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FMalen, wo mehrere Geschäftsführer bestehen, einen als den ver- antwortlichen zu bezeichnen. Eine etwas erregte Debatte über daS Verhältnis zwischen Geschäftsführern und Mitgliedern ging diesem Beschluß voraus. Damit die Wahlen in den Filialen einheitlich vorgenommen werden, soll ein Wahlreglement dem Statut angehängt werden. Als Ort der nächsten Generalversammlung im Jahre 1S12 wird Stuttgart bestimmt. Ein Antrag, die gesamten Beiträge für die Kranken- und In- validenverficherung der angestellten Berbandsbeamten der Zentral« lasse aufzuerlegen, wurde angenonunen.(Die Geschäftsführer ent- hielten sich, wie ausdrücklich festgestellt wurde, der Stimme.) Alle beschlossenen Acnderungen sollen am 1. Januar 1911 in Kraft treten._ 2. Mrvawvltle Kuchbinder-Konferenz. Erfurt . 21. Juni 1910. Zweiter BerhandlungStag. Zur Verhandlung stehen die zum Statut gestellten Anträge. ES wird beschlossen, daß die angegliederten Verbände zu den Ver- waltungskosten des Sekretariats nach Matzgabe ihrer Mitglieder- zahl dergestalt beizutragen haben, daß für je 190 Mitglieder pro Jahr s Mk. in halbjährlichen Raten an daS I. B. S. ctbzu- führen find. Es würden dadurch jährlich etwa 1900 Mk. dem Sekretariat zufließen, wovon 1200 Mk. allem vom Deutschen Buchbinderverband zu leisten wären. Weiter wird vereinbart, daß jede Organisation nach einjähriger Angehörigkeit zur Föderation das Recht auf Unter« stützung bei Lohnbewegungen' durch die Internationale hat, in der Regel aber nur, wenn der Kampf über 4 Wochen dauert. ' An die reisenden Mitglieder ist schon bisher von den föderierten Verbänden Reifeunterstützung gezahlt worden. Arbeitslosenunter. stützung wurde aber erst nach 1» wöchiger Angehörigkeit zu der LandeSorganisation, wo der Kollege zugereist ist, gezahlt. Diese Karenzzeit soll künftig wegfallen. Nur die Schweiz darf sie bei- behalten, weil sie zu sehr von fremden Kollegen in Anspruch ge. nommen wird. Der deutsche Verband wird auch noch Krankenunter» stützung an die Angehörigen ausländischer Verbände zahlen; auch hierauf kann die Schweiz nicht eingehen, da dort wegen des Fehlens einer staatlichen Krankenversicherung die Unterstützungssätze zu hoch sind. Umzugs- und Hinterbliebenenanterstützung wird von den Verbänden gezahlt, bei denen die Gegenseitigkeit gesichert ist. Weiter werden dann einige verwaltungstechnische Angelegen- leiten erledigt. Ueber die Frauenarbeit in den Buchbindereien referiert G r ü nw a ld° Wien . An einem reichen statisnfchcn Material weist er nach, daß die Frauenarbeit in den Buchbmde- reien mit außerordentlicher Geschwindigkeit zunimmt. Die Frauen- arbeit ist aber gleichzeitig verbunden mit hoch entwickelter Ma- schinenarbeit. Ueberall, wo die Frauenarbeit vordringt, geht die handwerksmäßige Produktion zurück. ES ist die Billigkeit� die die weibliche Arbeitskraft trotz der geringeren Leistungsfähigkeit be» Vorzügen läßt. Und dies bringt auch gewisse Gefahren für die Männer mit sich. Man darf sie aber nicht überschätzen. Auch die Einführung der Maschine hat nicht die Folgen gehabt, die man zu- erst befürchtete. Maschinen- und Frauenarbeit verbilligen das Produkt und verursachen damit eine größere Nachfrage. Wenn so die Frauenarbeit immer mehr vordringt, kann man doch nicht von einer Beseitigung männlicher Arbeitskräfte sprechen. Für die All- femeinheit kann man also keine Schädigung feststellen, wohl aber ür einzelne männliche Berufsangehörige. Diesen Schäden gilt eS entgegenzutreten. Früher suchte man den Grundsatz: Gleichen Lohn für gleich« Arbeit! durchzusetzen. Er ist aber im KapitaliS- muS nicht wirklich zur Anerkennung zu bringen, wenn man damit nicht die Frauenarbeit ungemein schädigen will. Ueberall dort, wo die Organisation die Anerkennung dieses Grundsatzes von den Unternehmern erzwingen wollte, fanden die Arbeiterinnen bald heraus, daß dies nicht aus starkem Gerechtigkeitsgefühl, sondern vielmehr aus reinem Geschlechtsegoismus geschah. Für möglichst hohe Löhne hat die Gewerkschaft zu sorgen; im Interesse der Grauenarbeit darf sie aber nicht die Gleichstellung von Männer- und Frauenlohn fordern. Eine gewisse Begrenzung der Frauem arbeit ist notwendig. Für diese Begrenzung ist matzgebend, ob die fraglichen Arbeiten schädlich auf den Organismus der Frauen wirken. Es ist weiter von den Organisationen dafür zu sorgen, daß die Männer bei den Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit usw. nicht be- vorzugt werden. Der Referent schlägt eine Resolution vor, in der diese Grund- sätze festgelegt sind. Ueber sie entspinnt sich eine rege Debatte. Namentlich die deutsche Vertretung ist damit nicht ganz einver- Sanden. Die Resolution wird dann in folgender, abgeänderter orm angenommen: .Die Konserenz erblickt in der Verwendung von Frauen- arbeit in der Buchbinderei keine Gefahr für die gesunde Ent- Wickelung des Berufes und für die Interessen der Arbeiterschaft. Doch erklärt sie es als unerläßlich, daß die Frauenarbeit auf bestimmte, in den zwischen Unternehmern und Arbeitern abzu- schließenden Lohntarifverträgen namentlich anzuführende Ar- betten beschränkt wird, weil viele Arbeiten dem weiblichen Organismus schädlich sind und die billigeren weiblichen Arbeits- kräfte einen Anreiz für die Schmutzkonkurrenten unter den Unternehmern bilden, die Männerarbeit zu verdrängen und tarifliche Vereinbarungen illusorisch zu machen. Wenn aus- nahmSweise Arbeiten, die von männlichen Arbeitern angefertigt wurden, von Frauen geleistet werden, so ist die gleiche Entloh- nung hierfür prinzipiell zu fordern. Zur Durchsetzung dieser Anschauungen erflärt die Konfe- renz die Organisierung der männlichen und weiblichen Arbeiter in gemeinsamen Organisationen für absolut nötig und spricht sich infolgedessen entschieden gegen die Gründung und den Fort- bestand etwaiger selbständiger Organisationen weiblicher Buch- bindereiarbeiter auS. Im weiteren fordert die Konferenz die dem Internationalen Buchbinder-Sekretariat angeschlossenen Verbände auf, bei ihren Bestrebungen um die Hebung der Lebenshaltung ihrer Mitglieder (Lohnbewegungen, Tarifverträge usw.) die Interessen der weib- liehen Arbeiter mit der gleichen Energie wie die der männlichen zu wahren." Gleichzeitig wird auf Antrag von Haueisen folgender Be. schlutz gefaßt: »Die Internationale Buchbinder-Konfcrenz stellt fest, daß die Frauenarbeit in allen vertretenen Ländern im Buchbinder- gewerbe einen sehr wesentlichen Umfang angenommen hat. Um darüber einen vollkommenen und zuverlässigen Ueberblick zu er- halten, beauftragt sie den Sekretär, eine Enquete zu veran- stallen und die Resultate den Verbänden zugänglich zu machen, um so auf Grund des erhaltenen Materials feststellen zu können, was geschehen soll und welche Richtlinien zu gelten haben." Darauf wird Kloth zum internationalen Sekretär wieder- gewählt. Die nächste Konferenz soll 1913 in Brüssel stattfinden. Nach einer kurzen Ansprache von Brückner Wird die Konferenz geschlossen. Achter Perbandstag des Deutsche » Holzarbeiter- Verbandes. München , 22. Mmi. Au Beginn des dritten Verhandlungstages wird der Punkt Lohnbewegung m geschlossener Sitzung behandelt. Referent Becker- Berlin unter« breitete dem Verbandstag folgende Resolution: 1. In b»ug auf die Tarifverträge ist auch für die fernere Zeit an dxn Beschlüssen des Stettin «: Verbandstages festzuhMen, mit der Maßgabe, daß fortab in allen Fällen, wo nicht be- sonders zurückgebliebene Lohn» und Arbeitsverhältnisse eine Aus» nähme rechtfertigen, Verträge von kürzerer Dauer als 4 Jahre nicht mehr abzuschließen sind. 2. Wenn über das Musterregulatid für die paritätischen Ar- beitsnachweise auf Grund der für Hannover getroffenen Verein- barung eine Verständigung mit dem Arbeitgeberschutzverband möglich ist, erteilt der Verbandstag zu dieser Abänderung seine Zustimmung. 3. Sofern der Arbeitgeberschutzverband den Vorschlag seines Vorstandes, eine gemeinschaftliche Zentralkommission zur Schlich- tung von Vertragsdiffercnzen usw. einzusetzen, zum Beschluß er- hebt, erteilt der Verbandstag dem Vorstand Vollmacht, der Bil- dung einer solchen zentralen Schlichtungskommission zuzustimmen und die entsprechenden Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber- schutzverband zu treffen. Der Referent besprach die Lohnbewegungen der letzten beiden Jahre und in diesem Frühjahre, wies auf die große Holzarbeiter- aussperrung im Jahre 1907 hin, die mit dem Abschluß von Tarif- Verträgen endete, wobei der 12. Februar 1910 respektive der 12. November 1909 als Termin für eventuelle Kündigung vereinbart wurde. Im Jahre 1908 gelang es, eine zweite Gruppe von Ver- trägen mit dem Arbeitgeberschutzverband in anderen Städten ab- zuschließen, die ebenfalls eine dreijährige Geltungsdauer haben. Im vergangenen Jahre war der Vorstand bestrebt, möglichst reine Bahn für 1910 zu schaffen und dies sei ihm auch gelungen, so daß in Frankfurt a. M., Karlsruhe , Pforzheim , Heidelberg , Ludwigs- Hafen, Mannheim , Magdeburg , und noch 8 anderen Orten in Rhein- land-Westfalen Verträge abgeschlossen werden konnten, die bis 1912 laufen. Durch die Bewegung zu Beginn dieses Jahres wurden 60 Verträge für 000 Mitglieder abgeschlossen. Diese Verträge laufen bis 15. Februar 1915. Sie traten am 14. März 1910 in Kraft und wurden für die Kollegen wesentliche Vorteile erzielt. Zum Schlüsse seiner mehr als zweistündigen Ausführungen meinte Redner, Bewegungen dürsten nicht mit dem Herzen, sondern müßten mit klarem Verstand gemacht werden; die Ortsverwaltungen müßten mehr Kaltblütigkeit besitzen. Die Durchführung der Be- wegungen müßte mehr wie bisher den Vertrauensleuten über- lassen werden. Zum Punkt Lohnbewegung liegen«ine Reihe von An- trägen vor, die von den einzelnen Rednern begründet werden. Die Statutenberatungskommission, die sich mit diesen Anträgen beschäftigte, beantragt die Ablehnung der meisten An. träge, einzelne deshalb, weil sie durch die Beschlüsse des Stettiner Verbandstages bereits erledigt sind. Zur Annahme empfiehlt die Kommisston die Anträge des Gaues Hamburg und der Zahlstelle Kempten , wonach bei Abschluß von Tarifverträgen dahin zu wirken sei, daß Akkordarbeit an Maschinen nicht zulässig ist; ebenso stimmt die Kommission einem Antrag S t r e l i tz und Gmünd zu, wonach mit aller Energie dahin zu wirken sei, daß die kleineren Provinzstädte eine Verbesserung der Lohn» und Arbeitsverhältnisse erfahren. Es fetzt eine lebhafte Debatte ein, die am Donnerstag fortgesetzt wird._ Frau von Schönebeck vor den Gefchworenen. 15. Verhandlungstag. Der Verhandlung am Donnerstag wohnte der Oberlandes- gerichtspräsident V. Plehwe auS Königsberg bei. Der Borsitzende gab im Laufe der Sitzung folgende auffallende Erklärung ab: Ich möchte hier gerade heute,- weil mein hoher Vorgesetzter an- wesend ist, folgendes erklären: ES werden fortgesetzt gegen die Verhandlungsführung in Blättern und zahlreichen Zuschriften Vorwürfe gegen mich erhoben. Einmal deshalb, weil die Angeklagte in der Stadt frei umhergehen kann. Die Angriffe treffen mich nicht. Das höchste Provinzialgericht hat beschlossen, die Ange- klagte gegen Stellung einer Kaution mit der Haft zu verschonen. Eine andere Gruppe Vorwürfe wendet sich dagegen, daß die An- geklagte nicht auf der Anklagebank zu sitzen braucht. Die Grün!« hierfür sind zu Beginn der Verhandlung hier erörtert. Der An- geklagten habe ich natürlich die Genehmigung erteilen müssen, sich in der freien Zeit zu erholen. Ueber alle Schritte nach dieser Rich- tung bin ich von der Verteidigung benachrichtigt. Es sind stets die geeigneten Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Beweisaufnahme erstreckte sich auf den hhsterstchen Anfall der Angeklagten in der Nacht zum Mittwoch, auf die Vernehmung des Fräulein Neubauer, des WaldwärterS Mattenia, der Gefängnis- infpektoren von Allenstein und Charlottenburg sowie des früheren Unteroffiziers Voigt. Die Vernehmung des Waldwärters Mattenia und der Zeugin Neubauer geschah unter vollstem Ausschluß der Ocffentllchkrit. Nach Mitteilung der Verteidigung war der wesentlichste Inhalt der Be- kundungen beider Zeugen folgender: Der Waldwärter bekundete, in wessen Begleitung wohl ein höherer Offizier er die Angeklagte im Jagdhause gesehen habe. Die Angeklagte verlangte die Ladung des betreffenden Herrü, verzichtete aber nach einer längeren Konferenz mit der Verteidigung darauf. Ueber die Aussage der 27jährigen Zeugin Emilie Marie Neubauer aus Berlin wurden u. a. folgende Angaben gemacht. Um die Glckubwürdigkcit der Zeugin zu prüfen, wurden ihr eine Reihe von Fragen vorgelegt, die sich auf die Person und persön- lichen Verhältnisse Gödens bezogen. Sämtliche Fragen wurden zu- treffend beantwortet. Ueber ihren Berkehr mit Gäben bekundete die Zeugin: 1899 habe ich Göben in Begleitung eines anderen Offiziers getroffen. Am nächsten Tage sprach mich Giben in der Gcorgstraße in Hannover an und machte mit mir einen Spazier, gang. Zum folgenden Tage verabredeten wir uns und gingen dann zusammen in ein Hotel. Unser Verkehr dauerte bis zum Fortgang Gödens nach Afrika , feit Dezember 1906 begann er dann wieder in Berlin . Ueber die Art des sexuellen Verkehrs machte die Zeugin detaillierte Angaben, die sich der Wiedergabe entziehen und erkennen lassen, daß bei dem Verkehr perverse Triebe auf feiten Gödens mit tätig paren. Göben, erzählt die Zeugin weiter, hat sich mit mir über allerlei, auch wissenschaftlich unterhalten und mit mir englisch geschrieben. Er übte einen suggestiven Einfluß auf mich aus. Wiewohl ich ein Verhältnis mit einem anderen Herrn hatte, mußte ich stets mitgehen, wenn er mich ansprach, weil seine Persönlichkeit einen Zwang auf meinen Willen ausübte. In Berlin war er 10 12mal bri mir. Er fuhr stets 5 Minuten vor 11 Uhr vom Bahnhof Friedrichstraße ab, um 8.20 Uhr in Allenstein zu sein. In Berlin war Göben im Cafe Continental sehr bekannt. Früher hatte Göben betont, er eigne sich nicht zum Ehemann; im Herbst 1907 schrieb mir Göben aber, er habe eine Frau kennen gelernt, die seinem Ideal entspreche und die er heiraten wolle. Die Frau habe zwei Kinder und liebe diese Kinder über alles? sie würde sich deswegen wohl nicht von ihnen trennen. Die Frage eines Geschworenen, ob sie von Göben Geld erhalten habe, beantwortet die Zeugin dahin: Göben war immer sehr arm, er lebte oft von Salz und Brot. Er hat nur bezahlt, wenn wir zusammen ausgingen. Aus der Aussage der Zeugin ist noch fol- gende Stelle hervorzuheben: Göben hat mich um ein Rezept für Chloroform gebeten, daS ich wegen einer Operation, die ich in der Narkose habe machen müssen, besaß. Ich fragte ihn nach dem Grund. Er betonte, er könne die Sache nicht mehr ertragen, es solle ihm nicht wieder so gehen wie in Hannover . Eine klare Ant- wort aber gab er nicht. Der Postassistent Voigt, jetzt in Reichenbach in Schlesien , war schon in Bernstadt unter Schönebeck Unteroffizier und folgt« ihm nach Allenstein nach, er wurde 1901 Wachtmeister. Er nahm eine besondere Vertrauensstellung zu dem Major ein. Er erklärt: Uebe» die Frau meines Chefs waren allerlei Gerüchte in Allenstein , aber keine Beweise. Als der Major verreist war, hatte sich die Angeklagte einmal mit einem anderen Herrn ins Zimmer des Majors einge- schlössen. Ich wurde nicht zugelassen. DaS Mädchen sagte: Die gnädige Frau habe es verboten. Als der Major einmal an einem Knochelbruch krank danieSerkag, Kar Sie gnSbige Fra« mli einem Herrn ausgeritten. Sie gebrauchte dazu die Dienstpferde, die ich jedoch zur Musterung dringend brauchte Ich sagte zur gnädigen Frau, sie sollte, wenn sie die Dienstpferde benutzte, doch möglichst schnell zurückkommen, da ich die Pferde sonst nicht trocken bekäme. Tarauf sagte der Herr, wenn ich von dem Ausritt dem Major Mit- teilung machte, würde er mich beim Offizierkorps unmöglich machen. Ich sagte trotzdem dem Major, daß die gnädige Frau mit einem Herrn ausgeritten war. Der Major antwortete darauf: Wacht- meistcr, wenn sie ausbleiben und auch stundenlang wegbleiben, was beweist das? Gcfängnisinspektor Heumann macht Bekundungen über das Ver-- halten der Angeklagten im Gefängnis in Allenstein . Die Angeklagte war außerordentlich erregt und verwirrt. Sie sprach mich wieder- holt mit dem Namen des Regimentskommandeurs Graf Gröben an, lmt, ich möchte sie in Schutz nehmen und mit ihr zur Leiche gehen« Da kurz zuvor eine Person besserer Stände sich in derselben Zelle erhängt hatte, bat ich dringend die Aufseherin, einen Selbstmord zu verhüten. Die Aufseherin erzählte mir, daß die Angeklagte immer nach ihren Kindern gejammert habe. Ich hielt die Angeklagte für hysterisch. Aufzeichnungen im Gefängnis. Man brachte mir mehrere Bogen Notizen, die die Angeklagte gemacht hat. Es wurde darin zum Ausdruck gebracht, daß die Be- kundungen des Hauptmanns v. Göben nicht richtig seien, und das Verlangen ausgesprochen, v. Göben möge ihr das ins Auge sagen. Er werde nicht imstande sein, seine Behauptungen aufrechtzuerhalten. Die Niederschrift gelangte dann zur Verlesung. Sie ist von uns nachstehend wiedergegeben. Die Angeklagte bejahte die Frage, ob sie eine Konfrontation mit Göben habe herbeiführen wollen. Als der Vorsitzende hervorhebt, wie logisch und fein durchdacht die Nieder- schrift abgefaßt ist, erklärte der Verteidiger Talzmann: Ich war damals schon der Rechtsbeistand der Angeklagten. Es lag mir daran, eine Konfrontation zwischen Göben und der Angeklagten herbeizuführen. Auf diese Konfrontation wollte ich die Angeklagte vorbereiten. Ich habe der Angeklagten gesagt, sie solle mir eine Auf- stellung von dem machen, was sie Göben sagen wollte. Diese Notizen find also lediglich für mich bestimmt gewesen, es ist nicht etwa ein Kassiber. Vorsitzender: T«S behauptet auch kein Mensch. Die Aufzeichnungen lauten: »Ich fühle, daß meine Gedanken und Sinne anfangen, sich ernstlich zu verwirren. Ich kämpfe dagegen an, besonders in den Nächten. Ich will klar bleiben, um mich verteidigen$u können. Dieses will ich Göben sagen: Sie haben mich ins Gefängnis ge» bracht, weil Sie darin die einzige Möglichkeit gesehen haben, Ihre Schuld zu mildern. Und Sie suchen es so darzustellen, als ob Sie »i meiner Gewalt gewesen sind. Daß das Gegenteil wahr ist. wissen Sie. Sie wissen auch, daß die Liebe zu einem andern in meinem Herzen ist, daß ich nie einen andern Gedanken habe. So ist zuerst in Ihnen der Gedanke entstanden, mich allein zu besitzen und aus Allenstein zu entfernen. Sie haben oft gesagt, daß, wenn ich erst aus Allenstein entfernt sein würde, ich den anderen bald vergessen werde. Darum drängten Sie zur Scheidung. Sie fühlten, daß ich nicht stark genug zur Scheidung sein würde. Sie quälten und drängten mich, Ihnen alle Mißhandlungen meines Manne» einzugestehen. Sie lügen, wenn Sie sagen, daß ich es Ihnen frei- willig gesagt habe, Sie wissen, wie oft ich versucht habe, meinen Mann, der bei anderen Gelegenheiten auch wieder gut war, zu ver- leidigen und als erklärlich hinzustellen, wenn er roh und gewalt- tätig war. Sie wissen, wie oft Sie dann wild geworden sind,daß ich diesen Herrn verteidige". Sie haben auf mich große Gewalt ausgeübt und mich gefesselt mit dem Geständnis Ihrer Reinheit. So wenig rein ich war, so hat es mich doch matzlos glücklich ge- macht, das Vertrauen eines reinen Mannes zu besitzen. Wissen Sie noch, wie Sie mich auf Tritt und Schritt bedrängt haben mit Küssen? Wissen Sie, wie Sie meine Ohnmacht ausgenutzt haben? Ich wollt« einmal einen Menschen lieben, der nicht meinen Körper liebte, sondern nur mich nm meiner selbst willen liebte. Ich wäre Ihre Sklavin gewesen, wenn Sie es von mir verlangt hätten. Ich hatte keinen anderen Gedanken als den, Sie mir zu erhalten. Warum habe ich mich Ihnen denn hingegeben? Weil Sie mir gesagt haben, daß eS das einzige Mittel ist, Sie gesund zu machen, habe der Arzt gesagt. Ich habe mich nicht schonen wollen, aber ich habe Ihnen verschwiegen, daß ich mich andern hingegeben hätte. Denn hätte ich es gesagt, so hätten Sie mir vielleicht verziehen, aber mir nicht mehr vertraut. Sie wissen, daß in Ihnen der Ge- danke an das Duell ohne Zeugen aufgestiegen ist schon im Sep- tember. Sie wissen, wie Sie mir vorgestellt haben, daß eS eine reine, ehrliche Sache sei, daß mein Mann genau dieselben Chancen habe wie Sie. Sie wissen auch, wie ich durch Ausreden es verhin- dert habe, daß Sie ihn draußen auf der Jagd allein getroffen haben. Sie wissen, welche Vorwürfe Sie mir gemacht haben, ich sei gleich- gültig, ichvhänge an Kleinigkeiten. Wie der Arsenikgedankr ent» standen ist, weiß ich nicht. Nur daS weiß ich, in meinem Austrag« haben Sie eS nicht besorgt. Ich habe oft daS Gefühl gehabt, ich mutz Ihnen nachgeben, auf Ihre Gedanken eingehen, damit Sie nicht denke»?, ich sei gleichgültig und wolle nicht loskommen. Ich wollte auch alles tun, um Ihre Phantaste zu beschäftigen, den» ich »var bis zum Wahnsinn eifersüchtig auf jeden Gedanken in Ihrem Kopf. Sie sollten sich jetzt nur noch mit mir beschäftigen, denn ich sah in Ihnen mein Otlück, meine Erlösung. Ich hoffte auf das langersehnte Glück eines Fainilienlebens, wie ich es bisher so bitter, bitter entbehrt habe. Schon aus diesem Grunde hätte ich eine gewaltsame Tat stets verhindert, weil ich genau wußte, daß dam« mein Friede in diesem Leben für immer und ewig gestört sein würde. Wissen Sie, wie ich sagte, es wird sich rioch ein Ausweg finden? Wie oft haben wir beide davon gesprochen und den Ge- danken an die Ehescheidung erwogen? Sie wissen das genau so wie ich. Wir wollten beide bald nach den Feiertagen nach K. fahren. Wer hat denn an diese Tat gedacht? Sie ebensowenig wie ich, und in den letzten Tagen glaube ich nicht, daß Sie daran gedacht haben. Wissen Sie noch, wie Sie das Fenster schlecht schlössen, wie mir ein plötzliches Angstgefühl durch das Herz schoß? Warum hätte ich dann das Fenster geschlossen? Ich hatte das Gefühl:. Wenn ihm auch wirflich in seiner wahnsinnigen Liebe, in der rasenden Eifersucht, mein Mann könnte mich heute Nacht wieder quälen, dieser unsinnige Gedanke aufgestiegen ist, durch mein Fensterschließen ist jede Gefahr beseitigt. Glauben Sie, ich wäre sonst ruhig zu Bett gegangen? Sie selber wissen, daß ich die Tat verhindert hätte, wenn auch die Angst um Sie dabei eine große Rolle gespielt hätte. Denn daß ich Sie grenzenlos liebte, wie nie einen Menschen zuvor, wissen Sie. Diese Liebe ist fest geblieben bis zu dem Augenblick, wo mir nach langem Sträuben der Gedanke an die Gewißheit gekommen ist, daß Sie mich hineingezogen haben» um vor Ihrer Mutter, vor Ihren Freunden, vor der Welt als der Verführte, vor Liebe Willenlose dazustehen. Daß die Arscniksache durch den Apotheker herauskommen würde, wußten Sie. Daß ich Sie mit keinem Worte verraten würde, wußten Sie auch. Darum haben Sie es selbst und ßuerst angegeben. Ich konnte nichts weiter tun als sngen: Es ist nicht wahr. Sie haben da, wo es auf per- sönlichen Mut ankam, stets Mut und Energie bewiesen. Aber jetzt, wo Ihr Ruf als Ehrenmann auf dem Spiel steht, da find Sie ein Feigling geworden und haben sich jedes Mittels bedient, um sich vom Verdacht des Mordes freizumachen. Daß Sie den Mann nicht ermordet haben, nicht meuchlings niedergeschossen haben. davon bin ich überzeugt. Aber, daß Sie jetzt nicht imstande sind und nicht den Mut haben, nun auch das, was Sie getan haben» mutig auf sich zu nehmen, dafür verachte ich Sie. Ich verachte Sie aus tiefster Seele und meine Verachtung ist genau so tief wie meine Liebe war. Und glauben Sie mir, jeder ehrenhaft denkende Mensch verachtet Sie ebenso wie ich, während man Ihnen sonst Mitleid entgegengebracht hätte." Der Zeuge Tusch, Gefängnisinspektor in Charlottenburg , be-, kündet: Die Angeklagte hat nach der Einlieferung in das Char- lottenburger Amtsgerichtsgefängnis am 4 März des JahreS wiederholt Schreikrämpfe in der Anstalt gehabt. Bei den Krampf. anfüllen biß sie auch bewußtlos sich selbst und ÜB sich, Ngchde«