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feftt größeres Kapital ab. Sie könneit ja rechnen. Multi- plizieren Sie einmal 360 mit 4. Da fällt schon etwas ab. für einige h u n g r i g e P o l i t i k e r. Da hat man auch schöne Stellen zu verteilen. Ich glaube aber, die Herren haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Herren haben keine Ahnung, wie verhaßt und verachtet sie f ch o n i n u n f e r e n K r e i f e n s i n d. Freilich wird Ihnen jeder dieser Leute sagen:Ich war der beste Freund Luegers» ich habe mit ihm am längsten gekämpft, ich war soundsoviele Jahre sein bester Vertrauensmann. Aber ich sage Ihnen, der Dr. Lueger hat diese Leute verachtet. Leider war er schon lange ein kranker Mann, der nicht die Kraft gehabt hat, gegen sie aufzutreten..." Und von der Wirtschaft im Landtage erzählte der Eingeweihte: Die Herren Landesausschüffe sind nämlich merkwürdiger- weise die Exekutive und Kontrolle in einer Person. Sie exekutieren und verwalten und sie kontrol- lieren sich aber auch selbst. Heitztdas nicht den Bock zürn Gärtner machen? Jedenfalls ist es nicht sehr praktisch, denn ein solcher Bock frist mitunter die ganzen Blatteln herunter... Wenn man tut. was diese Gaukler wollen, dann ist es gut. Wenn man aber das nicht tut, was sie wollen, dann sagen sie, man zer« stört die Partei. Nun, die Herren können beruhigt sein. Der Wiener Bürgerklub(der christlichsoziale Klub im Gemeinde- rate) wird die Einigkeit nicht stören, wir werden nur ge- wisse Leute vielleicht einladen, die Tür von außen zu schließen. Es gibt nämlich auchAntisemiten", die Wölfe im Schafspelz sind, die zu einem GatteNimm" beten..." Nun wußte ganz Wien sofort, auf wen diese An- spielungen gehen. Das ist erstens der Herr Parteiches, der famose Geßmann, der sich seine Ministerpension um 120 000 Kronen abrunden ließ, seinen politischen Einfluß in allerlei zweifelhafte Gründungen umsetzt, die schäbigsten Jntriguen spielen ließ, um auf den Bürgermeisterstuhl zu kommen. Da ist der Herr Steiner, der Erbauer der großen Landesirren- anstatt«Am Steinhof", der es ohne daß man die Studien dieses interessanten Aufstieges kennen würde, von einem armen Anstreichermeister zum reichen Manne gebracht hat: dann die ehemaligen Handlungsgehilfen Axmann und Bielohlawek , die bei ihrem Eintritt in die Politik ganz kleine Leute waren, nun aber große Herren sind, die auf dem nobelsten Fuß leben; dann auch der ausgezeichnete Weiß- kirchner, der so fleißig Pensionen und Gehalte akkummuliert und so beflissen ist, bei niemandem anzustoßen, um außer dem Gefechte derEnthüllungen" zu bleiben; und neben diesenGroßen" eine erkleckliche Zahl von kleinen Machern, die alle durch die Politik und Beschäftigung mit der Ge- meindeverwaltung zu einer geheimnisvollen Wohlhabenheit gelangen. Deshalb wirkte die Rede Hrabas wie eine Bombe; sie sagte laut, was sich innerlich ganz Wien schon längst ge- fagt hat. Nun begann die Parteientrüstung zu funktionieren. Herr Hraba wurde höchstfeierlich ausgeschlossen, seiner Mit- gliedschaft im Landtags- und im Gemeinderatsklub ent- kleidet und mit ein paar hundert Klagen überzogen. Es klagten ihn sämtliche christlichsoziale Gemeinderäte, sämtliche Landtags- und Reichsratsabgeordnete, extra der Landesaus- schuß und übrigens noch die Abgeordneten Axmann und Bielohlawek , die er in der Klubsitzuna, als man hegehrte, er möge Namen nennen, als besonders Schuldige bezeichnet hat. Da Hraba infolge seines Mandates zum Landtage, der nicht geschlossen ist, immun war, wurde scheinbar die Einberufung des Landtages begehrt und nachdem diese von der Regie- rung abgelehnt worden war, die Schließung der Session ver- langt, die die Regierung nicht verweigern konnte. Nun war Herr Hraba verfolgbar und die Verfolgung hatte begonnen. Aber diejenigen, die behauptet haben, es werde zu diesem Prozesse niemals kommen, behielten Recht: heute sind sämtliche Klagen zurückgezogen worden. Die Zurückziehung wird mit einerErklärung" Hrabasgerecht- fertigt", die jedoch merkwürdig zurückhaltend ist. Herr Hraba erklärt nämlichzur Beseitigung jedes Mißverständnisses". daß er den Landesausschußkeiuer unkorrekten Gebarung beschuldigen kann", seine Worte nur den Zweck hatten,fach- lich wünschenswerte Verbesserungen der Kontrolle der Landes- Verwaltung einzuführen". Er wollte auch kein Mitglied des Bürgerklubs beschuldigen,daß es eine Inkorrektheit in An- gelegenheit der städtischen Verwaltung begangen oder an einer solchen mitgewirkt habe": die Erklärung mögen sämt- liche Klägerloyal" zur Kenntnis nehmen. Und sie haben es, wie in unfreiwilliger Ironie mitgeteilt wird,gerne" getan, ziehen die Klagen zurück und erklären die Angelegen- lieitfür definitiv erledigt". Das meinen auch mir: es ist nun für jedermanndefinitiv" klar, daß die christlichsozialen Herrschaften verfluchtvielButteraufdemKopfe haben müssen, wenn sie ihre Angst, in die Sonne zu gehen, so deutlich offenbaren. Denn daß diese Erklärung, in der bezeichnenderweise jedes Wort des Bedauerns und der Entschuldigung fehlt, und die nur den notdürfttgsten Vorwand für Kläger liefern kann, die davonlaufen wollen, aber schon gar keine Rein- Waschung ist, versteht jeder. Mit einer Erklärung konnten die Kläger die Sache vielleicht nach öffentlicher Gerichtsver- Handlung beendigen: nachdem sie sich im Gerichtssaale ge- reinigt und die Anklagen als nichtig erwiesen hatten. Diese Erklärung hat aber nur den alleinigen Zweck, ihnen die Qual der Gerichtsverhandlung abzunehmen, sie davor zu bewahren, daß ihre schmutzige Wäsche öffentlich gewaschen werde. Man braucht danach gar nicht zu wissen, wie die Erklärung zu- stände kam, um zu wissen, wie man mit ihr und mit den Gott Nimm "-Anbetern daran ist. Die Erklärung ist nämlich Hraba abgebettelt und abgekauft worden. Der Mann, der den Führern seiner Partei so schreckliche Dinge nachgesagt und mit seiner Rede die Partei auf das blutigste bloßgestellt hat, der wird nun wieder auf- genommen und in alle Ehren eingesetzt werden! Er soll sogar für seinEntgegenkommen" das Luegersche Reichsrats- mandat erhalten! Die Komödie ist so gewagt, daß sie nur die höchste Not noch zu erklären vermag: sie ist ein Ver- zweifln ngsmittel. Aber so einfältig sind auch die christlichsozialen Spießbürger nicht, um sie nicht zu durch- schauen und sich von ihr verblüffen zu lassen. Ganz im Gegenteil: jetzt erst recht weiß es jeder, daß die Anklagen wahr sind und die schlimmsten Befürchtungen von der Wirk- lichkeit übertroffen werden. Mit der Furcht vor dem Gerichts- faal haben sich dieGott Nimm "-Anoeter selbst gerichtet. ver fall Oeboeuf. Paris » 17, Juni. (Eig. Ber.) Eine Kriminalaffäre ist zu «wer unerwarteten politischen Bedeutung gelangt. ES handelt sich um die Frage, ob der zum Tode verurteilte Schuhmacher Pieboeuf geköpft werden soll. LstboM ist zweifellos kein tadel­loses Mitglied der menschlichen Gesellschaft. Er hatte einige Vorstnafen wegen Diebstahls hinter sich und trieb sich gern in den üblen Gassen und Kneipen des Stellenquartiers herum. Da ge- schah es' ihm, daß er auf die Aussage einiger Sittenpolizisten als Zuhälter verurteilt wurde. Er protestierte leidenschaftlich gegen diese An/lage, aber man glaubte ihm nicht. Heute kann es als so gut wir erwiesen gelten, daß die Verurteilung wirklich zu Un- recht, aus Grund falscher Aussagen erfolgt ist. Lieboenf wurde von einem fanatische� Rachetrieb erfaßt. Nach seiner Freilassung arbeitete er nicht nur mit fieberhaftem Eifer bei seinem Meister, sondern verdiente noch in den Abendstunden als Straßenhändler einiges dazu. Vom erworbenen Geld verwendete er fast nichts für seine persönlichen Bedürfnisie, sondern sparte, bis er genug hatte, um einen guten Revolver zu kaufen. In der Nacht aber arbeitete er, um sein Rachewerk zu sichern, cm einem furchtbaren Schutzmittel: er. fertigte Armbinden an, die mit Schuhnägeln ge- spickt waren. So ausgerüstet, ging er wieder ins Stellenviertel, in der Erwartung, seinen Anzeiger zu treffen. Zufällig aber waren es andere Polizisten, die auf den aus Paris verwiesenen Mann aufmerksam wurden. Lieboeuf ging ihnen nicht aus dem Wege. War es nicht der von ihm gesuchte Polizist, so mochten andere daran glauben. Es kam zu einem schrecklichen Zusammen- stoß. Die Agenten, die Lieboeuf an den Arm packten, griffen ahnungslos in die unter seiner Bluse verborgenen Stacheln und Lieboeuf hatte Zeit, seinen Revolver zu brauchen und einen der Polizisten niederzuschießen. Vor Gericht erklärte er, er habe die Polizei für das an ihm verübte Unrecht büßen lassen wollen. Die Geschworenen sprachen ihn des Mordes schuldig. Man muß H e r v e das Verdienst zugestehen, daß er als erster die Oeffent- lichkeit angerufen hat, um sie zum Protest gegen die Hinrichtung eines Menschen zu bewegen, der zu seiner verbrecherischen Hand- lung durch ein an ihm verübtes Justizunrccht getrieben worden war. Herve kleidete seinen Protest in eine wenig geschmackvolle Form, indem er Lieboeuf als eine Art Energielehrer den Re- volutionären vorhielt. Die Staatsanwaltschaft erhob nun gegen ihn die Klage und das Urteil lautete auf vier Jahre Kerker, die Herve vor einiger Zeit abzusitzen begonnen hat. Die Protest- bewegung zog indes weitere Kreise. So hat die Liga der Menschen- rechte und Zeitungen der verschiedensten Parteien den Präsidenten der Republik zur Begnadigung Lieboeufs aufgefordert, der selbst das Gnadengesuch nicht hatte unterzeichnen wollen und nur die Nichtigkeitsbeschwerde einreichte, die abgewiesen wurde. Auch Anatole France erhob seine Stimme für die Begnadigung Lieboeufs sowohl wie gegen das Bluturteil gegen Herve. Die sozialistische Partei zögerte ebensowenig, Stellung zu nehmen. Zunächst führte dieHumanite" eine lebhafte Kampagne gegen die Hinrichtung, und vorgestern fand eine von der Seine-Föderation einberufene ungeheuere Versammlung an 8000 Personen waren zusammengeströmt statt, in der Jaurös und eine Reihe anderer Parteideputierten die Stellung des sozialistischen Proletariats zur Todesstrafe überhaupt und zu ihrer Vollstreckung an Lieboeuf dar- legten. Es handelt sich jetzt darum, von Fallieres die Begnadigung zu erwirken. Die Entscheidung mutz in den nächsten Tagen fallen. Nun aber hat sich der Begnadigung ein gewichtiger Faktor ent- gegengestellt. Der Polizeipräfekt Lepine droht mit dem Rücktritt, weil die Begnadigung angeblich die Schutz» lofigkeit seiner Beamten bedeuten würde. Man kennt die un- geheure Macht, die Lepine hat, und die er nicht allein seinem organisatorischen Geschick verdankt, sondern dem in Jahrhunderten ausgebildeten Ausspähungssystem. das die Pariser Polizei» präfekten zum Bewahrer eine? Riesenbesitzes persönlicher und politischer Geheimnisse macht. Wie gewichtig die Meinung des Polizeipräfekten ist, geht daraus hervor, daß es dem Verteidiger Lieboeufs noch nicht gelungen ist. die Zulassung der Mutter Lieboeufs zu einer Audienz bei Falliöres zu erwirken. So sind mit einer Frage der Humanität und des Rechts Machtinteressen und Interessen mächtiger Personen verknüpft, die der Humanität und dem Recht den Sieg nicht leicht machen. politilchc deberltcht Berlin , den 18. Juni 1910. Wie z« erwarten war! Zur Stichwahl in Friedberg - Büdingen haben der Wahlausschuß der nationalliberalen Partei des Kreises und die Leitung der national liberalen Reichs- tagsfraktion die Parole für die Bündler ausgegeben. In dem Aufrufe heißt es: Wir blicken auf einen Wahlkampf zurück, in dem wir. unsere Freunde und unsere gute Sache von den Agitatoren des Bundes der Landwirte verletzende Angriffe haben erfahren müssen. Es ist heute aber nicht die Stunde, hieran zu denken. Rament- lich euch. ihr Beamten und Lehrer» die ihr viel kränkende Worte von bündlerischer Seite habt hören mllffen, euch rufen wir zu: Die großen politischen Ent- scheidungen dürfen bei einer Reichstagslvahl von politisch reifen Männern nicht getroffen werden nach augenblicklichen Verstim- mungen, sondern in dem Bewußtsein der Erfüllung einer hohen vaterländischen Pflicht. Diese vaterländische Pflicht gebietet aber am Tage der Stichwahl die Entscheidung zugunsten des bürger- lichen Kandidaten. Die Genossen von Friedberg-Büdingen werden durch diesen Auf« ruf nicht überrascht werden. Es wird ihnen nur ein Ansporn mehr sein, alle» daran zu setzen, damit der Wahlkreis Usedom-Wollin an Friedberg -Büdingen einen würdigen Nachfolger erhält. Uebrigens ist manchen süddeutschen nationalliberalen Organen diese Parole doch zu reaktionär. So schreibt die.Badische Landeszeitung": Worin diesmal da» gemeinsame bürgerliche Interesse be» steht, darüber dürsten nun aber doch Zweifel austauchen. Wird jetzt in Friedberg -Büdingen tatsächlich die Parole für den Bündler ausgegeben, dann ist das der Anfang vom Rückfall in die alte Fortwurstelungs. und VerwurstelungS» Politik. Das größere gemeinsame bürgerliche Interesse scheint dabei doch zu sein, den konservativ-bündlerijchen Genossen ein- mal zu zeigen, daßsieaufdenLiberalismuSRücksicht nehmen müssen, wenn sie wirklichgemeinsame" bürgerliche Politik treiben wollen, und darum sollte man sie in Friedberg - Büdingen ihrem Schicksal überlassen." Ob diese Stimmen Beachtung finden werden, wird sich ja bald zeigen. Da» amtliche Resultat, das jetzt festgestellt ist, lautet folgendermaßen: Bei der Wahl wurden im ganzen 20 351 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf Parteisekretär Heinrich Busold iSoz.) OSSI Stimmen, auf Rechtsanwalt Dr. von Hel» molt(Bund der Landwirte) 3395, Professor v. Cglker(natl.) 4397 Stimmen. 8 Stimmen waren zersplittert. Neue Schröpfungeu. Da» KriegSminisierum ist zurzeit mit dem neuen O u i n q u e n- natSgesetz beschäftigt, das nach dem Zusammentritt deS Reichs- tages gleichzeitig mir dem Etat vorgelegt werden soll. Wie eine parlamentarische Korrespondenz meldet, sind zwar die Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen, doch sind bereits die Grundzüge für den Gesetzentwurf festgelegt. Da» Gesetz soll bestrebt sein, die I Gleichmäßigkeit der Truppenkörper weiter zu fördem durch Reuaufstellung der fehlenden Ba« taillone, ESkadrsonS und Batterien, um die einzelnen Regimenter zu gleich starken Truppenkörpern zu machen. Ganz wird dieses.ideale" Streben zwar nicht erreicht werden können, da die Zahl der neu zu fordernden Bataillone eine zu große sein würde. Aber auch die von der Regierung vor» bereitete Vorlage wird in reichlichem Maße die Lasten der Steuer» zahler steigern. ES handelt sich in erster Linie um eine Ber» stärkung der Kavallerie und Feldartillerie, um zu erreichen, daß sie nach der neuen französischen HeereSorgani- sation den betreffenden stanzösischen Truppen gleich stark bleiben. Der Rest der zu vermehrenden Kopfftärke des Heeres soll in der Hauptsache auf die Infanterie entfallen, um die Zahl der Regimenter mit nur 2 Bataillonen zu vermindern. Voraus« sichtlich werden 8 bis 10 neue Bataillone Jnsatt» terie gefordert werden, die auf die Grenzregimeitter mit nur zwei Bataillonen verteilt werden sollen. Die. deutsche Infanterie bestand bisher auS 61ö Bataillonen, während Frankreich ; über S60 Jnfanteriebataillone verfugt. Die deutsche Kavallerie verfügt über 610 Eskadrons. Wahrscheinlich soll die Kavallerie um fünf ESkadrons vermehrt, werden, so daß SIS deutschen EsladronS 89S französische gegenüberstehen. Die deutsche Feldartillerie besteht bisher aus 4S2 Feldbatterien, ohne reitende und schwere Feldartillerie, während die französische Artillerie auS 600 Batterien besteht. Die anzufordernden Neuaufstellungen und Neugliederungen sollen auf mehrere Jahre verteilt werden, damit zur Deckung der Kosten teilweise die von 1914 ab frei werdenden. Matrikularveiträge der Einzelstaaten verwendet werden können. Obwohl aus diesen offiziösen Daten die numerische Ueberlegen» heit des deutschen HeereS über die französischen Truppen hervor» geht, kommt man wieder mit neuen Forderungen. Diese find um so weniger notwendig, als Frankreich auf Grund seiner gleich- bleibenden Bevölkerungszahlen das Wettrüsten auS Mangel an Mannschaften nicht mehr mitmachen kann und der Nachbar im Osten, Rußland , hilflos am Boden liegt. In der Zeit der größten Finanznot wagt man eS, dem Volke neue völlig unbegründet« Lasten. aufzuerlegen. Zu den bisher dem Volke gebotenen Provokationen gesellt fich diese neue; die Antwort wird nicht ausbleiben und ist. bei den letzten Wahlen zum Teil bereits gegeben worden. Worte,«ichts als Worte! Bei einem Kommers zu Ehren Tr ä g e rs hielt der Ab- geordnete Dr. W i e m e r, der Vorsitzende der Fortschrittlichen Volkspartei , eine Rede, deren Schluß folgendermaßen lautete:. Diese Ausführungen habe ich hinzugefügt auf den Wunsch meiner parlamentarischen Freunde von Reichstag und Landtag , di« einmütig zum Ausdruck bringen wollen, daß entschiedeneundrücksichtSloseOppositionheutc nötiger ist denn je(Stürmischer Beifall), die sich b«p bestimmten Erwartung hingeben, daß die Anhänger der Partei im ganzen Lande die politische Arbeit mit voller Energie. Zähig.' keit und Opferfreudigkeit führen werden, den Kampf gegew Reaktion und Klassenhaß, gegen Interessen. Politik und Sonderbündelei für Freiheit und Fort, schritt, für Voll und Vaterland.(Stürmischer Beifall.) So reden sie; aber zu einer klaren Stichwahl» Parole gegen die Reaktion können sie sich noch immer nicht aufschwingen._ Das ist bitter. I Gegenüber dem fürchterlichen Weihrauch, mit dem Herr D ern» bürg bei seinem Abgang von den Liberalen umqualmt wird, iste« bitter, daß er bei seinen eigentlichen Fachgenoffen, den Leuten von Bank und Börse, eine ganz andere, viel naturtreuere Beurteilung findet. Die FachzeitschristDie Bank" schreibt über ihn in ihrer letzten Rummer u. a.: Jetzt streitet man sich um die Frage, ob die vier Jahre Dernburgscher Ministerschaft die Befähigung oder die Unfähigkeit des Kaufmanns zur Leitung eines Reichsamts beweisen. Sie be- weisen weder das eine noch das andere. Denn Dernburg ist kein Kaufmann, ist niemals einer gewesen. Wer auch nur eine einzige seiner Reden mit angehört hat, sei«S die berühmte mit der Dattelkiste, sei eS eine der minder berühmten. wer nur eiue seiner Denkschriften mit Verständnis gelesen hat, sei es die über die Otavibahn. sei es eine minder folgenschwere, der wird sich klar darüber sein, daß hier wieder einmal jemand gründlich ver- kannt worden ist. Ein gewisser Optimismus gehört zum Kauf« mann. Aber er allein macht den Kaufniann nicht auS; kühle Ueberlegung und nüchterner Zahlenverstand müssen sich ihm bei« gesellen. Von der erfordert, chen Mischung sind Dernburg aber daS eine Ingredienz in so starker ,1 die anderen in so schwacher Dosis verliehen worden, daß man ihn wohl den größten Phantasten nennen kann�, der je einen Ministersessel innegehabt hat.... Er ist in die Regierung berufen worden, als ihm reichlich 10 oder. IL Jahre Schule fehlten und er noch mit den Eierschalen einer sehr bewegten Entwickelung behaftet war. Seine kaufmännische Begabung stand genau aus demselben Fleck, wie zur Zeit der wilden Heldburg-Periode.... Seine Energie war noch genau so unbedacht in der Wahl der Mittel wie zu der Zeit, da ein Kollege im Bankdirektorium das Wort vomrobusten Gewissen" auf ihn münzte."... ES wird dann anerkannt, daß er in der Diamantenangelegen» heit dem Reiche einen so hohen Gewinnanteil sicherte, wie eS wohl keinem anderen an seiner Stelle gelungen wäre. Deutschland habe durch ihn keinen anderen Schaden erlitten, als daß man für einen viel zu hohen Preis eine Bahn angekauft hat, die man nicht brauchte., Das Jntereffante ist aber, daß Dernburg nicht etwa über die Verstaatlichung der Otavibahn gestolpert ist. obwohl ihre Be- gründung so ziemlich das stärkste war, wa» jemals der Leicht» gläubigleit eine« Parlaments zugemutet worden ist, sondern über allerhand Quisquilien, die fich nach außen hin als koloniale Prinzipienfragen drapierten." Man mag ruhig zugeben, daß in dieser Charakterisierung eine gewisse Gehässigkeit gegen Dernburg zum Ausdruck kommt, und wird es doch immer noch angenehm empfinden, daß das Andenken an DernburgS Bilanzkünste usw. auch in bürgerlichen Fachkreisen nicht ganz erloschen ist._ Das Ketzergericht gegen die Bremer Lehrer. Bremen , 18. Juni. (Privatdepesche desVorwärts".) Den Lehrern, gegen die wegen der Abfcndung des Bebel-Telcgrainms ein Verfahren vom Senat ein- geleitet worden war, ist jetzt die Mitteilung zugegangen, daß die Voruntersuchung abgeschlossen sei. Nunmehr wird die Jusstzkommisston deS Senats entscheiden, ob die Angelegenheit im Verwaltungswege erledigt oder ob das Hauptverfahren eingeleitet werden soll. In dem Rundschreiben, das der Senat kurz nach Bekannt« werden des Bebel-Telegramms an die Schulkollegien erließ. erklärte er bekanntlich, er würde, falls ihm die Absender be- kannt werden, unbedingt das Verfahren auf Dienstentlassung einleiten. Danach wäre anzunehmen, daß das Haupt» verfahren demnächst eröffnet wird.