Dr. 137. 27. Aahrgasg.eilU des.FsmSrls" KcrlimMütiliolh. 15. Iuui IM.Mgeorclnetenkaus.so. Sitzung vom Dienstag, den lt. Juni,vormittags 11 Uhr.Lm Mnistertisch: Kommissare.Auf der Tagesordnung stehen Petitionen. MehrerePetitionen verlangengesetzliche Regelung des Tienstbotenwesens.Abg. Dr. Liebknecht sSoz.):In Preusten gilt für das Eesinderecht noch die Gefindeordnungvom 8. November 1810. Wir können also in diesem Jahre ihrenlOvjährigen Geburtstag feiern. Außerdem ist für dieRegelung des Gcsinderechtes das Gesetz über die Verletzung derDienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter vom2 4. April 1354 mast gebend, ein Gesetz, das aus der konter-revolutionären Periode stammt und nun auch seine bK Jahrebereits auf dem Rücken hat. Beide Gesetze sind durchausProdukte einer feudalen Gesellschaftsordnung und eines patriarchalischenPrinzips. Aber diese Ordnung und dieses Prinzip setzt ein intimes,fast persönlich familiäres Verhältnis zwischen dem Gesinde und derDienstherrschaft voraus. Es bestand nicht eine einseitige Ausbeutungdes Dienenden durch den Dienstherrn, nein, der Dienstherr hatteeine ausgeprägte sittliche Pflicht gegenüber seinen Untergebenen.Wenn das Gesinde verpflichtet war, dem Herrn treu, holdund gewärtig zu sein, so war auf der anderen Seite der Dienstherrverpflichtet, in allen guten und bösen Tagen für das Ge-finde aufzukommen. Diese Voraussetzungen sozialer Natur, aufdie das Gesinderecht der Gegenwart noch aufgebaut ist, sind zer-trümmert worden durch den Fortschritt uuscrer Zeit auch auf deuiLande. Ausnahmen mögen ja in einzelnen Gegenden und inmanchen kleinen Städten, auch in größeren Orten hier und da, nochvorkommen, aber für die Ausnahmen sind die Gesetze nicht gemacht.Es find das nur gerade die Fälle, in denen das Gesetz nicht nötighat, Vorsorge zu treffen. Die Gesetze müssen aber geschaffen werdenfür die kritischen und gesährlichen Fälle. Jetzt ist jedespersönliche Verhältnis zwischen Gesinde und Dienstherrschaft ab-gestreift. Wir brauchen uns imr zu erinnern, in welcherWeise heutzutage das ländliche Gesinde angeworben wird. In dergrosten Mehrzahl der Fälle geschieht das in der Art, wie Liefer-vertrage für irgend eine Ware geschlossen werden. Es wird eine ArtAuktion abgehalten,es find reine Sklavenmärkte,die für das ländliche Gesinde veranstaltet werden. Dieselben Miß»stände bestehen für das Gesinde, wie für die ländlichen Arbeiter.Man klagt heutzutage viel über die Dienstbotennot, die auch tatsäch-lich vorhanden ist. Sie ist ein Spezialstück der allgemeinen Leute-not, soweit das Land in Frage kommt. Aber dieseLeute- und Dienslbotennot ist nicht etwa durch irgendeine Böswilligkeit hervorgerufen, sondern sie ist die Folgeder natürlichen EntWickelung unserer gesellschaftlichen Ver-Hältnisse. Wir brauchen nur daran zu denken, unter welchen recht-lichen Verhältnissen gegenwärtig das Gesinde lebt, um ohneweiteres darüber klar zu sein, woher die Dienstbotennot rührt. Manmacht häufig geltend, die Dienstboten hätten es so ungemein gut, sieseien bei ihrer Herrschaft aufgehoben wie in Abrahams Schoß. Sieseien nicht in Gefahr, unmittelbar in Not zu geraten, sie seien ingewissem Sinne Partizipanten an der wirtschaftlichen Lage derbesitzenden Klassen. Diese Auffassung entspricht nicht der Wahr-h e i t. Die Wohnungsverhältnisse der Dienstboten in den Städtenwie auf dem Lande sind geradezu skandalös. Ich weiß aus eigenemAugenschein, wie die Kutscher und Knechte zu Hausen haben, ihrekleinen Kämmerchen starren vor Schmutz, sie werden zusammen-gepsercht, oft genug sind auf den Gütern, deren Besitzer keineswegsam Hungertuche nagen, nicht einmal die Fenster in Ordnung:Stroh und Lumpen müssen im kältesten Winter hineingestopft werden.Allein abgesehen hiervon gibt allein schon die rechtliche Lage der Dienst-boten einen vollkommen hinreichenden Grund für die Gesindenot.In bezug auf dieUnfallgesetzgebungsind die ländlichen Arbeiter und das Gesinde viel ungünstiger ge-stellt als die Städter. Bis zum heutigen Tage besteht für das Ge-finde diekleines fcuiUeton.Tancherarbeit. Um von den Schwierigkeiten, die die Weder-erlangung und Hebung eines gesunkenen Unterseeboote? macht—man has das jetzt bei der Hebung des„Plliviose" gesehen—, einenBegriff zu geben, schildert das«Petit Journal' in einem längerenArtikel, wie die Taucher auf dem Meeresgrunde arbeiten und mitwelchen Gefahren ihre Arbeit verbunden ist. Nachdem der Tauchersein Kautschukgewand angelegt und den metallischen Helm aufgesetzthat, steigt er unter großen Mühen die Strickleiter hinab; er befindetsich bald in einer Art Dämmerlicht, das die Formen der Gegen-stände vollständig verändert, indem es ihnen ein phantastischesAussehen gibt. Der Taucher weiß dann kaum, wo er sich befindet;manchmal hat er die Empfindung, als ob er mit dem Kopf nachunten geworfen würde. Da er jeden Augenblick von den Wassermassengedrängt und gestoßen wird, schwankt und wankt er auf demMeeresgrunde iminer hin und her, aus den Fußspitzen gehend, denKörper vornübergebeugt und mit den Händen Bewegungen machend,wie die Schwimmer sie machen. Das Atmen ist schwer und voneinem Sehen kann kaum die Rede sein. Daß unter solchen Be-dingungen das Arbeiten keine leichte und angenehme Sache ist, kannman sich denken. Nur sehr starke und kräftige Männer können denMühen, die der Beruf mit sich bringt, Widerstand leisten. Bei zweiAtmosphären Druck, d. h. in einer Tiefe von zehn Meter, beginntder Taucher unter einem sehr schmerzhaften Kribbeln zu leiden,wie, wenn ihm Tausende von Nadeln die Haut durchbohrten. Beimehr als drei Atmosphären, das heißt in einer Tiefe von mehr alszwanzig Metern, äußern sich die Schmerzempfindungen schon vielheftiger: es zeigen sich Ohrenschmerzen(Stechen und Sausen), dieoft Taubheit zur Folge haben, Blutergüsse. Lähmungen der unterenGliedmaßen, Zeichen von Gehirn- und Lungenkongestion: manchmaltritt Besinnungslosigkeit ein und nicht selten sogar der Tod. Trotz-dein gab es Taucher, die ganz wunderbare Rekords aufgestellt haben:Der Taucher Lambert stieg im Jahre 188S in eine Tiefe von55 Metern hinab, um acht Kisten mit Goldbarren wiederzuerlangen,die mit dem Dampfer«Alfonso XH' in der Nähe der KanarischenInseln gesunken waren. Ein anderer Taucher wagte sich imJahre 1891 in eine Tiefe von 52 Metern, um eineLadung Silberbarren aus dem Meere herauszufischen. Fürgewöhnlich soll der Taucher ganz langsam, zwei Meter pro Minute,steigen oder sinken, weil der Organismus sich nur langsam an dieDruckänderung gewöhnt und ohne diese Vorsicht das Leben gefährdetist. Bei etwa 60 Metern liegt die Grenze, wo der Taucher nochexistieren kann; bei 30 Meter kann die Arbeit in der Tiefe noch bis zweiStunden betragen. Auster einfachen Signalleinen, mit denen durchNucke signalisiert wird, benutzt man auch Sprachrohre zur Verstän-digung und elektrische Lampen zur Beleuchtung beim Tauchen. DieLuft wird dem Taucher durch einen Schlauch zugeführt, der hinterdem Kopfe in den Helm mündet.Der Erfinder deS PncumatikreifcnS. In England, wo in derletzten Zeit durch das gewaltige Steigen der Kautschukaktien un-gezählte Millionen verdient worden sind, beschäftigt man sich jetztmit dem Plan, dem Erfinder des Pneumattkreisens ein DenkmalKrankenvcrsichcrnngspflichtüberhaupt noch nicht. Daß in der Gesindeordnung gewisse Be-stimmungen über die Verpflichtung der Herrschaft zur Fürsorge fürdas erkrankte Gesinde getroffen sind, ist ja bekannt. Aber diese Be-stimmungen sind durchaus nicht hinreichend, um das Gesinde zuschützen. Im allgemeinen ist die Herrschaft nicht ver-pflicktet, über die 5lüudiguiigszeit hinaus das Gesinde, das sichbei Gelegenheit des Dienstes eine Krankheit zugezogen hat, inseiner Krankheit zu verpflegen. Wenn nun das Gesinde mit vierzehn-tägiger Kündigung, wie hier in Berlin, angestellt ist, und auch wennes mit sechswöchentlicher Kündigung angestellt ist, wie es dasGesetz an und für sich vorsieht, so sind die Fälle austerordentlichhäufig, wo die Verpflichtung der Herrschaft zur Fürsorge für daserkrankte Gefinde aufhört und es der Not erbarmungslos preis-gegeben ist. Daß hier die Krankenversicherung eine dringende Not-wendigkeit ist, ist ja nicht nur unsere, sondern auch die Auffassunganderer Kreise.Unser Bürgerliches Gesetzbuch betrachtet es als eine wichtigstevom sozialen Geist geborene Bestimmung, daß gegen den Lohn irgendeine Aufrechnung unzulässig sein soll. Diese Bestimmung überdas Verbot der Lohnzurückhaltuug besteht nicht für das Gesinde.Dem Gesinde kann jede einzelne Dienstherrschaft den Schaden.den es durch Bruch oder ein anderes Versehen an-gerichtet hat, oder irgend eine andere Forderung, die siegegen das Gesinde hat, vom Lohn abziehen. Als An-walt kann man es oft erleben, daß das Gesinde, wenn esden Dienst verläßt, nichts mehr bekommt, sondern daß die Herrschaftkalt lächelnd eine Rechnung aufmacht, wonach sie selbst noch etwaszu fordern hat.(Widerspruch rechts.) Es mag ja auf dem LandeFälle eines patriarchalischen Verhältnisses noch geben, aber im all-gemeinen hat es, besonders auf den grosten Gütern, damit auf-gehört; eS besieht hier ein unpersönliches, ja— ich möchte sagenein einfaches Sklavereiverhältnis.(Zuruf rechts: Ganz falsch!) Meine Ausführungen sind um sorichtiger, je mehr Sie sagen, daß es ganz falsch ist.(Sehr richtig!bei den Sozialdemokraten.)Weiter besteht die bedauerliche Bestimmung des Rechts auf dieZurückfordcrung der Geschenke. EinArbcitcrschntz für daS Gesindeist überhaupt nicht eingerichtet. Es besteht keine Beschränkung derArbeitszeit und keinerlei Verpflichtung. Vorrichtungen zur Sicherungder Gesundheit zu treffen. Es besteht eine absolut unbegrenzteArbeitszeit, auch für die Sonntage, und von Ruhezeit ist über-Haupt nicht die Rede. Das Gesinde mutz sich gefallen lassen,zu jeder Tag- und Nachtstunde herangeholt zu werden, um eineArbeit zu verrichten. Das Gesetz kennt schlechterdings gar keineGrenzen. Früher hatte die Herrschaft mindestens dasselbeInteresse am Gesinde wie am Vieh; es hatte genaudenselben Schaden pekuniärer Art, wenn das Gesinde krank und elendwurde. Das ist heute in Wegfall gekommen. Heute ist das Gesindeweiter nichts als eine Sorte von Arbeitern, die in einem besondersabhängigen Verhältnis steht. Da hat die Herrschaft keinunmitlelbarcS Interesse daran, das Gesinde gesund zu erhalten. DasGesinde kann ausgcbcntct und dann wie eine ausgepreßte Zitrone aufdas Pflaster geworfen werden. Das persönliche Wohlwollen und dashumanitäre Empfinden der Dienstherrschaft ist seine einzige Garantie.Allerdings hat es noch eine andere Schutz'wehr, den Kontrakt-bruch, der heute leichter als früher ist. Man soll nicht davonsprechen, daß das Gesinde heute nicht mehr so fleißig ist wie früher.Es tut seine Schuldigkeit genau so wie früher, und die Arbeit istheute qualifizierter als früher. Andererseits läßt sich ja nicht ver-kennen, daß das Gesinde infolge der modernen Entwickelung einfreiheitliches Streben und ein größeres Selbstbewußtsein hat. Undinfolgedessen trotz der vorzüglich eingerichteten Polizei leichter dasWeite sucht und suchen kann als früher und auch leichter anderwärtsBeschäftigung findet. Der Kontraktbruch ist von diesem Standpunkt auseine der nützlich st en Erscheinungen gegenüber demunerträglicheu Druck, unter dem das Gesinde lebt. NehmenSie dem Gesinde die Möglichkeit, gelegentlich zu fliehen, und Siestabilisieren die Sklaverei in vollstem Umfange. Wir hohen bereitsein Gesetz über die Verletzung der Dienstpflichten des Gesindes.Aber denken Sie an die grausamen Bestimmungen der Gesinde-ordnung, an die Voraussetzungen, unter denen das Gesinde be-rechtigt ist, seinen Dienst aufzugeben. ES heißt im Gesetz:«wennzu setzen. Dabei erhebt sich die Frage: wem gebührt eigentlich dieEhre, die bedeutungsvolle Erfindung gemacht zu haben, die so ge-waltige Umwälzungen im Verkehrswesen hervorrief, den Siegeszugdes Automobils vorbereitete und eine ganz neue Industrie entstehenließ? Denn D u n l o p, der heute allgemein als der Erfinder desLuftreifens gilt, hat einen Vorläufer gehabt. Im Jahre 1845 liestder Engländer R. W. Thomson einen mit Lust gefüllten Gummi-reifen patentieren, der dazu bestimmt war, an Wagenräder angebrachtzu werden, um die Erschütterungen aufzunehmen und auszugleichen.Thomson bewies dabei die autzerordentlichen Vorteile dieses erstenPneumatikreifens, aber kein Mensch bekümmerte sich um seinenGedanken; seine Entdeckung wurde nie praktisch erprobt, und erstarb, ohne seine Idee triumphieren zu sehen. Er war seinerzeitzu weit vorausgeeilt. Erst 43 Jahre später ließ John Dunlop seinenPneumatikreifen patentieren, ohne von dem früheren PatenteThomsons etwas zu wissen. Dunlop selbst hat oft die Geschichteseiner Erfindung erzählt:In jener Zeit kamen zuerst die Sicherheitsfahrräder auf, die daSHochrad so schnell verdrängen sollten. Dunlops kleiner Sohn besaßein Dreirad. Die Familie wohnte damals in Belfast, die Straßenringsum waren im schlimmsten Zustande, und der bescheidene kleineTierarzt sah mit Besorgnis, wie sein Junge sich mit dem Dreirad aufden holprigen Pfaden abstrapazierte. So begann er, sich mit derFrage zubeschäftigen, ob sich nicht vielleicht ein Mittel finden ließe, dieseunangenehme Begleiterscheinung des Radfahrens zu verhindern.Nach langem Grübeln kam er auf den Einfall, einen Gummischlauchmit Luft zu füllen; die glückliche Idee wurde in Prüfungen vervoll-ständigt und schließlich entstand der Dunlop-Reifen. Die Borrichtungerleichterte das Radfahren so außerordentlich, daß Dunlop seineErfindung einer Reihe von Kennern des Radfahrwesens vorlegte.Man nahm ihn freundlich auf, aber auch Dunlop hätte voraus«sichtlich das Schicksal Thomsons geteilt, wenn nicht ein Mannaufgetreten wäre, der sich mit Eifer für die'DunlopscheErfindung einsetzte. DaS war Harvey Du Eros, der in irischenSportskreisen eine bekannte Persönlichkeit war und dessen Söhne alsausgezeichnete Rennfahrer geschätzt wurden. Du Eros(machte sichsofort ans Werk, die primitive Erfindung Dunlops auszubauen. Aberüberall stieß er auf die größten äußeren Widerstände. Man be-lächelte den Gedanken, die Fahrradfnbrikanten schüttelten sich vorLachen, als man ihnen das«plumpe Polster' anbot, die Radfahrerselbst(wollten davon nichts wissen, und alle Sachverständigen er-klärten sich gegen die Erfindung. Aber Du Cros ließ sichnicht entmutigen. Er rüstete eine Anzahl Rennräder mitden neuen Reifen aus und zog mit einer Gruppe vonRennfahrern, unter dcuei» sich auch seine Söhne befanden, nach Eng-land. Auf der Rennbahn feierten die Pneumatikräder verblüffendeTriumphe, und allen Unparteiischen wurde eS nun klar, daß eineUmwälzung des Radfahrwesens bevorstand. Aber die Reaktion gabsich nicht geschlagen, die Fahrradfabrikanten sträubten sich mitHänden und Füßen gegen die Neuerung. Nur der Zähigkeit undder unermüdlichen Energie Harvch du EroS' ist es zu danken, daßschließlich die Widerstände überwunden wurden und der Luftreifensich durchsetzte. Mit ihin trat nicht nur der Fahrradsport ineine neue Epoche: der Luftreifen war es, der die spätere EntWicke-lung des Automobils erst möglich machte.es durch Misthandlung der Herrschaft in Gefahr des Lebens oderder Gesundheit gerät, oder wenn die Herrschast dasselbe ohne Gefahr,jedoch mit ausreichender und ungewöhnlicher Härte behandelt'. Ichkann also mein Dienstmädcheir H u r e schimpfen, ich kann es mit einemStock, mit einer Peitsche schlagen, und es hat doch kein Rechtauf Verlassen des Dienstes. Ich habe den Fall erlebt, daßein Mädchen denRücken voll Striemen hatte,die von Stockschlägen herrührten, die die Herrschaft ihr ausgeteilthatte; in einem ärztlichen Gutachten wurde gesagt, daß Lebensgefahrnicht vorhanden sei und die Richter waren der Auffassung, daß eineBehandlung mit ausreichender und ungewöhnlicher Härte nichtvorliege, und so ist denn auch in diesem Falle dasVerlassen des Dienstes als ungerechtfertigt angesehen worden.Derartige Fälle schreien zum Himmel und sie sind wahr-hastig nicht selten. Das ist eine schroffe Imparität,wenn man daran denkt, unter welchen Voraussetzungen derfreie Arbeiter bei Ehrverletzungen seinen Dienst verlassen kann. DieHerrschaft aber muß von dem Gesinde wie ein rohes Ei behandeltwerden, auf dem Gesinde aber darf sie herumprügeln, als ob sieüberhaupt keine Menschen wären.(Na, na! rechts.) Herren und Knechte,das ist die Einteilung der Menschen nach der Gesindeordnung. DasEiufllhrungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch hebt das ZüchttgungSrechtauf, aber die Gesindeordnung im allgemeinen überläßt es weiterhin dercinzelstaatlichen Gesetzgebung. Das ZüchttgungSrecht aber ist in dervrcußischen Gesindeordnuiig bestehen geblieben. Der kontraktbrüchigeKnecht und die kontraktbrüchige Dienstmagd können z w a n g s«weise durch die Polizei zurückgeführt werden,wenn sie zu Unrecht entlaufen sind. Wir haben ljiet_ einen offenbaren Rückstand aus der Periode der Sklaverei vor uns.Es ist ein wahrer Segen, daß diese gesetzlichen Be-stimmungen für das Gros der Fälle nur einen Schlag insWasser bedeuten. Die Verhältnisse sind eben mächtigerals die Gesetze und sie haben dafür gesorgt, daß das Gesinde mitso rebellischem Geist erfüllt wird, daß die Zahl der Kontrakt-brüchigen so groß ist, daß es Ihnen mit Aufgebot deS preußischenPolizeistaates nicht gelingen wird, diese Kontraktbrüche zubeseitigen. Die Härten dieser Gesetze haben in den fort-geschritieneren Kreisen der Bevölkerung außerordentliche Erregungund Mißstimmung hervorgerufen. Wir begrüßen es auf das lebhafteste,daß das Gesinde bereits energisch angefangen hat, sich auf sich selbstzu besinnen, klassenbewußt zu werden und eine Organisation zu be-gründen. Dafür spricht das Bestehen eines Dicnstbotenorgans, dassich ernsthaft der Interessen der Dienstboten annimmt. TrotzPreußen wird der Geist der neuen Zeit auch dafür sorgen, daßschließlich die Gefindeordnung abgeschafft wird. Preußens Wider-stand hat bei der Plakatgesetzgebung, bei der Regelungder Freizügigkeit und beim Vereinsgesetz dafürgesorgt, daß eine freiheitlichere Reichsgesetzgebung unmöglich gemacht wurde. Ebenso ist Preußen die Ursache für die AusscheidungdeS Gesinderechtes aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.Preußen ist der Hemmschuh in der Entwickelung desDeutschen Reiches,nicht daS forttreibende Element. Die preußische Reaktion ist dieKugel am Bein des deutschen Volkes. Solange nicht diese preußischeReaktion, die besonders in diesem Hause ihren Sitz hat,ein Ende haben wird, solange haben wir keine Hoffnung, daßes besser wird. Die Stellung zur Gesindeordnung gibt Ihnendie beste Gelegenheit, zu zeigen, von welchem Geiste Sie beseelt sind.Die Gesindeordnung, dies Gesindesonderrecht, dieser Schandfleckin der preußischen Gesetzgebung, muß fallen. Wirfordern eS, das Volk fordert es.(Bravo! bei den Sozialdemo-traten.)Abg. Bcrndt(Z.) bittet, zwei dieser Petitionen, die gesetzlicheRegelung des ländlichen Dienstbotenwescns fordern, der Regierungzur Berücksichtigung zu überweisen. Die Ucberweisung als Materialist ja nur ein Begräbnis dritter Klasse, und dazu sind diese Fragenzu wichtig.Abg. v. Jagow(kons.): Auch wir halten eine gesetzliche RegelungdeS Gesindewesens für erforderlich und erwarten eine entsprechendeVorlage. Hoffentlich werden darin auch scharfe Vorschriften gegenden Kontraktbruch enthalten sein.(Bravo! rechts.)Abg. Pcltasohn(Fortschr. Vp.): Wir wünschen ebenfalls dringendeine baldige gesetzliche Regelung des Gesindewesens, da die bestehendeGesindeordnung längst veraltet ist.Humor und Satire.Kannegießer? Stammtischseufzer.Merkt ihr, Kinder, wie ich schwitze?Ja, die HundStagSglut ist dalUnd zu steigern noch die Hitze,Kam jetzt die Enzyklika.Wo die Glaubensbrüder tobe»,Bin auch ich in Wut entbranntAls ein königlich von obenPatentierter Protestant.Ha, ihr haltet diese FunkenDer Entrüstung nicht fiir echt?Hol' der Teufel Euch, Hallunken l—Zwar: im Grunde habt ihr recht.Ob der Papst durch RedeblitzeLuthern tut in Acht und Bann:Solche altehrwürd'gen Witze,Kinder, was geh'n uns die an?Laßt sie zetern doch, die Laffe»Mit dem römisch großen Maul!Unsre evangel'schen PfaffenSind im Schimpfen auch nicht faul,Gleiche Kutten, gleiche Kappen!—Hu, die Hitze wird brutal.Kinder, kommt, um Luft zu schnappen,In daS nächste Bierlokal.Dort, im Schatten kühler Linden,Laßt uns löschen unfern DurstUnd beim Spiel Erholung finden;Alles andre sei uns Wurst.Klopft den Skat und bechert feste!Noch ist Preußen nicht in Not,Und den Schwarzen zum ProtesteWählt hier jeder künstig rot...Michel.Notizen.— Die Herstellung des Eiweiß auf chemischemWege soll durch die Franzosen Gandechon und DanielBerthelot in einigermaßen greisbare Nähe gerückt sein, wie Prof.Jungfleisch am Montag in der Akademie der Wissenschaften zu Parismitteilte. Wenn sich die aufsehenerregende Nachricht bestätigt, sowürden wir auf dem Wege, den Möhler, Harnes, vor allen aberEmil Fischer gebahnt haben, sozusagen durch einen unerwartetenwissenschaftlichen Ruck vorwärts geschoben werden.— Eine Statue des Cäsar AugustuS. In Ron,fanden Erdarbeiter, die für einen Neubau AnSschachtungSarbeitenvornahmen, eine 2,30 Meter hohe Statue von seltener Schönheit.Das Bildwerk, das in der Modellierung griechische Einflüsse erkennenläßt, stellt Cäsar Augustus dar, wie er als lAmHksx Maximus(obersterPriester) den Göttern opfert. Die Statue lag etwa nemr Meterunter dem Straßenuweau,