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listische GefchichkSa'uffassung zusammen. MM befürchte nicht, Laß ich die Leser desVorwärts" damit langweilen will, hundertmal gehörtes Gewäsch eines bürgerlichen Bekämpfers der Sozialdemo- kratie, der zu bequem ist, sich in die theoretischen Gedankengänge deS Sozialismus mit Ernst und Gewissenhaftigkeit einzuarbeiten, noch einmal hier breitzutreten. Der Herr Professor möge die reiche und interessante Literatur über den historischen Materialismus nachlesen, wenn er über diese Frage mitreden will. Er unterrichte sich auch über die Stellung des Sozialismus zur Arbeit, er lerne kennen, wie hoch die Sozialdemokratie die Arbeit schätzt, besonders auch als erzieherischen Faktor, höher als irgend eine Klasse in der bisherigen menschlichen Geschichte; dann wird er sich auch hüten, fürderhin mit dem Gemeinplatz zu argumentieren, dass die Sozial- demokratie dieLust zur Arbeit rauben" wolle. Ich verzichte darauf, auf diese Fragen ausführlicher einzugehen. Mir kommt es nicht darauf an, mich mit Herrn v. Soden über all- gemein theoretische Fragen herumzustreiten, ich wollte an seinem Beispiel nur einmal zeigen, wie die bürgerlichen Gegner der pro- letarischen Jugendbewegung selbst in ihren besseren, Wissenschast- lichen Elementen bei Licht aussehen. Mit einem Trost für uns und mit einem für Herrn v. Soden will ich schließen. Wir wollen uns mit der beruhigenden Gewißheit trösten, daß weder brutale polizeiliche Gewalt die hoffnungsvolle EntWickelung unserer Jugendbewegung hemmen wird noch die geistige" Bekämpfung, wie sie Herr v. Soden und seinesgleichen versuchen. Dafür sind die Ursachen der proletarischen Jugend- bewegung zu fest in der allgemeinen sozialen EntWickelung und ins» besondere in der EntWickelung des Sozialismus verankert. Und für Herrn v. Soden der Trost, daß die sozialdemokratische Partei wirklich einmal an den nach ihren Rezepten erzogenen Menschen sterben wird. Je mehr diese Menschen heranwachsen, je stärker und selbstbewußter damit die kämpfende Arbeiterklasse wird, um so rascher wird der Zeitpunkt eintreten, in dem es einer sozial- demokratischen Partei nicht mehr bedarf, weil die Gesellschaft selbst sozialistisch geworden ist. Herr v. Soden störe deshalb so wenig wie möglich die proletarische Jugendbewegung, er lasse uns auch ruhig unsere Jugend soviel wie möglich nach sozialdemokratischen Rezepten erziehen. Um so eher blüht ihm das Glück der Grabrede über die sanft entschlafene sozialdemokratische Partei. _ Heinrich Schulz . flti$ der fnftizItommliDon. Sitzung vom Freitag, den 1. Juli. Beim§ LbS, mit dem die Beratungen begannen, entspann sich eine ausgedehnte Debatte über die von unseren Genossen und von dem Abg. G r o e b e r gestellten Anträge, die eine unverkürzte Anrechnung der Untersuchungshaft auf FreiheitS- und Geldstrafen forderten. Der Absatz 1 deS§ 259(dieser Para­graph umschreibt die Bestimmungen über Form und Inhalt des Urteils) sagt nur. daß wenn die Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet wird, dies im Urteil anzugeben ist. In eingehendster Weise begründeten die Antragsteller ihre Anträge. Gegen die Anträge sprachen die Nationallibe» ralen, Konservativen und Antisemiten. Auch die Regierung war dagegen; sie begründete ihre ablehnende Haltung mit formellen Bedenken. Die Frage, die bisher durch das Straf- gesetzbuch geregelt wurde, könne nach wie vor nur durch dieses be- handelt werden. Der nationalliberale Redner hielt die Unter- suchungshaft nach den neuen Bestimmungen der Strafprozeh- ordnung für eine reine Erholung. Eine Aenderung würde dahin führen, daß mancher Angeklagte, um eine leichte Strafe zu haben, mit allen Mitteln die Untersuchungshaft auszudehnen bestrebt sein würde. Der konservative Abg. Wagner sprach den Anträgen dadurch jede Wirkung in der Praxis ab, als er meinte, die Gerichte würden dann eben künftig höhere Strafen auswerfen, um die Anrechnung der Untersuchungshaft dadurch illusorisch zu machen. Der fortschrittliche" Abg. Müller sprach gleichfalls gegen die An- träge. Unsere Genossen Frohme und Stadthagen hielten den Liberalen die Stellung der früheren Liberalen, die Anhänger und eifrigste Verteidiger dieser Forderungen waren, vor. Es war vergeblich. Die Liberalen halfen in der Ab st im- mung, die Anträge zu Fall zu bringen. So stimm- ten für den sozialdemokratischen Antrag und dem fast gleich- bedeutenden Prinzipalantrag Groeber nur unsere Genossen, Abg. Groeber und ein Pole. Für einen Eventualantrag Groeber, der nur eine unwesentliche Verbesserung des bestehenden Zustandes bedeutete, stimmten außer unseren Genossen, einem Polen noch fünf Zentrumsabgeordnete. DieFortschrittler" lehnten samt- liche Anträge abl Auf den dritten Absatz de?§ 259 bezogen sich mehrere sozial- demokratische Anträge, die einmal forderten, daß die Sollbestim- mung durch M u ß bestimmungen ersetzt werde. Zum anderen beantragten unsere Genoffen, fraß das Gericht verpflichtet werden soll, in dem Urteil anzuführen, aus welchen Gründen eine Tat- sache für erwiesen oder nicht für erwiesen angesehen wurde. Der Regierungsentwurf wollte diese eingehende Würdigung der Tat- beweise im Urteil in das freie Ermessen der Richter stellen. Zu- letzt forderte ein sozialdemokratischer Antrag, daß im Urteil auch die rechtlichen und tatsächlichen Einwendungen des Angeklagten anzugeben sind. Aehnliche, gleiche Ziele erstrebende Anträge waren vom Abg. Groeber gestellt. Die Regierungsvertreter befürch­teten durch die Annahme, die eineenorme" Ausdehnung der schriftlichen AlrteilSbegründungen nach sich ziehen würde, eine weitere Vermehrung desunnötigeu Schreibwerks". Ferner er- klärten sie sich aus sachlichen Bedenken gegen die Anträge. Nach langer, teilweise sehr lebhafter Debatte wurden sämtliche Anträge abgelehnt. Zum Z 261 beantragten unsere Genossen, daß die Verkündung deS Urteils nicht über eine Woche ausgesetzt werden darf. Der Entwurf sagt, daß in der Regel die Aussetzung nicht über eine Woche dauern darf. Der Antrag wurde abgelehnt. Auf Antrag der Nationalliberalen wurde im 8 262 die Frist, in der ein Urteil zu den Akten zu geben ist, von 3 Tagen auf eine Woche ausgedehnt. Sitzung vom Sonnabend» den 2. Juli. Zu den 8H 263, 261 und 265, die den Inhalt des über die Hauptverhandlung aufzunehmenden Protokolls bestimmen, lagen mehrere Anträge bor . Die sozialdemokratischen u. a. forderten, daß, wenn schriftlich gestellte Anträge in das Protokoll aufgenommen werden, diesen Anträgen auch eine schriftliche Begründung beigegeben werden kann. Ein konserva. tiver Antrag wollte eine Bestimmung gestrichen sehen, die vor- schreibt, daß im Protokoll auch die Bezeichnung der strafbaren Handlung nach der Anklageschrift enthalten sein muß. Die Polen beantragten, daß beim Gericht zur teilweisen oder ganz- lichen Aufnahme des Protokolls Stenographen zu halten sind. Die Stenographen sind zuzuziehen, wenn die Prozeßbeteiligten es beantragen und eine Vertagung der Verhandlung deswegen nicht einzutreten hat. Die Regierungsbertreter wendeten sich insbesondere gegen den sozialdemokratischen und polnischen Antrag. Der erste könne die Mündlichkeit der Verhandlung zu weit einschränken, während die offizielle Zuziehung von Stenographen zurzeit noch nicht angängig sei. Ein von einigen Zentrumsabgeordneten ge- stellter Antrag verlangte, daß im Protokoll auch der wesentlich» Inhalt der Zeugenaussage angeführt werden muß. Auch gegen diesen Antrag waren die Regierungsvertreter, indem sie darauf hinwiesen, daß durch Erweiterung der Berufungsmöglich- leiten und-Instanzen auch«ine weitere Ausdehnung der münd- lichen Verhandlungen Platz greifen soll. Unsere Gegossen betonten bei dieser Gelegenheit die Nottvendigkeik Ler pho no» graphischen Aufnahme der Zeugenaussagen und Vernebmungen. Nur durch eine solche völlig genaue Fest- Haltung der Aussagen könne das Protokoll die Vorbereitung zur Berufung und die Verhandlung in der Berufungsinstanz er- leichtern. In der Abstimmung wurden die Anträge zum großen Teil abgelehnt, die 8§ 264 und 265 gestrichen und die Be- stimmungen über das Protokoll im§ 263 in folgender Form zu- sammengefaßt: Ueber die Hauptverhandlung ist ein Protokoll(5} 28b) auf. zunehmen. Im Protokoll wird angegeben, inwieweit öffentlich verhandelt worden ist. Die Urteilsformel wird aufgenommen. Schriftstücke, die verlesen sind, werden aufgeführt. Schriftliche Anträge eines Prozeßbeteiligten werden auf Verlangen als An- lagen beigefügt; doch dürfen sie keine Begründung enthalten. Das Protokoll wird verlesen, soweit es sich auf Beweisanträge und die darauf erlassenen Entscheidungen bezieht." Zu den§8 266 und 267 beantragen unsere Genossen, daß B e- richtigungen an Protokollen von Amts wegen nicht vorgenommen werden dürfen; ferner, daß das Protokoll spätestens bis zum Sckstuß des dritten Tages, nachdem die Haupwerhandlung abgeschlossen ist, fertiggestellt sein muß und endlich, daß gegen ein Protokoll auch der Einwand der Unrichtigkeit erhoben werden kann. Der Entwurf ließ als EinwandSgrund nur die Fälschung gelten. Die Debatte wurde auf Dienstag, den 5. Juli, vertagt. Unserem Bericht über die Sitzung vom 39. Juni tragen wir noch nach, daß der Abg. K o p s ch betonte, seine ablehnende Haltung zum Antrag Groeber zu 8 254 sei keine endgültig ab- lehnende, sondern beziehe sich vorläufig nur auf die Ab- stimmung in erster Lesung. Jugeiiäbewegiiiig. Arbeiter-Jugend. Aus dem Inhalt der soeben erschienenen Nr. 14 heben wir her vor: AuS der Praxis des gesetzlichen ArbeiterschutzeS für junge Arbeiter. Von G. Hoch. Drei Freunde. Von Hermann Thurow. AuS der Geschichte der Sozialdemokratie. DI. Bon Wilhelm Schröder. Ein steinzeirlicheS Dorf aus deutschem Boden.(Mit Illustrationen.) Von Hannah Dorsch. Die Fortbildungsschule gegen die freie Jugendbewegung. v. Breitenbach als Gönner der Jugend. Von L. Radlof. Aus der deutschen und ausländischen Jugendbewegung usw. Beilage: Ferien. Bedicht von Hammersdorff. Der kleine Flüchtling. Erzählung von W. Scharrelmann. Der Große frißt den Kleinen. Von G. Eckstein. Natur-Urkunden, n. Von E. Sonne mann.(Illustriert.) Nächtliche Löwenjagd mit der Kamera. Rosenfülle. Gedicht von LieSbeth EiSner. Ueber die Kunst des Sehen«. Von Rich. Weimann. Bücher für die Jugend. Roß und Reiter. Erzählung von Edgar Hahnewald . Staatliche Förderung gelber Jugendorganisationm. Seit dem gewaltigen Wahlsieg der österreichischen So- zialdemokratie im Jahre 1997 ist es das eifrigste Bestreben der Christlichsozialen und Deuischnationalen. durch Saus- und Krakeel vereine, durch Ausnützung der Flegeljahre die Arbeiterjugend für die Unternehmerinteressen zu organisieren. Mit der Parlamentarisierung der Regierungen hat die Bourgeoisie auch immer mehr die Staats gelder in den Dienst dieser Bestrebungen gestellt und es gibt überdies in den Sudetenländern kaum mehr größere Gemeinden, die nicht ihre nationale Jungmannschaften aus öffentlichen Geldern fördern. Besonders der erste Minister für öffentliche Arbeiten, der Oberpriester des Gottes Nimm, Dr. Gersmann, hat dieses feine System kräftig entwickelt: Durch die Aktion dieses Ministeriums auf Förderung der I u g e n d- Heime und-horte sind zu den seit Beginn 1999 bestehenden 259 weitere 329 derartige Institute gekommen. Neben 59999 Kr. für Wohlfahrtspflege der im Bergbau beschäftigten Jugend sind 75 000 Kr. für die Horte und Heime eingestellt. Das bekommen durchwegs antisozialistische Parteivercine. Da ist z. B. ein deutscher Lchrlingshort des GewerbevereinS in Mährisch-Ostrau , der für Jausen (Vespern) 459Kr., für Bücher 89 Kr. Ausgaben ausweist. Der.Reichsbund der christlichen Arbeiterjugend", gegründet von den christlichsozialen Ab- geordneten Kunschak und Spalowsky, bekommt 399 Kronen. Diese Leute sammeln einen Kunschak-Turm von 1999 Bausteinen zu zehn Kronen für Zwecke der christlichsozialen Arbeiterbewegung. Mit 125 999 Kronen jährlich läßt sich gewiß schon was an Korruption leisten. Dafür gibt es andererseits eine Bestimmung in der Disziplinarordnung für die Gewerbeschulen, die im Widerspruch mit dem Gesetz den Schülern die Zugehörigkeit zur unpolitischen Jugendorganisation des Proletariats verbietet und man läßt eS an Verfolgungen der roten Arbeiterjugend nicht fehlen. Gerichts- Leitung. Ein Polizeistückchen. Bor der zweiten Strafkammer des Landgerichts III spielte sich gestern eine Verhandlung ab, die typisch dafür ist, wie auS Anlaß eines ganz unbedeutenden und harmlosen Vor» falleS Polizei und Staatsanwaltschaft sich in Be» wegung setzen, um die Beamtenautorität zu schützen. Das Objekt der polizeilichen und gerichtlichen Aktion war in diesem Falle der Tapezierer Kraeft. Das Schöffen- geeicht hatte, wie wir seinerzeit berichteten, ihn von der An- klage des Widerstandes gegen die Staatsgewalt freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil B e- r u f u n g eingelegt. Die Verhandlung vor der Strafkammer gab im wesentlichen das folgende Bild: Kraeft traf eines Tages mit seiner früheren Geliebten in der Müllerstratze zusammen. Die alten Beziehungen wurden wieder an- geknüpft. Der junge Mann wollte das Mädchen, welche? Einkäufe für die Mutter zu besorgen hatte, begleiten. Zuvor mußte aber das Mädchen noch hinauf zu ihrer Mutter. Diese billigte das Verhältnis ihrer Tochter mit Kraeft nicht. Um sicher zu sein, daß sein Lieb- chen, dem Einfluß der Mutter folgend, ihn nicht etwa auf der Straße allein lasse, behielt Kraeft die leere Markttasche de? Mädchens als Unterpfand in seinen Händen. Als die Mutter merkte, was zwischen den beiden jungen Leuten vorgegangen war, lief sie zur Polizei und beschuldigte Kraeft, ihrer Tochter die Marktasche mit Gewalt entrissen und sich angeeignet zu haben. Der Kriminalwacht- m e i st e r Koch nahm ein Protokoll auf, schrieb eine Vorladung, welche Kraeft für den folgenden Tag zur Vernehmung nach dem Polizeirevier beschied und beauftragte den Kriminalschutz- mann Küdel, diese Ladung an Kraeft zuzustellen und ihm die Markttasche abzunehmen. Zu seiner eventuellen Unterstützung nahm Ködel den uniformierten Schutzmann Mahler mit. Denn, so sagte Ködel vor Gericht, eS ist dprt eine gefährliche Gegend und bei der Erledigung solcher Aufträge stößt man manch« mal auf Schwierigkeiten. Wie der weitere Verlauf des Vorganges zeigt, gab«S aller- dingsSchwierigkeiten", die aber nicht entstanden sind durch das angeblich gefährliche Publikum der Müllerstraßengegend, sondern durch das ebenso ungeschickte wie unberechtigte Vorgehen des Kriminalschutzmanns Ködel. der in Begleitung der Frau, welche die Anzeige erstattet hatte, der Wohnung KraeftS zusteuerte. In der Utrechter Straße bezeichnete die Frau dem Beamten den an der Bordschwelle stehenden Kraeft als den Gesuchten. Anstatt nun ein- fach den ihm von seinem Borgesetzten erteilten Austrag auszuführen, schritt Ködel ohne weiteres zur Sistierung Kraeft» und ver- langte, daß dieser ihm zur Wache folge. Nach Angabe beS AngeAagien Kraeft ist Ködel, ohne daß er flch als Kriminalbeamter zu erkennen gab, auf ihn zugekommen mit den Worten:Da bist Du ja, Du Lump, Du Strolch. Komm mal mit." Beide Beamte hätten ihn dann sogleich gepackt, geknebelt und abgeführt. Auf seine Frage, was denn gegen ihn vorliege,» habe er die Antwort bekommen:Das wir st Du wohl wissen. Komm man erst oben Du Bursche, da werden wir eS Dir schon sagen." So die Angabe des Angeklagten, der auch behauptet, er sei auf der Polizeiwache durch Fußtritte und Faust schlage mißhandelt worden. EinärztlichesAttest, welches die Folgen von derartigen Miß- Handlungen feststellt, befindet sich bei den Akten. ES kam aber nicht zur Verlesung, da die Beweisaufnahme unter Ausschaltung aller übrigen Momente lediglich auf die Frage beschränkt wurde, ob der Kriminal- schutzmann, als er den Angeklagten sistierte, in rechtmäßiger Aus- Übung seine? Amtes handelte. Ködel behauptet, er habe sich dem Angeklagten sogleich als Kriminalbeamten zu erkennen gegeben und ihn nicht in der be- zeichneten Weife angeredet. Der Angeklagte habe feiner Sistierung Widerstand entgegengesetzt, er sei deshalb von beiden Beamten an den Armen gefaßt und so abgeführt worden. Das Publikum habe eine drohende Haltung gegen die Beamten eingenommen, Stöcke gegen sie erhoben und dem Kriminalbeamten den Revolver, den er gezogen hatte, aus der Hand geschlagen. Der Vorsitzende des Gerichts wollte wisten, was den Kri- minalschutzmann Ködel, der doch nur den Auftrag hatte, dem An» geklagten eine Vorladung zu übergeben und ihm die Tasche abzu- nehmen, zur Festnahme deS Angeklagten berechtigte. Darauf antwortete Ködel: Es habe doch ein Raubanfall vorgelegen. Aber, sagte der Borsitzende, so hat doch Ihr Vorgesetzter die Sache nicht angesehen. Sie hatten doch nur die Ladung zu über- geben. Auf weitere Fragen in dieser Richtung wußte Ködel nichts anderes zu erwidern als: Ja, das machen wir immer so. Wenn wir den, der vorgeladen wird, treffen, dann nehmen wir ihn mit, daß die Sache sogleich erledigt wird. Nach der Vernehmung der beiden Polizeibeamten hielt das Gericht die Frage de? Widerstandes für genügend aufgeklärt. Auf die Anhörung der weiteren Zeugen wurde in allseitigem Einver- ständnis verzichtet. Der Staatsanwalt legte dar, er sei von der Ansicht aus- gegangen, daß die Zustellung der Vorladung auf der Straße nicht möglich, die Sistierung deshalb berechtigt und also ein Widerstand gegen dieselbe strafbar sei. Nach der Angabe deS Kriminal» schutzmanns Ködel hätte dem Angeklagten die Vorladung auf der Straße übergeben werden können. Der Schutzmann habe sich bei Vornahme der Sistierung nicht in rechtmäßiger Ausübung feines Amte? befänden. Aus diesem Grunde beantragte der Staatsanwalt selbst die Verwerfung der von der Staatsanwaltschaft ein» gelegten Berufung. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosen» feld schloß sich diesem Antrage an und forderte außerdem, daß auch die Kosten der Verteidigung der Staatskasse auferlegt werden. Das Gericht gab diesem Antrage statt. In der Begründung deS Urteils wurde unter anderem gesagt: Der Be- amte sei so vorgegangen, daß daS Gericht nicht zu der Anficht habe kommen können, er habe in berechtigter Ausübung seine» Amte» gehandelt. Ob eine Sistierung notwendig sei, das hänge von dem pflichtmätzigen Ermessen des Beamten ab. Wenn Ködel verlangte, der Angeklagte solle ihm zur Wache folgen, so könne er nicht nach pflichtmäßigem Ermessen zu diesem Verlangen gekommen sein. Er habe einen bestimmten Auftrag seines Vorgesetzten auS- zuführen gehabt. ES sei nichts geschehen, waS den Beamten hätte veranlassen können, anders als seinem Austrage gemäß zu handeln. Bei sorgfältiger Prüfung seiner Pflichten hätte er die Sistierung nicht vornehmen dürfen. Ködel habe also nicht in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes gehandelt. Wenn sich der Angeklagte gegen die nicht rechtmäßige Sistierung wehrte, so sei daS kein strafbarer Widerstand. In der Erwägung, daß schon der erste Richter ein vollkommen richtiges und einwandfreies Urteil gefällt habe, fei der Antrag, die Verteidigungskosten der Staatskasse aufzu« erlegen, berechtigt. AuS diesen Gründen erkannte daS Ge» richt auf Verwerfung der Berufung und Tragung der Kosten einschließlich derjenigen der B<r» teidigung durch die Staatskasse. AuS dem Lager der Anarchisten. Vor dem Schöffengericht Berlin Mitte(Abteilung 147) wurde gestern eine Privatklage verhandelt, welche die Anarchisten Witte und Ki e l m e y e r gegen ihre Genossen Paul Frauböse und Hugo Grüneberg erhoben hatten, weil ste von denselben fort» gesetzt als P o li z e i s p i tz e l verdächtigt wurden. Die Vertretung der Privatkläger führte Rechtsanwalt Dr. Holpert, während die Verteidigung der Angellagten Rechtsanwalt Dr. Lieb» knecht übernommen hatte. Nach der fast sechsstündigen Verhand» hing hat Grüneberg auf Grund mehrerer anonymer Briefe in einer Versammlung im Oktober vorigen Jahre« behauptet, daß Witte als Geschäftsführer desFreien Arbeiter" im Dienste der politischen Polizei stehe. Das wurde von Frauböse in einem längeren Referat unter Berufung auf den gleichfalls anwesenden Polizeispitzel Max Schiffer begründet. ES haben infolgedessen mehrere Versammlungen sich damit beschäftigt. In der letzten der» selben wurde mit 35 Stimmen bei 5 Stimmenenthaltungen be« schloffen, daß das Beweismaterial nicht ausreiche. Da trotzdem Frauböse und Grüneberg nicht nur die Beschuldigung gegen Witte öffentlich fortsetzten, sondern auch noch auf Kielmeyer ausdehnten, so strengten letztere Klage an. Von den Zeugen bekundet Rudolf Lange , daß er die anonymen Briefe keineswegs als Beweis anerkenne und diesen Standpunkt in de» Versammlungen bereits vertreten habe. Unter den weiteren Zeugen, die von den Privat- klägern geladen waren, trat der Schreiber der anonymen Briefe Max Schiffer dann mit der Behauptung auf, daß er selbst von Frauböse veranlaßt sei, die Briefe nach dessen Diktat an Grüneberg zu schreiben, weil Frauböse den Witte aus seiner Stellung verdrängen wollte. Schiffer blieb als Mittäter unvereidigt. Seine Angaben wurden teilweise von seiner Frau eidlich bestätigt. Sie hat selbst die Briefe zur Post gegeben und auch sonst im Verkehr mit Frauböse gestanden, um sich ihres Mannes zu entledigen. Frauböse be- stritt entschieden, der Urheber der Briefe zu sein und beantraat Ladung weiterer Zeugen, um zu beweisen, daß Schiffer im Dienste der Polizei gestanden hat. Das soll namentlich Kriminalkom» missarKunze und Gustav Landau bezeugen. DaSGericht lehnte die Beweisanträge ab. Nach vergeblichen Eint« gungsversuchen beantragt der Vertreter der Privatkläger. Bestrafung nach§ 187 Str.-G.-B.(Verleumdung). Die Angeklagten ihr Verteidiger hatte sich in Erwartung der Vertagung um 12'/, Uhr entfernt verlangten den Schutz des§ 19 8. Sie er» klärten die Angaben des Zeugen Schiffer als unglaubwürdig. Als Frauböse behauplet, Schiffer habe ihm selbst gesagt, wie die Quittungen mit 3h U. 6 ausgestellt, auch von dem Kriminal- kommissar Kunze. Z. 212, Aufträge erhalten, springt Schis' erregtauf und schlägt auf Frauböse ein. Hit* wurde Schiffer mit einem Tage Haft als nungS strafe belegt. Das Gericht erklärt, daß eS dem Schiffer Glauben gef_____ und spricht Grüneberg gänzlich frei. Frauböse wird Beleidigung de? Kiclnieyer auf Grund des tz 193 freigcspr wegen verleumderischer Beleidigung des Witte aus L 187 fjÄ