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So lange es der Landwirtschaft nicht gelingt, genügendes und preis- wertes Schlachtvieh zur Verfügung zu stellen, kann keine Verbilligung der Fleischpreise erfolgen. Zur Erreichung dieses Zieles ist in erster Linie anzustreden Vermehrung und Verbesserung der Viehhaltung im Inland, zollfreie Einfuhr von Futtermittel aller Art, Einfuhr von Nutz- und Schlachtvieh aus dem Auslande unter Vermeidung aller erschwerenden Bedingungen, Verbilligung und Verbesserung des Viehversands auf den Eisenbahnen, Verbilligung der Abgaben auf Schlachtvieh. Der Vorstand des Deutschen Fleischerverbandes wird beauftragt, zur Erreichung dieses Zieles alle geeigneten Matz- nahmen zu ergreifen."_ Konzentratiousbestrebungen in der Landwirtschaft? Im Gegensatz zu den Fustonsbestrebungen in der gewerblichen Warenherstellung ist das Vorhandensein einer Konzentrations- bewegnng in der deutschen Landwirtschaft negiert worden. Auch die Geloerbezählungen deuten auf einen Rückgang der Groß- betriebe in der Landwirtschaft hin. Die durchschnitt- liche Arbeiterzahl im landwirtschaftlichen Großbetrieb ist vom Jahre 1862 bis 1807 von 152 auf 115,8 oder um rund 25 Proz. zurückgegangen. Andererseits ist die Zahl der in Mittel- betrieben der Landwirtschaft beschäftigten Personen bei weitem nicht so stark gewachsen wie in der gelverblichen Warenherstellung, indem auf je 100 Beschäftigte der Zuwachs nur 6,2 gegenüber 10,6 Proz. betrug. Die Argumente gegen eine Konzentrationsbewegung in der deutschen Laudivirtschaft auf Grund der Ergebnisse der Gewerbe- zähluugen durften indessen nicht stichhaltig sein. Seit dem Jahre 1832 ist eine ganz außerordentlich weitgehende Veränderung im Gebrauch landwirtschaftlicher Maschinen vor sich ge- gangen, der in letzter Zeit durch den Bau von Ueberlandzentralen und durch die Verwendungsmöglichkeit der Elektrizität in der Land- Wirtschaft besonders stark gestiegen ist. Die menschliche Arbeitskraft ist in ziemlich umfangreichem Maße durch Maschinenkrast ersetzt worden, so daß der Rückgang der Zahl der Arbeitskräftefür den einzelnen land- wirtschaftlichen Großbetrieb infolge der Betriebsverbesserungen durch- aus nicht auf einen Rückgang des landwirtschaftlichen Großbetriebes schließen läßt. Andererseits ist auch der Mittelbetrieb infolge der eriveiterten Anwendung der Maschinenkraft von der menschlichen Arbeitskraft unabhängiger geworden, so daß auf Grund der Zunahme der Beschnftigtenzahl in landwirtschaftlichen Mittelbetrieben ebenfalls nicht auf ihre relativ geringere Ausdehnung geschlossen werden kann. Außerdem ist zu beachten, daß der Ausbau des ländlichen Genossenschaftswesens einer großon Anzahl von landwirtschafttichen Klein- und Mittelbetrieben immer mehr zahl- reiche Vorteile des landwirtschaftlichen Großbetriebes zur Verfügung stellt. Sowohl in betreff der gemeinsamen Benutzung von Maschinen und gegenseitiger Unterstützung bei der Bewirtschaftung als auch in betreff der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und des Absatzes auf dem Markte genießen durch das ländliche Genossen- schaftswesen vielfach Klein- und Mittelbetriebe in der Landwirtschast einige Vorteile des Großbetriebes. Die EntWickelung des ländlichen Genossenschaftswesens bietet den Beweis für die Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Großbetriebes und kann schließlich als ein Anfang einer Konzentrationsbewegung angesehen werden. Auch die Entwickelung der Kapitalsinvestierungen in der Landwirtschaft durch Begründung von Aktien- gescllschaften und Gesellschaften m. b. H. sowie deren Kapitals- erhöhungen deuten darauf hin, daß die Kollektivunternehmung und das Schaffen größerer Wirtschaftseinheiten sowie die Bildung größerer Betriebe in der Landwirtschaft nicht unbedeutende Fort - schrille macht, während doch die Kollektivuntcrnehmung bisher als eine Sonderheit der gewerblichen Warenherstellung galt. In den nachstehenden Jahren stellte sich die in der Landwirtschast durch die nachstehende Zahl von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften m. b. H. neuinvestierte Kapitalssumme wie folgt: 1 cw? 1 QHft 1 QOO Zahl der Gesellschaften 76 45 57 Millionen..... 21,18 4,62 15,23 Von den Neuinvestierungen im Jahre 1807 entfielen 8,85 bezw. 8,46 Mill. Mark auf Neugründungen von 5 Aktiengesellschaften und 65 Gesellschaften m. b. H., während eine Aktiengesellschaft und 5 Ge- sellschaften m. b. H. ihr Kapital um 600 000 bezw. 1700 000 M. er­höhten. Die geringe Unternehmungslust im Jahre 1903 brachte nur die Gründung von einer Aktiengesellschaft und 36 Gesellschaften m. b. H., die einen Kapitalbedarf von 1,23 bezw. 2,81 Millionen Mark beanspruchten, während 450 000 bezw. 104 500 M. für Kapitals- erhöhungen von zwei Aktiengesellschaften und sechs Gesellschaften m. b. H. aufgenommen wurden. Im verfloffenen Jahre erforderten die Neugründungen von 2 Aktiengesellschaften und 48 Gesellschaften m. b. H. einen Kapitalaufwand von 470 000 bezw. 7,43 Millionen Mark, während auf die Kapitalserhöhungen bei 2 Aktiengesellschaften und 4 Gesellschaften in. b. H. 7,20 Millionen bezw. 132 000 M. ent­fielen. Die nicht unbedeutenden Summe» der Neuinvestierungen in der Landwirtschaft und die Unternehmungslust zur Schaffung zahl- reicher Kollektivunternehmungen weisen auch hier auf eine Ver- schiebung des landwirtschaftlichen Betriebes zugunsten der Groß- Unternehmung hin._ Submissionsbliiten. Bei der Vergebung der AusführungSarbeiten zur Herstellung einer 450 laufende Meter langen Kranleitung auf dem Hauptbahnhofe Thorn wurden u. a. folgende Gebote abgegeben: Für Arbeiisausführung in einer Gruppe 2140,00 M. und 6406,11 M., in einer anderen Gruppe 2143,40 M. und 7123,22 M. Wohlgemerkt, es handelt sich hier nur um die ArbeitSausführung ohne Material- lieferung. Da scheinen die Löhne der Unternehmer ja ganz außerordentlich zu differenzieren. Produktionseinschränkung. New-Dork, 18. Juni. Auch die Knight- Company, welche eine halbe Million Spindeln laufen hat, schränkt ihre Produktion und zwar um ein Drittel ein. Die Vereinigung der Baumwollfabrikanten von Süd-Carolina hat gleichfalls Betriebs- kürzungen beschlossen. Konzentration in der Textilindustrie. Die Aktiengesellschaft Gebhardt u. Co. in Vohwinkel , eine 1807 mit 3 Mill. M. Aktien- kapital begründete Seidenweberei, beruft eine Generalversammlung, die einen Fusionsvertrag mit der Mechanischen Seidenweberei von van Biema u. Co. in Krefeld genehmigen und eine Kapital- erhöhung um 800 000 M. beschließen soll. Die Firma van Biema u. Co. ist schon heute eng liiert mit zwei großen Firmen der Seidenindustrie. Die Aktiengesellschaft Gebhardt u. Co. erwartet von der Fusion die»Ausschaltung eines fühlbaren Wettbewerbes"._ Huö der frauenbewegimg, Die englische Frauenbewegung. Augenblicklich tagt in einem der Säle in der japanisch-briti- schen Ausstellung in London der Kongreß der Frauenrechtlerinnen. Von den vielen Fragen, die dort diskutiert werden, ist die des Frauenstimmrechts von besonderem Interesse. Haben sich doch die Vereine, die diese Idee propagieren, in den letzten Wochen über eine Bill geeinigt, die von Parlamentariern aller Parteien befür- wartet wird und demnächst dem Parlament eingereicht werden soll. Die Vorlage bezweckt, allen Frauen, die heut« schon bei Ge- meinde- und Grafschaftswahlen stimmen können, auch das Stimm- recht für die Wahlen zum Parlament zu verleihen, ein Vorschlag, der natürlich bei vielen, leider nicht bei allen englischen Genossen auf heftigen Widerstand stößt. Die S. D. P. wie auch die Labour Party haben sich wiederholt gegen diese Art begrenzter Stimm- rechtsvorlage ausgesprochen. Aber eine ganze Reihe Genossen der I. L. P. tritt für die begrenzte Wahlrechtsvorlage ein. Bei Gemeindewahlen in Großbritannien kommt als Wähler oder Wählerin nur der Wohnungsinhaber(occupier) als Besitzer oder Mieter in Betracht. Eine Frau kann bei diesen Wahlen wie eine männliche Person wählen, wenn sie ein Wohnhaus, den Teil eines Hauses oder auch nur ein Zimmer innehat, vorausgesetzt, daß der Hauswirt als solcher nicht im Hause wohnt. Dies bildet die Grundlage des bestehenden Wahlrechts für lokale Vertretungs- körperschaften. Modizificrt wird dieser Satz aber durch einen solchen Wust von Sondcrbestimmungen für die verschiedenen Teile des Reiches, ja für verschiedene Städte und für die verschiedenen Vertretungskörperschaften, daß es überaus schwer ist, sich in den bestehenden Gesetzen zurechtzufinden. Verheiratete Frauen der Arbeiterklasse sind von diesem Wahlrecht, das eine gewisse Wirt- schaftliche Selbständigkeit der Wähler voraussetzt, gänzlich ausge- schlössen. Viel wichtiger als dieser Punkt ist die Prinzipienfrage. Es kann nicht häufig genug betont werden, daß die jetzige Frauen- bewegung in Großbritannien in erster Linie eine bürgerliche Be- wegung ist, die dazu ihren bürgerlichen Charakter auch noch bei jeder Gelegenheit ausdrücklich betont.Warum", heißt es in allen Reden der Suffragettes,sollen wir Frauen, die wir Steuern zahlen müssen, nicht das Recht haben, bei den Parlamentswahlen zu stimmen, da es doch das Parlament ist, das uns diese Steuern aufbürdet?" Um dieses Argument würdigen zu können, muß sich der deutsche Leser daran erinnern, daß man in England e r st bei einem Einkommen von 3200 M. direkte Steuern zahlt. Auch die Urheber der vorliegenden Bill lassen es merken, daß sie keineswegs darauf aus sind, das Wahlrecht für alle Frauen einzuführen. In ihrem Aufruf heißt es:Die Vorlage schließt nicht den weiteren Schritt zum allgemeinen Wahlrecht aus, sie macht diesen Schritt aber auch nicht unver- m e i d l i ch." Der zweite Teil dieses Satzes, der ein Beschwichti- gungsmittel für die Spießbürger sein soll, birgt ein gutes Stück Wahrheit. Diejenigen der englischen Genossen, die für die be- grenzte Frauenstimmrechtsvorlage eintreten, tun dies wenn nicht gar aus sentimentalen Gründen aus der Erwägung, daß die Annahme des begrenzten Frauenstimmrechts die politische Emanzipierung des weiblichen Geschlechts überhaupt notwendiger- weise herbeiführen müsse. Diese Schlußfolgerung kann jedoch ge- schichtlich nicht begründet werden; das Gebaren der bürgerlichen Demokratie sollte ein warnendes Exempel sein. Mit Recht befürchtet man, daß die englischen Frauenstimmrechtlerinnen, wenn sie einmal am Ziele ihrer Wünsche angelangt sind, auf ihren Lorbeeren ausruhen und womöglich gar dem Vordringen der proletarischen Frauen Widerstand entgegensetzen werden. Was die Aussichten der neuen Bill anlangt, so sind sie keines- Wegs hoffnungsvoll. Die Sympathien der bürgerlichen Parla- mentarier, die ihre Ruhe haben wollen und daher vieles ver- sprechen, werden den Suffragettes nicht viel nützen, solange das Kabinett nichts von ihren Plänen wissen will. Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die Ohnmacht, die die Organisationen der Frauenstimmrechtlerinnen bei den letzten Parlamentswahlen an den Tag legten. Ihr Eingreifen endete mit einem kläglichen Fiasko; nicht eine einzige Wahl haben sie zu beeinflussen vermocht. Alle Umstände deuten darauf hin, daß uns die Suffragettes noch lange als Agitatoren für die Frauenemanzipation erhalten bleiben, bis das britische Proletariat stark genug� ist, seine Forderung des allgemeinen gleichen Wahlrechts für beide Geschlechter durchzu- setzen._ DaS weibliche Geschlecht in der BerufSzähluug. Die gesamte Bevölkerung des Deutschen Reiches hat sich in der Zeit von 1382 bis 1807 vermehrt von 45222113 auf 61720528 Per- sonen, das ist um mehr als ein Drittel, nämlich um 36'/, Proz. Innerhalb dieser Zahl haben die Erwerbstätigen aber noch stärker zugenommen, nämlich von 17 632 008 auf 26 827 362, daS ist um 8,2 Millionen oder 52 Proz. Von der gesamten Bevölkerung sind gegenwärtig mehr als s/5 erwerbstätig. Noch ein wenig stärker jedoch haben die Berufslosen zugenommen. 1882 betrug ihre Zahl 1 354 486, 1807 dagegen 3 404 883, das sind fast 54 Proz. Ihre richtige Bedeutung gewinnen diese Zahlen natürlich erst, wenn man sie weiter zerlegt. Dann ergibt sich, daß innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung daS weibliche Geschlecht stärker an Zahl zugenommen hat, als daS männliche. Die Ewerbstätigen männlichen Geschlechts zählten: 1882 1807 13 372 805 13 583 634 = 60'/- Proz.,= 61 Proz. der Bevölkerung. Dagegen die Erwerbstätigen weiblichen Geschlechts: 1882 1807 4 228 103 8 243 483 ---- 18'/, Proz.,---- 26'/, Proz. der Bevölkerung. Diese starke Zunahme der Frauen in der Berufsarbeit ist nun zwar zum Teil darauf zurückzuführen, daß 1807 infoige schärferer Fragestellung zahlreiche weibliche Personen sich als erwerbstätig be- zeichneten, die stüher zu den Angehörigen gerechnet wurden. Dennoch steht fest, daß die weibliche Bevölkerung immer stärker am Berufs- leben teilnimmt. In der Zeit von 1885 bis 1807 ist im Deutschen Reiche die Zahl der weiblichen Bevölkerung nur um 18'/, Proz. ge- stiegen, nämlich von 26 361 123 auf 31 258 428; darunter die der weiblichen Angehörigen nur um 7 Proz., von 18 667 224 auf 18 874 341, dagegen die der weiblichen Erwerbstätigen um 56'/, Proz., von 5 264 383 auf 8 243 483. Sonderbarerweise zeigt sich nun aber genau dasselbe bei den Berufslosen. Auch hier hat das weibliche Geschlecht stärker zu- genommen als das männliche. Die Zahl der berufslosen(selbstän- digen) Männer stieg von 652 361 auf 1 612 776, d. i. um 147 Proz., die der Frauen gleicher Gruppe von 702 125 auf 1 732 207, das ist um 155 Proz. Allerdings ist mit dieser Zahl unseres Erachtens nicht viel anzufangen, denn sie umfaßt nicht nur die Rentner und Pensionäre aller Art, sowie die von Unterstützung Lebenden, sondern auch die Studenten und Schüler, die nicht bei ihren Eltern leben, sowie die Zöglinge in Unterrichts- und Waisenanstalten. Und gerade diese, die man doch eigentlich kaum alsberufslose Selb - ständige" ansehen kann, haben besonders stark zugenommen, nämlich von 145 356 auf 606 341, das ist um 317 Proz. in den 25 Jahren. Immerhin ist auch die Zahl der Rentner und Pensionäre in der gleichen Zeit gestiegen. Es betrug die Zahl der Rentner und Pensionäre 1882 1807 Männer.... 371 433 1 050 414 Frauen.... 439 110 1 226 608 Unter den Studierenden. Schülern usw. haben die Frauen ganz kolossal zugenommen. Von ihnen waren 1882 männliche 113 108, 1807 363 258. Zunahme 221 Proz.; weibliche 1882 32 248, 1807 243 082, Zunahme 654 Proz. Alles in allem zeigt also die Berufszählung 1. eine gewaltige Zu- nähme der Frauen am Erwerbsleben und 2. eine auffallende Ver- mchrung der Erwerbslosen überhaupt. Damit steht im Einklang, daß die Zahl derer gesunken ist, für die jeder Erwerbstätige zu sorgen hat. Auf je 100 Erwerbstätige entfallen von der Gesamt- bevöllerung 1882 257, 1885 249 und 1907 230 Personen. Leseabende. Groß-Lichterfclde. Freitag, den 17. Juni, imKaiserhof": Bortrag. Erziehung der Jugend im Sinne des Sozialismus". Steglitz . Freitag, den 17. Juni, 8'/2 Uhr, beim Genossen Rohmann Vortrag. Genosse Aßmann:Die Frauen und die hiesige Ge- meindevertretung"._ Gerichte-Zeitung. Eine Heiratsschwindler-Epidemie scheint augenblicklich in Berlin zu herrschen, da fast kein Tag ver- geht, an welchem nicht mindestens ein Vertreter dieser Verbrecher- kategorie von den Moabiter Strafgerichten unschädlich gemacht wird. Gegen ein besonders gemeingefährliches Exemplar dieser Schwindlerklasse, denDetektiv" Gustav Kalbitz, verhandekte gestern die 4. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Geier. Der Angeklagte, welcher»mch seiner Behauptung Inhaber eines Detektiv- und AuskunstsbureauS ist, erließ in mehreren Zeitungen Heiratsannoncen, in welchen er sich als Wohlsihnerter Kaufmann ausgab, der sich nach einem. glücklichen Heim" sehne. Aus diese Inserate meldeten sich gleich einige Dutzende von heiratslustigen ältlichen und alten Jung» frauen, von denen dann einige von dem Angeklagte» zur.engeren» Wahl" gestellt wurden. Mit einer nicht begreiflichen Vertrauens» seligkeit, die recht charakteristische Schlüsse auf die Jntelligeuz den Betreffenden zuläßt, opferten die heiratswütigen Damen dem» Schwindler ihre Ersparnisse. Eine der Hereingefallenen bekam es fertig, dem Angeklagten nach und nach zirka 10 000 M zw opfern. DerSchrei nach dem Mann" hatte auch für die übrigen Mädchen sehr unangenehme Folgen, da sie ihre mühsam gemachten Ersparnisse bis auf den letzten Pfennig los wurden. Zur An­klage standen ferner noch mehrere Fälle von Kautionsschwindeleien. Der Staatsanwalt beantragte mit Rücksicht auf die mehrfachen. Vorstrafen des Angeklagten auf diesem Gebiete eine Zuchthaus- .strafe von 6 Jahren. Das Gericht erkannte auf 4 Jahre Zuchthaus , 1050 M. Geldstrafe, ev. noch 105 Tage Zuchthaus zusätzlich und 5 Jahre Ehrverlust. _ < Automobil und Publikum. Zum Automobilverkehr in belebten Straßen großer Städte ist eine Entscheidung des Reichsgerichts von Interesse, die ia jüngster Zeit ergangen ist. Es handelt sich um folgenden Vorfall. Im Oktober 1907 wurde der Friseurgehilfe F. in Düsseldorf auf der Graf-Adolf-Straße von dem Automobil einer Düsseldorfer Firma überfahren. Den Chauffeur soll schnell gefahren sein ohne mit der Huppe Zeichen zu geben. F. erhob aus den Verletzungen Klage gegen den Inhaber und den Führer des Kraftwagens. Das Landgericht Düsseldorf erklärte den Anspruch des Klägers gegenüber beiden Beklagten für begründet. Das Oberlandesgericht daselbst wies die Berufung der Beklagten zurück. Nunmehr hat auch das Reichsgericht die Revision der Be- klagten zurückgewiesen. Die Entschcidungsgründe des Reichs- gerichts sind von allgemeinem Interesse. Wir lassen sie deshalb auszugsweise folgen:Die Revision meint, in einer Großstadt müsse verlangt werden, daß die Fußgänger nach Möglichkeit den Bürgersteig benutzten und die Fahrbahn den Fuhrwerken über- ließen. �Die Lenker der letzteren seien an sich berechtigt, mit der erlaubten Geschwindigkeit zu fahren und dürften darauf rechnen, daß der Fußgänger, der die Fahrbahn benutze, die größte Sorg- falt beobachte. Das Oberlandesgericht habe diese Erwägungen nicht angestellt und hierduch die§§ 254 B. G. B., 286 Z. P. O. ver- letzt. Die Rüge ist nicht begründet. Ob die Fußgänger verpflichtet sind, den Bürgersteig so lange als möglich zu benutzen, bedarf nicht der Entscheidung, da der Kläger von dem rechten Bürgersteige zum linken hinüber gehen wollte, und daher die Fahrbahn notwendig überschreiten mußte. Hierbei mußte er vorsichtig zu Werke gehen, wie die Revision mit Recht bemerkt, aber das ist vom Berufungs - gerichte auch nicht verkannt. Es nimmt vielmehr an, daß Kläger , bevor er vom Bürgersteige heruntertrat, das etwa 30 Schritt entfernte Kraftfahrzeug hätte wahrnehmen und auch bemerken müssen, daß es sich mit großer Schnelligkeit bewegte und daher ein Ueberschreiten des Fahrdamms nicht angebracht sei; das in dem Verhalten des Klägers liegende Verschulden wird aber gegenüber dem des Mitbeklagten B. als verschwindend angesehen. Diese Er- wägung ist insofern nicht bedenkenstei, als das Oberlandesgericht anzunehmen scheint, ein Fußgänger, der in einer Entfernung von 30 Schritt ein schnellfahrendes Automobil bemerkt, müsse dasselbe stets vorüberfahren lassen, bevor er den Fahrdamm betritt. Eine derartige Forderung kann nicht mit Grund aufgestellt werden; sie würde dazu führen, in Straßen mit starkem Automobilverkehr einen Fußgänger oft verhältnismäßig lange an dem Ueberschreiten des Fahrdamms zu hindern. Nur das kann verlangt werden, daß der Fußgänger vor dem Verlassen des Bürgersteigs sich nach etwaigen Hindernissen umsieht. Bemerkt er hierbei ein heran- kommendes Automobil, so würde es fahrlässig sein, wenn er ohne jede Rücksicht auf dasselbe weiter geht, er dars aber andererseits erwarten, daß ebenso auch das Automobil auf ihn Rücksicht nimmt. Mft Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß eS Sache des B. gewesen wäre, anzuhalten oder wenigstens langsamer zu fahren, als er den Kläger auf der Fahrbahn bemerkte und findet darin, daß er statt dessen versuchte, vor dem Kläger vorüberzufahren ein Verschulden. Nicht zu beanstanden ist es ferner, wenn das angefochtene Urteil eine Teilung des Schadens ablehnt. Es stellt fest, daß B. in der sehr belebten Graf-Adolph-Straße in Düsseldorf schnell gefahren ist, daß er kein Zeichen mit der Huppe gegeben hat, als er sich dem Kläger näherte, daß er in unverminderter Fahrt vor dem Klager in dessen Gehrichtung vorüberzufahren suchte und erst im letzten Augenblicke nach rechts einlenkte und findet in diesen Um- ständen ein Verschulden, dem gegenüber das mitwirkende Verschul- den des Klägers nicht in Betracht gezogen werden könne." Kriegervereine. Aus dem Kriegerverein in Callis ausgetretene Mitglieder gründeten einenMilitär- und Soldatenverein" und erlangten auch, daß die Polizeibehörde ihn gemäß der KabinettSordre von 1842 als Kriegerverein bestätigte. Die Bestätigung wurde aber demnächst zurückgezogen, worauf der Vorsitzende nach vergeblichen Beschwerden beim Landrat und Regierungspräsidenten im Ver» waltungsstreitverfahren klagte. Die Klage wurde abgewiesen, Das Oberverwaltungsgericht erklärte sie für unzulässig und führte aus: Hier liege keine polizeiliche Verfügung im Sinne des Landesverwaltungsgesctzes vor, die mit den dafür bestimmten Rechtsmitteln angreifbar sei. Entscheidend wäre, daß die Ver- sagung bezw. Zurückziehung der Bestätigung eines Vereins als Kriegerverein nicht einen Eingriff in die Rechtssphäre des ein­zelnen Mitgliedes darstelle. Einen Anspruch darauf, als Krieger- verein anerkannt zu werden, habe kein Verein. Im Verwaltungs- streit angreifbare polizeiliche Verfügungen könnten in Frage kommen bei Handlungen, die an sich ein Ausfluß der persönlichen Freiheit seien. Solche seien z. B. auch die Gründung eines Ver- eins und die Beteiligung daran. Die Ausübung des durch die Verfassung gewährleisteten Vereinsrechts hänge indessen nicht von der Bestätigung eines Vereins als Kriegerverein ab. Diese Be. stätigung verleihe weitergehende Befugnisse über den Rahmen des allgemeinen Vereinsrechts hinaus. Natürlich bleibe hier der Verein nach Versagung der gewünschten Bestätigung immer noch ein solcher im Sinne des Vereinsgesetzes. Demnach können durchwegMilitär- und Soldatenvereine" oderKriegervereine" ohne polizeiliche Genehmigung gegründet werden. Nur einen Anspruch darauf, daß die Polizeibehörden den Verein als solchen mit Klimbimanrechten anerkennt, hat der Verein nicht. Er ist unabhängig von der Polizei, während die offiziösenKriegervereine" mehr oder weniger unter Polizeiauf- ficht stehen._ eingegangene DrucUrcbriften. Taschenatlas zur Alkoholfrage mit Tcrt von Dr. med. Holiffcher. 13 farbige Tafeln. 1 M., gebd. 1,50 M. Verlag Deutscher Arbeiter- Abstincntenbund(I. Michaelis». Berlin 80. 16, Engelufer 19. Jahrbuch der Vodenreforui. 2. Heft. Lierteljahreshefte, heraus- gegeben von A. Damaschke. Einzelhcste 2 M.®. Fischer, Jena . Amerikanisches Volksbilduugswcseo. Von W. Müller. 2,50 M., gebd. 3,30 M. E. Diedcrichs, Jena . DaS Edelweiß. Von Dr. E. M. Kronseld. 80 Pf. H. Heller«. Tie.. Wien I. DaS Alte stürzt k Beitrag zum Kamps um das geschichtliche Christus» bild von W. Zillesscn. 35 Pj. Bock u. Seip, Saarbrü.kcn-St. Johann. Bericht der Deutschen Zentrale für Jngcudfürsorge über ihre Tätigkeit in den Jahren 1908 und 1909. 89 Seite»..Gutenberg", Berlin , Wallstr. 17/18. Die Handelsschule in Mannheim . 53 Seiten. Kommissionsverlag I. Bensheimer, Mannheim. _ Verantwortlicher Redakteur Richard Barth , Berlin . Für den Jnjeratenteilverani«.: Th. Glocke. Berlin , Arvcku. Verlag: Vorwärts. Buchdrucker» u. VerlagsguMt Usul Singer Si$0« Berlin SW.