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in diesen Diensiverirägen die Bestimmung borzusehen, daß eine Kündigung deZ Personals durch den Borstand nur bei grober oder wiederholter Verletzung der Dienstpflichten zulässig sei. Viele Kassen haben dieser Anlveistmg entsprechen zu müssen ge- glaubt und insbesondere das Zentrum hat noch bei den Beratungen des Krankenversicherungsgesetzes im Jahre 1903 den Borwurf gegen die Kassen erhoben, daß eine Spezialisierung derwichtigen Gründe", wie sie der Handelömiuistcr forderte, nicht erfolgt ist. Weil nun die Kasse den, Ersuchen dcS Handelsministers nachgekommen ist, des- halb jetzt Räuber und Mörder. DaS Oberverwaltungsgericht nimmt an. daß in zwei Fällen die Spezialisierung zu weit zugunsten der Kasienbcamten gehe. Wir können es auf sich beruhen lassen, ob in der Tat die tätliche Beleidigung eine? Borgesetzten" oder anderes besonders hätte hervorgehoben werden müssen. Wir legen überhaupt außer- ordentlich geringen Wert darauf, ob in dem Vertragsformular ein Grund mehr oder weniger aufgeführt ivird. Denn ist der Grund hinfällig, weil ß 626 des B. G. B. im Gegensatz zu der Ausfassung des Handelsministers eine Detaillierung der Gründe, die als wichtige Gründe anzusehen find, verbietet oder verstößt einer der im Vertrage aufgeführten Kündigungsgründe oder die Unter- laffnng eineS solchen Grundes gegen die guten Sitten, so i st ja der Vertrag insoweit hinfällig und kann Rechts- Wirkungen nicht hervorrufen. Aber gegen die An- ahme deSOberverwaltungsgerichtS, daß es gegen die guten Sitten verstößt, daß die Bestrafung eines politischen oder religiösen Deliktes und die Verbüßung einer derartigen Strafe kein Kündigungs- oder Entlassungsgrund abgeben darf, möchten Wir doch auf das nachdrücklich sie Verlvahrung einlegen. Die absolute Freiheit der politischen und religiösen Betätigung muß für jeden Staatsbürger verlangt werden und ist früher auch vom Zentrum verlangt worden. Wenn es sich jetzt mit den Gründen dcS Oberverwaltungsgerichts einVerständen erklärt, so öffnet eS insbesondere den polnisch redenden Teilen der Bevölkerung die Augen darüber, wohin die Reise des Zentrums geht. Wir möchten auch daran erinnern, daß die ReichstagSkommission zu Z 363 der Reichsversicherungsordnung ausdrücklich beschlossen hat, daß die religiöse oder politische Betätigung cincS Kassenbeamten kein Grund für seine Kündigung abgeben darf. Und dieser Grundsatz wird auch hoffentlich im Plenum aufrecht erhalten bleiben, wiewohl dieGer- mania" usw. aus ihm folgern, daß danachein notorischer Lump in feinem Amte und Gehalte belassen werden muß." Wenn das Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen 8 29 des KrankenversicherungSgesetzcs in der vertraglichen Verpflichtung erblickt, daß die Beamten nur bei unabweisbarem Bedürfnis in der Zahl verringert werden dürfen, so erübrigt sich ein Streit über die Auslegung des 8 29 des K. V. G. Denn auch hier hat ja im Streitfall das Prozeßgericht zu entscheiden. Und dies hat oft über die Auslegung deS 8 29 eine andere Ansicht als das Oberverwal- tungsgericht ausgesprochen. UeberdieS aber sieht 8 303 deS von der Regierung vorgelegten Entwurfs zur ReichSversicherungS-Ordnung ausdrücklich die Verpflichtung zur Uebernahme der Beamten und Angestellten für die Fälle einer Vereinigung von Kassen vor. Mag eS aber mit den Gründen deS Oberverwaltungsgerichts stehen, wie eS wolle eS ist ein geradezu schamloser Versuch, daS Erkenntnis gegen die Ortskrankenkassenvorstände oder gar gegen die Sozialdemokratie ausbeuten zu wollen. Kassen- vorstände haben in Verfolg des von unS angeführten Erlasses des Handelsministers und gestützt auf Deklamationen gerade der Zentrumsleute sich bemüht, einen Vertrag zu schaffen, der die Rechte und Pflichten der Kassenbeamten klar umgrenzt und vor Willkllrlichkciten sicherer stellt als der schwammige Begriff wichtige Gründe" im 8 326 B. G.-B. AuS dem Selb st der- waltungSrecht der Kasse folgt, daß jede Kasse zu bestimmen hat, in welcher Weise der Vertragsinhalt festgelegt wird. Die Frage zu entscheiden, ob in den Vertragsentwürfen, wie sie ins- besondere seit 1900 von Kassenvorständen und Kasscnbeamten an- geregt sind, daS Nichtige getroffen ist, haben allein die Mitglieder der Kasse das Recht. Naturgemäß sind hierüber häufig Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Viele Kassen haben trotz deS Erlasses deS Handelsministers eine Regelung in der Art, wie die Kassenbeamten sie wünschten, abgelehnt. Die Vor« stände und Generalversammlungen anderer Kassen hingegen, und zwar übereinstimmend Arbeitgeber wie Arbeitnehmer und Vor- stände. in denen sich ZeutrumSIeute. Konservative, Sozial- demolratcn und Freisinnige befanden, haben ähnliche Verträge wie den vom ObcrverwaltungSgericht mißbilligten abgeschlossen. Insbesondere von Sozialdeniokraten geleitete Kassen wie die Leipziger und Dresdener, haben solchen Entivurf unter lebhafte st er Unterstützung der sozialdemokratischen Parteipresse bekämpft. Schließlich hat die Organ isatiou der Kassenbeamten selb st eingesehen, daß der Vertragsentwurf, über den das Oberverwaltungsgericht sich vor kurzem geäußert hat, zu bessern ist. Im Jahre 1908 ist statt des vom ObervrrwaltmtgS- geeicht kritisierten Bertragsentwurfs ein anderer vorgeschlagen, der die gerügten Mangel nicht enthält. DaS allcS verschweigt natürlich die Blockpresse, um scheinheilig Entrüstung heucheln zu können. Vollends unsinnig ist der Vorwurf, die Sozialdemokratie trage an einem Vertragsentwurf schuld, den jetzt angeblich die Zentrumspresse in Grund und Boden verdonnert wissen will. Die Sozialdemokratie hat sowohl im Parlament wie in ihrer Presse stets den Standpunkt vertreten: volles Selbstverwal- tun gerecht mutz der Kasse bleiben. Nicht eine Zeile aus der sozialdemokratischen Presse vermag die Zentrumspresse nebst An- hang anzuführen, die für den Inhalt der Kassenbeamtenverträge geschrieben ist. In Uebereinstimmung mit ihren Grundanschauungen ist die sozialdemokratische Presse stets dafür eingetreten, daß auch auf dem Kassengebiet das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von sozialem Geist getragen sein müsse. Mit Recht haben deswegen unsere Genossen in der Kommission beantragt, für alle Kassen- angestellten die Regelung gesetzlich festzulegen. Nach ihren An- trägen soll für die Kassenangestellten durch Gesetz festgelegt werden: 1. eine Arbeitszeit an Werktagen von höchstens 8 Stunden; 2. un- verkürzte Gehaltszahlung bei unverschuldeter Arbeitsbehinderung auf 6 Monate; 3. einen Ferienurlaub von mindestens 2 Wochen nach einjähriger Anstellung unter Fortzahlung des GehaltS; 4. Dienst- altcrszulagen in ein- oder zweijährigen Zeiträumen von inSgesmnt mindestens S0 Proz. des Grundgehalts mit der Verteilung auf höchstens IS Dienstjahre; 6. eine sofortige Entlassung ist nur zu- lässig wegen so grober Dienstvergehen und Handlungen, daß. die weitere Beschäftigung des Beamten mit den Interessen der Kasse zinvereinbar ist; 6. eine Kündigung kann wegen sonstiger Ver. letzungen der Dienstpflichten nur dann erfolgen, wenn sich der Beamte die Verletzungen trotz Warnung wiederholt im Laufe der setzten 12 Monate hat zuschulden kommen lassen. Für den scharfmacherischen Geist dcS Zentrums kennzeichnend tft, daß ei diese Anträge in der Kommission und in bei Presse de, kämpft hat. DaS wird Tausenden von Arbeitern hoffentlich die Augen über die Judasarbeit dieser Partei öffnen. Erheiternd ist, wie die schwarz-blaue Presse durch ihre Aus- lassungen ihrer selbst spottet, und weiß nicht wie. Von Kons er- v a t i v e n und von Zentrumsleuten geleitete Gemeindever- waltungen wagen es, die Dienstverträge mit ehemaligen AmtSvor- sichern, Oberförstern u. dcrgl., welche als Rendanten oder in eine andere Stellung für Kassen übernommen wurden, zum Schaden der Kasse und der Arbeiter dahin abgeschlossen haben, daß die Stellung dieser Herren unkündbar sein und daß ihre Ein- nahmen nach Prozenten des Kassen ver mögens sich richten sollten! Wir erinnern an Lichtenberg , Elberfeld , Essen; das waren unzweifelhaft den Kasseninteressen und den guten Sitten ins Gesicht schlagende Abmachungen. Der Zweck des von der schwarz-blauen Garde unternommenen Feldzuges ist durchsichtig. Die Regierung hat auf Seite 119 der Motive der Reichsversicherungsordnung gegenüber der Ver- leumdung,daß in vielen Ortskrankcnkassen die Versicherten ihr Uebergewicht zu politischen Parteizwecken ausnützen und miß- brauchen", zugeben müssen, daß ein Beweis für die Ver- leumdung nicht erbracht ist, daß vielmehrArbeitgeber- vertreterdieUnparteilichkeitderKassenführung und das Fernbleiben ungebührlicher Eindrücke von außen bezeugt" haben. Es heißt da weiter in den Motiven:Tatsächlich hatte denn auch bei den vom ReichSamt des Innern veranlaßten Besprechungen mit Vertretern der Kassen eine Anzahl der erschienenen Arbeitgeber daZ Vorhandensein Partei- politischer Mißbrauche innerhalb der Verwaltung ihrer Kassen nachdrücklich in Abrede gestellt." Die RegierungSkommissare haben ja auch in der Kommission zugeben müssen, daß sie keinerlei Material für die infamen Verdächtigungen, mit denen massenhaft das Scharfmachergesindel aufgetreten ist, besitzen. Sie suchten den von der Sozialdemokratie erbrachten Beweis des verleumderischen Inhalts jener Ausstreuungen durch die Ausrede zu bemänteln, so etwas läßt sich eben sehr schwer beweisen". Die schwarz-blaue Blockpresse trübt durch die gekennzeichneten Manöver das Wasser, um desto leichter fischen und die Arbeiter um den Rest ihres Selbst- Verwaltungsrechts in den Krankenkassen bringen zu können. Vit neue Sshlecchlivorlage. Der Zentrumsabgeordnete Schmedding hat in einer öffentlichen Versammlung erzählt, daß dem Landtage bereits in der nächsten Session eine neue Wahlrechtsvorlage vorgelegt werden solle. Die werde dann jedenfalls nicht viel anders aussehen, als das vom Herrenhaus zusanimen- gestoppelte Monstrum, und deshalb von der Mehrheit des Abgeordnetenhauses abermals abgelehnt werden. Denn es sei nicht anzunehmen, daß die Konservativen ihre Haltung in der Wahlrechtsfrage ändern würden. Auch dieDeutsche Tages-Zeitung" scheint die abermalige Einbringung der Wahlrechtsvorlage zu fürchten, anders läßt sich wenigstens nicht die Vehemenz erklären, mit der sie gegen eine Notiz derVerl . Pol. Nachr." ins Geschirr geht. Das Agrarierblatt tut zwar so, als halte es gerade diese Notiz des häufig offiziös inspirierten Organs für eine rein private Stilübung; allein die dabei an die Regierung gerichtete dringliche Mahnung, doch ja nichtvon amtlicher Seite aus den Wahlresormgedanken auch nur irgendwie wieder in die Debatte zu werfen", verrät nur zu deutlich die Besorgnis des Bündlerblattes vor der Einlösung des in der Wahlrcchtsfrage verpfändeten Königswortes l Sollten übrigens die Auslassungen derB. P. N." wirk- lich von offiziöser Herkunst sein, so würden sie die Vermutung des Herrn Schmedding, daß Bethmann Hollweg an der herrenhäuslerischen Verunstaltung des Wahlrechtswechselbalges festhalten werde, bestätigen. Denn in dem Artikel derB. P. N." heißt es: Vielmehr stellt sich sowohl die Regierungsvorlage, wie die Wahlrechtsreform nack den Beschlüssen des Herren­hauses als die sachgemäße Ausführung der in jener Thronrede niedergelegten landesherrlichen Willens- erklär ung dar. Nicht dasselbe läßt sich aber von der Wahl- rechtsreform nach den Beschlüssen deS Abgeordnetenhauses sagen, denn in diesen Beschlüssen wird verabsäumt, die Bemessung des Wahlrecht» nach dem wirklichen Gewicht der Stimmen durch Beseitigung der dem jetzigen Dreiklassenwahlsystem an- haftenden Mängel ficher zu stellen. Außerdem wird durch Auf- rechterhaltung der Drittel» ng in den Urwahl- bezirken den breiten Schichten des M i t t e l st a n d e S der ihnen gebührende Einfluß auf das Ergebnis der Wahlen sowohl in den reicheren wie in den Arbeitervierteln der großen Städte entzogen. Wenn man sich daher für die Folge bezüglich der Reform deS preußischen Wahlrechts auf die Thronrede von 1908 berufen will, so wird man sich daran erinnern müssen, nach welchen Richtungen hin die Thronrede unser Wahlrecht m Wirklichkeit reformiert wissen will." DieDeutsche Tages-Ztg." erklärt, diese Darlegungen deshalb nicht für offiziös halten zu können, weil die R e- gierungsvorlage gerade die Drittelung nach Urwahl- bezirken als besonders mittelstandsfreundlich gepriesen habe. Das ist Tatsache. Ebenso ist jedoch Tatsache, daß Herr v. Bethmann Hollweg ja bereits im Landtage nicht nur in der Frage der Drittelung. sondern auch in der der Maximierung seine eigene Vorlage voll- tändig preisgegeben und sich den Wünschen der frei- konservattven und nationalliberalen Scharfmacher angepaßt hatte I Wir halten eS deshalb für durchaus möglich, daß Herr v. Bethmann Hollweg tatsächlich den Versuch machen wird. eine Wahlreform nach dem Rezept der Zedlitz. Röchling und Konsorten durchzudrücken. Und zwar möglichst schon vor den nächsten Reichstagswahlenl Die Volksmassen werden eS sich nicht nehmen laffen, da- bei noch ein weit kräftigeres Wörtlein mitzusprechen, als das letzte Mal l_ politische ücbcrftcht. Berlin , den 5. Juli 1910. Die Klage um Rheinbaben. Der schwarzblaue Block ist sichtlich mit Herrn V- Bethmann unzufrieden und will ihm die Ausschiffung seines Konkurrenten, der eine so verläßliche Stütze der klerikal-konservattven Koalition war, nicht ungerügt hingehen lassen. War das Grollen schon in den konservattven Blättern deutlich vernehmbar, so nimmt sich dieGermania " erst recht kein Blatt vor den Mund. Sie verlangt die vollständige Unterwerfung und schreibt drohend: Am letzten Ende muß auch daS Ministerium Bethmann Hollweg Farbe bekennen, mit der philosophischen Ruhe kommt man nicht durch und mit Orakeln auch nicht. Die Patteien wollen sich beizeiten orientieren. Auch das Zentrum hat ein solches Recht auf Klarheit, da e» gar keine Veranlassung hat, da» Konto Bethmann Hollweg einstens mit übernehmen zu müssen. Im Reiche hat der Reichskanzler garnichtS zu« gunsten des Zentrums getan, m Preußen hat er bei der Wahlreform gegen dieses gearbeitet; seine politische Ver- gangenheit als B l o ck st a a t S s e k r e t ä r ist für uns nicht beruhigend und ermunternd. Wenn man alles zu- sammenfaßt, bleibt ein Rest gesunden Mißtrauens gut begründet. Aber wir sind objektiv genug, dieses zurückzustellen, wenn die Taten des Ministeriums dies gerechtfertigt erscheinen lassen." Uns will bedünken, daß die Aeußerungen des Miß­vergnügens. die jetzt so gehältst in der schwarz-blauen Presse zu finden sind, nicht um der Trauer um Rheinbaben entspringen. Sie sind vielleicht weniger auf die Regierung als auf die N a t i o n a l l i b e r a l e n berechnet. Tun die Schwarzblauen unzufrieden, ist das für Nationalliberale nicht ein genügender Beweis, daß das Ministerium vielleicht doch im dunkelnGrunde seines Herzens" liberal angehaucht ist? Und diese Spekulation braucht die Schwarzblauen gar nicht zu trügen. Macht doch schon die nationalliberaleMagdeb. Ztg." Front gegen dieNörgelei" und nennt die Absage der Natiouall. Korresp." eine verfrühte; sie verlangt, daß das deutsche Bürgertum B e t h m a u n H o l l w e g für die Be- rufung LentzeS Dank wisse. Lange wird es also nicht dauern und die Nattonalliberalen sind wieder versöhnt. Das freie Bayer». Bei der Hundertjahrfeier der Zugehörigkeit Erlangcns zu Bayern hielt Prinz Ludwig von Bayern eine Ansprache, in der er unter anderem ausführte: Wenn Sie in hundert Jahren gut bayrisch geworden sind, so haben wir das in allererster Linie der Verfassung zu danken, die König Max gegeben hat und die unverbrüchlich die ganze Zeit über gehalten worden ist. Ein steteres Volk, als das bayerische, gibt es nicht, und es ist eine Freude für das Königshaus, an der Spitze eines freien und treuen Volkes zu stehen. Darüber, daß. Bayern das freieste Land ist, wollen wir mit dem Prinzen Ludwig nicht rechten, obwohl sich unschwer einiges dagegen anführen ließe. Desto interessanter ist die Gesinnung, der der Prinz Ausdruck gibt. Mit welcher Verachtung wohl der bayerische Thronfolger auf das Land der Dreiklassenschmach herabblicken muß und wie er wohl über die Hohenzollern denken mag, die der Freude. die er empfindet, so ganz entbehren, allerdings ohne diese Entbehrung auch nur zu fühlen. »Kriegsrüstungen". München » 4. Juki. Unter der SpitzmarkeKriegSrüstungen' schreibt derBahr. Kurier": In Berliner Regierungskreisen und vor allem auch in der Umgebung deS Kaisers herrscht arge Besorgnis vor den kommenden ReichstagSwahlcn. Man rechnet mit 100 bis 130 sozial- demokratischen Mandaten. Diese Besorgnis hat Veranlassung ge- geben, eine kräftigere Bekämpfung der sozialdemokra- tischen Bestrebungen in Aussicht zu nehmen, die auch den LinkS- liberalismus treffen sollen." Weiter bemerkt daS genannte Zentrumsblatt. eS sei nicht be- kannt, ob an mehreren anderen Orten Deutschlands ähnliche Unter- nehmnngen geplant seien. Tatsache sei eS aber, daß in München eine Gruppe von Persönlichkeiten zwecks Gründung eines großartigen ZeitungSunternehmenS zusammengetteten ist, die mit dem Fürsten von Fürstenberg in Verbindung stehen solle. An der Spitze des Unternehmens siehe in München ein bekannter israelitischer BerlagSdirektor. DaS Blatt, daS im Herbst dieses Jahres zum erstenmal erscheinen und kotz zweimaliger täg- licher Ausgabe nur 1,80 Mark vierteljährlich kosten werde, solle den Standpunkt der Rechtsliberalen und die Interessen der Arbeitgeber vertreten und, ohne einen Parteistandpuntt zu betonen, die Sozialdemokratie bekämpfen. Dem neuen Blatte sollen alle Reichs-, Staats- und Gemeindeinserate, dann die Bilanzen der Banken, der Großindustrie usw. zugewendet werden. Dadurch und durch seine Reichhaltigkeit hofft man eS infolge seiner Billigkeit maffenhaft in Stadt und Land verbreiten zu können und alles andere aus dem Felde zu schlagen, so daß das Blatt bis zu den nächsten Wahlen erheblichen Einfluß aus die öffentliche Meinung gewonnen hätte. Als Kapital für das Unternehmen, das mit einer JahreSauSgabe von 1 800 000 M. rechne. seien 4 Millionen Mark angenommen, wovon 2 Millionen bereits gezeichnet seien. Den Rest hofft man auS den Kreisen deS Handels der Industrie, des Gewerbes und der Landwirtschaft binnen kurzem zu erhalten. DerBahr. Kur.' will eS seinerseits dahingestellt sein laffen, ob die geplanten Maßnahmen die richtigen seien. Größte Vorsicht scheint ihm von seinem Standpunkt aus geboten, weil, wie er sagt, der H a n s a b u n d mit der Sache in Verbindung stehe. Zur Kandidatur Bassermanns für Saarbrücken . Auf unseren Artikel, in dem wir mitteilten, daß der Vorstand der nntionalliberalen Partei für den Wahlkreis Saarbrücken dem Abg. B a s s e r m a n n die Kandidatur für die kommende Reichstags- wähl angeboten, dieser jedocb abgelehnt habe, weil die Groß- industriellen, hauptsächlich Dr. Röchling, gegen ihn waren, teilt Herr Bassermann derNat.-Ztg." mit, daß ihm die Saarbrücker Kan- didatur tatsächlich angeboten worden sei, er sie aber auSanderen" Gründen, nicht wegen der Gegnerschaft der Großindustriellen, abgelehnt habe, ohne jedoch dieanderen Gründe" mitzuteilen. Herr Bassermann elbst ist vorsichtig oder klug genug und schweigt sich über die Stellung der Großindustriellen zu seiner Politik und das gegenseitige Freundschaftsverhältnis" aus, während dieSaarbrücker Zeitung ", dasführende" nationalliberale Parteüblatii an der Saar , am 4. Juli nicht nur dieGründe" der Ablehnung Basier- mann« mitteilt, sondern allen Ernstes zu bestreiten wagt, daß eine Gegenströmung im Parteilager vorhanden war. Nach Wiedergabe unserer Mitteilungen und der Erklärung BassermannZ schreibt da» Blatt: .... Wie scdon aus der Erklärung des Herrn Bassermann selbst hervorgeht, ist an der Gesckiichte nur daS eine wahr, daß man mit Herrn Bassermann Fühlung wegen der Kandidatur ge- nommen hatte. Herr Bassermann lehnte aber, wie wir wissen, von vornherein ab, weil er nicht mehr kandidieren will. Verhandlungen, in denen die Großindustrie ihre Gegner- schast zum Ausdruck bringen konnte, haben bei dieser Sachlage überhaupt nicht stattgefunden. ES genügt wohl allein diese Feststellung, um die Haltlosigkeit der Angaben in dem sozial- demokratischen Blatte darzutun." Entweder sind diese Ausführungen auf Roßtäuscherei berechnet oder dasführende" nationalliberale Blatt hat keine Ahnung von den Vorgängen innerhalb seiner eigenen Partei. Herr Basser- mann sagt selbst, daß man ihm die Kandidatur in aller Form an- geboten hat. während daSführende" Parteiblatt nur von einer Fühlungnahme weiß l Und da Herr Basser- mann von vornherein ablehnte, hätten Verhandlungen, in denen die Großindustrie ihren Standpunkt zum Ausdruck bringen konnte, überhaupt nicht stattgefunden. Demnach würde man im Wahlkreise Saarbrücken die Reichstagskandidatur vergeben. ohne die Großindustrie, ohne die eigentliche Partei selbst zu fragen! Das glaubt derSaarbr . Ztg." nicht einmal ihr Sctzerstift. ge- schweige sonst jemand, der die Verhältnisse auch nur halbwegs kennt. Wir wollen demführenden" nationalliberalen Parteiblatt, um es über seine totalen Unkenntnisse im eigenen Parteilager etwas aufzu- klären, mitteilen, daß tatsächlich und sogar mehrfach Auseinander- setzungen stattgefunden haben, in denen sogar scharf gegen die Stellung Bassermann» angekämpft wurde.