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buken, welche als Staatszeugen ihre Mitschuldigen belasten, sondern auch, und zwar in noch viel höherem Matze, gegen verbrecherische Millionäre und kapitalmächtige Gesellschaften. Vorläufig halten sich die Eisenbahnen für den ihnen durch den Verzicht auf die Erhöhung der Frachttarife erwachsenden Ein. nahmeausfall anderweitig schadlos. Aus sreien Stricken traten der zwischen der Regierung und den LL beklagten Eisenbahnen getroffenen Vereinbarung auch die östlichen Bahnen bei. Eine von diesen zeigte, wie sich auch bei den gleichen Fracht- und Personen- tarifen höhere Einnähmen erzielen lassen. Die New Dork, New Häven and Hartforfc-Bahn bringt nämlich für die Berechnung der Zahrkartenpreise zwischen den einzelnen Stationen g r ö tz e r e Entfernungen als bisher in Ansatz. Und was den Passagieren recht, das ist den Frachtgütern selbstverständlich billig. Sicherlich findet das Beispiel Nachahmung. Uebrigens enthält das zwischen Taft und den Bahnen einge» gangene Abkommen keine Bestimmung über die Klassifizierung der Fracht. Den Kassen der Eisenbahnen, wie den Geldbeuteln der Frachtsender kann es herzlich gleichgültig sein, ob die Frachtsätze durch die Erhöhung der Tarife für einzelne Klassen von Gütern oder durch die Verweisung von Waren aus einer niedrigeren in eine höhere Klasse verteuert werden. Nun ficht allerdings der Eisenbahngesetzentwurf in der vom Senat befchlofsenen Fassung vor. datz die Bundes-Verkehrskom- missjon befugt sein soll, die Klassisizierung der Frachtgüter zu über. wachen. Aber da. die Beschlüsse der beiden Häuser des Kongresses voneinander abweichen, so müssen weitere Verhandlungen, zunächst in der aus Vertretern deS Senats und deS Repräsentantenhauses bestehendenConference" geführt werden. Was dabei heraus- kommt, wird eher alles andere sein als ein Gesetz, das den Eisen» bahnen wehe tut. So lange die Ausgabe der Eisenbahn-Aktien und-Bonds nicht der Bundeskontrolle unterliegt, steht die Regierung in Washington dem Wucher, der durch die Erhöhung der Personen, und Fracht- tarife getrieben wird, tatsächlich ohnmächtig gegenüber. Eine auch für unsere Machthaber sütze Ohnmacht! So brauchen sie den Bahnen nicht im Ernste zu nahe zu treten. Denn wohlgemerkt: das gegen L5 Bahnen angestrengte, inzwischen wieder eingestellte Verfahren richtete sich nur gegen die strafbare Verabredung zum Zwecke der Ausschaltung der freien Konkurrenz, nicht aber gegen die Höhe der verabredeten Frachtsätze. Nach zahlreichen gericht- lichen Entscheidungen haben die im Privatbesitz befindlichen so- genanntenöffentlichen" Betriebe, zu denen auch die Eisenbahnen gehören, Anspruch auf einenangemessenen"(t-ur) Gewinn. Der­selbe wurde noch niemals niedriger als auf sechs Prozent des Aktienkapitals festgesetzt. Die in dem ursprünglichen Entwurf des Eisenbahngesetzes enthaltene Bestimmung, nach welcher die Aus« gäbe von Aktien und Bonds der Bahngesellschaften der Kontrolle der Bundes-Verkehrs-Kommission unterstellt wird, ist schon abgelehnt und hat auch nicht die geringste Aussicht aus nachträgliche Annahme. Unsere Bahnen brauchen nur ihr Kapital weiter zu verwässern, g. B. an ihre Aktionäre neue Aktien zu verschenken, und sie können Frcktbt- und Personentarife unter allen Umständen erhöhen. In der Steigerung der Passagiersätze haben sie in den letzten Tagen ganz Erkleckliches geleistet, ohne datz eine Behörde sich darum ge. kümmert hätte. Und dabei weisen die Berichte auch derjenigen Bahnen, welche ihrem Personal schon höhere Bezüge zahlten, für die ersten vier Monate deS laufenden Jahres pro Meile Gleise einen höheren Reingewinn auf als jemals seit 1897. Die Lohn- erhöhungen mutzten bekanntlich den Vorwand zur Steigerung der Fracht- und Passagiersätze abgeben. Bus der Partei. Di« sozialdemokratische Bewegung i» den russischen Ostsee - Provinzen. Die Duma nahm in einer ihrer letzten Sitzungen die Inter­pellation über die Regierungsgreuel in den Ostseeprovinzen an, die die sozialdemokratische Fraktion vor mehr als zwei Jahren in der Duma eingebracht hatte. Weder der Widerstand der baltischen Junker, noch die Verschleppungstaktik der Oktrobisten konnte es verhindern, datz die wuchtige Anklage der Sozialdemokraten gegen die RegierungSbanditen selbst in dzr dritten Duma als genügend begründet angesehen wurde. Die Annahme dieser Interpellation weckt die Erinnerung an den fluchwürdigen Leiter der Strafexpedition, General Orlofs, der die Ostseeprovinzen im Jahre 190« mit seinen Hunnen über« schwemmte und das blühende Land in einen Trümmerhaufen ver- wandelte. Einer der feigsten und unfähigsten Generale im japa« nischen Krieg, der die Niederlagen zum guten Teil mitverschuldete, suchte General Orloff kriegerische Lorbeeren im Kampfe gegen das eigene Volt zu erbeuten. Rauchende Trümmerhaufen, Hunderte von Leichen, geschändete Frauen, vernichtete Existenzen zeigten den Weg, den er nahm, und die Kriegs- und Feldgerichte, die Folter- kaminern in Städten und Dörfern, die freiwilligen Schergendienste der baltisch-deulschen Junker vervollständigten das Bild der gewalt- samen Unterdrückung der Volksbewegung.Wo mein Fuß hin- tritt," rief General Orloff aus,wird der Aufruhr nicht wieder erstehen!" Kurze Zeit schien es in der Tat, als ob sich dieses Programm" verwirklichen sollte. Die sozialdemokratischen Orga» nisationen in den Dörfern waren vernichtet, die städtischen Orga- nisationen outzerordentlich geschwächt, die Krise und Arbeitslosig- keil schufen in den Arbeiterkreisen eine gedrückte Stimmung, und das Kleinbürgertum und Bauerntum schwenkten von der Sozial- demokratie völlig ab und überhäuften sie mit den ärgsten Schmähungen. Aber die sozialdemokratische»Bewegung als solche, die Bewegung des klafienbewutzten Teiles des städtischen und länd- lichen Proletariats, konnte weder durch die Maschinengewehre General Orloffs, noch durch die Kriegsgerichte und Zuchthausgesetze der Regierung Stolypins aus der Welt geschafft werden. Uner- müdlich und unverdrossen setzten unsere Genossen ihre werbende, aufklärende Arbeit fort und an Stelle der vernichteten Organisa- tionen traten bald neue in den Kampf. Die lettische Sozialdemokratie schreibt diePrawda" hat alle Schrecken der wahnsinnigen Reaktion durchlebt und kann jetzt auf eine angestrengte organisatorische und agitatorische Arbeit zu- rückschauen. Wie eine böse Ironie über die Reaktion klingen die bekannten Worte General Orloffs. Die Sozialdemokratie Lett- lands zählt jetzt 3500 klassenbewutzte Arbeiter in ihren Reihen. Ihr Einflutz nimmt wieder mit jedem Tage zu. An Stelle der verbrannten Bauernhöfe sind sozialdemokratische Organisationen des ländlichen Proletariats erstanden, die mehr als 1800 Mitglieder in ihren Reihen zählen. In den letzten Monaten sind die Ver- bindungen mit allen sozialdemokratischen Organisationen Lettlands wiederhergestellt worden. Das Zentralkomitee nimmt seine litera- rische Tätigkeit wieder auf. Bis Anfang 1909 gab das Zentral» komitee sein OrganZihna"(Der Kampf), von dem 100 Nummern erschienen sind, illegal in Rutzland heraus. Infolge zahlreicher Verhaftungen mutzte das Organ mehrfach eingestellt werden, aber unsere lettischen Genossen klammerten sich an die kleinste Möglich- ieit, eine weitere Herausgabe zu ermöglichen. Gegenwärtig wird das Organ im Auslande herausgegeben werden, und dieZihna" wird wieder ihre Stimme erheben, die daö sozialdemokratische Be- wutztsein und die Kampfbereitschaft in die Arbeitermassen trägt. Zu gleicher Zeit, wo unsere lettischen Genossen ihre illegalen Orga- nisationen erneuerten, umbauten und festigten, ließen sie auch alle möglichen legalen Formen der Massenorganisation Geiverk- Schäften, Genossenschaften, Klubs, Bildungsvereine usw. nick, autzer acht. Blotz in Riga sind sechs Gewerkschaften tätig, die Ende 1909 mehr als 2300 Mitglieder zählten(1908 nur 340). Neben den Gewerkschaften sind drei Arbeitergenossenschaften tätig, die Ende 1909 690 Mitglieder zählten. Mehr oder weniger unter dem Einflutz der Arbeiter stehen zwei andere Konsumvereine, deren Mitglicderzahl sich auf 1043 beläuft. Interessant ist der Kamps nm den Einflutz auf die Genossenschaftsbewegung, der zwischen den Sozialdemokraten lind dm kleinbürgerlichen Elementen geführt wird. Das Kleinbürgertum sucht, nachdem es sich von den Schlägen der Reaktion erholt hat, ökonomische Rettung in den Genossen- schaftm. Es hat den sogenanntenVerband der Genossenschaftler" gegründet, der sich in den Händen kleinbürgerlicher Führer befindet und den Arbeitervereinen seine Leitung aufzudrängen sucht. In letzter Zeit kommen die Arbeitergenossenschaften immer mehr zu der Ueberzeugung, datz sie mit den Anhängern Schulze-Delitzschs, den Ideologen der Kleinbourgeoisie, nichts gemein haben, und treten darum aus dem Bestände desVerbandes" aus. Der Kamps der Sozialdemofratie ist vielseitiger geworden. Zu der Tätigkeit in den Geheimorganisationen und den legalen Vereinen ist der kommunale Kampf in Stadt und Land hinzu- gekommen. Ueberall, wo nur die geringste Möglichkeit besteht, tritt die Sozialdemokratie Lettlands bei den Wahlen für die Stadtver- ordnetenversammlungen und die Gemeindeverwaltungen auf dem flachen Lande hervor. In den Dörfern ist es vielerorts gelungen, die sozialdemokratischen Kandidaten durchzubringen, was von dem wachsenden Einflutz der Sozialdemokratie auf das ländliche Prole- tariat Zeugnis ablegt. Auf den zurückgelegten Weg des unermüdlichen Kampfes zu- rückschauend, können unsere lettischen Genossen die besten Hoff- nungen für die Zukunft hegen. Die Parteitätigkeit hat sich ver- tieft, ihre Basis ist breiter geworden, die Selbsttätigkeit der Massen ist im Steigen begriffen, und die Partei nimmt immer mehr einen wirklich proletarijchen Charakter an. Dieser Eintritt der Massen in die Bewegung, befreit unsere lettischen Genossen von den des- urgauisierenden Fraktionskämpfen. Die Einheit der praktischen Handlungen und taktischen Schritte, ungeachtet der Verschiedenheit der Anschauungen, hat bei der Wiederherstellung und Festigung der sozialdemokratischen Organisationen Lettlands unschätzbare Dienste geleistet. PoltreUicbes, Cäcricbtiichco Ufte. Freigesprochen wurde Genosse Marckwald-KönigSberg vor der dortigen Strafkammer von der Anklage der P o l i z e i b e l e i d i g u n g. Er sollte die Hochwohllöbliche durch die Kritik beleidigt haben, die er am 8. März im Stadtverordnetenkollegium zu Königsberg bei Begründung einer Interpellation wegen des Verfahrens der Polizei bei den Wahlrechtsdemonstrationen geübt hatte. DaS Gericht sprach ihn frei, da er in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt habe und nur, durch Zwischenrufe gestört, sich in der Erregung zu der Beleidigung habe hinreitzen lassen. frrni«od Schönebeck vor den Geschworenen. 17. Berhandlungstag(Sonnabend). In der gestrigen Verhandlung fiel die Art und Weise des In- quirierens in die Zeugin Neubauer auf. Während von konserva- tiver Seite und der Regierung geklagt wird, datz die Vernehmung von Zeugen von Angeklagten oder ihren Verteidigern dazu benutzt werde, Zeugen über Dinge ihres Privatlebens zu befragen, die mit der Anklage nicht das geringste zu tun haben, mutzte man eine ähnliche Art der Befragung durch denselben Vorsitzenden, der so peinlich fortdauernd darauf hinwirkt, die Militärs und wohl- habenden Familien, die durch Bekundungen blotzgestellt würden, nicht mit Namen zu nennen, gestern der Zeugin Neubauer gegen- über wahrnehmen. Es ist schlechterdings unerfindlich, was mit der Frage, ob Gäben gemordet und die Angeklagte ihn dazu angestiftet hat, die Frage zu tun haben soll, wo die Zeugin, die sich keineswegs als Jungfer ausgegeben, gewohnt hat, ob in einer Kuppelwohnung oder in einer anderen Wohnung. Fast noch peinlicher berührte die fortwährende Wiederholung von längst an die Zeugin gestellten und von ihr erledigten Fragen. Eigenartig berührte, datz unter den Personen, die sich in fast jedem Sensationsprozeh als Zeugen an- bieten, auch der Zeitungsberichterstatter Schweder befand. Und was war die Quintessenz seiner Aussage? Er hatte aus der An- zeige Privatlogis auf Tage, Wochen und Monate geschlossen, die so angezeigte Pension müsse eine Art Absteigequartier sein. Der Herr scheint Berliner Verhältnisse nur autzerordentlich oberflächlich zu kennen und ein lebhaftes Mitteilungsbedürfnis zu besitzen. Neulich hatte die vom Hauptmann Schloifcr-Charlottenburg ab- gegebene Erklärung, datz er und soviel er wisse, auch die militäri- scheu Mitzeugen, das Hereinziehen der Frau in seinen Prozetz durch Gäben aufs stärkste verurteilen, sympathisch berührt. Gestern wurde vom Hauptmann Deutelmoser eine dieser Angabe entgegen- stehende Erklärung abgegeben. Ueber die Verhandlung selbst bringen wir nachstehenden Bericht: Auf weiteres Befragen bekundet die Zeugin nochmals: Bei Fräulein v. Macks war ich vom 1. Februar bis 1. Mai. Sie ist eine alte Dame, gelähmt und brauchte eine wirtschaftliche Stütze. Staatsanwalt: Wie oft war Hauptmann v. Gäben 1907 in Berlin ? Verteidiger Rechtsanwalt Bahn: Ich bitte diese Frage nicht zuzulassen. Wir können doch nicht immer dieselben Fragen wiederholen. Vors.: Ich lehne die Frage nicht ab, ich wollte sie selbst stellen. Zeugin: Er war etwa 11 oder 12mal 1907 in Berlin. Verteidiger Rechtsnnwalt Bahn: Kannten Sie die An- geklagte vorher? Zeugin: Ich sah sie niemals. Die Verteidigung beantragt dann noch, die Akten über die Beleidigungsklage Neubauer wider Schöne vom Amtsgericht Berlin . Mitte herbeizuschaffen. Der Staatsanwalt beantragte, den Schöne als Zeugen zu laden. Nachdem noch mehere Zeugen, deren AuS- sagen wir unten wiedergeben, vernommen waren, teilt der Vor- sitzende mit, der Berichterstatter Schweder habe ihm mitgeteilt, er könne näheres bekunden. Er habe der Zeugin Neubauer gegen- über gewohnt. Auf Antrag des Staatsanwalts wird die Berneh- mung des Zeugen beschlossen. Derselbe bekundet: Die Zeugin wohnte mir gegenüber in der Hedemannstratze. Früher war ein Sanatorium im Hause. Dann erschien eines Tages eine An- kündigung: Privatlogis auf Tage, Wvchen und Monate. Ich nahm gleich an, datz es ein Kuppclquartier sei. Nach etwa vier Wochen wurde der grötzte Teil der Möbel abgeholt. Ich habe nachher noch zwei Damen und einen Herrn in der Wohnung gesehen. Ich glaube, die Portierfrau meines Hauses hat Anzeige erstattet. Die Frage, ob ich etwas Positives gesehen habe, daß in dem Hause eine Bordell- Wirtschaft war, kann ich nicht bejahen. Ich habe es nur aus der Ankündigung: Privatlogis auf Tage, Wochen und Monate ge- schloffen. Ich habe nur einige Tage Beobachtungen gemacht, und war dann mehrere Wochen verreist. Zeugin Neubauer wieder vor- gerufen und befragt, erklärt: Solange ich in der Wohnung war, ist sie als Absteigequartier nicht mißbraucht worden. Es wohnten dort.nur Herren, darunter ein Offizier, die niemals mit Damen Verkehr hatten. Die Verteidigung beantragt, den Offizier zu laden. Nach Aussprachen darüber, datz es doch völlig unerheblich sei, ob die Wohnung ein Absteigequartier war und ob die Zeugin ein sittenreiner Engel war, wird allseitig auf Ladung des Offiziers, deS Fräulein Macks und deS Zeugen Schöne verzichtet. Der frühere Bursche beim Major Schönebeck , Weinert, jetzt Fabrikarbeiter in Essen, bekundet: Bei Tisch war zwei oder drei- mal Streit. Der Major sagte, das Essen tauge nichts. Die Frau Major erwiderte, wenn es ihm nicht paßt, könne er ja inS Kasino gehen. Er aber bann doch immer. In den Zeiten, wo die Frau Major selbst kochte, hat ihrem Mann baS Effen immer sehr gut geschmeckt. Davon, datz die Angeklagte mit Burschen etwas zu tun hatte, und datz ein Bursche sich 750 Mark verdient habe, oder datz dahingehende Gerüchte liefen, weitz ich nichts. Die Angeklagte empfing öfters junge Herren im Gartenzimmer oder im Salon. Ob etwas weiteres vorgekommen ist, weitz ich nicht. Die Frau Major schlotz das Zimmer ab. Angekl.: Ich möchte dazu bemerken, toenv ich mich nachmittags hinlegte, habe ich die Nt.r HMu mix abgeschlossen. Auf Befragen erklärt der Zeuge: DaS ist richtig. Frau Marie Nowoczin war 1900 als Aushilfe bei der Familie von Schönebeck . Sie hat einmal gehört, datz der Major sehr aufgeregt mit dem Burschen sprach. Nachher hat er die Sache auch der Frau mitgeteilt. Diese war dann auch sehr aufgeregt. Um was es sich handelte, weitz sie aber nicht. Herrenbesuche hatte sie nicht bemerkt. Daß ein Taschenuch aus dem Fenster mit der Spitze in der Fenster- ecke eingeklemmt hing, hat sie gesehen. Was es für eine Be- wandtnis damit hatte, weitz sie nicht. Landrichter Krieger war als Untersuchungsrichter in der Sache tätig. Eine jetzt schwer nervöse und deshalb vernehmungsunfähige Zeugin hat, bekundet der Zeuge, ausgesagt: Die Angeklagte war sehr launenhaft, lebte wie ein grotzes Kind dahin, ohne jede Ueber- Icgung. Eines Tages fuhr sie ihr Töchterchen an:Was hast Du> für eine scheutzliche Nase!" Als das Kind weinend weglief, stürzte die Angeklagte hinterher und kützte es wie rasend ab. Einmal weinte und tobte die Angeklagte bei sich zu Hause. Sie raufte sich die Haare aus und erklärte schlietzlich, sie habe die Briefe ihrer verstorbenen Mutter gelesen und schrie dann weinend:Ich bin so unglücklich, daß ich ohne Mutter aufgewachsen bin, was war das für eine Frau." Die Konfrontation der Angeklagten mit Göben, erklärte der Zeuge, habe ich wegen des Gesundheitszustandes der Angeklagten nicht vorgenommen. Der Gesundheitszustand wurde immer bedenklicher, bis er in Geistesgestöriheit ausartete. Fräulein Neubauer wird nochmals vernommen. Sie wird von dem Vorsitzenden eingehend befragt, wo sie zuletzt in Stellung ge- Wesen ist. Sie erklärt: Ich war bis zum 1. Mai 1910 bei Fräu- lein von Macks als Gesellschafterin in Stellung. Bors.: Wo wohnten Sie zuletzt? Zeugin: Skalitzer Stratze 81 bei Frau Fischer. Vors.: Mit wem? Zeugin: Allein. Bors.: Doch wohl nicht. Zeugin: O ja. Bors.: Wohnten Sie nicht auch Hedemannstratze 6? Zeugin: Jawohl, vorher in einem Privat- logis. Vors.: DaS soll eine bekannte Kupplerin gehabt haben. Zeugin: Ich habe mich, als ich das erfuhr, sofort davon getrennt. Ich wohnte dort nur vier Wochen. Vors.: Für die Wohnung sollen 3000 M. Miete gezahlt sein. Zu welchem Zweck wurde denn die Wohnung benutzt? Zeugin: Als Pensionat. Vors.: Für Herren. Und wieviel Damen standen denn zur Verfügung? Zeugin: Gar keine. Vors.: Sie sind durch Beschlutz vom 30. Mai aus der Wohnung herausgesetzt worden. Zeugin: Ich habe den Mietskontrakt mit unterschrieben, der Beschlutz galt gegen jeden, der das getan hatte. Vors.: Weshalb haben Sie uns davon nicht? gesagt? Zeugin: Ich bin nicht danach gefragt worden. Bert. Rechtsanwalt Bahn: Sie ist in der Tat nicht danach gefragt wor- den, sie kann doch hier nicht alle ihre Berliner Wohnungen an- geben. Vors.: Aber ich wollte ihr Leben kennenlernen. Bert. Rechtsanwalt Bahn: Ich bitte, Fräulein von Macks als Zeugin zu laden, um zu beweisen, datz die Zeugin bei ihr als Gesellschafterin war. Zeugin Neubauer: Ich habe soeben die Handschrift des Briefes gesehen, den der Herr Vorsitzende in Händen hat. Der Brief stammt von einem Herrn Schöne. Ich habe gegen Herrn Schöne eine Privatbeleidigungsklage beim Amtsgericht Berlin- Mitte eingereicht. Hauptmann von Haeften, jetzt Generalstabsoffizier bei d«r Division in Erfurt , legt dar: von Göben hat in der Tat Schilde- rungen über die Schlacht am Spionskop, an der er nicht teilnahm, schriftlich und mündlich so gemacht, als ob er persönlich dagewesen wäre. Eine materielle Irreführung in dem Generalstabswerk liegt nicht vor, weil die Angaben auch auf anderen Berichten be» ruhen. Ich vermute, Göben hat die Angaben des Burenberichts, den wir hatten, und der ihm zur Verfügung gestellt war, sowie persönliche Mitteilungen des Generals Bolha benutzt und dann aus diesen Schilderungen eine Schilderung von Selbsterlebtem ge» macht. Wäre das herausgekommen, so wäre er sicher ein erledigter Mann gewesen. Er wäre dann nicht mehr in der Arme« möglich gewesen. Ich mache mir jetzt Vorwürfe darüber, datz ich nicht fest- gestellt hatte, ob von Göben am Spionskop gewesen sein kann. Da aber eine Persönlichkeit, wie er, mir sagte, er sei dagewesen, so kam mir gar nicht der Gedanke, daran zu zweifeln. Als ich Göben sagte, ich wollte ihn in den Einzelheften des Generalstabswerkes als meine Quelle anführen, bat er mich, seinen Namen wegzu» lassen. Ich nahm damals als Beweggrund Bescheidenheit an. Heute erscheint mir natürlich die Sache im anderen Licht. Datz Göben aus Hätz gegen England nach Afrika gegangen ist, glaube ich nicht. ES ist ihm bei den vielfachen Unterredungen, die wir hatten, nicht entfernt etwas von Hätz gegen die Engländer über die Lippen ge- kommen. Mir persönlich gab er als Motiv seines HinauSgehcns nach Südafrika eine Herzensangelegenheit mit einer verheiratete» Frau an. Wenn in den Personalbogen von einer Teilnahme Göbens an der Schlacht am Spionskop und wenn darin ferner von einer Verwundung in der Schlacht bei Tabanchu die Rede ist, so ist das objektiv unrichtig und kann m. E. nur auf Angaben GöbenS beruhen. Hierauf gab Hauptmann Deutelmoser folgende Erklärung ab: Ich schließe mich der Wahrnehmung deS Hauptmanns Haeften in jeder Beziehung an. Nun habe ich in den Zeitungen gelesen, daß Hauptmann a. D. Schleifer in meiner Abwesenheit hier eine Er- klärung abgegeben hat. Ich habe diese Erklärung selbst nicht mit angehört, kenne sie also nur aus der Presse. Aus der Fassung, die sie hatte, könnte man den Schluß ziehen, als ob die Freunde des verstorbenen Hauptmanns von Göben nach dem bisherigen Ergeb» nis der Beweisaufnahme entschlossen wären, das Andenken ihres Kameraden preiszugeben. Ich kann mir die Auffassung des Herrn Schleifer nur infofern zu eigen machen, als ich ebensowenig wie er daran denke, Handlungen, die verwerflicher Natur sind, auch nur mit einem Wort zu beschönigen. Herr von Göben aber hat die schwere Schuld, die er auf sich geladen hat, ebensoschwer gebüßt. Nach meiner Ueberzeugung ist die Mehrzahl seiner Freunde nicht gewillt, ihm ihr freundschaftliches Mitgefühl auch über daS Grab hinaus zu entziehen. Vors.: Ich habe diese Erklärung zugelassen. ebenso wie die Erklärung deS Hauptmanns Schleifer. Auf die Verlesung der Briefe der Frau von Göben wirb ver» zichtet, da die aus den Briefen gemachten Feststellungen hinreichen« Die Zeugenvernehmung ist geschlossen. Es wird zur* Entgegennahme der Gutachten geschritten, Professor Dr. Puppe legt dar, in welcher Weise Major von Schönebeck erschossen worden ist. Der Schußkanal geht in gerader Richtung horizontal von vorn nach hinten. Hauptmann von Göben war 177,5, Major von Schöne» bcck 173 Zentimeter groß. Wenn man hinzurechnet, daß GöbenS rechtes Bein IZ� Zentimeter länger war als das linke, so kommt man zu einer Größe von 176 gegen 173. Die Augen der beiden Männer lagen in derselben Höhe. Der Schuß ist, wie wir auS dem Zerstreuungskegel des verbrannten Pulvers er hatte einen Durchmesser von 30 32 Zentimeter festgestellt haben, in einer Entfernung von einem halben Meter ofrgescuert. Von Blutspuren war im Kopfkissen nichts zu finden. Der Schutz kann nicht im Bett abgegeben sein, vielmehr ist die Darstellung, wie sie Göben gibt, dem objektiven Befund entsprechend. Datz der Major nicht nach vorn, sondern hinten über gestürzt ist, ist sehr wohl möglich, wenn» gleich in der Regel Kopfschüsse zur Folge haben, datz der Ge» troffene vornüber stürzt. Ich halte es für ausgeschlossen, datz der Major im Bett getötet worden ist und sich dann«n die Stelle ge, schleppt hat. wo er gefunden wurde. Er ist vielmehr dort geschossen. wo er gefunden ist. GerichtSarzt Privatdozent Dr. Strauß bekundet: Die Angeklagte war im Charlottenburger Amtsgerichts- gefängniS schwer hysterisch. Auf Nadelstiche reagierte sie fast nicht. Der Puls war sehr hoch. Die Gesundheit wäre durch die Fortdauer der Hast gefährdet, deshalb habe ich sie für hastunfähig erklären müssen. Die Fortsetzung der Verhandlung wird auf Montag, 9H Uhr, anberaumt. Es sollen da die Sachverständigen sich über den Geisteszustand der Angeklagten und des Hauptmann» Von Göben äubero.