I gestellt habe. Daß tch darum aber das„Reich", tute es aus dem Kampfe hervorgegangen ist, für das Höchste halten sollte, für das Ideal, nach dem wir alle gestrebt, für das wir Kerker und Exil nicht gescheut haben, das fällt ni i r n i ch t e i n. Ich akzeptiere die Dinge, wie sie sind, als eine zeitweilige Notwendigkeit, aber ich begeistere mich nicht dafür." So kühl urteilte Frciligrath 1874, zwei Jahre vor seinem Tode, so deutlich gab er den Freunden zu verstehen, daß die Verbitterung von 1848 her noch tief in ihm saß. Und was hätte Freiligrath wohl in Briefen oder Ge- dichten gesagt, wenn er noch zwei Jahre länger gelebt hätte I Wenn er Zeuge des Schwindels der Attentate zur Vorbereitung des Sozialistengesetzes geworden wäre! Wenn er hätte er- fahren müssen, daß das neue Deutsche Reich mit Bismarck am Steuer und dem ehemaligen Prinzen von Preußen an der Spitze aus den Erfahrungen eines halben Jahrhunderts nichts Besseres gelernt hatte als die brutale Knebelung des Proletariats I_____ Vielleicht wäre in dem alten, elsenfesten Graukopf noch einmal der Zorn zu hoher Lohe emporgeschlagen, und er hätte in die Gemeinheit jener Tage wieder den Feuerbrand feiner Gedichte geschleudert!>> Jahrzehnte sind seitdem vergangen. Das Sozialisten- gesetz und seine Urheber sind längst dahin, das klassenbewußte Proletariat aber schreitet siegesfreudig und zukunftssicher seine Bahn. Es fürchtet nicht die Tücken noch die Macht- mittel seiner zahlreichen Gegner. Wenn es aber einmal der Aufrichtung oder Belebung bedarf, so greift es zu den hin- reißenden Gesängen, mit denen der größte Dichter des Prole- tariats im Völkerfrühling 1848 den Kampf beflügelte! so läßt es den donnernden revolutionären Zorn Freiligraths auf sich überströmen: und mit ihm reckt es den tausend Feinden der Freiheit kühn die trotzige Stirn entgegen mit dem jubeln- den Kampfschrei: Nur was zerfällt, vertretet ihr, Seid Kasten nur, trotz alledem! Wir sind das Volk, die Menschheit wir, Sind ewig drum, trotz alledem! Trotz alledem und alledem! So kommt denn an, trotz alledem! Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt UNS nicht, Unser die Welt, trotz alledem! Sozisliltische Klassenpolitik Im französischen Parlament. Paris , 14. Juni(Eig. Ber.) Der nichtssagenden und zweideutigen Regierungserklärung haben die geeinigten Sozia- listen gestern eine klare, umfassende Erklärung der proletarischen Klassenpolitik entgegengesetzt. In die Form einer Tages- ordnung gekleidet, enthält sie ein Programm der politischen, kulturellen, handelspolitischen und sozialpolitischen Reformen, mit denen die sozialistische Demokratie den Weg zur voll- ständigen Befreiung des Proletariats und zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaft bahnen kann. Niedcrlegung der Schranken der kollektiven Bestrebungen der Arbeiterschaft, Verbesserung des Erziehungswesens unter Mitwirkung der organisierten Lehrerschaft und unter Kontrolle der Eltern, Steuerreformen im Interesse der Besitzlosen, Ausdehnung der staatlichen und Gemeindedienste, internationale Vereinbarungen über die fortgesetzte Herabminderung der Zolltarife, Wohnungs- reform, Bekämpfung des Alkoholtsmus, Schutz der Heim- arbeiterschaft, Mitwirkung der Arbeiterschaft an der Gewerbe- inspektion, Achtstundentag und Lohnminimum, eine wirksame Sozialversicherung, Uebertragung der kapitalistischen Monopole an die Nation. Nationalisierung der noch freien Naturschätze. Kündigung' des Privilegs der Bank von Frankreich, Kontrolle der Finanzoligarchie und nationale Organisation des Kredits. Ausdehnung des Arbeiterschutzes auf das Land- Proletariat, Sicherung des Wertzuwachses für die Bearbeiter des Bodens, Förderung des ländlichen Genossenschaftswesens, Schutz der Seeleute und Organisation der Fischerei, Um- Wandlung der Armee in eine Miliz, Eintreten für inter - nationale Schiedsgerichte. Verurteilung kolonialer Expeditionen, Eingeborenenschutz, Anerkennung der Gleichheit aller Rassen— und als Vorbedingung zu alledem das Aufgeben der gegen daL Proletariat gerichteten Klasienpolitik des bürgerlichen Staates und die fortschreitende Demokratisierung, Proporz und Frauenstimmrccht, sowie eine verbesserte Organisation der parlamentarischen Arbeit, das sind die wichtigsten Reformen, die die von allen 75 Deputierten der Fraktion unterzeichnete Erklärung vorschlägt. Zu ihrer Begründung sandte die Partei drei Redner, durchweg neue Abgeordnete, vor: außer Genossen Albert Thomas , der sie verlas, die Genossen Brigon und Lauche. Es war ein glänzendes Debüt des Sozialismus in der neuen Kammer, zugleich ein persönlicher Erfolg der Redner. Diese hatten sich ihre Aufgabe eingeteilt. Thomas behandelte namentlich die allgemeine wirtschaftspolitische Situation, den industriellen Aufschwung, der sich kund- gibt, und das Verhalten der Regierung zu den Groß- kapitalistcn, die die ncucrschlossenen Reichtumsqucllen mit Beschlag belegen wollen. Er wies darauf hin, daß die Frage des Alkohol- und des Versicherungsmonopols in der Regierungs- erklärung ebenso übergangen wird, wie die Revision des ver- alteten Berggesetzes von 1810, und beleuchtete die skandalöse Wahlkorruption, die die Versicherungsgesellschaften in der letzten Wahlkampagne betrieben haben. Er forderte die Nationalisierung der Wasserkräfte, die jetzt an kapitalistische Unternehmer verschleudert werden, und appellierte an die Radikalen, ihr altes Verstaatlichungsprogramm jetzt zu ver- wirklichen. Zum Schluß zeigte er die Einheit und die Selbständigkeit der Arbeiterklasse, als die leitenden Ideen des organisierten Proletariats.„Die Arbeiterklasse," sagte er,„kann an der allgemeinen Funktion des Staates nur teilnehmen, indem sie ihn erobert." Genosse B r i z o n, ein Lehrer aus dem Departement Allicr, analysierte die verschiedenen Ausbeutungsformen, unter denen die Kleinbauern und Halbpächter leiden. Die Bourgeoisdeputierten, wegen ihrer Ohnmacht gegenüber Thomas' schlagender Rede gereizt, suchten sich an dem zweiten sozia- listischen Sprecher zu rächen, indem sie ihn, um einiger rheto - rischer Aeußerlichkeiten willen, blödsinnig anulkten. Genosse Brizon hielt aber den Ungezogenheiten wacker stand und sagte zu dem sehr ernsten Thema sehr ernste Worte, die bei der Bauernschaft sicher Widerhall finden werden. Die dritte Rede wurde zu einer parlamentarischen Sensation. Die französische Kammer, in der bisher Pro- fessorcn, Aerzte, Journalisten und Gutsbesitzer die Arbeiter- frage diskutiert haben und die wenigen, dem Proletariat ent- sprossenen Redner sich zumeist auf Spezialfragen ihres Berufs beschränkten, bekam auf einmal einen sozialistisch geschulten Arbeiter zu hören, der mit einer, auf reiches dokumentarisches Material gegründeten Sachlichkeit, mit rednerischer Meister- schaft und mit dem vom sozialisttschen Ideal entzündeten tmer furchtbare Abrechnung mit dem sozialpolitischen chwindel der radikalen Republik hielt. Die Rede des Ge- nossen Lauche wirkte auf die blasierten Parlaments- schwätzer und die neu angekommenen ahnungslosen Provinzsprößlinge einfach verblüffend. Da stand ein unscheinbarer Proletarier, ein Mitglied jener als Herd von Ilebeltätern ausgeschrienen Arbeitskonföderation vor der Ver- sammlung und warf mit einer Gebärde, Schlag um Schlag vor dem Potemkinschen Dorf bürgerlichen Arbeiterschutzes ein Bretterhaus nach dem anderen um. Als sich V i v i a n i zu einem Rettungsversuch erhob, fertigte ihn Lauche mit einer Ueberlegenheit ab, daß dem gegen die Unternehmer allzu ge- fälligen Arbeitsminister die Lust zu weiteren Unter- brechungen verging. Lauche hat mit einer Kraft der Argumente, die auch auf anderen Seiten des Hauses ihre Wirkung wenigstens im Augenblick nicht verfehlte, gezeigt, daß unter einer Regierung, die mit einem pompös hergerichtetcn sozialreformatorischen Programm vor die Kammer tritt, die bestehenden gesetzlichen Vorkehrungen für den Arbeiterschutz immer mehr in Verfall geraten, daß die Gerichte ohne Widerstand der Verwaltung die Unfall- Versicherung ruinieren, die Gewerbeinspektion vernachlässigt wird, die Bewilligung von Ueberstunden in skandalöser Weise überhand nimmt— von 1903 bis 1908 ist die Zahl der Be- willigungen von 4451 auf 6800 gestiegen. 1903 waren 967 000 Kinder. 2 375000 junge Mädchen. 2 600 000 Er- wachsene davon betroffen, 1908 dagegen 1 438 000 Kinder, 8 400 090 junge Mädchen und 4 Millionen Er- wachsene!— und daß die Zahl der Unfälle von 212 000 im Jahre 1903 auf 334000 angewachsen ist, die Zahl der ver- unglückten Kinder von 2000 auf 4000! Lauche sprach dann davon, was die Regierung wirklich für die Arbeiter tue, von den Behinderungen der Organi- sationcn, von der Unterdrückung der Demonstration am 1. Mai. Und von dem heuchlerischen Vorwand, mit dem Großkapitalistcn von den gesetzlichen Pflichten gegen ihre Arbeiter befreit werden, wenn sie für die„nationale Verteidigung" arbeiten, kam er logisch auf die angekündigte Marine- Vorlage und die weiteren in Aussicht stehenden Forde- rungen des Militarismus zu sprechen.„Nicht einen Groschen werden wir für diese Aus- gaben bewilligen!" rief er den Bourgeoisparteien zu und setzte dem interessierten Patriotismus des Unternehmer- tums den Patriotismus des sozialistischen Proletariats ent- gegen, das eine gesunde und starke Nation will. So stand der erste Tag der Verhandlung über die all- gemeine Politik durchaus im Zeichen des Sozialismus, der der Demokratie sein Gepräge aufzudrücken sich anschickt. In der heutigen Sitzung sprach als erster Redner Genosse A u b r i o t namentlich über den Proporz. Und die sozia- listische Kritik ist erst am Anfang. Da hilft kein Leugnen mehr— die alten Katzbalgereien der bürgerlichen Parlaments- Politik haben ihren Sinn verloren. Der Klassenkampf begehrt sein Recht im Parlament— dies ist der Eindruck der neuen Situation, dem sich auch die ernste bürgerliche Presse nicht zu entziehen vermag._ Das Koalitionsrecht in der bayeriFchen Kammer. München , 15. Juni. Die Veranlassung zu erneuter Besprechung der Frage der Koalitionsfreiheit und des KoalitionS- rechtes in der Kammer gaben zwei Petitionen. Die eine kam von Augsburg und forderte den Schutz der zu öffentlichen Aemtern gewählten Arbeiter und Privatangestelllen sowie die Schaffung eines wahrhaften KoalitionSrechtes. Die zweite Petition wurde eingereicht vom Bunde der technifch-induftriellen Beamten in München : sie ver- langte Aufhebung des ß 152 Abs. II und§ 163 der Gewerbeordnung. Die Petitionen waren im sozialen Ausschuß behandelt worden und dieser Ausschuß hatte einstimmig eine Resolution beschloffen, in der die Regierung erstens ersucht wird, im Bundesrat auf Bor - läge eines Reichsgesctzes hinzuwirken, das die zu öffentlichen Aemtern gewählten Arbeiter und Privatangestellten gegen Unternehmerdruck schützt; der Gebrauch deS Wahlrechts zu diesen Aemtern, die An- nähme und Ausübung derselben soll insbesondere durch die gesetzlich festgelegte Pflicht des Unternehmers, die notwendig werdende Unter- brechung der Arbeitszeit zu gestatten, durch finanzielle Schadlos- Haltung und gegen materiell nachteilige VerhinderungSmaßrcgeln jeder Art sichergestellt werden. Zweitens soll die Regierung dafür eintreten, daß bei der Re- Vision deS Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßreform eine gesetzliche Bestimmung geschaffen werde, wonach sowohl bei der Auswahl der Beisitzer des Ausschusses für die Auswahl der Schöffen wie bei der Auswahl der Geschworenen und Schöffen selbst An- gehörige aller Stände, auch der Arbeiter und Privatangestellten, berufen werden. Endlich soll sie im Bundesrat für die Einbringung von Gesetz- entwürfen wirken, wodurch die Koalitionsberechtigung auf alle Unternehmer, Angestellten. Gehilfen, Gesellen und Arbeiter einschließlich der in den Betrieben und in der Verwaltung des Staates, der Gemeinden und sonstiger öffentlicher Verbände Beschäftigten ausgedehnt, als Zweck der Koalition die Förderung der Be- rufsintereffen jeglicher Art, insbesondere jede Einwirkung auf die Lohn- und Arbeitsverhältnisse anerkannt, die Herstellung, Mitteilung und der Gebrauch sogenannter schwarzer Listen verboten, auch die Verhinderung am gesetzmäßigen Gebrauch deS Koalitionsrechts insbeson- dere durch schwarze Listen sowie der Versuch hierzu als selbständiges Delikt unter Strafe gestellt wird; sowie weiterer Gesetzentwürfe, die die Gewährung der Rechts- Fähigkeit an die Berufsvereine und die rechtliche Sicherung und weitere Ausgestaltung der Tarifgemeinschaften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie die Feststellung, daß §§ 152 und 153 der Reichsgewerbcordnung auf Tarifverträge keine Anwendung finden, zum Gegenstande haben. ES ist interessant, daß der Berichterstatter, der Zentrums« abgeordnete Graf v. P e st a l o z z i. im Ausschüsse nicht nur für daS VereimgungSrecht aller Arbeiter im Staatsbetriebe, sondern auch für die letzte Konsequenz, das Streilrecht derselben, ganz bedingnng� loZ eingeireien ist. Das ist um deswillen intereffant, weil zurzeit die führenden Zentrumsorgane eine Hetze gegen den süddeutschen Eisenbahnerverband treiben und denselben als eine Streikorgani- fation nach oben denunzieren. Einige Zentrumsabgeordnete fühlten offenbar den klaffenden Zwiespalt zwischen ihrer Presse und ihrer sonstigen Haltung und der Stellungnahme ihrer Parteigenoffen im sozialen Ausschüsse und stimmten gegen die Ausschußbeschlüsse. Widerspruch n der Diskussion fanden die Anträge nicht. poUtilcbe deberfwbt* Berlin , den 16. Juni 1910. Schluß der Landtngssessio«. In einer gemeinsamen Sitzung der beiden Häuser des Landtags wurde am Donnerstag die Session in der üblichen Weise geschlossen. Eine geschäftliche Sitzung hielt vorher nur noch das Herrenhaus ab. Die geborenen und berufenen Gesetzgeber haben sich in der abgelaufenen Session ganz erheb- lich anstrengen müssen. In etwa einem Dutzend Sitzungen bewältigten sie das Material, das ihnen aus etwa hundert Sitzungen des Landtags zuging. Vor Eintritt in die Tages- ordnung der Sitzung des Herrenhauses sprach Graf Hoensbroech den vom Hochwasser betroffenen Mitbürgern das Mitgefühl des Hauses aus. Bei der Beratung der Sekundärbahnvorlage brach Gras Mirbach- Sorquitten eine Lanze für den Liebling der ganzen Junkerschaft, Rheinbaben, den er auf das eifrigste gegen die Angriffe des Bankdirektors von G w i n n e r zu verteidigen suchte. Da der ostpreußische Grande in sehr wichtigen Punkten dem Finanzgewaltigen von der Deutschen Bank beipflichtete, ist diese geflissentliche Parteinahme für Rheinbaben ein neuer Beweis dafür, wie man auf eine weitere Beförderung Rheinhabens wartet. Zur Verabschiedung gelangte noch der Nogatabschluß und das Gesetz über die Feuerversicherungsan st alten, bei dem Bank- direktor Delbrück nochmals auf die Affäre Gwinner- Rheinbaben zu sprechen kam. Tröstend gab er dem Finanzminister zu verstehen, daß nicht alle Bankdirektoren vom Oppositionsgeiste Gwinners angesteckt sind. Schließlich gelangte noch eine Anzahl Petitionen zur Erledi- gung. Eine dieser Petitionen benutzte Graf Hohenthal, um die Fortbildungsschulen und die Schulen im allgemeinen für die Bekämpfung der Sozialdemokratie in Anspruch zu nehmen. Gottesfurcht und Königstreue, so meinte der Graf, sei das wichtigste; auf die anderen Fächer komme es nicht so sehr an. Ferienlustig, wie die wenigen anwesenden geborenen Gesetzgeber waren, vertiefte man sich aber nicht weiter in diesen tieffinntgen Gedanken, sondern eilte zum Schluß._ Der Ruf zum Sammeln. Durch die ganze bürgerliche Preffe, mit Ausnahme einiger weniger linksfortschrittlicher Organe, geht der Ruf zum Sammeln Wider die rote Flut. Die Nachwahlen in Pommern und Hessen , die Gefahr, die sie für 1911 ankünden, läßt die Knie aller„Patrioten" erzittern. Nunhelfe, was helfen mag. Auf alle Fälle soll verhindert werden, daß das Prestige der Roten durch die Eroberung zweier Mandate, zweier Kreise, die bisher stets im Besitz der Nationalen waren, noch über dm heutigen Stand erhöht wird. So übt denn auch die nationalliberale Presse Selbstverleugnung. Nachdem sie ihren betrübten Ge- fühlen durch einige mehr oder minder temperierte Scheltreden auf die„beispiellose Gehässigkeit" der bündlerischen Agitation Luft gemacht hat, kommt sie im allgemeinen zu dem Schluß, daß in den sauren Apfel der Unterstützung des Bündlerkandidaten in der Stichwahl gebissen werden muß. In der„Kölnischen Ztg." wird das also ausgedrückt: »Die Nationalliberalen sind in diesem Wahlkampf von den Bündlern viel eifriger mit Schmutz beworfen worden als von den Sozialdemokraten, die sich im allgemeinen einer sachlichen Kampfes- weise befleißigt haben. ES kann nicht ausbleiben, daß der Bund sich dadurch bei den Liberalen bittere Feinde gemacht. Trotzdem würden wir eS bedauern, wenn jetzt die Nationalliberalen Gewehr bei Fuß zusähen, wie der Sozialdemokrat den Sieg davon- trägt." Die„Natlib. Korrespondenz" beschwört die national- liberalen Wähler also: „Es wird nun für die Stichwahl darauf ankommen, alle Kräfte zusammenzureißen, um das Mandat wenigstens nicht der Sozial» demokratie anheimfallen zu lassen.... Es ist nicht zu verkennen, ein wie schweres Opfer eine solche Ssimmabgabe für die national- liberale Partei des Wahlkreises bedeutet, nachdem sie von dem Bund der Landwirte in einer Weife verleumdet und verdächtigt wurde, die zwischen nationalen Parteien bisher noch niemal« erreicht worden ist. Trotzdem darf für die National- liberalen Büdingen - FriedbergS keinen Augenblick ein Zweifel be- stehen, wohin sie die Pflicht ruft. Sobald sich auch nur ein kleinerer Teil der Stichwahl fernhält, ist der Sozialdemokratie der Sieg sicher. DaS gemeinsame bürgerliche Interesse hat in diesem Augenblicke allen anderen, noch so verständlichen Rücksichten und Gefühlen voranzustehen." Der„R e i ch s b o t e" gibt noch nicht alle Hoffnung auf, daß in Friedbcrg-Büdingen der Bündler siegt— für die andere Stichwahl, die schon am Freitag entschieden wird, hofft er schon nicht mehr. Sein Schluß ist, daß die Konservativen mit den Nationalliberalen, dem Bund der Landwirte und den Antisemiten schleunigst ein festes Wahlkartell schließen müssen. Das Zentrum hat das Blatt der evangelischen Pastoren dabei Wohl absichtlich vergessen. '• Uebrigens steht die Sache der Sozialdemokratie nach einer neueren amtlichen Meldung noch besser, als die Zahlen des Wolffschen Bureaus angaben. Nach dem vorläufigen amt- lichen Wahlergebnis, das wir gestern nur noch in einem Teil der Auflage mitteilen konnten und daher hier nochmals wiederholen werden, wurden insgesamt 20347 Stimmen ab- gegeben. Davon erhielten Parteisekretär Busold-Friedberg tSoz.) 9551, Rechtsanwalt v. Hclmolt-Fricdbcrg(Bund der Landwirte) 6396 und Professor v. Calker-Straßburg t. E. (natl.) 4397 Stimmen; zersplittert waren drei Stimmen. Unsere hessischen Parteiblätter heben hervor, daß der starke Zuwachs von über 2300 Stimmen in einem ländlichen Kreise mit überwiegend bäuerlicher und kleinbürgerlicher Be- völkerung erzielt wurde. Die Stichwahl findet am 24. Juni statt. Die Freisinnige Parteileitung hat. wie wir voraus- gesehen haben, sich in ihrer Sitzung vom Dienstag nicht zur Ausgabe einer Parole für die Stichwahl in Usedom - Wollin aufschwingen- können. Sie verkriecht sich hinter dem Parteistatut. Wie blutige Selbstironie liest sich angesichts dieser„Vorsicht" die stolze Ankündigung, daß der Vorsitzende der Parteileitung demnächst in einer Versaioiülung
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten