Uno ootlteflt, auch bei den Strafhandlungen mitgewirkt haben, daß aber eine kraiikhafte Störung der GcisteStätigkeit im Sinne des A 51 des Strafgesetzbuchs ebensowenig wie ein Zustand der Bcwußtlosig keit vorgelegen habe. Ob das Gutachten auf Grund der Ergeb nisse der dreiwöchentlichen Verhandlung ebenso lauten würde, erscheint recht zweifelhaft. Aus dem Gutachten interessiert die Dar- legung über den Grad der Intelligenz der Angeklagten. Danach hat die Jntelligenzprüsung ein ziemlich dürftiges positives Wissen der Angeklagten ergeben. Friedrich der Große soll nach ihren Angaben un- oefähr um 1600 gelebt haben. Den Unterschied von Reichstag und Landtag kannte sie nicht. Ihre Kenntnisse im Rechnen waren recht dürstige. Ueber die militärischen Verhältnisse war sie aber, wie das Gutachten sagt, ausreichend informiert. Nach einer weiteren, uns telegraphisch zugegangenen Meldung sind die Sachverständigen einstimmig der Ueberzeugung, daß am heutigen Freitag an eine Fortsetzung der Verhandlung gar nicht zu denken ist. Das Gericht wird voraussichtlich noch einmal am Sonnabendvormittag und vielleicht sogar auch noch am Spät» -nachmittag als letzten Termin zusammentreten, l>a man die vier» wöchentliche Arbeit nicht umsonst geleistet haben will. Aber es kann sich nach dem Gesundheitszustand der angeklagten Frau Weber dabei lediglich nur um eine Formsache handeln, und an eine Durch- führung deS Prozesses bis zum Urteil ist nicht zu denken. Em der Partei. polizeiliches,©ericbtilches ufw. Die TerroriSmuSliige von Freiberg . An der Hand einer Erklärung des Genossen Bielegk»Frei. berg haben wir in der Dienstagnummer die Terrorismuslüge ge- kennzeichnet, die unter der Stichmarke„Von den Genossen in den Tod getrieben" durch die bürgerliche Presse geht. .Darin wird u. a. auch behauptet, der Beamte G r ä s s e r. der Selbstmord beging, sei der einzige Beamte der Freiberger Orts« krankenkasse geweien, der sich nicht zur Sozialdemokratie bekannte. Deshalb sei er„zum Selbstmord getrieben worden". Der„Frei- bcrger Volkszeitung" ging nun von den anderen Beamten der Ortskrankenkasse eine Berichtigung zu, die wohl «in für allemal die Verleumdungen zum Schweigen bringen müßte. ES wir darin von vier Jnncnbeamten dagegen protestiert, daß sie der Sozialdemokratie angehören. Sie wiesen diese„Verdächtigung" entrüstet zurück; ferner protestierten sie dagegen, daß Grässer mit Arbeiten überbürdet gewesen sei. Die Beamten bekunden weiter, haß entgegen der Bekundung bürgerlicher Blätter kein Be- amter vor seiner Anstellung nach seiner poli- tischen Gesinnung gefragt worden sei. Außerdem Wird noch bekannt, daß Grässer Mitglied des auf dem Boden, der modernen Arbeiterbewegung stehenden Verbandes der Kranken- kassenangestellten war._ Der Rückzug des Pfarrers. ' Vor der Strafkammer in Brandenburg , als Berufungs- Znstanz, kam am Dienstag eine Privatklage zur Verhandlung, die unser Parteigenosse Uhrmacher Hoffmann auS Päwesin gegen den in demselben Orte amtierenden Pfarrer von Bruch an- gestrengt hatte. Zwischen dem Genossen H. und dem Pfarrer be- steht feit längerer Zeit ein gespanntes Verhältnis, dessen Ursprung darin zu suchen ist. daß bei einer persönlichen Auseinandersetzung H. dem Pfarrer gegenüber sich als Soziald mokrat bekannte. Acrtd danach erschien die Tochter des Pfarrers bei H. und übergab ihm im Auftrage ihres Vaters eine Nummer der„Täglichen Rund- s-chau", in der behauptet war, in der Stadtverwaltung von Mül- hausen wäre eineargeKorruptionauSgebrochennnd der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Emme! wäre als Betrüger entlarvt worden. Für die Zusendung revanchierte sich H. dadurch, daß er dem Pfarrer «ine Nummer der„Berliner VolkSzeitung" zusandte, in der er -inen Artikel über die Mielczyner Kindermißhandlungen mit der Randbemerkung„christlich« Pädagogen" versah. Der Pfarrer schickte das Blatt mit einigen beleidigenden Bemerkungen zurück. Zwei Monate später nahm der Pfarrer eine Gelegenheit wahr, den Ge» nassen H. öffentlich gröblich zu beschimpfen, indem er ihm Alegeleien und Gemeinheiten vorwarf. Dabei sprach ar den Wunsch aus, daß H. ihn verklagen möge. Vor Gericht würde er die Flegeleien Hoffmanns aufdecken. Diesem Wunsche kam H. nach. Das Brandenburger Schöffengericht, bei dem der Beklagte Widerklage erhoben hatte, sprach den Pfarrer frei, verur- teilte aber den Genossen Hoffmann zu 40 Mark Geldstrafe und außerdem zur Tragung sämtlicher Kosten. Nach der Urteilsbegründung wollte der Pfarrer H. nur freund- schaftlich belehren, H. dagegen habe den Pfarrer schwer beleidigt.— In der Berufungsverhandlung riet der Vorsitzende nach der Vernehmung des Pfarrers diesem zu einem Vergleich, denn das Urteil des Schöffengerichts fei nicht haltbar. ES ent. spräche nicht seinem Rechtsempfinden.— Nach längerer verhand- lung kam ein Vergleich zustande, in dem Pastor von Bruch erklärte, er bedauere die Worte, die er zu dem Privatkläger ge- braucht habe, Hoffmann gab die Erklärung ab, daß es nicht feine Absicht gewesen sei, den Pastor von Bruch durch die Zusendung der Volkszeitung zu beleidigen Die Kosten des Verfahrens über- nahm der Pastor. Der Ausgang des interessanten Streites wird dem Herrn Pfarrer von Bruch wohl darüber belehrt haben, daß es manchmal unangenehm werden kann, wenn man Sozialdemokraten mit Reichsverbandslügen traktiert._ Der Polizeispitzel. Im November fand in Magdeburg eine öffentliche Agitationsversammlung der Schmiede statt. Da die Versammlung sich nicht mit posttischen Dingen beschäftigen sollte, wurde natürlich auch von einer polizeilichen Anmeldung abgesehen. Es fand sich aber zu der Versammlung ein Polizeispitzel ein, der der Polizei einen Bericht über die Rede des Referenten, Genossen Kaulfuß, Gauleiter der Schmiede, lieferte. Nach diesem Bericht hatte Kaulfuß eine hochpolitische Rede gehalten. weswegen er und der Versammlungsleiter von der Polizei mit Strafmandaten bedacht wurden. Sie erhoben dagegen Einspruch und bestritten die Richtigkeit des Protokoll» des Polizeispitzels. Das Schöffengericht Magdeburg vertagte infolgedessen die Verhandlung, uin vom Polizeipräsidenten die Genehmigung einzuholen, daß der als Zeuge vernommene Kriminalkommissar Schneider den Namen des polizeilichen Vertrauensmannes nennen dürfte. Am Mittwoch fand die erneute Verhandlung vor dem Schössengericht statt. Das Polizeipräsidium hatte die Genehmigung nicht erteilt und so erkannte das Gericht gegen beide Angeklagte auf Frei- sprechung._ Sozialee* Zum Begriff„Betriebsunfall". Das Bestreben der BerufZgenossenfchaften, den Begriff„Ve- triebSunfall" noch mehr einzuengen, illustriert folgendes Beispiel: Der Schmied I. erlitt am 1. März 1909 dadurch einen Unfall, daß er sich beim Händcwaschen mit Sand, um die von Oel und Fett beschmutzten Hände zureinigen, sich an einem im Sande befindlichen Glassplitter riß. Dieser Vorgang ereignete sich, als I. des Mittags wach Hause gehen wollte. Die Hand schwoll an und es mußte sogar operativ eingegriffen werden. I. erhob nunmehr bei der Schmiede-BerufSgenossenschaft An. pruch auf Entschädigung. Die Genossenschaft wies indes den An- pruch zurück. Zur Begründung führte sie auS:„Sie hatten zur i Zeit Ihres Unfalls die Betricbstäiigkeit beendet und bereiteten sich auf den Weg zur Wohnung vor. Die unfallbringende Tätigkeit vruß daher als rein persönliche Angelegenheit angesehen werden." Gegen diesen Bescheid wurde Berufung beim Schiedsgericht für Lrbtitcrversicheruiig für Pro Rcg.-Brz. PgtSdam eingelegt und gellend gewacht, daß der Unfall im Betriebe geschehe« sei und zKar mit Material, das seitens der Firma geliefert wurde, I. somit den Gefahrenkreis des Betriebes noch nicht verlassen hatte. Außer- dem war das Händereinigen mit Sand bedingt durch die Betriebs- tätigkeit, da es billigerweise dem Arbeiter nicht zugemutet werden kann, mit den von Oel , Fett und Schmiere starrenden Händen zu Tisch zu gehen. Das Schiedsgericht erkannte an, daß ein Betriebsunfall vqx- liegt; für dessen Folgen die Genossenschast einzutreten hatte.— Mit dieser Entscheidung gab sich die Genossenschaft zufrieden und zahlte dem I. die ihm zugesprochene LOprozenttge Rente. Bergarbeiterrlend. Sinkender Lohn bei steigenden Profiten— so charakterisiert sich am besten die gegenwärtige Lage im Bergbau. Die wirtschaftliche Lage des deutschen Bergbaus verzeichnet eine allgemeine, nicht uner- hebliche Besserung gegenüber dem Vorjahre, die Kurse der Berg. werksgesellschaften steigen— aber die Löhne der Bergarbeiter sinken. Eine im„Reichsarbeitsblatt" vom 22. Juni 1910 der- öffentlichte Statistik vergleicht die Arbeiterlöhne des 1. Quartals 1910 mit denen des 4. Quartals 1909 und verzeichnet«ine all- gemeine Lohnsenkung, für die Schicht schwankend zwischen 1 bis b Pf. Auch die Zahl der Schichten hat sich gegenüber 1909 verringert, so daß die Gesamtlohnsumme beider Quartale im Vergleich eine be- deutende Verschlechterung des Arbeitereinkommens nachweist. So betrug z. B. die Gesamtlohnsumme pro Arbeiter im Quartal: 4. Quartal 1909 1. Quartal 1910 Steinkohlenförderung: Oberschlefien.... Dortmunder Revier.. Saarrevier..... Braunkohlen: Halle....... linksrheinischer Bezirk. rzbergbau: Mansfeld < Kupferschiefer ) Oberharz ..... Siegen...... Die angegebenen Summen bezeichnen die„reinen" Löhne, d. h. nach Abzug aller Knappschaftskassen- und sonstigen VersicherungS - beitrüge. Grubenbeamte, Aufseher, überhaupt alle Festbesoldeten sind von der Statistik ausgeschlossen. Bemerkenswert ist der geringe Lohn im Steinkohlenbergbau Oberschlesiens und im Erzbergbau des OberharzeS. Auch die staat- lichen Gruben im Saarrevier stehen noch weit hinter den Dort« munder Steinkohlenwerken zurück. Das Sinken der Löljne wird naturgemäß verschärft durch die infolge der Steigerung der Lebens- mittelpreise verursachte Verringerung der Kaufkraft des Geldes. Die Arbeitszeit pro Schicht schwankt zwischen 6— 12% Stunden. In den schlesischen Steinkohlenrevieren sind zwölfftündige Schichten allgemein, 12% Stunden verzeichnet die Braunkohlenförderung in Sachsen-Altenburg. In der Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte stehen die ober- schlesischen Gruben nach wie vor obenan, sowohl hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten— 5 Proz. der Belegschaft sind Frauen—, als mit der schlechten Bezahlung. Dort wird der geringste Lohn für weibliche Arbeitskräfte bezahlt, nämlich 1,25 M. pro Schicht. Die Löhne jugendlicher Arbeiter unter 16 Jahren schwanken zwischen 2,37 bis 1,20 M. pro Schicht. Die Gesundheit der Bergarbeiter geht unter diesen Umständen bedenklich zurück. Unterernährung und harte Arbeit bei langer Arbeitszeit drücken das Durchschnittssterbealter des Bergmanns auf 44 Jahr« herab. Der Bochumer Knappschaftsverein gab ein Sinken der Lebensaltersgrenze von 49 auf 41 Jahre für den Zeitraum von 1891 bis 1906 an. Die Zahl der Unfälle, besonders der schwereren, die tödlich verlaufen, mehrt sich von Jahr zu Jahr. So verunglückten tödlich: 1906: 1211; 1907: 1743; 1908: 1869. Im ganzen haben seit 1886 an 25 000 Bergarbeiter in den Gruben ihr Leben gelassen. Die preußische Regierung hat für die Klagen der Bergleute kein Verständnis. Das beweist das Verhalten des Handelsministers Delbrück bei der Besprechung der Radbod-Katastrophe. Unter keinen Umständen wollen die Herren sich die Gunst der Gruben. gewaltigen verscherzen. Die Kontroll« der Gruben durch unab- hängige Vertrauensleute der Arbeiter, der wichtigste und zunächst notwendigste Schritt zur Verringerung der furchtbaren Gefahren der Grubenarbeit� lehnt die Regierung ab, weil dadurch der soziale Frieden gestört wurde, d. h. weil eine solche Kontrolle den Gruben- Herren unangenehm wäre. Wo die geknebelten Bergarbeiter zur Selbsthilfe gegen ihre Ausbeuter schreiten, da stellt die Regierung ihnen Maschinengewehre gegenüber. Aber das Elend wächst und mit ihm die Erkenntnis der Erz und Kohle fördernden Arbeiter, daß sie im Klassenstaaie leben, der ihrer Arbeit wohl bedarf, der ohne sie stille stehen müßte, der aber für Arbeiterschutz und Arbeiterwohl im Interesse des Kapitals kein Verständnis hat. Der Weg, den die Arbeiter zu gehen haben, ist der Weg des Klassenkampfes. Das zeigt ihnen chre wachsende Ein- ficht in die Lage der Dinge. Em Induftric und ftandel Die Kontingentierung deS KaliabsatzeS. Der Bundesrat hat beschlossen, die Gesamtmenge des auf die KaliwerkSbesttzer für die Zeit vom 1. Mai bis zum 81. De- zember 1910 entfallenden Absatzes von Kalisalzen wie folgt fest- zusetzen:__ Carnallit mit mindestens 9°/» und weniger •••••••••* bis 16% als 12% KjO "t 12 I Rohsalze mit m ui» iu-m Düngesalz mit 20 bis 22% ffjO. Düngesalz mit 80 bis 82% K.O, Düngesalz mit 40 bis 42% K�O, einschließlich Kalidünger mit 23% KzO...... Chlorkalium............ Schwefelsaures Kali mit über 42% K,0.. Schwefelsaures Kalimagnefia...... Inland| Ausland Doppelzentner reines 4 025 200 Die ZollerhShungeu auf Schaumwein und Spirituosen. Der Handelsvertragsverein schreibt unS: Die Anlündigung deS Inkrafttretens der Zollerhöhungen auf Schaumwein und Spirituosen mit dem 1. Juli d. I. ist bedauer- licherweise erst in letzter Stunde, 14 Tage vor dem Ablauf der Frist, durch verschiedene offiziöse Preßnachrichten erfolgt und der deutschen Geschäftswelt ganz überraschend gekommen, umsomehr als irgend welche Verhandlungen mit den in erster Linie zuständigen Interessen- Vertretungen über die Zweckmäßigkeit dieser vielleicht folgen- schweren Maßnahme überhaupt nicht stattgefunden haben. Weder derDeutsche Handelsvertrag, noch der Deutsch - Französische WirtschaftSverein, nochderHandelSvertragö- verein, noch der Zentralverband deutscher In- dustrieller haben sich bisher mit diesen Zollerhöhungen ein- verstanden erklärt oder gar die deutsche Regierung dazu aufgefordert. Abgesehen vom Bund der Industriellen dürste einzig das Votum des Winschaftlichen Ausschusses in diesem Sinne ausgefallen sein, doch kann diese Körperschaft wirklich nicht als legitimierte Vertretung von Handel und Industrie angesehen werden. ES muß von neuem berechtigte Mißstimmung in Handel und Industrie hervorrufen, wenn in einer so wichtigen Frage die zuständigen Interessenvertretungen völlig übergangen werden, ein Verfahren, das unserer MrtschastS« Politik nicht zum Segen gereichen kann. Begründet wird diese„zeitweise Aufhebung einer besonderen Ver« günstigung" mit den ungünstigen finanziellen Ergebnissen der Reichs« finanzreform, die es nicht zulasse, daß das Reich auf irgend welche Einnahmen aus den damals festgelegten Zollerhöhungen länger verzichtet. Wir halten eS jedoch nicht für ausgeschlossen, daß sich der Reichstag hier vielleicht ebenso wie bei anderen Teilen der Reichsfinanzreform etwas verrechnet hat. Die Zollerhöhungen sind durchweg so erheblich, daß man mit einem erheblichen Einfuhrrückgang in Spirituosen und Schaumwein rechnen muß, dessen Folge leicht sein könnte, die erhoffte erhebliche Mehreinnahme in eine Mindereinnahme zu verwandeln. In diesem Falle darf man wohl erwarten, daß der Bundesrat alsbald von seiner Befugnis Gebrauch macht und die Zölle wieder auf ihren früheren Stand ermäßigt. Wir erinnern zum Beispiel daran, daß, als am 1. Juli 1900 der Zoll auf ausländischen Branntwem er- heblich erhöht wurde, der Verbrauch davon, der in den Jahren 1893/94—1898/1900 durchschnittlich 36 950 Hektoliter betragen hatte, so stark zurückging, daß er 1907/08 erst wieder 29 200 Heklokiter er- reichte, trotzdem inzwischen die Bevölkerung eine Zunahme von acht Millionen Menschen erfahren hatte. Der Zollertrag, der 1392/93 noch 7,13 Millionen Mark betragen hatte, erreichte 1906/07 und 1907/08 erst wieder 6,72 und 6,66 Millionen Mark- Die Zoll- erhöhung hatte also das Zollerträgnis schwer geschädigt. Sollte aber die gehoffte Mehrreinnahme wirklich eintreten, so wäre doch reiflich zu erwägen, ob nicht möglicherweise der Schaden, der uns aus dieser Maßnahme erwächst, den bestenfalls recht gering- fügigen finanziellen Vorteil erheblich überwiegt. Gewiß ist es eine ganz verkehrte Auffassung, wenn man in Frankreich dieseZollerhöhungen als eine Antwort auf die französische Tarifreform hinstellt und gegen diese„deutsche Repressalie" auf das lebhafteste protestieren zu müssen glaubt; besonders bedauerlich ist eS, daß dieser Anlaß von chauvi - nistischer Seite benutzt wird, um mit allen Mitteln zum Zollkriege gegen Deutschland zu schüren. Wenn man auch von der Einsicht der matzgebenden Stellen in Frankreich erwarten darf, daß sie den chauvinistischen Bestrebungen nichtnachgeben und etwa Reprassalien gegen Deutschland ergreifen, die zu ernsten handelspolitischen Berwickelungen führen müßten, so sind doch handelspolitische Verstimmungen zu befürchten, die sich zunächst in einer weiteren Verschärfung der viel- fach beklagten ftanzösischen Zollschikanen äußern könnten, worauf dann wieder eine deutsche Antwort nicht ausbleiben würde. Am besten wäre es zweifellos, wenn eine feste Abmachung auf mehrere Jahre zwischen der deutschen und französischen Regierung zustande käme. Der Export von Wein, Sekt, Kognak und Likören nach Deutschland ist für Frankreich wichtig genug, daß sich die ftanzöfische Regierung für seine Erleichterung und Sicherung zu gewissen Gegenkonzessionen entschließen könnte. Und Klagen deutscher Exporteure nach Frankreich , deren Remedur man dagegen austauschen könnte, gibt eS ja genug— von den Zollsätzen des neuen ftanzösischen Tarifs ganz abgesehen. Es sei nur an die Handhabung deS Jmportvermerks, an die Unzuträglichleiten deS gegenwärtigen DeklarationS- und Expertiseverfahren» und dergleichen mehr erinnert._ Wasserkräfte und Stickstoffindustrie. Zu dem Thema:„Die Wasserkräfte Norwegens im Dienste der Sttckstoffindustrie", machte Herr Pros. Holz-Aachcn in der Jahre?» Versammlung des Vereins deutscher Ingenieure in Dcmzig folgende Ausführungen: Norwegen ist reich an bedeutenden Wasserkrastmöglichkeiten. die den Ausbau der Wasserkraft mit sehr niedrigem Anlagekapital gestatten. Der planmäßige Ausbau der Wasserkräfte benötigte die Schaffung und Ausgestaltung von Industrien, die die Kraft ver- wenden sollten. Unter den m Frage kommenden Industrien steht gegenwärtig die Stickstoffindustrie»m Vordergrund. Der Bedarf an Stickstoff ist sehr groß, vor allem in der Landwirtschaft. Der Stickstoff wird heute wesentlich in der natürlichen Form des Chili. salpeters beschafft. Deutschland hat 1906 für 120 Millionen Chili-, salpeter eingeführt, und zwar etwa 600 060 Tonnen zu 200 M. Von den 600 000 Tonnen verwendete die Landwirtschaft 450 000 Tonnen. Nach einer Berechnung benötigt die Landwirtschaft der Erde im ganzen etwas mehr als 6 Millionen Tonnen Salpeter. Chile liefert heute etwa 2 Millionen Tonnen jährlich für 350 Mil- lionen Mark. Der Bedarf und>der Export Chiles wächst stetig. Wichtig ist dabei, daß der natürlich vorhandene Chilisalpeter den Bedarf nur für absehbare Zeit decken kann, man hat 25— 30 Jahre berechnet. Der Wert des Chilisalpeters wird durch seinen Gehalt an Stickstoff dargestellt. Dieser macht etwa 13,5— 20 Proz. deS Salpeters aus. ES haben sich industrielle Verfahren ausgebildet. um künstlich den Stickstoff der Luft in greifbare Form zu bringen und ihn so für die Benutzung bereitzustellen. Unter diesem Ver- fahren stehen zwei im Vordergrund: da? deutsche Verfahren nach Frank-Caro und daS norwegische nach Birkeland-Eyde. Das deutsche Verfahren besteht auS zwei Stufen: in der ersten Stufe wird in üblicher Weise Karbid hergestellt, in der zweiten Gruppe wird das Karbid zu dem Enderzeugnis Zyanamid veredelt; das Endergebnis hat den Marktnamen Kalkstiastoff. DaS norwegische Verfahren stellt in einer Arbeitsstufe unmittelbar den Kalk- oder Norge- salpeter her. Der Stickstoffgehalt dieser Kunsterzeugnisse ist ähnlich dem deS Chilisalpeters. Seit einer Reihe von Jahren ist neben dem norwegischen Verfahren ein gleichfalls einstufiges Verfahren verwandter Art in den Vordergrund getreten, nämlich das der Badischen Anilin, und Sodafabrik, das namentlich mit dem Namen Schönherr in Verbindung steht. Sämtliche genannten Versahren haben die norwegischen Wasserkräfte in der jüngeren Zeit in ihren Dienst gestellt. Bei einem Unternehmen nach Frank-Caro sind die beiden Stufen örtlich getrennt, an beiden Stellen werden Wasserkräfte verwendet. Die eigentlichen norwegischen Unter- nehmungen nach Birkeland-Eyde betätigen sich vor allem im Gebiet des Skienflusses, es sind aber auch bedeutende Wasserkvastmöglich» leiten in anderen Gegenden Norwegens angeschlossen. Die Unter» nehmungen nach diesem Verfahren haben 1905 zur Bildung einer norwegisch-französischen Gesellschaft geführt, die den gekürzten Namen Norsk-Hydro hat. Diese hat die Kraftanlage Svaelgfos mit 47 Meter Gefälle und 40 000 LZ Leistung gebaut und 5 Kilo- meter talabwärts in Notodden eine Salpeterfabrik, die jene 40 000?L nach elektrischer Uebertragung zur Herstellung von Norgesalpeter benutzt. Der Norgesalpeter stellt sich dar als grobsandige Masse, de- stehend aus Kalk, an dem mittels elektrotechnischen Verfahrens der Stickstoff der Luft gebunden ist. Der in Notoden seit 1907 er- zeugte Norgesalpeter ist heute in Deutschland wohl bekannt. Die norwegische Unternehmung wandte sich dann dem Gedanken zu. für die Stickstoffindustrie die ungewöhnlich große Wasserkraft aus- zubauen, die im Gebiet deS Skienflusses weiter oberhalb bei dem Wasserfall RjukanfoS dereit standen. Zur Durchführung dieses fwßeren Unternehmens schloß sich noch 1907 die Gesellschaft Norsk - ydro mit dem durch die Badische vertretenen deutschen chemischen onzern zusammen. Dieser Zusammenschluß erhielt greifbare Formen durch Bildung zweier Teilvereinigungen: der Gesellschaft NorSk Kraft mit 16 Millionen Kronen und der Gesellschaft Norsk Salpeter mit 18 Millionen Kronen. Die„Norsk Kraft" führt die Wasserkraftanlage RjukanfoS auS, die„Norsk Salpeter die nahe gelegene zugehörige Salpeterfabrik. Beide Bauanlagen sollen im Laufe dieses Jahres fertig werden. Die norwegische Unier- nehmung beabsichtigt bis zum Jahre 1920 im Gebiet des Skien - flusseS im ganzen etwa 500 000 LS für die Stickstoffindustrie aus- zubauen. Diese 500 000?S würden 300 000 Tonnen Salpeter jährlich erzeugen, daS ist die Hälfte deS heutigen Bedarfs in Delltschlgnd. Ganz Norwegen würde etwa 4 Millionen lLL be»