km Jahre 1907 und toctlcieh 5 Proz. im Fahre 1908. I m F a h r e 1909 stieg d i e Mitgliederzahl von 223 806 auf 233 060. Das ist eine Zunahme von etwas mehr als 4 Proz. Wenn man berücksichtigt, daß die wirtschaftliche Krise erst in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres zu schwinden begann und daß sie in manchen Gewerben heut noch nicht überwunden ist. so kann der Aufschwung der Gewerkschaften als recht erfreulich bc- zeichnet werben. Natürlich haben nicht alle Gewerkschaften den gleichen Anteil an der Zunahme. Einige weisen sogar einen Mitgliederrückgang gegen das Vorjahr auf. Von den 63 der Gewerkschaftskommtssion angeschlossenen Organisationen hatten 15 einen Mitgliederverlust von 2011, während die übrigen eine Zunahme von 11 276 aufweisen. Die Fluktuation, in den Mitgliederbeständen ist der des Bor- jahrcs ziemlich gleich geblieben. Es wurden neu aufgenommen 68 670 männliche und 10 944 weibliche, insgesamt 71 294 Personen; gegen das Vorjahr ein Mehr von 12 871, wo im ganzen 68 423, darunter 43 668 männliche und 9765 weibliche Personen aufge- nommen wurden. Die Mitgliederzahlen der einzelnen Gewerkschaften im Jahre 1909— denen Wir in Klammern die Zunahme'W be» ziehungsweise Abnahme(—) gegen 1908 hinzufügen— sind in der Reihenfolge ihrer Größe diese: 1. Metallarbeiter 64081(4- 041) 2. Transportarb. 32264(--3061) 8. Holzarbeiter. 24017(-(- 182) 4. Buchdrucker. 10780(-f- 431) 6. Maurer .... 9711(4-1106) 6. Fabrikarbeiter 6674(4- 149) 7. Gemeindearb. 6 636(-» 431) 8. Buchbinder.. 6348(-f 90) 9. Schneider... 5631(4- 301) 10. Maler..... 5404(+ 420) 12. 13. 14. 15. 16, 17. 18. 19, 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 80. Metallarbeiter Transportarb. Holzarbeiter. Buchdrucker. Maurer.... Fabrikarbeiter Gemeindearb. Buchbinder.. Schneider... Maler..... Buchdruckerei- Hilfsarbeiter. Brauereiarb.. Zimmerer... Lithographen. Bäcker..... Textilarbeiter. Bauhilfsarb.. Sattler usw.. Schuhmacher. Schmiede... Töpfer.... Wäschearbeiter Maschinisten. Tapezierer.. Handlungs- gehilfen.... Bureau - angestellte.. Gastwirts- gehilfen... Steinsetzer.. Hutmacher .. Kürschner ... 769) 264) 430) 113) 163) 861) 45) 233) 370) 16t) 4802(-- 4151(-- 3602(-- 3670(-- 3082(-- 3006(-- 2976(— 2843(+ 2504(— 2362(— 2095(4- 307) 1840(— 554) 1738(4- 2) 1695(4- 191) 1504(+ 174) 1380(4- 151) 1310(4- 28) 1308(4- 3) 1006(-)- 41) 947(-f- 254) 31. Gärtner.... 32. Tabakarbeiter. 33. Bildhauer... 34. Steinarbeiter. 35. Stukkateure.. 36. Dachdecker... 37. Fleischer.... 38. Glaser ..... 39. Lederarbeiter. 40. Böttcher.... 41. Kupferschmiede. 42. Glasschleifer.. 43. Caföangestellte. 44. Schriftgießer.. 45. Barbiere.... 46, Hoteldiener... 47. Musiker..... 43. Isolierer.... 49. Mühlenarbeiter 50. Hausangestellte 51. Hafenarbeiter. 52, Porzellanarbeit. 63. Asphaltcure.. 54. Glasarbeiterl. 55. Lederarbeiter II 56. Zlhlographen.. 57. Bühnenarbeiter 58. Zuschneider... 59. Lagerhalter.. 60. Blätterarbeiter. 61. Bootsbauer.. 62. Schirmmacher. 63. Zigarren- sortierer.... 928(— 112) 909(— 253) 872(— 108) 732(4- 88) 709(— 56) 691(4- 145) 609(-f- 86) 593(-f- 5) 579(-- 576(-- 675(— 570(4- 587(4- 514<— 502(— 502(— 367(4- 350( 310(— 302(4- 800( 283(4- 240(4- 233(— 230(— 170(4- 150(— 117(— 86(4- 68(— 67(— 66(— 4) 11) 32) 84) 45) 64) 6) 71) 8) 0) 42) 2) 0) 3) 91) 71) 5) 10) 50) 69) 10) 28) 16) 30) 66(— 2) Die vorstehend aufgeführten 63 gewerkschaftlichen Verwaltungs» stellen gehören 57 Zcntrolverbänden an. Diese Zahlendifferenz kommt daher, daß einige Verbände, die mehrere Berufsgruppen umfassen, für jede dieser Gruppen eine besondere Verwaltungs- stelle haben. Die Bühnenarbeiter bilden keine Zentralorganisation. Der Steigung in den Mitgliederzahlen entspricht ein Aufschwung in den Kassenverhältnissen. Die Gesamteinnahmen aller Gewerkschaften betrugen im Berichts- jähre 10 463 370 M. Das sind 1315223 M. mehr als im Jahre 1908. Allein an ordentlichen Beiträgen wurden 6 511953 M. auf- gebracht, darunter 170 276 M. von weiblichen Mitgliedern. Die Beiträge der männlichen Mitglieder brachten 183 089 M. mehr, die der weiblichen dagegen 10 823 M. weniger als im Vorjahr. Die Ilrsachen dieser Mindereinnahme lassen sich nicht mit Sicher- heit feststellen.— Die Gesamtausgaben sind gegen das Vorjahr um 277 958 M. gestiegen. Sie betrugen 7 747 596 M. Die Streik- Unterstützung stieg von 380 751 M. auf 551 633 M. Hieraus ergibt sich, daß mit dem Aufstieg der wirtschaftlichen Konjunktur auch die Kampfestätigkcit der Gewerkschaften eine lebhaftere wurde. Mehr noch wie durch das Anwachsen der Streikunterstützung wird dies durch die tabellarische Zusammen- stellung des Berichts über die einzelnen Streiks dargetan. Nach Ausweis der Tabellen haben im Berichtsjahr 22 GeWerk- schaften 100 Angriffsstreiks und 32 Gewerkschaften 205 Abwehr- streiks geführt. Die Zahl der Angriffsstreiks hat gegen das Vor. zahr um 75 zugenommen, die Zahl der Abwehrstreiks hat sich um 42 verringert. Dagegen ist die Zahl der Personen, die an den Abwehrstreiks beteiligt waren, von 10 137 im Vorjahr auf 11 823 im Berichtsjahr gestiegen. An den Angrisfsstreiks waren im Be- richtsjahre 4321 Personen, im Borjahre aber nur 1SS3 Personen beteiligt. Ursache der Angriffs st reikS war in 13 Fällen Ver- kürzung der Arbeitszeit, in 51 Fällen Lohnerhöhung, in 15 Fällen Lohnerhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit, in 32 Fällen Ein- führung eines Tarifs in 6 Fällen Erfüllung tariflicher Verein. barungen, in einem Falle Einführung von Arbeiterschutzeinrichtun- gen und in 11 Fällen besondere Forderungen. Ursache der Abwehr st reikS war in 3 Fällen Ver» langen zum Austritt aus der Gewerkschaft durch die Unternehmer. in 47 Fällen Maßregelung, in 75 Fällen Verlängerung der Arbeits- zeit, in 58 Fällen Nichtinnehaltung allgemeiner Lohn, und Arbeits- bedingungen, beziehungsweise der Tarife, in 10 Fällen Verlänge- rung der Arbeitszeit, in 2 Fällen Einführung einer für die Ar- beiter nachteiligen Fabrikordnung, in 7 Fällen schlechte BeHand- lung der Arbeiter, in 21 Fällen lagen andere Ursachen vor Die Angriffstreiks waren in 64 Fällen erfolgreich, in 13 Fällen wurde ein teilweiser Erfolg und in 21 Fällen kein Erfolg erzielt. Die Abwehrstreiks brachten in 93 Fällen vollen, in 36 Fällen teil- weisen, in 73 Fällen keinen Erfolg. Von den AngriffstreikS waren 2. von den Abwehrstreiks 3 am Schluß des Berichtsjahres noch nicht beendet. Aus der Tatsache, daß die Zahl der AbwehrstreikS. sowie die Zahl der an ihnen Beteiligten reichlich doppelt so groß ist wie die Zahlen der Angriffstreiks und der an ihnen Beteiligten ergibt sich, daß der weitaus größte Teil der gewerkschaftlichen Kämpfe der Erhaltung bestehender Verhältnisse, die durch die Unternehmer bedroht wurden, gewidmet war, und daß nur der kleinere Teil der Kampfestraft auf die Erringung besserer Verhältnisse verwandt werden konnte. Dies wird nicht nur durch das Gesamtbild der Streikbewegung, sondern auch durch die Zahlenangaben der ein. zelnen Gewerkschaften bestätigt. Nur 3 Gewerkschaften machen hiervon eine Ausnahme. An erster Stelle stehen in dieser Beziehung die Schneider, die 12 Angriff- und nur 2 Abwehrstreiks führten. Tie Textilarbeiter hatten 6 Angriff, und 1 Abwehrstreik, die Litho- yraphen und Steindrucker standen dreimal im Angriff und zweimal in der Abwehr. Bei den Holzarbeitern ist das Verhältnis fast gleich. Sie hatten 25 Angriff- und 24 Abwehrstreiks zu führen, doch waren an den letzteren 4160, an den ersteren nur 599 Per» Jonen beteiligt.— Bei allen übrigen Gewerkschaften überwiegen ie Mwehrkämpfe nach Zahl und Umfang ganz erheblich. Betrachten wir die Zahlen der Angriff- und Abwehrstreiks zu- .sammen, so stehen die Metallarbeiter mit den meisten Streiks, nämlich 66. an der Spitze. Dann folgen die Holzarbeiter mit 49, die Bauhilfsarbeiter mit 46, die Transportarbeiter mik 19, die Maurer. Putzer� und Zementierer mit 16. die Schmiede und die Schneider mit je 14 usw.— Hinsichtlich der Zahl der an den Kämpfen beteiligten P.eri'snm stehen die HulzÄ�ito mit 482Ü an erster Stelle. Dann folgen die Metallarbeiter mit 4254, die Schneider mit 2342, die Buchbinder mit 1093(bei 7 Streiks) usw. — Die durchschnittliche Dauer der Streiks war am längsten bei den Bildhauern mit 79 Tagen, den Isolierern mit 49 Tagen, den Litho- graphen mit 49 Tagen, den Glasern mit 44 Tagen, den Metall- arbcitern mit 23 Tagen, den Kupferschmieden mit 21 Tagen, den Steinsetzern mit 20 Tagen usw. Die Holzarbeiter stehen mit einer durchschnittlichen Streikdauer von 6?� Tagen ziemlich am Ende der Reihe. Bei fast allen Gewerkschaften übertrifft die Zahl der erfolg- reichen und teilweise erfolgreichen Streiks die der erfolglosen sehr erheblich. Eine Ausnahme machen nur die kleinen Berufe. Bei den Bauhilfsarbeitern übersteigt die Zahl der Erfolge die der Miß- erfolge nur wenig. Der Aufstieg der wirtschaftlichen Konjunktur spiegelt sich auch in den Ausgaben der Gewerkschaften für Nnterstützungszwecke Erfahrungsgemäß vermehrt sich bei guter Konjunktur die Zahl der reisenden Arbeiter. Demzufolge ist die Reiseunterstützung von 4069 M. auf 49 894 M. gestiegen. Die Arbeitslosenunterstützung ist dagegen von 2 355 953 M. im Vorjahr auf 2 062 740 M. im Berichtsjahr zurückgegangen. Das ist eine Minderausgabe von 293 212 M., an der die Metallarbeiter mit ziemlich 50 Proz. be- teiligt sind. Doch nicht in allen Gewerkschaften ist ein so günstiges Resultat zu verzeichnen. Im graphischen Gewerbe, sowie bei den Holzarbeitern, Fabrikarbeitern und Schuhmachern trat eine Steige. rung der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung ein.— Zurückgegangen sind im allgemeinen auch die Ausgaben für Kranken- Unterstützung und für Rechtsschutz. Was die Berliner Gewerkschaften in der Unterstützung ihrer Mitglieder leisteten, zeigt folgende Zusammenstellung: Ausgaben im Jahre 1909 für: Streikunterstützung...... 651 633 M. Gematzregeltenunterstützung... 193 636, Reiseunterstützung...... 49 894, Arbeitslosenunterstützung.... 2 062 740 B Krankenunterstützung..... 1412 870# Sterbegeld......... 141 252, Jnvalidenunterstützung..... 130 675, Rechtsschutz........ 59 062, Besondere Unterstützung.... 155 734, Summa: 4 757 496 M. Im großen und ganzen betrachtet, können die Berliner Gewerk- schaften auf die Erfolge ihrer Tätigkeit im abgelaufenen Jahre mit Befriedigung zurückblicken. Sie haben durch ihre Unter- stütznngseinrichtungen manche Wunden geheilt, welche durch die widersinnigen Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft den Ar- beitern geschlagen worden sind. Was aber mehr wert ist: Sie haben, wo es möglich war, durch Erkämpfung besserer Lohn- und Arbeits- Verhältnisse die Lage vieler Arbeiter gehoben oder doch angedrohte Verschlechterungen mit Erfolg abgewehrt. Die Tatsache, daß 42 Ge- werkschkaften Tarife mit Unternehmern oder Unternehmerorgani- sationen abgeschlossen haben, beweist, daß die Gewerkschaften die Kraft haben, das Errungene festzuhalten und vor Angriffen der Unternehmer wenigstens für eine gewisse Zeit zu sichern. Die Tätigkeit der Gewerkschaften und ihr gutes Einvernehmen mit der Partei bürgt dafür, daß auch beim Abschluß des laufenden Jahres neue Erfolge auf allen Gebieten der Gewerkschaftsbewegung zu verzeichnen sein werden._ Huö der partcü Im Verlage, der Buchhandlung Vorwärts, Berlin » er- schien soeben: Geschichte der GesellschaftSNasseo in Deutschland . Bon Paul Kampffmeyer . Zweite völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Ueber die erste Auflage schrieb Genosse Cunow im Band XV der.Neuen Zeit' u. a. folgendes: .Kampffmeyer besitzt die Gabe kurzer populärer Darstellung; daS beweist auch wieder die vorliegende Arbeit, die sich vor allem an den intelligenteren Arbeiter wendet. Mit entschiedenem Geschick hat eS der Verfasser verstanden, aus den von ihm gesammelten Materialien heraus ein knappes und doch anschauliches Bild der sozialen EntWickelung Deutschlands in den letzten Jahrhunderten zu zeichnen. Der sozialistischen Auffassung entsprechend findet in dem kleinen Werl die wirtschaftliche Seite der Entwickelung besondere Berücksichtigung. Kampffmeyer hat sich mit Recht nicht auf eine bloß theoretische Erörterung der Entwickelungsvorgänge beschränkt, sondern seine Ausführungen überall, wo dies angängig, durch wirt- schaftsstatistische Angaben zu stützen gesucht. Den wirtschaftshistorischen Untersuchungen reihen sich interessante kulturgeschichtliche Schilde- rungen des religiösen Aberglaubens, des Liebes-, Familien- und Geisteslebens unseres deutschen Volkes im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert an.'--— .Im ganzen verdient da« kleine Werk wärmste Empfehlung. Nicht nur gibt eS ein durchaus anschauliche» Bild unserer neueren gesellschaftlichen Entwickelung. sondern eS eignet sich auch infolge seiner knappen, konzisen Darstellungsweise vortrefflich zur Einführung in daS Studium der deutschen Kulturgeschichte.' Verstärkung der sozialdemokratischen ReichstagSfraktio» in Schweden . Der Stockholmer Reichstagsabgeordnete Freiherr E r i k P a l m- st i e r n a, der bisher der liberalen Fraktion angehörte, ist am Dienstag zur sozialdemokratischen Partei übergetreten. Er ist Mitglied von Stockholms Arbeiterkommune geworden und hat sich zugleich der sozialdemokratischen ReichStagSfraktion angeschlossen, deren Mitgliederzahl dadurch auf 35 gestiegen ist. Der neue Partei- genösse hat auch ein Stadtverordnetenmandat inne. Die Zahl der sozialdemokratischen Stadtverordneten Stockholms ist durch seinen Uebertritt auf 20 gestiegen. Die ehrlich demokratische, sozial-radi- kale Gesinnung, die der Freiherr Palmstierna bisher in seiner öffentlichen Tätigkeit zur Geltung zu bringen suchte, machte ihm sein Verbleiben in der liberalen Partei unmöglich und so kam er, wie vor ihm der Bürgermeister Lindhagen, zu der Ueberzeugung, daß sein Platz allein in den Reihen der klassenbewußten Arbeiter- schaft sein konnte._ Verfolgung in RumSnien. Der Parteisekretär Frium. der GewerkschaftSsekretär Ehritesen und der Redakteur deS rumänischen Parteiorgan« .Romania Muncitoare', M a i n e s e n wurden zu einem Monat Gefängnis verurteilt wegen Beleidigung von Behörden. Jugendbewegung. „Arbeiter-Jugend." Die soeben erschienene Nummer 13 hat fol« genden Inhalt: Ferdinand Freiligrath (mit Bild). Bon Ernst AlmS« loh.— Aus Freiligraths Leben.— Die menschlichen Siedlungen der jüngeren Steinzeit. Von Hannah Lewin.(Mit Illustrationen.)— Bezirksorganisationen der Jugendausschüsse.— Die Dresdener Jugendbewegung.— Jugendbewegung des Auslandes.— Vom Kriegsschauplatz. — Die Gegner an der Arbeit.— Zur Wirtschaft- lichen Lage.— U. f. w. Beilage. WaS ich auf dem Stern erlebte. Ein Abenteuer von Franz Hcuschel.— Ein geschichtlicher Leitfaden(Mehrings deutsche Geschichte). Von A. Conrady.— Natiir-Urkunden.(Mit Illustrationen.) Von Jürgen Brand.— Eine wüste Mode.—„Ich trete aus'. Bon W. Sollmann.— Aus dem Leserkreise.— Muckchen. Erzählung von R. Franz.— Gedichte von Freiligrath.--- Frau von Schönebeck vor den Geschworenen. Zu Beginn de? gestrigen, elften VerhandlungStageS meldete sich der Kriegsgerichtsrat Conradi zu der Erklärung: Ich habe zugunsten der Frau Angeklagten in meiner gestrigen Aussage an- zugeben vergessen, Göben hat stets betont, daß der erste Entschluß, Major v. Schönebeck zu töten, von ihm ausgegangen sei. Hieran knüpft sich eine längere Auseinandersetzung zwischen der Ber- teidigung und der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft will nochmals die bereits verlesenen Protokolle über die Ver- nehmung Gödens aufrollen. Die Verteidigung weist darauf hin, daß ein solches Verfahren, insbesondere, wenn es von der Ver- teidigung nachgemacht würde, die Verhandlung ins endlose ziehen ivürde. Der Punkt wird schließlich verlassen, nachdem der Bor - sitzende betont hatte, die Differenzen zwischen der Aussage v. Gödens und der Angeklagten begannen erst bei dem Punkt, wo die Angeklagte erklärt, von dem Stellen im Walde sei zwar ge» sprochen, nicht aber davon, den Major im Hause zu stellen. Kriegsgcrichtsrat Reichard erklärt: v. Göben hat bereits im Oktober 1907 Gift zu besorgen versucht. Wenn gestern gesagt wurde, Exzellenz Scotti habe der Verhaftung der Frau v. Ähöne- deck entgegengearbeitet, um einen Skandal zu vermeiden, so er- kläre ich ausdrücklich, daß Exzellenz Scotti niemals eine der- artige Auffassung gehabt und sich mir gegenüber wiederholt gerade entgegengesetzt ausgesprochen hat. Die Verteidigung weist daraus hin, daß die Kriegsgerichisräte zu den Wannowskischen Protokollen Randbemerlungen ironischer Natur gemacht hätten. Der Bor - sitzende meint: Wir sind nicht die Vorgesetzten der Herren Kriegs- gerichtsräte. Wannowski erklärt auf Befragen nochmals: Mit v. Göben habe ich den Verlauf des Abends eingehend besprochen, von einem Schwur unter dem Weihnachtsbaum hat er mir kein Wort gesagt. Professor Dr. Puppe regt an, eine chemische Untersuchung ber Strümpfe, die Hauptmann v. Göben bei der Tat über den Stiefeln getragen haben soll, auf Stiefelwichse vorzunehmen. DaS Gericht beschließt, hierüber und darüber, ob der Rock Blutflecken aufweise, den Gerichtschemiker Dr. Braun-Tilsit zu hören. Die Vernehmung geht nun zu der Gruppe von Zeugen über» die über das Seelenleben deS Hauptmanns v. Göben Auskunft geben sollen. Die Aussagen dieser Zeugen enthalten naturgemäß mancherlei Widersprechendes und viel Unerhebliches. Aus den Vernehmungen sei folgendes hervorgehoben: Der Sites- brnder des Hauptmanns Hugo v. Göben, Privatier Oskar v. Göben, bekundet: Der Verstorbene war der einzige Sohn der zweiten Frau meines Vaters. In der Schule war er ganz gut; in der Quarta oder Untertertia mußte er wegen eines Unterleibsleidens etwa zwei Jahre der Schule fernbleiben. Nachdem er daS Reife- zeugms für die Prima erhalten, ging er als Kadett zur See. Dort wurde er sehr bald ausgemustert, weil er den Anforderungen körperlich nicht genügte. Er war immer ein schwächliche? Kind, die rechte Seite war weniger entwickelt als die linke. Von der Marine kehrte er zur Schule zurück und machte das Abiturienten- examen. Er trat dann bei den Lübbener Jägern, später bei der Artillerie ein. Mein Vater hatte sich in Amerika und Mexiko ein Vermögen erworben, aber wieder verloren. Er kaufte sich dann in Mecklenburg ziemlich teuer ein Gut und mutzte sich durch- quälen. Meine Mutter mußte Pensionäre aufnehmen. Nach dem Burenkrieg kam mein Bruder in den Generalstab, dann machte er eine Expedition nach Mazedonien mit. Ob er eine Liebschaft gehabt, ob insbesondere eine unglückliche Liebschaft ihn veranlasste, in den Burenkrieg zu ziehen, weiß ich nicht. Nach der Verhaftung besuchte ich ihn. Er teilte mir mit, Frau v. Schöne- beck habe er unter dem Tannenbaum zugeschworen, die Tat zu vollbringen, nachdem sie ihn vorher- mit Klagen über schlechte Be- Handlung seitens ihres Manne? gequält hatte. Ich habe ihn unter Hinweis auf die Mutter gebeten, Selbstmord nicht zu be- gehen. Das hat er mir auch versprochen. In einem Brief vom 5. Januar erklärt er. jetzt sei ihm erst klar geworden, wie sehr ihn daS belaste, was er bisher für die fürchterliche Frau ver- schwiegen habe. Als ich meinen Bruder sprach, befand er sich in einer Art Traumzustand, in dem er sich vieler Dinge nicht mehr entsinnen konnte. Auf Befragen erklärt der Zeuge, daß die An- geklagte an seine Mutter mehrere Briefe geschrieben habe. In dem Briefwechsel wurde dargelegt, daß die beiden sich heiraten wollten und die Ehescheidung in die Wege geleitet sei. Der vor- sitzende bemerkt dazu: Frau Weber, Sie müssen doch zugeben, daß man einer so alten und ehrwürdigen Dame, wie der Frau v. Göben, nicht etwa? vorspiegelt. DaS ist ein Punkt, über den ich nicht hinwegkommen kann. Die Angeklagte wiederholt ihre frühere Darlegung: Göben hatte seiner Mutter geschrieben, daß er mich heiraten wolle. Er wollte durchaus, daß auch ich seiner Mutter schreiben solle. Den Gefallen habe ich ihm getan. Da sie sehr nett antwortete, so ging ich auf denselben Ton ein. Der Hauptmann Herwig-Allenstein schildert v. Göben akS einen gewissenhaften Offizier. Hauptmann Cudewill hebt hervor, von Göben war ein gerader offener Charakter, der jüngere Offiziere, die sich in Bedrängnis betju�en, gern unterstützte. Ueber sexuelle Dinge sprach er wenig. Einmal teilte er mir im Manöver mit» daß er auf einem Bauernhof mit einem weiblichen Wesen etwas zu tun gehabt habe. Nach dem, was ich später erfahren habe, habe ich den Eindruck, er habe nur den Anschein erwecken wollen, als ob er mit Frauen Umgang pflege. Rittergutsbesitzer Hauptmann v. Broich (Mecklenburg ) bekundet, der Verstorbene habe ihm erzählt, er habe wohl Neigung der englischen Gouvernante des Hauses einer be- freundeten Familie näherzutreten, aber er halte eS für richtiger. daS Haus deS Gastgebers freizuhalten. Oberleutnant Poel hebt zum Beweis der Lauterkeit des Charakters seines Freundes von Göben hervor, er wisse von einem Fall, in dem sich eine Frau eines Kameraden, und einen anderen Fall, in dem sich ein früherer Kamerad an Göben wendete, um eine Versöhnung mit ihren The- gatten herbeizuführen. Das habe Göben auch getan. Einmal war er nahe daran, sich zn verloben. DaS war in Münster . Soviel dem Zeugen bekannt, scheiterte die Sache nur an der Konfession»' Dem Zeugen ist bekannt, daß Göben erzählt hat. einer Frau wegen ein Duell gehabt zu haben. Er habe ihm auch mal erklärt, er liebe die Frau eines Kameraden. Hauptmann Oberdick meint: Göben war kein Dickkopf. Er war Vorstellungen gegenüber durchaus zu- gänglich. Dem weiblichen Geschlecht gegenüber war Göben zurück- haltender als die anderen jungen Offiziere. Hauptmann a. D. Trcichel-Chnrlottenburg bekundet über Gödens Beziehungen zum weiblichen Geschlecht: Ich weiß nur, daß er durch eine Jugendliebe schwer enttäuscht wurde. Er traf einen anderen Herrn bei drri Dame seines Herzens nnd das wirkte sehr schwer aus ihn. Er hatte immer eine Schwärmerei für eine bestimmte Dame, ging aber über das erlaubte Maß nienmls hinaus. BertufchungSverfuche? Der Erste Staatsanwalt Schweitzer will, um Mißdeutungen in der Presse entgegenzutreten, ausdrücklich feststellen, daß von der Militärbehörde die Staatsanwaltschaft von allen Verdachts- Momenten, die gegen Frau v. Schönebeck vorlagen, in Kenntnis gesetzt, und daß nicht einen Augenblick versucht ist, etoaS zu vertuschen. Zeuge Kriminalkommissar Wannowski bat, folgende Erklärung abgeben zu dürfen: Meine gestrige Aussage in Verbindung mit der Aussage von Oberstleutnant Tupschewski ist vollkommen irrtümlich aufgefaßt worden. ES war niemals, wie ich unter Eid ausdrücklich betonen möchte, überhaupt euch nur mit einem Wort davon die Rede gewesen, daß die Festnahme der Frau v. Schönebeck zu unter. bleiben hatte mit Rücksicht auf den Skandal, den eS in der Armee hervorrufen würde. Das ist absolut ausgeschlossen. Als ich Exzcl- lenz Scotti Bericht erstattete, war ich begleitet vom Kriegsgerichts, rat Conradi und vom Oberstleutnant Tupschewski. Wir hatten damals als Material gegen Frau v. Schönebeck nichts weiter als die tms Wißglückbm Skifuchc, ftfiö ihr fiifl Schuldbekenntnis gst
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