgende«: In der Wahlrechtsreform waren Zentrum. Sozialdemo-traten und Freisinnige unsere Gegner. Desgleichen dieJungliberalen. die überhaupt„nun und nimmermehrnationalliberal sind".„Darum sind Fortschrittspartei undJungliberale unsere Gegner, weil sie in der Forderungdes ReichSIagSwahlrechtS die Verbündeten der Sozialdemokratiesind." Auch gegen Baffcrmann wird scharf polemisiert. Da? alte<1837 er) Kartell zwischen Konservativen, Freikonservativen undNationalliberalen ist wiederherzustellen. Die Fortschrittliche Volks-Partei und die Jungliberalen find auszuschließen, die letzteren auchauS dem engeren nationalliberalen Parteiverbande auszuscheiden.Die Parole heißt nicht:„Erneuerung deS Blllowschen Blocks",sondern„der mittclparteiliche Block deS schaffenden Bürgertum» inStadt und Land auf schutzzöllnerischer und nationaler Grundlag,.'Hinter diesen Aeußerungen stehen die Nätionalltberalen desrheinisch-westfälischen Jndustriebezirk».Prinzipiell für Bestialität.Die„TimeS" berichtet aus Tanger folgende neueBestialitäten:Nachdem Mulay Hafid den Haj-Benatsia, den Gouverneurvon Fez, vor«inigen Wochen in» Gefängnis hatte werfenlasten, weil dieser ihm nicht verraten wollte, wo er den Schatz ver-graben habe, in dessen Besitz ihn der Sultan glaubte, ließ erauch die Frauen des Gouverneur« gefangen nehmen. Dieerste Frau wurde in grausamer Weise gefoltert, weil sieebenfalls nicht angeben wollte, wo sich der Schatz befinde,der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Ihre Hände wurden innasse Häute eingenäht, was furchtbare Schmerzen verursachen soll. Ihre Brüste wurden zwischen Holzbretter«in-geschraubt, und schließlich wurde sie an den Händenaufgehängt, so daß sie bald st a r b. Räch den letztenNachrichten aus Fez werde gegenwärtig der Sohn de» Benaissagefoltert und Benaissa selbst soll infolge der grau-samen Behandlung dem Tode nahe sein. Der Korrespondenterinnert hierbei daran, daß Mulah Hafid erst vor vierzehnTagen den Vertretern der europäischen Mächte in Tangerdas Versprechen gab, künftighin alle grausamen Bestrebungen zuunterlassen, und fragt, wie lange sich noch die Mächte dieseGrausamletten gefallen lasten wollten. Mulay Hafidstehe ganz unter dem Einflüsse von Betäubungsmitteln und befindesich oll in einem Zustande, in dem er schwer von den furchtbarstenGrausamkeiten abzuhalten sei. Der Korrespondent behauptet, vonmehreren einflußreichen Mauren gebeten worden zu sein, dieGrausamkeiten des Sultans den Mächten bekannt zu geben.Die„Deutsche Tageszeitung", die diese Mel-dung wiedergibt, macht dazu folgenden gemütvollen Witz:„Statt an die Mächte sollte sich der Korrespondent doch lieberan die Marokkaner wenden. Die Mächte werden ja garnicht grausam behandelt."Knuten-Oertel ist eben prinzipiell für die Bestialität.Und dann wundert sich das alldeutsch-agrarische Gesindel noch,wenn das Ausland mit solchem Hasse von den inDeutschland Herrschendon spricht und mit einem auS Mitleidund Verachtung gemischten Gefühle von dem Volke, das sichvon solchen Kerlen und ihren Gesinnungsverwandten be-herrschen läßt._Anarchistenriecherei.Di« Polizei im rheinisch-westfälischen Industriegebiet ist scharfauf der Anarchistensuche. Ein Mitglied der sozialdemolratischenPartei in Essen, da» der Wisienschast halber den„Freien Arbeiter"liest, wurde dieser Tage zur Polizei zitiert und dort unter den,Verdacht, Anarchist zu sein, zwangsweise photographier t.Die famose deutsche Rechtsprechung hat bekanntlich der Polizeiattestiert, daß sie ein Recht zu solcher Freiheitsberaubung hat.Oeltemicb., Heer und Wahlfreiheit.Wien, y. Juni. Abgeordnetenhaus. Bei Besprechung dergestern vom Ministerpräsidenten Jrhrn. v. Bienerth beantwortetenInterpellation über die Verwendung österreichischerTruppen bei den Wahlen in Ungarn erklärten die Abag.Korosec und Sramek, daß die Truppen nicht zur Aufrecht-erhaltung der Sicherheit, sondern zur Behinderung derWahlfreiheit, insbesondere zur Niederhaltung der Nationalitäten verwendet worden seien. Avg. Sramek fügte dem noch hinzu,er müsse mit aller Energie gegen die an den Stammesbrüdern inUngarn verübten Gewalttaten und Drangsalierungenprotestieren. Gen. Nenner bezeichnete den Wahlsieg des GrasenKhucn-Hedcrvary als Ergebnis nackter Bruta.l i t ä t. Er hoffe, daß trotz der Vereinigung der Reaktion inOesterreich und Ungarn die Idee der ungarischen Wahl-reform siegreich sein werde. Der Präsident rief den Rednerwegen Beleidigung des ungarischen Ministerpräsidenten zur Orb-