GewerkfcbaftUcbee. J�eue Differenzen im Baugewerbe. Der geschäftsführende Ausschuß des Deutschen Arbeit- geberbundes für das Baugewerbe hat an die Zentralvorstände des Maurer - und Zimmererverbandes, des baugewerblichen Hilfsarbeiterverbandes und des christlichen Bauarbeiterverbandes kin Protestschreiben folgenden Inhalts gesandt: „Aus vielen Orten geht uns die Nachricht zu, daß entgegen den Entscheidungen des Schiedsgerichts in D r e s d e n die Arbeit seitens der Arbeitnehmer nicht wieder aufgenominen lvorden ist Bielfach sind die Arbeitswilligen absichtlich und gewaltsam zurück- gehalten worden. An verschiedenen Orten ist sogar der Streik verkündet. Wir ersuchen Sie, die Ihnen angeschlossenen Organi- sationen anzuweisen, den Entscheidungen des Schiedsgerichts sofort Folge zu leisten. Wir verlangen, daß nunmehr spätestens am Montag, den 27. d. M., die Arbeit überall aufgenommen wird. Der Bundesvorstand fordert seine Ortsverbäude auf, bis Montag, den 27. d. Mts., mittags 12 Uhr telegraphisch zu berichten, ob in ihrem Vertragsgebiet die Arbeit in vollem Umfange wieder aufgenommen lvorden ist. Sollte sich aus dem Telegranim ergeben, daß das in den einzelnen Gebieten noch nicht der Fall ist, so wird zu Donnerstag, den 30. Juni d. Js. eine außerordentliche Hauptversammlung des Deutschen Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe in H a l l e a. S. einberufen, die weitere Maßnahmen zu beschließen haben wird. Der Bundesvorstand weist seine Ortsverbände an, bevor die Arbeit nicht allgemein aufgenommen ist, darf in örtliche Verhandlungen nicht eingetreten werden, auch dort nicht, wo die Arbeit aufgenommen ist. Danach scheinen sich neue Komplikationen zu entwickeln, die den endgültigen Frieden im Baugewerbe wieder in Frage stellen. Der letzte Satz im Zirkular ist übrigens eine offenbare Aufforderung zum Verstoß gegen den Dresdener Schiedsspruch. Denn nach Wiederaufnahme der Arbeit sollen die örtlichen Verhandlungen beginnen und müssen diese bis spätestens den 15. Juli erledigt sein. In K o l ni a r in Posen scheinen die Arbeitgeber Rache üben zu wollen. Wie von dort gemeldet wird, sollen 10 bis 12 Mitglieder des Maurerverbandes nicht eingestellt werden. Falls sich diese Mitteilung bewahrheitet, so verstößt das ausdrücklich gegen den§ 4 des'.von beiden Parteien angenommenen Hauptvertrages, in welchem es heißt: „Maßregelungen gegen Mitglieder einer Organisation, nanient lieh Sperren einzelner Baustelle», dürfen nicht stattfinden. Dies gilt insbesondere aus Anlaß der Aussperrung und der Vcrtrags> Verhandlungen. Die Einstellung und die Entlassung von Arbeit nehmern steht im freien Ermesse» des einzelnen Arbeitgebers, wobei die Zugehörigkeit zu einer Organisation nicht in Betracht kommen darf."_ Berlin und llmgegend. Ein Erfolg der Fensterputzer. Die Fensterreimger beschäftigten sich in einer stark besuchten öffentlichen Versammlung mit der Aussperrung bei der Firma Rodewaldt. Lambrecht berichtete über die augenblickliche Situation. Lange genug seien die Kollegen bei obiger Firma zu frieden gewesen mit ihren nichts weniger als günstigen Lohn- und Arbeitsbedingungen. Herrschte doch bei dieser Firma sogar eine Art Trucksystem, indem die Arbeiter in einer Weise ausgezahlt wurden, daß sie moralisch gezwungen waren, einen Teil ihres Verdienstes in der Kneipe zu lassen. Besonders ausgebildet war dort das Akkordsystem, gegen welches die Arbeiter sich endlich zur Wehre setzten. Es wurde versucht, die Forderungen, die bei anderen Firmen schon längst erfüllt sind, auch bei Rodewaldt durch- zudrücken. Die Antwort war die Aussperrung des ganzen Personals. Von der Organisation wurde der Kampf aufgenommen und die Neu engagierten Kräfte wurden glücklich weggekappt. Sckion am Donnerstägmittag war der Inhaber der Firma sich darüber klar, baß er nicht glücklich operiert hatte und er sah sich veranlaßt, bei der Organisation wegen Verhandlungen anzufragen, die auch sofort cusgenommen wurden. Das Resultat war, daß die Firma einen Vertrag unterschrieb. sn dem unter anderm ein Anfangslohn von 24 M. steigend von 6 zu S Monaten um 1 M. bis zum Höchstlohne von 27 M. bewilligt ist. Aushilfsarbeiter erhalten einen Lohn von 4,50 M. Diese Löhne gelten ohne Abzug. Etwaige zurzeit bestehende günstigere Lohn- und Arbeitsbedingungen werden nicht geändert. Die Arbeitszeit he- ginnt morgens 6 Uhr und endet abends ö Uhr inklusive einer 1>/z stündigen Gesamtruhepause. Akkordarbeit wird von den Arbeitern nicht verlangt. Den Arbeitern wird nach einer BeschäftigungS- dauer von zwei Jahren«in Urlaub von drei Tagen gewährt. Der 1. Mai gilt als Feiertag, jedoch ist die auf diesen Tag fallende Arbeit entweder vorzuarbeiten oder nachzuholen. Der Arbeitsnachweis der Fensterputzer ist zunächst zu berücksichtigen. Maßregelungen finden nicht statt. Streitigketten werden zwischen der Firma und dem Ausschuß unter Hinzuziehung eines Vertreters des Transportarbeiterverbandes geregelt. Das sind die wesentlichsten Punkte des Tarifs, der vom 27. Juni 1910 bis zum 30. September 1911 abgeschlossen ist. Der Tarif gilt als auf ein Jahr verlängert, falls er nicht sechs Wochen vor Ablauf seitens einer der vertrag- schließenden Varteien gekündigt wird. Das ist ern Erfolg, der angesichts der Verhältnisse als befriedigend bezeichnet werden kann. Aber auch mit anderen Firmen wird in nächster Zeit betreffs Abschließung eines Vertrages in Verbindung getreten werden. Es wird auch nicht eher zur Ruhe kommen, als bis der Einheitstarif für das gesamte FensterreinigungS- und Messing- Putzergewerbe erzielt ist._ Achtung, Glaser! In Bromberg stehen sämtliche Glaser im Streik. Die Unternehmer lehnten es ab, mit dem Organisations- vorstand in Verhandlung zwecks Abschluß eineS Tarifvertrages zu treten. Zuzug ist fernzuhalten. Oeutkches Reich. Rabattmarken-Scharfmacher. In Stettin kämpfen bekanntlich die Bäckergehilfen einen scharfen Kampf gegen die Bäckerinnung. Bis Sonntag, den 19. Juni, hatten schon 31 Unternehmer die Forderungen anerkannt; jetzt kommt plötzlich der Stettiner Rabattsparverein und mischt sich in den Kampf. Die Bäckermeister kriegten ein originelles Schreiben zugestellt, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Bäckermeister durch die Be« willigung der Forderungen gegen die Satzungen des Rabatt- sparverein» verstoßen hätten und daß ihnen deswegen e i n Verweis zu erteilen sei. Dann wird von den Bäckern, damit sie nicht durch die ganze Bewegung in allererster Linie der Genossenschaftsbäckerei des Stettiner Konsumvereins helfen, verlangt, daß sie ihre Bewilligung der Arbeiterforderungen sofort zurückziehen. Die Geschichte erscheint einem so, als wenn durch den noch aus der BauarbeiterauSsperrung grassierenden Scharfmacher- klaps in Stettin gräßliche Nachwirkungen entstanden wären. Als nämlich die Bäckermeister sich aus dem Verweis nichts machten, kain folgender Erpresserbrief: Stettin , 15. Juni 1910. Herrn..... Groß-Stettin . Unsere»Aufforderung, Ihre Bewilligung an den Verband der Bäcker und Konditoren zurückzuziehen, haben Sie keine Folge ge- geben. Der Vorstand sieht sich darum veranlaßt, Sie nach Z 6 unserer Satzungen in eine Strafe von_ Kerantw." Redakt..: Richard Barth , Berlin . Inseratenteil vcrants.1 Reichsmark Einhundert zu nehmen, welche laut Geschäftsordnung in 14 Tagen an unsere Zentrale zu zahle» sind, andernfalls sie von unserem Rechtsanwalt eingezogen werden. Ihre Markenentnahme und damit auch Ausgabe ist bis zur Abwickelung dieser Angelegenheit gesperrt. Hochachtungsvoll Der Vorstand des Rabattsparvereins Stettin E. V. Franz Mielke. Gustav Sepke. ES erscheint unglaublich, was sich ein solches Rabattsparvereinchen alles erlaubt; eS stellt doch im Wirtschaflskörper weiter nichts dar, als eine Scbniarotzerexistenz, die auf Kosten der Konsumenten lebt. Hoffentlich nützt ihnen ihr Drohbrief nichts, die ausgeworfenr Strafe verstößt überdies auch gegen die guten Sitten. Und die Arbeiter sollen sich merken: Nie auf Rabattmarkenvergünstigungen hereinfallenl Einmal müssen sie ja doch alles zahlen und im besten Falle geben sie noch kleinen Scharfmachern Existenzmöglichkcit. Das Haupttarifamt im Malergewerbe, das auf Grund des Reichstarifvertrages für Entscheidungen von Berufungen und grundsätzlicher Streitfragen vorgesehen ist, wird zum ersten Male am Dienstag, den 28. d. M. in B e r l i n tagen. Als Schiedsrichter sind die Herren Magistratsrat v. Schulz, Ge- richtsdirektor Dr. Prenner und Geheimrat Wiedfeldt von den Parteien bestimmt. Die Organisationen als Vertragskontra- henten stellen 13 Vertreter, wovon 8 auf den Hauptverband Deut- scher Arbeitgeberverbände im Malergewerbe, 7 auf den Verband der Gehilfen tSitz Hamburg) und 1 Vertreter auf den Christlichen Zcntralverband entfallen. In Streitfällen, wo der Hirsch-Duncker- sche Gewerkverein der graphischen Berufe(Maler und Lackierer) beteiligt ist, kann dieser ebenfalls einen Vertreter beanspruchen; es tritt dann ein Vertreter der größeren Gehilfenorganisation zurück. Zur Verhandlung stehen 31 Berufungen und Beschwerden, die sich aus den bisherigen Entscheidungen der Orts- und Gautarif- amtsverhandlung über die Durchführung des Reichstarifvertrages mit seinen örtlichen Bestimmungen ergeben haben. Ueber die Auf- fassung des notwendigen Mehraufwandes, den die Gehilfen bei Arbeiten außerhalb des Tarifortes nach dem Reichstarifvertrag als Lohnzuschlag zu verlangen haben, liegen viele und gegensätz- liche Entscheidungen vor, die im besonderen von den Arbeitgebern bekämpft und angefochten werden. Einen besonderen Streitpunkt bildet der nicht besonders glücklich ausgefallene Schiedsspruch über den Ausglcichspfennig für das in Wegfall gekommene Fahrgeld bei Arbeiten innerhalb des Tarifortes. Zur Durchführung des Reichstarifvertrages haben sich bis jetzt 189 Ortstarifämter gebildet, davon sind 93 mit Gewerberich- tern, Rechtsräten usw. als unparteiische Richter besetzt. In den übrigen Ortstarifämtern liegt der Vorsitz in Händen eines Ar- beitgebers und nur in wenigen Fällen fungieren Gehilfen als Vorsitzend«. Haupttarifämter sind 7 eingerichtet, die alle mit un- parteiischen Richtern besetzt sind. Bis jetzt waren 321 Sitzungen in den Ortstarifämtern und 18 Sitzungen in den Gautarifämtern nötig. Die bisherige Geschäftsordnung, die die Parteien für den Normaltarifvertrag im Jahre 1908 vereinbart und auch für den Reichstarifvertrag als gültig erklärt haben, erwies sich als unzu- länglich und soll vor dem Haupttarisamt unter Mitwirkung der drei Unparteiischen eine neue Geschäftsordnung ausgearbeitet werden, die dann für«Le Tarifinstanzen Gültigkeit haben soll. Die Verhandlungen vor dem Haupttarifamte dürften daher einige Tage Zeit in Anspruch nehmen. Die Schaffner und Führer der Hamburg -Altonaer Zentral- babn, einer Straßenbahn, die zwei sehr frequentierte und unge- mein ertragreiche Straßenbahnlinien von Hamburg-Borgfelde durch das Zentrum von Hamburg nach Altona -Ottensen unterhält, sind Sonnabend morgen wegen Maßregelung von 9 Kollegen sämtlich in den Ausstand getreten. Es verkehren nur 5 Wagen, die von Kontrolleuren bedient werden._ „Christliche" Arbeitergelder verpulvert. Vor dem Schöffengericht zu Saarbrücken sollte am 22. Juni ein interessanter Beleidigungsprozeß verhandelt werden, in dem über die Geschäftsführung einiger„christlicher" Generalsekretäre an der Saar der Schleier gelüftet und der Oeffentllichkeit Einblick in diese„Musterorganisation" gewährt werden sollte. Es ist jedoch anders gekommen, denn in letzter Stunde hatten Privatkläger und .widerkläger Klage und Widerklage zurückgezogen, und unter dem Mantel der„christlichen" Nächstenliebe sollen nun die beiderseitig erhobenen, ungeheuerlichen Anschuldigungen begraben werden. Privatkläger war der frühere Gärtnergehilfe W. Gutsche, von 1905 bis 1908 Generalsekretär im Gewerkverein„christlicher" Bergarbeiter und jetzt Sekretär im Eisenbahner-Verbande„Sitz Elberfeld " gegen den Verleger F. Hilgcr zu Sulzbach -Saar , der Gutsche in seinem Blatt öffentlich vorgeworfen hatte, er habe die Gelder der„christlichen" Arbeiter verschleudert, habe Zechgelage von Gewerkschaftsgeldern gedeckt usw. Gutsche drehte den Spieß um, warf Hilger vor, daß er durch Unfähigkeit und Vernachlässigung des Geschäftes die Gelder der„christlichen" Gewerkschaftler verpulvert habe, worauf Klage und Widerklage erfolgte und was in dem Pro- zeß bewiesen werden sollte. Diesen Klagen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr« 1908 verfielen die„christlichen" Generalsekretäre Hüskes , Gutsche, Koster, WerneruS und der damals abgemusterte „Chefredakteur" M e u r e r von der„Saarpost" auf den genialen Gedanken, neben der„Saarpost", die als Ilblagestätte für die Schimpfartikel„Sitz München-Gladbach" unter den katholischen Arheitern dient, noch ein„christlich-nationales" Tageblatt für die evangelischen M.-Gladbacher zu gründen, weil die nationalliberale Presse ihre Spalten den M.-Gladbacher Schimpfaposteln nicht öffnet«. ES wurde eine„Gutenberggenoffenschaft" m. b. H. gegründet, welche den Verlag dieses Tageblattes übernehmen und den Ertrag desselben einstecken sollte. Die Genossenschaft bildete sich meist aus Vertrauensleuten und Mitgliedern deS„christlichen" Gewerkvereins, die teils durch Einzahlen von Barbeträgen, teVs durch Uebernahme von Bürgschaft Mitglieder wurden, und trotzdem noch in letzter Stunde von M.-Gladbach gebremst wurde, trotzdem die Wichtigkeiten Stegerwald und Effert im Saarrepier erschienen, um im Zentrumsintereffe den Plan zu vereiteln, Effert und M eurer sich dabei noch die Augen blau geschlagen haben, erschien das Blatt dennoch und unter einer so„neutralen" Zusammensetzung, wie sie Wohl nie im Reiche zu finden war. Herr Hilger, Verleger des damails vor dem Bankrott stehenden Sulzbacher Tageblatt", ein waschechter Nationallibcraler und Kulturkämpfer, wurde Firmen- träger und Geschäftsführer, Herr Meurer„Chefredakteur", ein Henerici vom evangelischen Flügel Sitz M.-Gladbach Sitzredakteur und viele andere„Größen' hervorragende Mitarbeiter. Unter dieser Konstellation und unter den Auspizien, unter denen e» ins Leben trat, trug es gleich bei seiner Geburt den TodeSkeim in sich und mußte sein Erscheinen schon nach kurzer Zeit einstellen und die Mitglieder der Gutenberggenossenschlist hatten ihr eingezahltes Geld verloren, darunter Koster mit 8000 M. Der Zusammenbruch wäre jedenfalls nicht so schnell, wahrscheinlich auch nicht so empfindlich gekommen, hätte M.-Gladbach nicht im Zentrumsinteresse die sämt- lichen Gründer versetzt, während ihre Nachfoilger sich um das Blatt nicht kümmern dursten. Nach dem Eingang des Blattes tauchten dann Gerüchte auf, aus denen sich diese Klage enftpannen, und die noch den Staatsanwalt beschäftigen, der sich der Sache angenommen haben soll. ES wird behauptet, daß in geradezu unverantwortlicher Weise gewirtschaftet worden sei, daß in einer Woche 800 M. für Porto gebucht, daß die Wein- und Zechgelage Gutsches und anderer ebenfalls auf daS Konto Porto gebucht worden seien usw. Dem Personal sei man den Lohn schuldig geblieben, so habe ein Schreibmaschinenfräulein heute noch eine Forderung von 80 M. an den„christlichen" Per- lag, mit der sie von einem Sekretär wie vom andern abgewiesen wird. Haben die beiden Herren ihre Klagen auch zurückgezogen, um der Oeftentlichkeit keinen Einblick in ihre„christliche" Geschäfts» führung zu geben, so wird die Staatsanwaltschaft das jedenfalls um so gründlicher nachholen und den Schleier nicht nur lüpfen, sondern ganz herunterreißen., Huslanck. Erfolg des Bauarbeiierstreiks in Kristiania. Der Streik im Baugewerbe von Kristiania ist am Dienstag nach siebcnwöchiger Dauer zum Abschluß gekommen. Das Ergeb- nis sind Lohnerhöhungen von 10—20 Proz. in den verschiedenen Bauberufen. Alle Forderungen der Unternehmer auf Verlänge» rung der Arbeitszeit und Verringerung der Löhne sind gefallen. Die Arbeitgeber haben in allen acht Berufen, die am Streik be- teiligt waren, die neuen Tarifverträge gutgeheißen. Auf Arbeit- nehmerscite haben die Bauhilfsarbeiter und die Rohrleger die neuen Tarifverträge abgelehnt, weil ihnen die Lohnerhöhungen nicht ausreichend erscheinen, während die übrigen sechs Berufs- gruppen sich' mit ihren Tarifen einverstanden erklärten. Die Landesorganisation hat die Entscheidung für die Annahme der Tarife in allen Bauberufen getroffen, so daß die Arbeit auf der ganzen Linie wieder aufgenommen wird. Während des Streiks, der über 2000 Mann umfaßte, wurden rund 120 000 Kronen Streik. Unterstützung gezahlt._____ Soziales» Vom Strafgesetz gegen das Gesinde und die ländlichen Arbeiter. Das Gesetz vom 24. April 1854, betreffend die Dienstvergehen des Gesindes und der ländlichen Arbeiter, sollte die Arbeiterfrau Pitzer übertreten haben. Das Schöffengericht verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 5 M., weil sie ihre Dienste, zu denen sie auf dem Gute des Pfarrpächters Schreiber verpflichtet gewesen sei, be. harrlich verweigert habe. Die Angeklagte legte Berufung ein bei der Strafkammer in Greifswald und machte geltend, daß es sich um die Zeit zwischen dem 18. und 4. Tage vor ihrer Entbindung ge- handelt habe. Sie hätte in dieser Zeit der hohen Schwangerschaft die von ihr verlangte Arbeit des Kartoffelaufnehmens(Kartoffel» buddelns) nicht den ganzen Tag über ausführen können. Die Straf- kammer verwarf jedoch die Berufung und führte aus: Die An- geklagte falle unter§ 2 c des angewandten Gesetzes, wonach die Strafbestimmung gegen widerspenstiges oder vertragbrüchiges Ge- finde auch anwendbar sei gegen Jnstleute, herrschaftliche Tagelöhner. Einlieger, Kathenleute und dergleichen. Ihr Ehemann sei bei Schreiber als Arbeiter eingetreten gewesen und habe für die Zeit vom 27. April bis zum 27. Oktober 1909 von ihm gegen nur 7 M. eine Kathenwohnung gemietet gehabt, mit der Verpflichtung seiner Ehefrau, für den ortsüblichen Tagelohn bei Schreiber zu arbeiten, Die Frau sei auch in den Vertrag eingetreten, indem sie die Arbeiten für Schreiber gemacht habe, und zwar selbst dann noch, nachdem ihr Mann wegen Mitzhelligkeiten mit Schreiber aus dessen Dienst aus- geschieden sei und bei dem Oberamtmann in Hohenwarth gearbeitet habe. Das vorzeitige Ausscheiden ihres Mannes habe ihre Ver- pflichtung nicht aufgehoben. Nun zur Frage, ob ein Grund vor« gelegen habe, der die Angeklagte berechttgt hätte, die Arbeit zu ver» weigern. Es sei der Angeklagten ohne weiteres zuzugeben, daß da» Kartoffelaufnehmen, falls es in der von ihr geschilderten Art sich» vollzog, keine Arbeit für eine hochschwangere Frau in de» letzt«» 18 Tagen vor ihrer Entbindung sei. Die Angeklagte hätte jedoch nicht von vornherein wissen können, daß sie gerade alle von ihr ge- schilderten Arbeitshandlungen vornehmen mußte. Sie hätte damit rechnen müssen, daß Schreiber, sobald er von ihrem Zustand Kennt- nis erhielt, sie entweder wieder nach Haus« schicken oder ihr leichtere Arbeit unter Gewährung von Ruhepausen zuweisen würde. Den» zu gänzlicher Untätigkeit habe sie ihr Zustand nicht gezwungen� da sie ja zur selben Zeit ihrem Ehemanne auf Hohenwarth geholfen habe, ivenn auch nach ihrer Behauptung nur zwei Stunden vor- mittags und drei Stunden nachmittags nach Belieben. Wenn ihr allerdings ihr Dienstherr Schreiber dieselbe Art und Dauer der Arbeit, wie den anderen Arbeitern zugemutet hätte, dann hätte sie mit Recht die Arbeit verweigern dürfen. Ehe sie jedoch nicht be- stimmt wußte, was von ihr verlangt werden" würde, durste sie sich! nicht weigern, zum Dienst zu kommen. UebrigenS habe sie dem Ab- gesandten Schreibers gegenüber andere Gründe ihres NichtkommenS angegeben und nur einmal zum Vorarbeiter gesagt, sie könne nicht mehr arbeiten. DieS sei aber zu flüchtig und unbestimmt gewesen,, als daß der Vorarbeiter damit den Auftrag erhalten haben sollte, dem Dienstherrn mitzuteilen, daß sie wegen vorgerückter Schwanger, schaft nicht zur Arbeit kommen könne.> In der gegen dies Urteil eingelegten Revisto» wurde n. a, geltend gemacht: DaS Landgericht gebe selbst zu, daß die der An- geklagten angesonnene Arbett nach Art und Beschaffenheit, wenn sie dauernd gemacht werden solle, keine Arbeit für eine hochschwangere Frau in den letzten 18 Tagen vor der Entbindung sei. ES erschein« dann aber die RechtSauffassung willkürlich und unzutreffend, daß die Frau trotzdem verpflichtet gewesen sei, sich zu solcher Arbeit ein» zustellen und es der Weisheit und Gnade des Arbeitgebers anheim- zustellen, ob ihre und des noch ungeborenen Kindes Gesundheit und Leben gefährdet sei und ob die Arbett ausnahmsweise von ihr nur mit den bor solcher Gefahr sichernden Einschränkungen und BvrsichtS, maßregeln zu fordern sei. Wenn ihr das Recht zugestanden habe, mit solchen Arbeiten verschont zu bleiben, so wäre sie auch berech, tigt gewesen, von solchen Arbeiten fernzubleiben. Habe sie aber durch das Fernbleiben keine Dienstpflichten verletzt, dann könne ihr aus einer unsachgemäßen Begründung ihrer Weigerung kein Vor, wurf gemacht werden. DaS Kammergericht verwarf am Montag die Revision als un- begründet. Sie scheitere an den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, welches übrigens zu dem Schluß komme, daß der wahre Grund der Weigerung die Unlust gewesen sei, für Schreiber noch zu arbeiten. — Was den Vertrag angehe, so sei dessen Auslegung tat- sächlicher Natur. Ein Dienstverttag sei keine Rechtsnorm. Wann endlich wird das Ausnahmegesetz gegen das Gesinhe fallen, das zu so empörenden Zuständen führt? letzte JVachnchtcn und Depelcben. Zum Tode verurteilt. Stettin , 25. Juni. (B. H. ) Im Mordprozeh gegen die Ge, brüder Franz und Karl Schmidt aus Königsfelde wegen Ermordung eine? Gendarms verurteilte das Schwur, ge r i ch t den elfteren znm Tode, den letzteren zu 2 Jahren Gefäng- nis. Franz Schmidt hatte am 29. November 1909 den Gendarmen Wittif aus Neuwarp , der ihn zwecks einer Strafverbüßung ver- haften wollte, erschossen. Sein Bruder Karl sollte dabei mitgewirkt haben, doch nahmen die Geschworenen bei ihm nur Widerstand gegen die Staatsgewalt an. Zum Erdbeben in Algier . Algier , 25. Juni. (B. H. ) Das gestrige Erdbeben hat in verschiedenen Ortschaften großen Schaden angerichtet und auch eine Anzahl Menschenleben gefordert. In Anmale wurden 12 Eingeborene getötet, viele andere sind verletzt worden. Eine große Panik hat sich der Eingeborenen des ganzen Gebietes bemächtigt. Sie haben ihre Wohnungen verlassen und wollen nur noch unter Zelten wohnen.(Siehe auch unter„Vermischtes".) |H,Glide, Berlin . Drück».vertag: Vorwärts Buchdr. u. vkrlagsanstqv tzaul Singer& Cy., Berlin SW, Hierzu 5 Bellogen,
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