St, 152. 27. Jahrgang. 3. KeilM ilks.Awiirts" Kerlim WsblR Sovllabtlld. 2. Zlll! 19M. Partei- Angelegenheiten. Die außerordentliche Generalversammlung des Verbandes der Wahlvereine findet am Sonntag, de » 3. Jnli 1910, mittags 12 Uhr. in Kellers Festsälen (Jnh. Freyer). Koppenstr. 29, statt. Tagesordnung: 1. Der internationale Kongreß in Kopen» Hagen . Referent: Genosse Fritz Ebert. 2. Diskussion. 3. Bestätigung und Wahl der Delegierten. 4. Anträge der Kreiswahlvereine zum Kongreß und Diskussion darüber. 5. Partei- und Verbandsangelegenheiten. » Anträge zum internationalen Kongreß. 0. KreiS. »Der internationale sozialistische Kongreß wolle be» schließen: Zur Verwirklichung der sozialistischen Friedensbestrebungen sind die parlamentarischen Vertretungen der sozialistischen Parteien aller Länder aufzufordern, in den parlamentarischen Körperschaften Anträge einzubringen und zu befürworten, die auf eine inter« nationale Vereinbarung aller Staaten zur gleichzeitigen Ein« schränkung der Seerüstungen und zur Beseitigung des SeebeuterechtS abzielen."_ AdlerShof . Am Sonntag, den 3. Juli, findet eine Besichtigung der Kalk« und Zementindustrie-Ausstellung in Baumschulenweg statt. Wir ersuchen die Genossen, welche sich daran beteiligen wollen, fich wegen der vorherigen Beschaffung von Eintrittskarten beim Genossen Ligner. Genossenschaftsstraße 7, zu melden. Preis der Eintrittskarten 3V Pf. Treffpunkt Sonntagvormittag 9 Uhr im Jugendheim , Bis- marckstr. 11. Der Vorstand. Biesdorf . Sonntag früh 7'/, Uhr Flugblattverbreitung von Gustav Berlin. Marzahner Straße 24 auS. KarlShorfi. Sonntag früh 8 Uhr Flugblattberbreitung. Die Genoffen nehmen die Flugblätter in Empfang: Nordseite bei Mendt, Heniigstr. 13, Südseite bei Gwinner, Rödelstr. 12. Stralau. Sonntag, den 3. Juli, vormittags 9 Uhr, findet im Lokal von Steinicke, Alt-Stralau b, die Generalversammlung des Wahlvereins statt. Steglitz -Friedena«. Dienstag, den 5. Juli, abends 8'/, Uhr, große öffentliche Protestversammlung im Rheinschloß. Tages- ordnung: Die neue Reichsversicherungsordnung. Referent: Genoffe Koblenzer. Am Montag, abends 8 Uhr, findet in beiden Orten und von allen Bezirkslokalen aus Flugblattverbreitung statt. Die Vorstände. Steglitz -Friedena». Der Ausflug nach der.Römerschanze" in Nedlitz bei Potsdam findet morgen Sonntag, den 3. Juli statt. Abfahrt nach Wannsee � Uhr vormittags. Bis'/zll Uhr im .Fürstenhof'. Wannsee . Königstt. 40. für Nachzügler. Dann Fuß- partte über Pfaueninsel . Moorlake. Sakrow. Um 4 Uhr Führung und Bortrag des Genoffen Dr. Schütte in der Romer- schanze. Um zahlreiche Beteiligung wird ersucht. Gäste will- kommen. Der BildungSauSschuß. WilhelmSruh-Niederschönhanseu-West. Morgen Sonntag, den 8. Juli, vormittags 10 Uhr, findet im Lokal des Genoffen Juncker, Sachsenstr. 18, die Generalversammlung statt. Die Mitglieder- Versammlung am Dienstag, den V. Juli, fällt aus. Bon jetzt ab finden jeden Dienstag und Freitag nachmittag» die Kinderspiele im Walde statt. Die Eltern werden ersucht, ihre Kinder daran teilnehmen zu lassen und den Kindern zum Trinken mtt- zugeben. Treffpunkt für die Kinder ist an der Waldschänke. Die Bezirksleitung. PotSda «. Die Arbeiterschaft Potsdams wird auf den am Sonn- tag, den 8. Juli, festgesetzten Ausflug nach Römerschanze (über Sakrow) aufmerksam gemacht. Daselbst Anschluß an die Friedenau -Steglitzer Genoffen und Vortrag über die Entstehung und die neuesten Ausgrabungen auf der Römerschanze, gehalten vom Genossen Schütte. Abmarsch vom Bersammlungsplatz am Tabak- häuschen auf dem Bassinplatz um 2 Uhr. Vortrag um 4 Uhr. Zu diesem Ausflug sind alle Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter be- sonders eingeladen. Der BildungSauSschuß. Spandau . Am Sonntag, den 3. Juli, morgens 7'/, Uhr, finde* von den Bezirkslokalcn au» eine wichttge Flugblattverdreitung statt- Die Flugblattverbreitung findet ebenfalls statt für Nonnen- dämm, Haselhorst , Kladow und Gatow . ES wird er- »artet, daß sich die Genossen recht zahlreich in de» BezirkSlokalea z« Arbeit einfinden._ Der Vorstand. Berliner JVadmebteno DaS neue Schnellbahnnetz im Westen Groß-verlin». DerHochbohngesellschaft ist die landespolizeiliche Genehmigung zum weiteren Ausbau ihres Bahnnetzes im WestenGroß-Berlin» erteilt worden. Damit haben mehrjährige Verhandlungen zwischen den beteiligten Gemeinden, den Sussichtsbebörden und der Hochbahngesellschast ihren Abschluß gefunden. Wie erinnerlich, waren bei den neuen Schnell- bahnlinien die Verkehrswünsche der Gemeinden Charlottenburg und Wilmersdorf schwer zu vereinigen und erst nach vielfachen VerHand- lungen des Ministers der öffentlichen Arbeiten ist eine Lösung geschaffen worden, die der Wilmersdorfer und Dahlemer Bahn den Anschluß an das bestehende Netz im Untergrundbahnhos Wittenberg- platz bietet und zugleich der Stadt Charlottenburg die Untergrund- bahn für den Kurfürstendamm sichert, die zunächst bis zur Uhland- straße gebaut werden soll. Die landespolizeiliche Genehmigung er- streckt sich auf den Umbau des Bahnhofes Wittenbergplatz und die Herstellung der beiden von diesem Bahnhof ausgehenden nenen Zweiglinien. Der bisherige zweigleisige Untergrundbahnhof Wittenbergplatz wird zu einem großen GemeinschastSbobnhof mit drei Bahnsteigen und fünf Gleisen erweitert werden. Ml diesem Ausbau des Bahnhofes ist eine Umgestaltnng der Platzeinteilung verbunden; es wird eine mittlere ovale Gartenfläche in ganzer Platzbreite geschaffen, um welche die Fahrdämme mit den Straßen- bahngleisen herumgeführt werden, also eine Platzbildung, wie sie bei dem Wilhelmplatz in Berlin auS ähnlichem Anlaß ausgeführt worden»st. In der Mitte des OvaleS wird eine von Osten und Westen zugängliche Eingangshalle errichtet, von der auS sechs breite Treppen nach den drei Bahnsteigen der Untergrundbahn hin- abführen. Was den Zugverkehr betrifft, so werden verkehren am Bahn« steig I: die Züge von Berlin 0. nach Kurfürstendamm und Wilmers- dorf sowie von Berlin 0. nach Alt-Charlottenburg(BiSmarckstraße) und Wilmersdorf ; am Bahnsteig II: die Züge von Alt-Charlotten- bürg nach Berlin C. und von Wilmersdorf nach Berlin 0. und Berlin 0! am Bahnsteig III: die Züge von Kurfürstcndamm nach Berlin 0. Fahrgästen, die die Züge wechseln müssen, bietet sich für die meiste» Verkehrsbeziehungen Gelegenheit, auf demselben Bahnsteig umzusteigen, aber auch beim Bahnsteigwechsel wird sich der Ueber- Sang st, der hellen und übersichtlichen Treppenhalle in bequemster leise vollziehen. Was das Bauprogramm anlangt, so wird der Verkehr der beide» neuen Zweiglinien zunächst mit Pendelzügen zum Wittenberg - platz bewirkt iverde». ohne daß der zurzeit bestehende Verkehr der Stanimbahn irgendwelche Aenderungen erfährt. Die hierfür erforderlichen Bauten werden etwa 2'/3 Jahre in Anspruch nehmen. In der folgenden Bauperiode werden mit dem Umbau des Gleis» dreiecks zwei neue Gleise vom Bahnhof Wittenberglatz über den Nollendorfplatz zum Gleisdreieck geführt werden und eS tritt dann an Stelle der Peudelbetriebe der durchgehende Verkehr von den tweiglinien»ach Berlin 0. und 0. Nach Fertigstellung dieses nSbäueS wird das Bahnnetz der Hochbahngesellschaft auS zwei selbständigen, diagonalen Durchmesserlinien bestehen, die auf der Mittelstrecke Nollendorfplatz— Wittenbergplatz in einem viergleisigen Tunnel nebeneinander verlaufeit und im Bahn- Hof Wittenbergplatz miteinander in Verbindung stehen. Die e»ne Linie(Stadtlinie) hat die Trasse Schönhauser Allee— Spittelmartt— Leipziger Platz— Gleisdreieck— Nollendorfplatz— Alt« Charlottenburg , die zweite Linie(Ostlinie) geht von der Warschauer Brücke über die Priuzenstraße, das Hallesche Tor und Gleisdreieck zum Wittenberg- platz und gabelt sich hier einerseits nach dem Kurfürstendamm , an- dererseits nach Wilmersdorf — Dahlem . Die Wilmersdorf-Dahlemer Linie wird gleichzeitig auch mit Zügen der Stadtlinie beschickt. Erwähnt seien noch die neuen llebergangsmöglichkeiten, die von und zur Schöneberger Bahn geschaffen werden sollen. Die von der Stadtgemeinde Schöneberg erbaute Bahn wird in wenigen Monaten betriebsfertig sein und endet vorläufig am Nollendorfplatz in un- mittelbarer Nähe des gegenwärtigen Hochbahnhofes, sodaß man durch Benutzung der Treppen von der einen aus die andere Bahn über- gehen kann. Bei dem oben beschriebenen weiteren Ausbau deS Netzes der Hochbahngesellschaft und der Verlängerung der Schöneberger Bahn soll am Nollendorsplatz für beide Unternehmungen ein zweigeschossiger unterirdischer Gemeinschasts- bahnhof mit bequemen Umsteigeeinrichtungen erbaut werden. Wenn man auf der Eisenbahn in der zweiten Klaffe fahren will, so muß man nicht nur es dazu haben, sondern man muß auch— so aussehen, wie einer, der es dazu hat. Ein Zimmermann Boddin, der, ohne daö zu bedenken, auf der Ringbahn sich mal eine Fahrt in der zweiten Klasse hatte leisten wollen, hat dabei üble Erfahrungen gemacht. Eigentlich langte eS bei ihn, nicht so überreichlich, daß er allzuviel Neigung gehabt hatte, der billigeren dritten Klasse die teure zweite Klaffe vorzugehen. ES war ihm aber nach Feierabend bei der Heim- fahrt von setner Arbeitsstätte mehrfach Passiert, daß er— müde und und matt— in maßlos überfüllte Wagen dritter Klaffe sich hinein- drücken und die Fahrt stehend zurücklegen mußte. Man kennt ja zur Genüge die unerträgliche Ueberfüllung der Wagen dritter Klasse, die nicht nur an Sonn« und Feiertagen den Ausflüglern, sondern nicht minder auch an Wochentagen morgens und abends den Arbeitern zugemutet wird. Boddin sah mit Verdruß, wie die in den Zügen mitgeführten Wagen zweiter Klasse fast völlig leer blieben und höchstens ein paar Leute, denen die Groschen lockerer als ihm saßen, eS sich darin bequem machten. Eines Abends, am 4. Mai. entschloß er sich auf B a h n h o f EberS- straße, auf seinen Fahrgroschen noch einen Sechser draufzulegen und ein Billett für die 2. Klasse zu kaufen. Als er nun mit zwei anderen Arbeitern, die fich gleichfalls zu dieser Mehr- auSgabe entschloffen hatten, einen Wagen der 2. Klasse besteigen wollte, wurden sie von dem Beamten, der alS Vor- steher fungierte, daran gehindert..Ja. warum denn?' fragte Boddin erstaunt. Glaubte man'S ihm etwa nicht, daß er die 2. Klaffe bezahlt Satte I? Er zeigte seine Fahrkarte, aber eS blieb dabei, daß er nicht einsteigen dürfe. Er sei nicht dement- sprechend angezogen, belehrte ihn der Vorsieher. Inzwischen war der Zug abgefahren, und dem Zimmermann waren ferne Begleiter auS den Augen gekommen. Der Vorsteher erbot fich, ihm em Billett für die 8. Klaffe einzutauschen und b Pfennig zurückzugeben, doch Boddin lehnte ab. AlS dann der nächst« Zug kam, stieg er in einen Wagen der zweiten Klaffe und fuhr davon. Aber schon auf der nächsten Station, auf Bahnhof Schöneberg , wurde er heraus- geholt. Man nahm ihm sein Billett ab und brachte ihn zur nächsten Polizeiwache, wo ferne Personalien festgestellt wurden. Sodann kehrte B. zum Bahnhof zurück, ließ sich seine Fahrkarte wiedergeben, bestieg in dem nächsten Zuge wieder ein Abteil zweiter Klaffe und fuhr davon, ohne daß ihn jetzt jemand daran hinderte. Eine Woche später wurde ihm eine Strafverfügung der Eisenbahnbehörde präsenttert; diese darf bekanntlich auf ihrem Grund und Boden selber Polizei spielen und durch bloße Verfügung sogar Strafen festsetzen. B. sollte fünf Mark Geldstrafe samt 35 Pf. Kosten zahlen, weil er auf der Eisenbahn eine Anordnung, die zur Ausrechtcrhalwng der Ordnung nötig gewesen sei, nicht befolgt habe. Boddin beantragte Entscheidung durch ein Gericht und stand nun am Donnerstag vor dem Amtsgericht Berlin- Schöneberg als Angeklagter. Hier wurde ihm vorgehalten, daß er angetrunken und sein Anzug mit Kalk bespritzt gewesen sei. Er versicherte, nichts von Angetrunkenheit zu wissen. Auch das müsse er bestreiten, daß er einen beschmutzten Anzug angehabt habe. Angehabt habe er eine Lodenjoppe, die noch ziemlich neu war, eine Hose, die zum mindesten ganA war, dazu einen noch ziemlich neuen Schlapp- Hut. Von Kalkspritzern oder sonstigen Flecken, die hätten abfärben können, habe er nichts bemertt. Gegen ihn trat als Zeuge ein Eisenbahngehilfe Heine auf. der an jenem Abend auf Bahnhos EberSstraße als Vorsteher Dienst getan hatte. Die Vernehmung dieses Beamten zeigte wieder mal, wie derartige Anzeigen zustande kommen. Heine bekundete, in Begleitung BoddinS sei ein Betrunkener gewesen, schon deshalb habe nicht geduldet werden können, daß sie in die 2. Klasse einstiegen. Nachher habe er allerdings nur noch mit Boddin zu tun gehabt, aber dessen Anzug sei nicht so gewesen, daß er die Benutzung der 2. Klaffe hätte gestatten dürfen.„Was hatten Sie denn an dem Anzug auszusetzen?" ftagte der Vor- sitzende. Der Zeuge schien die Frage zu überhören; er antwortete: „Ersten,, das Benehmen! Daß er mit dem Betrunkenen da rein wollte!" Vors.:.War er denn selber betrunken?" Zeuge:„Er selber nicht. Er war wohl nur ein bißchen angesäuselt". Bors. „War jpnst noch was an ihm? Zeuge:.Jawohl, daß er einen Arbeitsanzug anhatte". Vors.:„Na. Arbeiter find wir doch alle. War Kalk dran?" Zeuge:.Kalk nicht. Aber er hatte schmutzige Stiefel". Vors.:„Na. was hat denn nun der Mann getan?' Zeuge:.Das Benehmen fiel mir auf, so daß ich annehmen konnte, er würde die Reisenden be lästigen." Vors.:.War er angetrunken? Taumelte er?" Zeuge „Nein. Vors.:.Weiter haben Sie nichts zusagen? Und weiter wissen die anderen Zeugen auch nichts?" Draußen warteten noch zwei andere Eisenbahnbeamte, die bereit waren, gegen Boddin auszusagen. Der Vorsitzende ftagte weiter:„Hat sich denn jemand beschwert?" Zeuge:„Ja, ein Herr beschwerte sich beim Zugführer." Vors.:„Wo- rüber denn? WuS sagte er?" Zeuge:„Ich hörte, wie er sagte: Das ist unerhört I DaS ist eine Frechheit!" Angeklagter:.Ich bin keinem ftech entgegengetreten." Noch einmal fragte der Vorsitzende: „Schwankte er denn?" Und der Zeuge antwortete:„Na, da» ganze Benehmen I Weil ich das doch einmal ver- boten hatte!" Das Gericht hatte genug und verzichtete auf toeitere Beweisaufnahme. Der Amtsanwalt fand, daß B. da er mindestens a n g e s ä us e lt gewesen sei, nicht in 2. Klasse hineingelassen werden durfte. Er sei trotzdem eingestiegen, niithin verdiene er die festgesetzte Strafe, und diese sei aufrecht zu erhalte». Der Angeklagte führte zu seiner Ver- teidigung an, er sei nicht bettunken gewesm. Noch einmal ftagte jetzt der Vorfitzende den Zeugen Heine:„Hat er bei den Ver- Handlungen mit Ihnen gezeigt, daß er angesäuselt war?" Zeuge: „Er hat nachher die Aeußerung getan: Sie können mir gar nichts." Vors.:»DaS ist ja etwas anderes. Aber hat er gezeigt, daß er angetrunken war?" Zeuge:„Es fiel mir auf, daß er nicht ganz normal war. Sein Benehmen—."Vors.:„Schwankte er?" Zeuge:„DaS nicht." Vors.: „Stotterte er?" Zeuge:„Nein." Vors.:„Gab er vernünftige Antworten?" Zeuge:„Ja, das ist Auffassung." Vors.: »Kommen Sie doch nicht immer mit Ihrer Auffassung� Dann wurde daS Urteil gesprochen. Mit Recht sei den drei Per- sonen, weil ein Betrunkener darunter war, die zweite Klaffe ver» boten worden. Bezüglich BoddinS aber, der nachher allein blieb, habe sich nicht feststellen lassen, daß er fich in einem Zustand befand, wie er in der zweiten Klasse nicht geduldet werden kann. Für seine vermeintliche Angetrunkenheit seien keine Tatsachen bekundet worden, und sein Anzug sei nicht unsauber ge- Wesen. Schmutzige Stiefel seien kein Ausschließung«- g r u n d, sonst müsse man jeden heimkehrenden Grunewald« Wanderer ausschließen. B. habe nicht ausgeschlossen werden dürfen und sei daher freizusprechen. So wurde durch Gerichtsurteil die Arbeitskleidung wieder zu Ehren gebracht und sogar der 2. Klasse würdig erachtet. Nebenbei bemerkt: Der Beamte, dem die Klei- dung des die 2. Klaffe benutzenden Arbeiters.nicht dementsprechend' erschienen war, machte den Eindruck, wie wenn auch er nicht sogleich als Eisenbahngehilfe auf die Welt gekommen ist. sondern gleichfalls einmal fich als Arbeiter hat sein Brot verdienen müssen. Daß da» Gericht die Angesäuselten grundsätzlich für nicht würdig der 2. Klasse hält, kann zu Konsequenzen führen, die nicht ganz unbedenklich sind. Daß nur nicht ein übereifriger Beamter eines schönen Abend» z. B. einen angesäuselten Offizier— auch solche gibt'S nämlich manchmal— aus der 2. Klaffe in die 8. verweist l Denn das könnte ihm sehr Übel bekommen. Eine Polizeiattion. Gestern früh gegen 7 Uhr winde von der VII. Abteilung des Polizeipräsidiums eine Razzia unternommen, und zwar handelte eS sich um die Beschlagnahme der Stt. 27 des.Freien Arbeiters". Bei allen der Polizei bekannten Persönlichkeiten wurde gehaussucht. Die Räume des„Freien Arbeiters" wurden gewaltsam geöffnet, ebenso die verschlossenen Schubfächer. Auch wurden die Räumlichkeiten des Druckers einer gründlichen Durchsuchung unter- worfen.> Die Beschlagnahme erfolgte wegen eines Leitarttkel». dessen Inhalt geg-n die§§ 110 und 180 des D. Str.-G.-B. verstoßen soll. Mangelhafte verichterstattnng. Der Bericht der.Berliner Morgenpost " über die letzte Stadt- verordnetenversammlung enthält bei Beratung der Vorlage über die Anlegung eine» Gemeindefriedhofes in Buch folgende Be- merkung: .Stadtv. Borgmann(Soz.), dessen Partei in der vorigen Be- ratung gegen die Vorlage stimmte, erklärt, daß man jetzt zu« stimmen werde." An diesem Bericht ist falsch, daß die sozialdemokrattsche Frattion „in der vorigen Beratung gegen die Vorloge stimmte". In Wirk- lichkeit hat die sozialdemokrattsche Fraktion bei der ersten Beratung der Vorlage AuSschußberatung beantragt, weil eine ganze Reihe Punkte erst noch geklärt werden müßte, bevor die Vorlage der- abschiedet werden könnte. Diesem Snttage ist entsprochen worden; eine Abstimmung hat also in der ersten Beratung gar nicht statt- gefunden, konnte auch nicht stattfinden. Unsere Frattion hatte ihre endgültige Entscheidung in der Angelegenheit bis nach Erledigung der AuSschußberatung fich vorbehalten. Der Bericht der.Morgen- post" ist also ein recht mangelhafter und entspricht in keiner Weise den Tatsachen._ Ermäßigte Eintrittskarte« für die Ausstellung der Sezession (25 Pf. statt 1 M.) können von den Organisationsvorständen durch die Verwaltung des Gewerkschaftshauses bezogen werden. Einzelne Karten werden bei Vorzeigung deS Mitgliedsbuches im ZigarrengrschSst von Harsch ausgegeben. Ei» schwerer Straßenbahnunfall hat fich gestern mittag in der Schönhauser Allee ereignet. DaS 22jährige Dienstmädchen Ella MathiS aus der Siboldsstt. 18 hatte emen Straßenbahnwagen der Linie V benutzt und verließ an der Ecke der Kastanien-Allee den Wagen, als fich derselbe in der Anfahrt zur Haltestelle befand. Die M. sprang in verkehrter Richtung ab und stürzte mit solcher Wucht auf das Straßenpflaster, daß fie blutüberströmt und besinnungslos liegen blieb. Die Verunglückte wurde nach der Rettungswache in der Gaudystraße gebracht, wo eine schwere Gehirnerschütterung und zwei klaffende Kopfwunden festgestellt wurden. Nach Anlegung von Notverbänden wurde das Mädchen dem Rudolf-Virchow-Kranlen- hause zugeführt. Dir älteste Windmühle der Mark befindet sich auf einem Hügel in unmittelbarer Nähe des Dorfes Bamme. Sie ist, wie aus der an einem Balken sichtbaren Inschrift hervorgeht, im Jahre 1559 er» baut worden, blickt also jetzt auf ein Alter von über 350 Jahren zurück. Originell ist der Bau der Mühle, die auf einer uralten Steineiche errichtet ist, welch letztere dem hölzernen Aufbau als Ständer oder Fuß dient. Das historische Bauwerk ist wiederholt von schweren Unwettern heimgesucht und zum Teil durch Blitzschlag zerstört worden. DaS feste Eichenfundament aber ist bi» heute völlig unversehrt geblieben. Mit der verkrachten„Westdeutschen Versicherung»-, Kranken- und UnterstützungS-Zuschiißkasse für ganz Deutschland " E. H. S8 zu Köln haben wir uns bereits wiederholt beschäftigt. Zwei Mitglieder der Kasse, die krank wurden und Ansprüche bei derselben erhoben, er- hielten ttotz mehrfacher Mahnungen keine Antwort auf ihre Retta- mationen. Durch daS Berliner Arbeitersekretariat wurde daher in ihrem Namen Beschwerde beim kgl. Polizeipräsidenten zu Köln er- hoben, der ein Antwortschreiben darauf übersandte, daS wert ist, in der Oeffentlichkeit bekanntgegeben zu werden. Dasselbe lautet in seinem wesentlichsten TeU:.... Ein Krankheitsfall von dem Mtglied Nr. 5475 Fr. K. liegt hier vor und zwar datiert vom 21. März 1910, ebenso ein Behandlungsschein für die Zeit vom 5. April bis 12. April 1910. Wie bekannt,»st die Kasse seit Anfang März cr. zahlungsunfähig. Der Konkur« über die Kasse wurde mangels Masse feiten» de» Gerichts abgelehnt und die vorhandenen Kontor- Utensilien zwangsweise vorher versteigert. Durch Beschluß der Generalversammlung vom 25. April cr. ist die Auflösung der Kasse beschlossen und befindet fich dieselbe seitdem in Liquidation. Durch diese mißliche Geschäftslage der Kasse gehen ttotz ergangener Mahnungen keine Beittäge mehr ein und die bis- heiigen Vertreter der Kasse arbeiten nicht mehr für dieselbe weiter beziehungsweise find zu Konkurrenzkassen übergegangen. In der LrquidationSmasse befinden sich nur un- genügende Barmittel, die vorerst zur weiteren Geschäfts- abwickelung zu verwenden find, so daß der Anspruch der Fr. K. Be» ftiedigung nicht mehr finden kann." Der Polizeipräsident bemerkt dazu:.Da eine DeckungSmasse nicht vorhanden ist» kann von AuffichtSwegen nichts veranlaßt werden." Die Mitglieder sind also die Geschädigten, die unter Umständen jahrelang Beiträge entrichtet haben und nun, wo fie Ansprüche er- beben könnten, zu ihrem Schrecken sehen müssen, daß sie einer Schwindelkasse zmn Opfer gefallen sind. Wir warnen daher noch- malS unsere Leser dringend vor dem Leitritt zu derartigen Kassen. Ein Unfall bat fich am DonnerStagnachmittag während der Turn- stunde in der Knaben-Gemeindeschule in der Bergmannstraße 28/29 zugetragen. Dort stürzte ein Knabe auS einer Höhe von etwa fünf Meter ab und blieb besinnungslos liegen. Ein Arzt wurde so- fort zu Rate gezogen. Nach einiger Zeit erholte sich der Knabe wieder; ob noch Nachteile für ihn entstehen, ist nicht ganz gewiß. vorläufig ist er verhältnismäßig recht munter. Von erheblichem Interesse sind die Nebenumstände, die mit diesem Unfall verknüpft sind. UnS wird berichtet, daß der Knabe S. zur Strafe deshalb, weil er eine Uebung falsch gemacht hatte und
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