tut Jahre 1906 habe das Tribunal unier dem Druck einer sehr starken öffentlichen Meinung im Auslande gehandelt. Im zweiten Prozeß, der zur H i n r i ch t u n g Ferrers führte, habe man auf die europäische Strömung in genau entgegen- gesetztem Sinne geantwortet. Der Redner wies auf die nachteiligen Folgen hin, die diese Tatsache für Spanien im Auslande gehabt habe. Der U n t e r r i ch t s m i n i st e r er- widerte, die Rede Salillas habe gar nichts zu tun mit dem (Gegenstand der Beratung, der Antwort auf die königliche Botschaft. Das Parlament könne sich nicht in einen Gerichtshof verwandeln; die Regierung lehne dies entschieden ab. Darauf wurde die Sitzung aufgehoben._ Die religiöse Frage. Madrid , 6. Juli. Senat. Der.Bischof von Madrid sprach über die religiöse Frage. Er bekämpfte das Monopol des Staates im Erzrehungswesen. Hierauf erwiderte Canalejas, er müsse endgültig erklären, entweder werde diese Frage in Eintracht und Frieden geregelt werden oder die Regierung werde sie selbst regeln, indem sie ihre Macht und Energie zur Anwendung bringe. Aber wir werden, so fuhr Canalejas fort, keinen Frieden und keine Eintracht haben, so lange Doktrinen bestehen bleiben, die weder wir noch Sie zulassen können. Die Macht der Kirche darf nie über die des Staates gehen. Es gibt religiöse Bestrebungen, die auf ein Gebiet hinübergreifen, auf dem sie keine Berechtigung haben. Der Ministerpräsident betonte energisch, daß er weder das Kon- kordat noch die Verfassung verletze. Der Augenblick sei für Spanien gekommen, einen entscheidenden Schritt zu tun. Ob dieser Schritt früher oder später getan werde, jeden- falls müsse ihn Spanien tun. Darauf wurde die Sitzung auf- gehoben. Englanci. Ein Viermilliardenbudget. Der Voranschlag für das Finanzjahr 1910/11, den Lloyd George dem Unterhause vorgelegt hat, bedeutet, rein finanztechnisch betrachtet, einen Erfolg. Ist doch der Fehlbetrag, den die Ablehnung des letzten Etats durch die Lords und der dadurch verursachle Mindereingang an Steuern und Zöllen verursachten, nicht nur ausgeglichen, sondern auch, ohne neue Steuern und ohne Anleihen, ein Ueberschuß von 861 000 Pfund Sterling(zu 20,40 M.) vorgesehen. Dabei soll die gewallige Steigerung des Marineetatö rein aus laufenden Mitteln bestritten und sogar die Staatsschuld durch Rückzahlung von 9Vq Millionen vermindert werden. Der Schatzkanzler durfte mit berechtigtem Selbstgefühl dieses Ergebnis seiner Finanz- Politik vorlegen und die Schutzzöllner, die ihr Allheilmittel auch als Voraussetzung einer gesunden Finanzwirtschaft hingestellt haben, herausfordern. Insgesamt find an Einnahmen 199 791000 Pfd. Sterl. --- rund 4076 Millionen Mark gerechnet, an Ausgaben 198 930 000 Pfd. Sterl.--- 4053 Millionen. Der Ueberschuß soll nach Begleichung der durch den Tod deS Königs verursachten Ausgaben<309 000 Pfd. Sterl.!) für technischen Unterricht(102 000) und zur Erweiterung der Alters- renten(450 000 Psd. Sterl.) dienen. Es soll nämlich der Ausschluß der A r m e n u n t e r st ü tz u n g Beziehenden von der Rente vom I.Januar 1911 anfallen. Für das ganze Jahr sind dafür 1 300 000 Pfd. Sterl. vorgesehen, wovon diesmal also nur ein Viertel verwandt wird. Da es sich um 270 000 alte Leute handelt, sind das nicht mehr als 136 M. pro Person und Jahr, zu denen aber die bisherige Armenunterstützung hinzukommt. Das ganze soll vereinigt und als Pension, nicht mehr als Armenuuterstützung gegeben werden. Die Durchführung der versprochenen Kranken- und Arbeitslosenversicherung hat der Minister für nächstes Jahr in Aussicht gestellt— vorausgesetzt, daß die Flotten- ausgaben wieder einen normalen Stand erreicht haben. Für die EntWickelung des internationalen Flotten Wahn- s i n n S ist kennzeichnend ein Vergleich, den L. George anstellte. 1886 trat ein konservariver Schatzkanzler zurück, da er eS ablehnte, einen Marineetat von knapp 260 Mill. Mark zu vertreten. Diesmal betragen die Ausgaben aber 330 Millionen I Eine Besserung dieses Wettrüstens wird erhofft, wenn das deutsche Flottenprogramm erfüllt und damit eine weitere Steigerung unnötig sein werde. Ja, wenn! Die Einnahmequellen sind: Zölle(nur Finanz- zölle, hauptsächlich auf Tabak, Alkohol und Tee) rund 32,1 Mill. Pfd.— Indirekte Steuern(hauptsächlich Branntwein, Bier u. a.) 34,3 Mill.— Stempelabgaben 9,6.— Einkommensteuer (von Einkommen über 3264 M.) 37'/t Millionen.— Grund- und Hausabgaben 3.3 Millionen.— Erbschafts steuer 25,65 Millionen Pfund. � Insgesamt 142'/« Millionen Pfund aus Steuern, wozu 30 Millionen Rückstände usw. kommen. Die neue Landwert- s ch ä tz u n g, die von den Grundbesitzern nicht ohne Grund bis aufs Blut bekämpft worden ist, hat eine erhebliche Steigerung der ErbschaftS st euer im Gefolge gehabt. Der.Familiensinn' der englischen besitzenden Klassen muß die Probe emer Nachlaß- besteuerung von mehr als 520 Millionen Mark bestehen. Die Zivilliste. London , 6. Juli. Die mit der Festsetzung der Zivilliste des neuen Königs betraute UnterhauSkommission hat als Gesamtsumme für die königliche Familie mit Ausnahme der Apanage des Prinzen von Wales 167S0000 Frank bewilligt. Wenn der Prinz von Wales sich verheiratet, so wird für seine Gattin eine jährliche Revenue ausgesetzt werden. Für die Königin Mary ist für den Fall des Ablebens des Königs eine Jahrespension von 1750 000 Frank, die gleiche Summe, welche die Königin Witwe Alexandra erhält, be- willigt worden. Rußland. Dem Henker überliefert. Die in Helsingfors und Wiborg stattgefundenen Verhaftungen, über die wir vor kurzem berichteten, haben bereits zu der Auslieferung der Gefangenen an die russischen Behörden geführt. Aus Helsingfors wurden acht Personen (darunter die Genossin Ljuba Ostroumow) und aus Wiborg zehn Personen an die russische Grenze geschafft, wo sie von den Kerkermeistern des Zaren liebevoll in Empfang genommen wurden. Sämtliche Gefangene iverden dem Kriegsgericht übergeben. Den meisten von ihnen droht die Todes- strafe. Die russische Kriegsjustiz hat ihre Arbeit in Finn- land begonnen. Ein neues furchtbares Verbrechen, ein neuer Massenmord wird vorbereitet. Cürkei Verschärfung des Boykotts. Konstantinopck, 6. Juli. Nach einer Bekanntmachung des BohkottkomiteeS werden nach dem 6. Juli die in griechischen Schiffen verladenen Waren ohne Rücksicht auf die Nationalität des Warenbesitzcrs nicht gelöscht werden. DaS Komitee fordert alle Geschäfte auf, ihre griechischen Ange st eilten zu ent- lassen. Huö der partei* Der sozialdemokratische Verein für den Wahlkreis Lübeck hielt am Montagabend seine Generalversammlung ab. Aus dem er- statteten VorstandSbericht für das abgelaufene Geschäftsjahr ist zu entnehmen, daß die Mitglicderzahl sich'trotz der Krise von 3271 auf 3720, also um 449 erhöht hat. Die Einnahmen und Ausgaben balanzicrten im Berichtsjahr mit 23 027.06 M. Auch die Berichte der Bertrauensperson der weiblichen Mitglieder und des Vorsitzenden der Jugendkommisfion konstatierten erfreuliche Fortschritte. Die Bürgerschaftswahlen haben uns im verflossenen Jahre einen erheb- lichen Stimmenzuwachs und die Vermehrung unserer Mandate von sieben auf zwölf gebracht. In drei Landgemeinden besitzen die Lübecker Genossen gegenwärtig ein Gemeindevorstandsmitglied und vierzehn Gemeinderatsmitglieder. Auf dem Landgebiet gelangt allmonatlich ein besonderes Organ„Der Landarbeiter" sowie jährlich ein Kalender unentgeltlich zur Verteilung. Die Agi- tation ist durch Flugblätter und in Versammlungen in umfangreicher Weise betrieben worden. In der Versammlung wurde der Wunsch nach einer Verschärfung des Schnapsboykotts ausgesprochen und die Errichtung eines' besonderen Jugendheims angeregt. Die Vorstands- wählen zeitigten die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder. Vor- sitzender der Landesorganisation ist der Genosse P. Löwigt. Mit großem Interesse wurde der Bericht über die Tätigkeit der Lübecker Bürger schaftsfraktion bei der diesjährigen Budget- beratung entgegengenommen. Einwendungen oder Kritik wurden nicht gemacht reip. geübt. Mitgeteilt wurde noch, daß im kommenden Winter wieder ein Vortragsztülus mit Genossen Rühle-Halle als Referenten arrangiert werden wll. Der Sozialdemokratische Kreisverein Mülhausen i. Elf. zählt nach dem in der Generalversammlung vom Sonntag, den 3. Juli, er- statteten Kassenbericht jetzt 1014 Mitglieder, darunter 61 weibliche,— er ist hiernach die stärkste sozialdemokratische WahlkreiSorganisation in Elsaß-Lothringen . Der Verein beschloß, die Wahl des Delegierten zum Magdeburger Parteitag zum ersten Male mittels Urabstimimmg vorzu- nehmen. Zu der am 16. und 17. d. M. in Colmar stattfindenden Generalversammlung der sozialdemokratischen Partei Elsaß-Lothringen S nahm die Vereinsversammlung vor der Dclegiertenwahl einstimmig die folgende Vorstands- resolution an: .Die am 3. Juli 1910 tagende Generalversammlung deS Sozialdemokratischen KreisvereinS Mülhausen spricht die Erwartung aus, daß von den Delegierten des Kreises Mülhausen zur Landesversammlung in Colmar und von der Landesversammlung selbst den revisionistischen Bestrebungen in der Partei, wie sie u. a. in der Teilnahme der uiitereli'ässischen Bezirkstags- Mitglieder an einem Bezirkstagsfe st essen mit Kaiser - hoch und in dem PeiroteSschen Versuch der Umdeutung unserer Programm st ellung zu den indirekten G-emeindesteüern zum Ausdruck kommen, mit Entschieden- heit entgegengetreten wird." Das in Rede stehende BezirkstagSfestessen fand auf Einladung des Bezirkspräsidenten für Unterelsaß am Vorabend der Landes- ausschußwahl im letzten Spätjahr statt. Bei der Wahl im Bezirkstag selbst unterlag dann der sozialdemokratische Kandidat Genosse Peirotes mit 15 Stimmen, darunter 11 oder 12 liberale, während entgegen dem liberal- sozialdemokratischen Wahl- abkommen außer den aufgestellten liberale» Kandidaten, welche mit Hilfe der sozialdemokratischen Stimmen die Mehrheit erlangt hatten, anstelle des Genossen PeirotcS ein— Zentrums- mann gewählt wurde. Die Wendung in der Resolution gegen die Umdeutung unserer Programmstellung zu den indirekten Gemeinde- steuern bezieht sich auf das Referat des Genossen Peirotes auf der Konferenz sozialdemokratischer Gemcindevertreter Elsaß-LothringenS am 20. Februar d. I. in Colmar , worin Genosse Peirotes die prinzipielle Verpflichtung unserer Parteivertreter in den Gemeinde- räten zur Ablehnung der städtischen Verbrauchssteuern(Oktroi) be- stritt und den Satz aufstellte, die im§ 13 des Zolltarifgesetzes von 1902(Verbot der Weitererhebnng kommunaler Abgaben auf Vieh. Fleisch, Getreide, Backwaren vom 1. April 1910 ab) verfolgte Politik, welche die sozialdemokratische Reichstags- fraktion mitvertreten hat, sei„keine arbeiterfreundliche, sondern Mirtelstandspolitik". Auf Antrag des Mülhauser Kreis- Vereins steht auf der Tagesordnung der LandeSversamm- lung vom 17. d. MtS. behufs Erledigung dieser Meinungsverschieden- heiten nun der Punkt„Sozialdemokratie und Oktroi" mit P e i r o t e S-Slraßburg als Referent und E m m e l- Mülhausen als Korreferent. Reichstagslandidatur. In einer am Sonntag, den 3. Juli, in Sonthofen stattgefundeneu Wahlkreiskonferenz für den 6. schwäbischen ReichStagSwahlkreiS Jmmenstadt-Lindau wurde einstimmig Genosse Heinrich G ö lze r, Schreinermeister und Gemeinde- bevollmächtigter in Kempten , als Kandidat aufgestellt. flu; der Reichsverfichcrungscrdnungs- kommifiion. (Sitzung vom Mittwoch, den 6. Juli 1910.) Die Generaldebatte über die Arztfrage bezog sich heute namentlich auf den Vorschlag des Abg. Dr. Mugdau, daß nur e i n Vertragsausschuß vorgeschrieben wird und nicht, wie in dem Entwurf vorgeschlagen wird, zwei Vertragsausschüffe, nämlich einen für allgemeine Arztverträge und einen für besondere Arztverträge.. Einige bürgerliche Abgeordnete schienen für diesen „Vermittelungsvorschlag" zugänglich zu sein. Unsere Genossen Hoch und Molkenbuhr traten jedoch diesem Vorschlage entschieden entgegen.— Die Ausschüsse sollen gewisse bindend« Grundsätze für die Regelung des Verhältnisses zwischen den Krankenkassen und den Aerzten festlegen. Besteht nur e i n Ausschuß, so ist es nicht ausgeschlossen, daß in diesem Ausschuß sowohl bei den Vertretern der Kasse als auch bei den Vertretern der Aerzte die Mehrheit für das eine Arztsystem und gegen das andere Arztsystcm ist. Diese Mehrheit soll dann bindende Grund- sähe auch für das andere Arztsystem festlegen. Das sei ein Unding und müsse die Vergewaltigung der Kassen und Aerzte zur Folge haben, die das andere Arztshsiem durchführen wollen. Dagegen habe die Debatte ergeben, daß in der Praxis die Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Arziverirag und dem besonderen Arzt- vertrag sehr oft unmöglich sei. Daher werde es am besten sein, wenn die b e i d e n Vertragsausschüsse beseitigt werden. Die beiden Parteien sollen zunächst selbst versuchen, sich zu verständigen. Ist hierbei eine Verständigung nicht zu erreichen, erst dann soll sich die Gesetzgebung einmischen und ein Schiedsgericht möglichst u» beieligtcr Personen schaffen. Daher würden die sozialdemokratischen Vertreter in der Kommission nur, um die Annahme eines Aus- schusses zu verhindern, und unter dem Vorbehalt für die beiden Ausschüsse stimmen,, daß sie versuchen werden, in der zweiten Lesung Anträge zu unterbreiten, die die Beseitigung der Ausschüsse be- zwecken. Auch die Vertreter der anderen Parteien und selbst der Staats- sekretär gaben zu, daß die zwei Vertragsausschüsse, wie die Re- gierungsvorlage sie vorschlägt, nicht möglich seien. Unbeschränkt freie Arztwahl ohne einen besonderen Vertrag mit einem bestimmten Kreis von Aerzten kommen in der Praxis gegenwärtig so gut wie gar nicht vor. Demgemäß wird es unmöglich sein, einen Vertrags- ausschuß für den allgemeinen Arztvertrag zustande zu bringen. Aus diesem Grunde herrschte U e b e r e i n st i m mu n g dar- über, daß in dex zweiten Lesung eine gründliche Aenderung dieser Bestimmungen notwendig sei. Hierauf trat die Kommission in die Beratung der einzelnen Bestimmungen ein. Allgemein zugestimmt wurde zunächst der Be- stimmung, daß die rechtlichen Beziehungen der Krankenkassen und der Aerzte, die sich aus der ärztlichen Behandlung der Kassenmit- glieder ergeben, durch Vertrag zwischen den Kassen und den Aerzten geregelt werden sollen. Die entscheidende Abstimmung fand bei dem nächsten Satze statt: Der Vertrag wird entweder als allgemeiner oder als besonderer Arztvertrag abgeschlossen. Diese Bestimmung wurde gegen die Stimmen der Fortschrittler und des P o l e n angenommen. Darauf handelte es sich noch darum, ob der Antrag Hitze angenommen und damit der besondere Aerztcvertrag nur in desonderen Notfällen mit Genehmigung des Oberversicherungsamts zugelassen werde. Dieser Antrag wurde jedoch gegen die Stimmen der Fortschrittler. des Zentrums und der Polen ab- gelehnt. Ebenso fiel der Antrag der F o r t s ch r i t t l e r, daß der Arztvertrag nur in besonderen, vom Oberversicherungsamt zu be- stimmenden Fällen abgeschlossen werden darf. Dafür stimmte außer den Antragstellern nur der Pole und Abg. Dr. G ö r ck e. Damit war der Grundsaß des Regserung'ßentEurfs angenommen, Laß beide Arztshsteme in gleicher Weise zugelassen sind. Den allgemeinen Arztvertrag schließen die Kassen mit den Aerzten ihres Bereiches ab. Auf die Anfrage des Genossen Schmidt wurde festgestellt, daß die Kassen berechtigt sind, in dem Pertrage die Tätigkeit des einzelnen Arztes auf bestimmte Bezirke zu beschränken. Ist ein allgemeiner Arztvertrag geschlossen, so kann jeder approbierte Arzt, der in dem Bereiche der Kasse wohnt, Kassen- Mitglieder behandeln, wenn er dem Vertrage schriftlich beitritt und — so hieß es in dem Entwurf— vom Beitritt nur auS» geschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Auf Antrag der Sozialdemokraten wurde der Wort» laut dahin geändert, daß unter der angegebenen Voraussetzung ein Arzt nicht nur vom Beitritt zum allgemeinen Arztverrrag, sondern auch nach seinem Beitritt von dem Recht, Kassen. Mitglieder zu behandeln, ausgeschlossen werden kann. Abg. K u l e r s k i hatte den Zusatz beantragt, daß bei dem Ausschluß nicht Gründe„religiöser oder politischer Natur" maß- gebend sein dürfen. Der Antrag wurde angenommen. Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin, daß in Frankfurt a. M., Stuttgart usw. bei der freien Arztwahl Aerzte durch den Aerzteverband aus dem Grunde ausgeschlossen seien, weil sie Anhänger der Homöopathie oder Hydrotherapie seien. Deshalb beantragten die Sozialdemokraten, daß auch auS Gründen wissenschaftlicher Natur Aerzte nicht von dem allgemeinen Arzt» vertrag ausgeschlossen werden dürfen. Diesen Antrag stimmten jedoch das Zentrum, die Konservativen und die N a» tionalliberalen nieder. Der Kassenvorstand kann nach der Vorlage beantragen, daß ein Arzt vom Beitritt zum allgemeinen Arztvertrag ausgeschlossen wird. Heber den Antrag entscheidet der Vertragsausschuß. Der aus- geschlossene Arzt und der Kassenvorstand haben die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde. Dazu beantragten die Sozialdemokraten, daß die Be- schwerde an die Spruchkammer des OberversicherungSamts zu richten sei, weil dann bei dieser wichtigen Entscheidung auch Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitwirken. Der Antrag wurde ab- gelehnt. Dann kamen die Bestimmungen über den besonderen Arztvertrag zur Verhandlung. Zum Abschluß desselben kann die Satzung den Vorstand ermächtigen, und es kann dann, abgesehen von dringenden Fällen, die Bezahlung anderer Aerzte abgelehnt werden. Dabei soll jedoch den Mitgliedern, soweit es ohne erhebliche Mehr- belastung der Kasse möglich ist, die Wahl zwischen mindestens zwei Aerzten freibleiben. Hier wollten die Konservativen da» Wort„erheblich" streichen, so daß nur zu häufig die Mitglieder auf einen einzigen Arzt angewiesen sein würden. Diese Zumutung lehnte die Kommission jedoch ab. Leider wurde auch gegen die Stimmen der Nationallibe» ralen, Fortschrittler, Sozialdemokraten und des Polen der Antrag der Nationalliberalen abgelehnt, daß in einer Kasse, die mehr als 2000 Mitglieder hat, für jedes angefangene weitere Tausend den Mitgliedern ein Arzt mehr zur Verfügung gestellt werden mutz. Ein Wechsel des Arztes ohne Zustimmung des Vorstandes soll nach der Vorlage während desselben Geschäftsjahres oder derselben Krankheit ausgeschlossen werden können. Die Sozial- demokraten beantragten, daß der Ausschluß des Wechsels während desselben Geschäftsjahres gestrichen wird, dazu liege gar kein Grund vor. Dagegen könne die Bestimmung zur unnötigen Härte führen. Leider wurde auch dieser Antrag von dem Z e n- trum, den Konservativen und den Nationallibe» ralen gestrichen, Die Bildung der beiden LertragSauSschüsse wurde gegen die Stimmen der Fortschrittler und des P o l e n angenommen. Nach dem Entwurf sollen die Ausschüsse für den Bezirk des Oberversicherungsamts gebildet werden. Die oberste Verwaltungsbehörde des Bundesstaates kann jedoch für das Gebiet desselben oder für Teile davon die Bezirke anders ab« grenzen. Die Sozialdemokraten beantragten, daß die Ausschüsse für die Bezirke der Versicherungsämter gebildet werden. und datz für einen Kassenverband, dessen Bezirk sich über die Bezirke mehrerer Versicherungsämter erstreckt, auf Antrag des Kassenver- bandes besondere Ausschüsse gebildet werden. Die Ausschüsse könnten nur dann den besonderen Verhältnissen aller beteiligten Kassen gerecht werden, wenn die Bezirke nicht zu groß sind. Beide Anträge wurden jedoch abgelehnt. Ueber die Regelung der Deckung der Kosten, die die Vertrags» ausfchüsse verursachen, enthält der Entwurf ausführliche Bestim- mungen, darunter auch die, daß die Kosten denKranken lassen allein auferlegt werden können. Die Sozialdemokraten beantragten, daß die Kosten unter allen Umständen von den beteiligten Kassen und Aerzten zu gleichen Teilen getragen werden. Die Kommission lehnte den An- trag ab, strich aber die Bestimmung, nach der die Krankenkassen zur Deckung der ganzen Kosten verpflichtet werden können. Die höhere Verwaltungsbehörde soll nach dem Entwurf die Zahl der Arzt- und Kassenvertreter festsetzen. Dabei hat sie die Zahl der Kassenvertreter auf die im Bezirke vorhandenen Orts-, Land-, Betriebs- und Jnnungskrankenkassen der Bertragsgruppe entsprechend der Zahl ihrer Mitglieder zu verteilen.> Die Sozialdemokraten beantragten, daß in den AuS» schüssen jede der beteiligten Kassen mindestens einen Vertreter haben muß. Dies sei notwendig, da die Ausschüsse bindende Grund- sätze für jede Kasse des Bezirks festsetzen sollen. Der Antrag wurdö abgelehnt. Angenommen wurde dagegen ein Antrag des Abg. Behren?, nach dem die Bestimmung auch für die Knappschaftskassen gelten soll. Zur Wahl der Aerztevertreter stellt die höhere Ver» waltungsbehörde eine Liste auf. In diese Liste kann sich jeder Arzt eintragen lassen, der in dem Bezirke wohnt und nachweist, daß er Kassenmitglieder behandelt. Nach dem Entwurf stand es dem Arzte. der sowohl an einem allgemeinen Arztvertrag als auch an einem desonderen beteiligt ist, frei, sich auf die Liste für beide Aus- schüsse setzen zu lassen und dadurch das Wahlrecht für beide AuS- schüsse zu erlangen. Auf Antrag der Sozialdemokraten wurde die Bestimmung dahin geändert, daß sich jeder Arzt nur auf eine Liste eintragen lassen kann. Ferner wurde auf Antrag des Abg. Behrens hinzugefügt� daß die Wahl geheim ist. Endlich sollten nach der Vorlage die Aerztevertreter durch die für den Bezirk zuständige ärztliche Standesvertretung gewählt werden, wenn die in die Liste eingetragenen Aerzte es einstimmig beantragen. Abg. Kulerski wollte diese Art der Wahl schon dann zulassen, wenn es zwei Drittel der wahlberechtigten Aerzte fordern. Abg. Mugdan trat entschieden für diesen Antrag ein, da es beleidigend für die große Masse der Aerzte sei, wenn schon die Stimme eines Kollegen genüge, die ärztliche StandcSvertretung auszuschalten. Die Sozialdemokraten beantragten, daß nicht nur de« Antrag Kulerskr, sondern auch die Bestimmung der Vorlage ab- gelehnt werde. Die Wähler für die Ausschutzmitglieder seien nur die an der Kassenpraxis beteiligten Aerzte, die Wähler der ärztlichen Standesvertretung dagegen alle Aerzte. Außerdem soll die Wahl der Vertreter für die Ausschüsse eine Proportionalwahl sein. Wie soll dies— ohne die Minderheit bei der Wahl der ärztlichen Standesvcrtretung um ihr Wahlrecht für die Wahl der Vertretung im Ausschutz zv bringen— bei der Wahl durch die Standcsver» tretung geschehen? Schließlich wurde dann auch sowohl der Antrag Kulerski als auch die Bestimmung der Vorlage mit allen Stimmen gegen die des Abg. Kulerski und dxS Abg. Dr. Mugdan ob, gelehnt,
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