Nr. 145.
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Vorwärts
10. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Wähler!
Auf zur Stichwahl! Wählt die Kandidaten der Sozialdemokratie!
I. Wahlkreis:
Schneidermeister August Täterow. II. Wahlkreis:
Schriftseter Richard Fischer. III. Wahlkreis: Stadtverordneter Ewald Vogtherr . V. Wahlkreis:
Stadtverordneter Arthur Stadthagen .
Teltow - Beeskow - Charlottenburg : Gastwirth Fritz Zubeil . Wahlberechtigt ist jeder, der in die Wählerliste eingetragen ist, auch wenn er bei der Hauptwahl nicht mitgewählt hat. Kein Wahlberechtigter darf der Urne fernbleiben! Auf
jede Stimme kommt's an.
Freitag, den 23. Juni 1893.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
und daß die Schlachten, die in Deutschland geschlagen über den hereinbrechenden Weltuntergang, wie über werden, auch die Lage der Dinge in Desterreich entscheiden. die Prinzipienreiterei ihrer deutschen Parteigenossen. Bei den Parteigenossen war begreiflicher Weise die Span: Es ist höchft bezeichnend, daß kein Wort so unnung auf das Wahlresultat die allergrößte. Als Beispiel getheilten Beifall bei den österreichischen Liberalen ge sei erzählt, daß in der Nacht des 15. Juni so funden hat, als das Birch o w's am Abend des 15. Juni, ziemlich in allen Bezirken Wiens die Genossen daß der Kampf des Liberalismus nun nicht mehr gegen den bis gegen Morgen beisammen blieben und fich Militärstaat, sondern gegen den Zukunftsstaat gerichtet sein die sehr spät einlangenden Telegramme von einer müsse. Bezeichnend für die Rolle, die in der österreichischen Zentrale aus telephouiren ließen. Als die Berliner Ziffern Politik die spezifischen Interessen des Judenthums spielen, famen, nahm der Jubel kein Ende. Sehr bezeichnend ist ist, daß die Neue Freie Presse" für ein Bündniß aller auch die Haltung der österreichischen liberalen Presse zu Ordnungsparteien gegen die Sozialdemokratie plädirt, den Wahlen und zur Militärvorlage überhaupt. Der öfter mit der einzigen Bedingung, daß die Antisemiten reichische Liberalismus ist ein abgestandener und ver- davon ausgeschlossen werden.
faulter Absurd des deutschen Freisinns, und die Richter Sämmtliche bürgerlichen Parteien empfinden den Sieg und Konsorten sind geradezu antife Helden gegen unsere der deutschen Sozialdemokratie als ihre eigene Niederlage, Plener und Chlumezky. Den Kampf gegen den und der Jeremiaden ist kein Ende. Ebenso aber fühlt sich Militarismus auch nur in der lahmen und zahmen Weise die österreichische Sozialdemokratie durch den Ausfall der der Freifinnigen versteht man in Desterreich nicht, im deutschen Wahlen gestärkt und gehoben. Niemals aber war Gegentheil sucht die deutsch - liberale Partei durch die dent- ihr diese Hilfe von außen wichtiger als heute. Denn wir bar ekelhafteste Kriecherei, durch einen Byzantinismus, stehen in einem ernsten Kampfe, der, wenn auch vorausfür dessen Widerwärtigkeit ein deutsches Wort fehlt, ihre sichtlich von langer Dauer, fich möglicherweise bald akut Wiedereinfegung in die politische Macht bei der Krone zu zuspizen kann. Schon nach den belgischen Ereignissen, und erreichen. Alle Politit löst sich bei den Bourgeoisparteien noch mehr am Abend des ersten Mai war es jedem Sehenden Desterreichs auf in Schweifwedelei im Vorzimmer des klar, daß nunmehr für das allgemeine Wahlrecht Sturm Mon archen und in Versuche, jene Machtgruppe von böhmi- gelaufen werden müsse. Diese Empfindung war eine so schen und polnischen Landlords auf ihre Seite zu bringen. allgemeine, daß es einer besonderen Aufforderung von seiten Um diese geht der Streit. Jungczechen wie Deutschliberale der sozialdemokratischen Parteivertretung gar nicht bedurfte, buhlen um die Gunst der feudalklerikalen Gruppe um von allen Seiten Rundgebungen für das Wahlrecht anSchwarzenberg. Unter diesen Umständen ist es be- zuregen. Die österreichische Polizei wurde natürlich sofort greiflich, daß für unsere Liberalen der Militarismus ein nervös. Es wurde ein besonderer geheimer Erlaß herausKräutlein Rührmichuichtan ist. Die österreichische Regie- gegeben, daß in Versammlungen die Kämpfe in Belgien rung, welche überdies alle Konflikte scheut und am überhaupt nicht erwähnt werden dürften, ein Erlaß, der Liebsten alles, was sie will, in gemüthlicher" Weise natürlich zu den komischsten Zwischenfällen in den Ver
perlangt und durchsetzt, hat auch ihre militärischen Forsammlungen führt. Als nun die Parteivertretung für den derungen nicht in eine große Armee- Reorganisation zusammen Sonntag nach den deutschen Wahlen Manifestations- Vergefaßt, sondern in Desterreich verzehrt der Moloch Mili- sammlungen in allen Kronländern empfahl, und auch für tarismus das Gut des Voltes ratenweise. Alle Jahre Wien einige große Versammlungen unter freiem Himmet in rückt das Armeebudget um 5-10 Millionen in die Höhe, Aussicht nahm, stieg die polizeiliche Besorgniß ins Ungeheure. und wegen einer solchen Kleinigkeit wagt es auch die soge- Die Wiener Bersammlungen mußten verschoben werden, da nannte Opposition nicht, sich bei der Regierung irgendwie nach unserem famosen Gesetz am Ort und zur Zeit, wo unangenehm zu machen. Dem österreichischen Liberalismus, Parlament oder Delegation Sigungen haben, Bersamm dem Abg. Rickert erst vor wenigen Wochen in dem lungen unter freiem Himmel nicht stattfinden dürfen. Aber Interview mit Hermann Bahr ein Schutz- und Truß mehr als 30 Versammlungen wurden mit der größten Bebündniß mit dem Freisinn vorgeschlagen hat, war die Oppo- geisterung, mit einer Massenbetheiligung, wie nie zuvor in fition Eugen Richter's gegen die Militärvorlage höchst Desterreich, abgehalten. Nur in Prag und in Brünn ver unangenehm, weil er fürchtete, daß seine Hoffähigkeit bot die Polizei die Versammlungen, und zwar augenschein
Brief aus Oesterreich . unter dem schlechten Ruſe ſeiner Freunde in Deutschland lich deshalb, weil die Herren schon im Berbieten jung
leiden würde. Daher ermahnte die Neue Freie Presse" czechischer Meetings drin waren und wahrscheinlich, und
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Wien , 20. Juni. in unzähligen Leitartikeln die Freisinnigen, ihren harten mit Recht, fürchteten, daß in diesen Versammlungen auch Unsere deutschen Genossen machen sich kaum eine Vor- Sinn zu erweichen, und erklärte ihre Stellungnahme gegen von dem jungczechischen Antrag auf allgemeines Wahlstellung davon, mit welcher Spannung die Wahlergebnisse den Militarismus für einen politischen Fehler. Also nicht recht gesprochen wurde. Aber es zeigte sich, daß die in Deutschland hier erwartet und mit welcher Begeisterung die 25 000 Mann, welche Richter bewilligte, sondern die Beiten vorbei sind, wo man in Desterreich mit dem Verfie aufgenommen wurden. In diesen Tagen ist es wieder 11 000 Mann, welche er verweigerte, diese waren den öfter- sammlungsrecht umspringen tann wie einst. Im Kanaallen zum Bewußsein gekommen und zwar nicht nur uns reichischen Liberalen der Stein des Anstoßes. Und nun die lischen Garten in Prag tamen etwa 5000, auf dem Weißen Sozialdemokraten, sondern allen Kreisen der Bevölkerung glorreiche Reichstagswahl die Richterei vernichtet hat, Berg bei Brünn über 20 000 Personen zusammen, und als alle unsere liberalen Blätter daß Deutschland und Desterreich ein Kulturgebiet bilden' jammern ebensowohl die Polizei den Platz mit der in Desterreich üblichen Bru
Feuilleton.
Macbrua verboten.)
Die Fabriklerin.
Erzählung aus dem schweizerischen Volksleben
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burschen betrachten es vielerorts als eine Schmach, wenn befürchtet hätte, daß dies von Fader als Feigheit wäre ausihnen ein Dorfmädchen von einem Fremden" weg- gelegt worden. Einem solchen Verdacht wollte er sich jedoch geschnappt wird und es entstehen deswegen oft die blutigsten am allerwenigsten ausgesetzt wissen und so trat er dann Händel . mit dem üblichen Gruße über die Schwelle und nahm mit Daß auch die Buchegger nach dieser Seite hin leicht seiner Gesellschaft an einem noch leer stehenden Tische Plaz, empfindlich waren, das sollte Maurer bald genug er der rasch herbeieilenden Wirthin eine Flasche„ Guten" be fahren. stellend. Eines Sonntags hatte Maurer mit Rosa und ihrer Mutter einen Spaziergang nach Scharfegg", einer kleinen Wider Erwarten hatte sich Maurer's Stellung in der Bauernwirthschaft, welche ungefähr eine halbe Stunde vom Fabrit nicht wesentlich verschlimmert. Wohl fühlte er, Dorfe entfernt in einem Seitenthälchen lag, verabredet und daß er infolge der Anschwärzungen Faber's unter pein- auch den Buckligen, mit dem er sich schnell befreundet hatte, licher Kontrolle stand. Allein diese hatte Maurer durchaus dazu eingeladen. nicht zu fürchten, da er sich auch nicht das Geringste zu schulden kommen ließ, das man ihm hätte zum Vorwurf machen können.
von einem Baseler Arbeiter.
Es war ungefähr 3 Uhr Nachmittags, als die kleine Gesellschaft langsam und in fröhlicher Stimmung den einem Bache entlang führenden Weg nach„ Scharfegg" dahin wandelte.
Seinem Standpunkte blieb er freilich nach wie vor treu, doch war er flug genug, dabei Fader eine Nase zu Während die beiden Liebenden Hand in Hand und drehen; dieser fand denn auch in den nächsten Wochen zu mehr mit sich selbst beschäftigt vorausgingen, blieben Rosa's seinem Leidwesen keine Gelegenheit, seinem Vorgesetzten neue Mutter und Karl da und dort stehen, sei es, um einen üppig Thatsachen zu melden. Der Zufall sollte Fader freilich bald stehenden Kornacker zu betrachten, oder einen schwer be genug in die Hände spielen und die unvermeidliche Krisis ladenen Obstbaum zu bewundern, denn der Stand der beschleunigen. Kulturen war dies Jahr ein ausgezeichneter und ließ auf ein gutes Jahr schließen.
Das Verhältniß Maurer's zu Rosa war inzwischen ein recht inniges geworden und im Dorfe betrachtete man sie bereits als Verlobte. Und in der That sah man das schmucke Pärchen bereits Abend für Abend beisammen und wer die glückstrahlenden Augen der beiden sah, der konnte nicht länger daran zweifeln, daß sich ihre Herzen gefunden hatten.
Leider hatte sich Maurer durch sein Verhältniß zu Rosa weitere gehässige Neider geschaffen, denn die Dorf
Nur zu schnell erreichten sie die kleine, von herrlichen Obstbäumen umgebene Wirthschaft, aus welcher ihnen bereits lauter Gefang entgegentönte.
In der Wirthsstube wartete ihrer jedoch kein angenehmer Anblick, denn derjenige, welcher dort inmitten einer Gruppe trakehlender junger Burschen saß, war niemand anders als Maurer's heimtückischer Gegner, Arnold Fader. Gerne wäre Maurer wieder umgekehrt, wenn er nicht
Als diese mit dem Gewünschten herbeifam, segte sie sich eine Weile zu ihren Gästen und bald war man in ein eifriges Gespräch vertieft.
An Fader's Tisch war es inzwischen auffallend stille geworden; es entging jedoch Maurer nicht, daß dort irgend etwas im Gange war, denn Fader sprach eifrig in seine Bechgenossen hinein, dazwischen stets nach unserer tleinen Gesellschaft hinüberschielend. Auch nöthigte er seine Kameraden fortwährend zu trinken, indem er ihre Gläser immer wieder auffüllte und Flasche um Flasche kommen ließ.
Es war deshalb nicht zu verwundern, wenn Fader's Bechgenossen nach und nach in eine übermüthige Stimmung geriethen und dabei Maurer zur Bielscheibe ihres Wizes auserforen zu haben schienen.
Plöglich erhob sich einer von Fader's Bechgenossen, trat an den von unserer kleinen Gesellschaft besetzten Tisch heran und sprach, indem er Rosa unsanft anstieß:
„ Rönntest auch was Gescheidteres thun, als mit einem solchen Windbeutel spazieren gehen, Mädchen."
Ein höhnendes Gelächter belohnte ihn von seite seiner Kameraden für die freche Anrede.
Mit Maurer's Geduld war es nun zu Ende. Aufspringend versezte er dem Burschen eine solch zünftige Ohrfeige, daß dieser fählings zu Boden stürzte. Dies war nun aber für seine Rameraden das Signal, fich wie ein Rudel Wölfe auf