habe, als feinem Sammelrnf Folge geleistet worden fei.»Hier- durch hat sich der Führer in typischer Form als Verführer der Masse gezeigt", heißt eS in der Bc- griindung. Von all den Feststellungen des Schöffengerichts blieb in der Verhandlung am Sonnabend wenig übrige Zwar beschworen die Schutzleute ihre früheren Aussagen wieder, sie waren aber diesmal mit ihren Angaben unsicherer. Schon den ersten Polizisten mußte der Vorsitzende ermahnen, sich seine Antworten zu überlege» und nicht in den Wind h i ir e i n z u r e d e n. Die Zivilzengen blieben bei ihrer Darstellung in der ersten Instanz, Es wurde von ihnen auch behauptet, dag die Schutzleute beim Hochruf noch so tveit vom Angetlagten entfernt gewesen sind, baß sie unmöglich seine Worte genau verstanden haben können. Und nun geschah etwas für die preußische Justiz sehr Auf- fallendes: Der Staatsanwalt verlangte nicht, daß den Aus- sagen der Schutzleute und Polizeikommissare unbedingt mehr Glanben beizumessen sei als den Aussagen der Zivilzeugen, sondern stellte es dem Gericht anheim, wie es in dieser Frage entscheiden wolle. Und das Gericht sprach Wendel auch frei. Es liege kein grober Unfug vor. Zum Begriffe des groben UntugS gehöre, daß ein erheblicher Teil des Publikums beunruhigt oder belästigt werde. Dies sei hier nicht der Fall ge- Wesen.— Die Gesichter der vielen höheren Polizeibeamten, die im Gerichtssaale waren, zeigten große Enttäuschung, als die von der Polizei so schön eingeleitete Aktion so zu einer großen Niederlage polizeilichen Uebereifers wu.de. Am Montag soll sich nun Genoffe Wendel wegen Beamten- beleidigung vor der Strafkammer verantworten. Den Schutzleuten ist nachträglich eingefallen, Wendel habe nach Ausbringen des Hochs auch.Pfui I" gerufen. Das brachte eine neue Klage, deren Ausgang aber nach dem obigen Urteil nicht mehr zweifelhaft sein dürfte oder wenigstens sollt«._ Korruption in der preußischen Eisenbahnverwaltung. Der Fabrikbesitzer HanS Engel in NieSly(Ober-Lausitz) war früher Leiter der von Unwerthschen Fabrik, die für die Eisenbahn- Verwaltungen große Lieferungen ausführte. Engel gründete dann ein Konkurrenzunternehmen und behauptete, die Firma von UnWerth habe seit Jahren Eisenhahnbeamte bestochen. Die Firma von Unwerth klagte gegen Engel, der sich aber in der Verhandlung vordem Landgericht in Görlitz erbot, den Beweis dafür an- zutreten, daß tatsächlich die Firma von UnWerth Beamte bestochen hat. lOOV M. seien von der Firma an Mitglieder der Eisenbahndirektion Berlin . 1200 M. an solche in Breslau gesandt worden. Die Zeugen, Fabrikbesitzer von Unwerth junior und Eisenbahnwerkmeister'S p i e w e y aus Breslau verweigern auf die Frage, ob diese Angaben den Tatsachen entsprechen, die Aussage. DaS Gericht hielt den Wahrheitsbeweis für erbracht und sprach den An- geklagten frei._ Das Ende dcS TalerS . Der.ReichSanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung, daß die bei den Reichs- und Landeskaffe» noch eingehenden Talerstücke deutschen Gepräges durch Zerschlagen oder Einschneiden für den Umlauf unbrauchbar zu machen und alsdann dem Einzahler zurückzugeben sind. fvatikrdck. Eine stürmische Sitzung. Paris , 20. Juni. Deputierten kämme r. Das Hans feß.te heute die Beratung der Interpellation fort. Als ein Mitglied der Rechten über den Unterricht sprach und die Lehrer tadelte, daß sie unpatriotisch seien, und den Professor T h a l a m a S heftig angriff, überschrie ihn die Linke und die äußerste Link? und klapperte mit den Pnltdeckeln. Hierauf wurde die Sitzung unter großem Lärm abgebrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung richtete C o u p p i an vria nb die Aufforderung, mit der Mehrheit der Linken zu regieren, welche ihn loyal und treu unter allen Umständen mehr stützen würde. Italien . Ein sozialdemokratischer Sieg. Rom , 20. Juni. (Privatdepesche deS„Vorwärts".) Bei den Gemeindewahlen in Mailand zur teilweisen Er- Neuerung der Stadtverordnetenversammlung, die Sonntag stattfanden, eroberten die Sozialdemokraten 16 Sitze, während die Liberalen nur 6 erhielten. Die bisherige libe- rale Majorität erscheint dadurch so geschwächt, baß ihre D e- Mission zu erwarten ist. Spanien . Die Religionsfreiheit. Paris , 20. Juni. Eine Spezialkorrefpondenz des„Matin" bc- richtet über ein Interview mit C a n a l e j a s in Madrid über dessen religiöse Politik folgendes: Eanalejas erklärte: In Zukunft werden in Spanien , wie bereits in allen zivilisierten Ländern der Welt, neben katholischen auch protestantische 5birchen und Synagogen bestehen und errichtet werden. Und alle diese Gotteshäuser werden an ihren Toren die Zeichen ihres konfessionellen Charakters un- gehindert tragen dürfen Das ist ja gerade das. wogegen die Klerikalen heute(also im L0 Jahrhundert) noch so lebhaften Einspruch erheben Dieser Einspruch genügt, um die Lage zu kenn- zeichnen, in der Spanien wahrlich nicht zu seinem Vorteil sich noch befindet Was die religiösen Orden betrifft, so verlangen wir nur, daß sie den spanischen Gesetzen unterstellt werden, und daß sie die spanischen Gesetze anerkennen, wie alle Bürger. Wir ver- langen, daß die Ordensbrüder denselben Pflichten unterworfen werden wie ihre weltlichen Mitbürger, da sie doch auch dieselben Freiheiten und Rechte genießen wie diese. Man wirft uns vor, daß man diese benachteiligen wolle. Ich versichere, daß mir nichts fernerliegt, daß die Ordensbrüder der Kongregationen fortfahren werden, ihre Rechte zu besitzen. Ms erste lvlaßrcgel nach der Er- ledigung der beanstandeten Wahlergebnisse wird die Regierung einen Gesetzentwurf einbringen, der vorläufig die Gründung von neuen OrdcnSvcrbänden untersagt, solange ein endgültiges Regime nicht eingeführt ist.' Scktvecleti. Die Wahlerfolge der Sozialdemokratie. Die Wahlen zu den Landsthingen, deren Endergebnis jetzt vorliegt, haben trotz des ja noch immer reichlich plutokrati- schen P l u r a l st i m m e n s y st e m s unseren Parteigenossen recht gute Erfolge gebracht und auch dazu geführt, daß nach und nach eine immer stärkere sozialdemokratische Fraktion in die Erste Kammer einzieht. Sozialdemokratische Stimmen sind in den 25 Län der LandSthinggebieten 403 720 abgegeben worden, und zwar von 60 590 Wählern, liberale Stimmen 1038560 von 172 590 Wählern und konservative Stimmen 1 540 110 von 157 830 Wählern. Geivählt sind in die Lands- thinge 125 Sozialdeniokraten, 424 Liberale und 668 Kon- servative. Würden die Landsthinge und die Stadtverordneten mit einem Male und über das ganze Land die Abgeordneten der Ersten Kammer zu wählen haben, so hätte die Sozial- demokratic nach dem Proportionalsystem Anspruch aus siebzehn Mandate. Aber in einigen LandSthingen sind unsere Genossen zu schwach, um ihren Kandidaten durchsetzen zu können, und dann gehen die Wahlen zur Ersten Kannner auch nicht mit einem Male, sondern nach und nach vor sich. In diesem Herbst werden zwei oder drei Sozialdemokraten in das Ober- Haus gewählt werden, und im nächsten Jahre ungefähr ebenso viele, wenn nicht durch eine Auflösung des ganzen Reichstages für eine schnellere Erneuerung der Kammer gesorgt wird. Auf jeden Fall aber wird binnen wenigen Jahren eine 14 oder 15 Mann starke sozialdemokratische Fraktion den bisher erzreaktionären Gesetzgebern erster Güte zu schaffen machen, abgesehen davon, daß auch die Liberalen in weit größerer Zahl, als es ihnen bisher möglich war, in die Erste Kammer einziehen. Daß diese Kammer eine ziemlich weitgehende Veränderung in ihrer Zusammensetzung erfährt, ist das wichtigste an den LandSthingsivahlen, wenngleich natürlich auch der Umstand keineswegs zu unterschätzen ist, daß unsere Genossen in den LandSthingen ihren Einfluß auf die Provtnzialangelegenhciten machen können, und auch in diesen Körperschaften die Reaktion bedeutend geschwächt ist. Cürkei. Der albanische Aufstand. Saloniki, IS. Juni. Der Einmarsch der Truppen in daS Gebiet von Malcista ist auf Schwierigkeiten gestoßen, weil die Arnauien an mehreren Orten Widerstand leisteten. Die Truppen verjagten schließlich die Arnauten und uahinen eine Anzahl von ihnen fest. Es wurde damit begonnen, die Bevölkerung zu entwaffnen. Die Truppen, die zumeist von den Höhen herab beschossen wurden, verloren zwei Offiziere und 16 Mann. DaS Expeditionskorps besteht au« 27 Bataillonen. Hrnenha. Sozialistische Gemeindepolitik. Genoffe Seidel, Mayor von Milwaukee, hat einem Broollyner Parteigenossen, der ihm die Bestellung eines bürger- lichenArztes zum Gesundheitsverwalter der Stadt zum Vorwurf gemacht hatte, in einem offenen Briefe geantwortet. Er erklärt daß man in Milwaukee für politische Aemler nur Partei- genossen gewählt habe. Wo eS sich aber um technische Posten handle, dürfe nur die f a ch l i ch e Befähigung maßgebend sein. Dr. Rucker, der neue Stadtarzt, sei kein Politiker, habe sich aber als Hygieniker, durch Bekämpfung der Beulenpest an der Küste des Stillen Ozeans, des gelben Fiebers in Neu Orleans u. a. einen Weltruf erworben. „Der Sozialismus müßte ein Fehlschlag sein, wenn er sich nicht als wissenschaftliche Lösung deS sozialen Problems bewährte." Als sozialistischer Bürgermeister wurde Genosse Ballard in Jerome(Arizona ) gewählt. Ein zweiter Genosse wurde Mitglied des Gemeinderats.— Aus der Keichsverlicheningsordnungs- ßommliiiov. Sitzung am Montag, den 20. Juni. Die weitere Aussprache über daS Verhältnis der Land. krankenkassen zu den Ortskrankenkassen brachte wieder einmal eine erbauliche Auseinandersetzung der Z e n. trumSabgeordneten untereinander. Das hatte seinen Grund darin, daß die Abgg. Herold und Irl die denkbar reak- tionärsten Ansichten vertraten. Abg. Herold verstieg sich zu der Behauptung, daß die Krankenkassen um so besser wirken können, je— kleiner sie sind. Abg. I r l hielt der bayerischen Regierung eine Strafpredigt deshalb, weil sie die„so billige" Gemeinde- Versicherung preisgegeben hätte. Diesen beiden Zentrumsrednern trat der Zentrumsabgeordnete Becker entgegen. Er belehrte Herrn Herold, daß eine solche„Ucbertrcibung" der Dezentralisa. tion, wie Herr Herold sie gefordert hatte,„Unsinn" sei. Ebenso entschieden wendete er sich gegen die Gemeindeversicherungen, für die er sich schon deshalb„unter keinen Umständen" erklären könne, weil auf die VernxJtung weder die Arbeiter noch die Arbeitgeber den ihnen gebührenden Einfluß hätten. Schließlich wurde die Befugnis, zu bestimmen, daß in gewissen Gebieten keine Landkrankcnkasjen, sondern nur allgemeine Orts- krankenkassen errichtet werden, von den Konservativen, National- liberalen und der Mehrheit des Zentrums in einer Beziehung be- schränkt. Die Bestinimung soll nur für daS ganze Gebiet des Bundesstaates zulässig sein, nicht aber auch, wie eS die Vor» läge forderte, für Gebietsteile des Bundesstaates. Außerdem be» schloß dieselbe Mehrheit, daß die Befugnis der Landesgesetzgebung, und nicht, wie es die Vorlage forderte, der Landesregierung er- teilt wird. Die Vorlage sieht auch bor, daß in gewissen Bezirken nach den besonderen örtlichen Verhältnissen neben der allgemeinen Ortskrankenkaffe keine Landkrankenkasse errichtet werden darf. DaS soll dort geschehen, wo die Landkrankenkasse nicht mindestens 506 Pflichtmitglieder haben würde. Die Sozialdemokraten beantragten, daß die unterste Grenze für die Landkrankenkassen 1000 Mitglieder sein solle. Der Antrag wurde jedoch gegen die Stimmen der Sozialdemo- kraten. Fortschrittler, Polen und Wirtschaft- lichen Vereinigung abgelehnt. Ms der anderen Seite wollten die Nationalliberalen, Konser- vativen und ein Teil des Zentrums die Mindestzahl der Mitglieder für die Landkrankcnkassen noch weiter heruntersetzen, als es in der Vorlage bereits geschehen ist, nämlich a u f 2 0 6(Antrag von Gamp) und auf 106(Antrag Graf v. Westarp). Aber auch diese Anträge fanden nicht die Mehrheit, sondern der Vorschlag der Vorlage wurde angenommen. Außerdem soll nach der Vorlage eS in anderen Fällen dem Ermessen der Behörden überlassen sein, ob neben der allgemeinen Ortskrankenkasse eine Landkrankenkasse errichtet werden kolk oder nicht. DieS soll zulässig sein dann, wenn daS Bersicherungsamt nach Anhören beteiligter Arbeitgeber und Ver- stcherungspflichtjgcr das Bedürfnis nach einer Landkrankenkasse verneint und das ObcrversicherungSamt es genehmigt, daß keine Landkrankenkasse errichtet wird. Auf Antrag der Sozialdemokraten wurde, gegen die Stimmen der Konservativen und Nationalliberalen, hinzugefügt, daß bei der Entscheidung des VersichcrungSamtS in dieser Sache auch die Vertreter der Arbeiter und Arbeitgeber mit- wirken müssen. Dagegen wurde ein anderer Antrag der Sozial- demokraten gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Fortschrittler abgelehnt, daß in diesen Fällen keine Landkrankenkasse errichtet werden darf. Die Entscheidung bleibt also, wie es die Vorlage wollte, dem Ermessen der Behörde über- lassen. Die Vorlage will auch den entgegengesetzten Fall berück- sichtigen, wenn nämlich mit Rücksicht auf eine Landkrankenkasse von der Errichtung einer Ortskrankenkasse Abstand genommen wird. Dies soll zulässig sein, wo die Ortskrankenkasse nicht mindestens 500� Pslichtmitglieder haben würde und eS die oberste VerwaltungS- bchörd? genehmigt. Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin, daß die Arbeiter, die eigentlich Pflichtmitgliedcr der Ortskrankenkasse fein müßten, schwer geschädigt würden. Deshalb dürften unter keinen Ilmständen diese Arbeiter in eine Landkrankenkasse hineinge- zwungen werden. Da die Mehrheit der Kommission für Streichung des Absatzes nicht zu haben war, beantragten die Sozialdemokraten, daß nur dann von der Errichtung der Ortskrankenkasse Abstand genommen werden kann, wenn auch die Mehrheit der Personen zu». stimmt, die Pflichtmitglieder der Ortskrankenkasse sein würden. Der Antrag wurde aber gegen die Stimmen der Soziakdemo« kraten und Forts ck rittler abgelehnt. Eine ausgedehnte Debatte rief der Paragraph der Vorlage hervor, der anführt, welche Gruppen der Versicherten den Land- krankenkassen als Mitglieder angehören sollen. ES sind dies in der Regel die in der Landwirtschaft Beschäftigten, die Dienstboten, die im Wandergewerbe Beschäftigten sowie die Hausgewerbetreibenden und ihre hausgewerblich Beschäftigten. Die Sozial dcmokraien wiesen darauf hin, daß sie überhaupt Gegner der Landkranlenkassen mit ihren noch geringeren Leistungen als die der Ortskranlenkassen seien. Da sie cs aber nicht verhindern könnten, daß die Landkrankenkassen errichtet wer- den, so beantragten sie die Beschränkung der Mitglieder auf einen möglichst kleinen Kreis: Von den in der Landwirtschaft Beschäftigten sollten die Gärtncreiarbeiter ausgenommen werden. Dieser An- trag wurde zwar abgelehnt, jedoch ein Antrag Behrens ange- nommen, nach dem die in der Gärtnerei Beschäftigten, sofern es sich nicht um landwirtschaftliche Nebenbetriebe handelt, Mitglieder der allgemeinen Ortskraukenkassen sein müssen. Ferner sprachen sich die Sozialdemokraten entschieden dagegen aus, daß alle Dienstboten, Wanderarbeiter, Hausindu- strielle und Heimarbeiter in die Landkrankcnkassen hmeinaezwungen werden sollen. Mit den Dienstmädchen mache man sogar den Land- krankenkassen ein Geschenk und belaste die Ortskrankenkassen. Denn in den jungen Jahren werden die Dienstmädchen sehr selten krank. Dann sind sie in den Landkrankenkassen. Später aber, wenn sie verheiratet sind und in die Fabrik gehen, oder sich freiwillig ver- sichern oder an der Familienversicherung ihres Mannes Anteil haben, belasten sie die Kasse sehr stark. Dann sind eS in der Regel die Ortskrankenkassen, die diese Lasten tragen müssen. Ebenso sei es sachlich ganz und gar nicht berechtigt, die anderen Arbeiter, die nicht in der Landwirtschaft beschäftigt sind, in die Landkranken- lassen zu verweisen. Dem schloß sich auch Abg. Dr. M u g d a n an. Schließlich wurde jedoch die Vorlage gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Fortschrittler und deS Polen angenommen. In der Debatte hatte noch Geheimrat Spiel» Hägen erklärt: In dem dereinst an den Reichstag gelangenden Entwurf des AusführungSgesetzes sei Vorkehrung dagegen ge- troffen, daß Arbeiter, die jetzt einer Ortskrankenkasse angehören, nach dem neuen Gesetz Mitglied einer Landkrankenkasse tverden und dadurch geschädigt werden könnten. Hat ein Bezirk keine allgemeine Ortskrankenkasse, so sollen nach der Vorlage auch die Ortskassen Pflichtigen in die Landkrankenkasse gehören. Um die hiervon betroffc- neu Arbeiter vor Schaden zu bewahren, beantragten die Sozial. demokraten : Die Arbeiter sollen das Recht haben, der nächst- gelegenen Ortskrankenkasse beizutreten. Den Ortskassenpflichtigen aber, die der Landkrankenkasse angehören, muß die Landkrankcn- lasse gegen entsprechende Beiträge solche Leistungen gewähren, die den satzungsgemäßen Leistungen der nächstgelegenen OrtSkranken- lasse mindestens gleichwertig sind. Beide Anträge wurden aber ab- gelehnt. Fortsetzung Dienstag. _ Huö der Partei. Wcnbclin Welheimers Begräbnis. An 30 000 Arbeiter gaben am Sonntag auf dem Zentvalfried- Hof in Nürnberg dem verstorbenen Genossen. Wendelin Weiß- heimer das letzte Geleit zum Grabe. Die kolossale Teilnahme an der Beisetzung zeigt, welche Liebe sich der Tote in der Arbeiter- schaft erworben hatte. Nachdem das Philharmonische Orchester, dessen Dirigent Wcißheimer öfters war, seine Trauerweisxn be» endet hatte und die 1300 Arbeitersänger ihrem toten Meister den letzten Gruß dargebracht, senkte sich unter dem Gruß von 24 Sängcrfahnen und unter dumpfem Trommelschlag der Arbeiter. turner der Sarg in die Grube. Dann würdigte Genosse Dr. Maurenbrecher als Prediger der freireligiösen Gemeinde in dreiviertelstündiger Grabrede die geschichtliche Bedeutung Weiß- heimcrs und was er für die Bildungsbestrebungen des Proleta- riats war. Zum Schluß der imposanten Feier türmte sich am Grabe ein Berg von Kränzen auf: der Arbeitcrsänger, der sozial- demokratischen Partei, der Gewerkschaften, der Jugendorganifa- tion. Unter den Kranzwidmungen von auswärts besanden sich eine des Vorstandes der sozialdemokratischen Partei Deutschlands , des Deutschen Arbeiterfängerbundes, der Arbeitersänger von Darm- stadt und von Mainz und eine vom Kapellmeister Hildcbrandt- Berlin usw. Die Arbeitersänger Nürnbergs und die Arbeiter im allge» meinen haben durch das Hinscheiden Weißheimers einen unersetz- lichen Verlust erlitten. Trotz seines hohen Alters hatte er sich ihnen ohne Entgelt vollständig gewidmet. Der größte Teil seiner idealen Pläne blieb jedoch unerfüllt. Eben war er daran, einen Frauen» chor zu bilden, um durch einen gemischten Chor Konzerte für die Arbeiter zu veranstalten. In der werdenden Gartenstadt Nürnberg wollte er eine freie Volksbühne gründen, wozu er die Mittel zur Verfügung zu stellen versprach. Ein einfacher, würdiger Kunst- tempe! sollte eS iverden inmitten einer modernen Arbciter-Garten- stadt. Aber mitten im Schassen hat den 72jährigen. cwig.jungen Greis der Tod ereilt— am Klavier, nachdem er das erste für den Frauenchor bestimmte Lied(O lieb, so lang du lieben kannst) eben fertiggestellt hatte._ Die Erhöhung der preußischen Zivillistc. AuS den Verhaiidliingen des preußischen Abgeordnetenhauses über die Erhöhung der Zivilliste des Königs gibt die Buch» Handlung Vorwärt« die Rede» der beiden sozialdemokratiscken Vertreter Paul Hirsch und Adolf H o s f m a n n heraus. Die Broschüre trägt den Titel:„Die Erhöhung der Krön- dotation." Sie komint von heute ab zur Versendung und kann durch die Parteibuckihandlungen und Kolporteure bezogen werden. Der Preis ist 15 Pfennig. Eine Agitationsausgabe auf billigerem Papier und ohne Umschlag, die nur für die Massenagita- tion geliefert wird, kostet pro tausend Exemplare 22,50 M. vom Anarchismus zum Sozialismus. Die in Chicago erscheinende„Arbeiterzeitung". viele Jahre daS Organ der Anarchisten, ist zur sozialdemokratischen Partei übergetreten. 1876 gegründet, hat sie bis 1833 in sozial- demokratischem Sinne gewirkt. Dann gab sie den politischen Kampf auf und vertrat anarchistische Ideen. Als 1886 der Kampf gegen die Anarchisten gewaltsam geführt wurde, unterdrückte man auch die„Arbeiterzeitung". Damals trat Joseph Dietzgen in die Bresche und redigierte das Blatt als Sozialdemokrat, bis ihn nach einigen Monaten die Anarchisten wieder verdrängten. Jetzt haben die deutschen Gewerkschaften, die die Mittel zum Erscheinen dcS Blattes liefern,»nt 210 ssegen 23 Stimmen beschlossen, daß eS künftig politische und ökono» mische Aktion betreiben solle, ohne direkt Parteiorgan zu werden. Wieder ein Schritt zur Konsolidierung und AuSbrcitung der amerikanischen sozialistischen Bewegung. Zum internationalen Kongreß in Kopenhagen . In Chemnitz sprach am Sonnabend Genosse NcichstagS>> abgeordneter Noske in einer Parteivcrsammlung über die Be» deutung des internationalen Kongresses. Die Versammlung wählte ihn sodann zum Delegierten._ Ein sozialdemokratischer Gemeindevorsteher. In P ö l z i g. einer größeren Ortschaft bei Ronneburg (Sachsen- Altenburg) ist am 17. Juni der Genosse Friedrich S a u ch e zum Gemeindevorsteher gewählt worden. An eine Bestätigung ist bei den Verhältnissen in Sachsen -Alteiiburtz nicht zu denke». Die alten- burgische Regierung ist noch reaklionarer wie die preußische. Vor zwei Jahren wurde in Löbschütz bereits ein Sozialdemokrat zum OrtSvorsteher gewählt, aber nicht bestätigt. vom Fortschritt der Partciprcsse. Die Abonnentenzahl der„Münchener Post" hat seit dem 1. Januar dieses JahreS um 6000 zugenommen.— Vom neuen Quartal ab wird unserem Münchener Parteiorgan«ine besondere Frauen- b e i l a g e beigelegt iverden. Die unter dem Titel ,F r a u e n p o st" firmierende Beilage erscheint monatlich zweimal, steht unter der Redaktion der Genossin Haeny-Lux und soll den besondere» Interessen der proletarischen Frauen dienen.
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