GewcrklcbaftUchee.Slne Qlarnuiig von Huawanderungen nad)Argentinien.Eine brutale Unterdrückung der Arbeiterbewegung findetin Argentinien statt, zu der einige Attentate den will-kommenen oder gar vorbereiteten Anlaß gegeben hatten.Den bisherigen willkürlichen Maßnahmen, Verhaftungenund Ausweisungen en masse, Füsilierungen, Zerstörungender Bureaus und Druckereien der gewerkschaftlichen undpolitischen Organisationen wird aber die Krone aufgesetztdurch ein soeben vom argentinischen Nationalkongreß be-fchlossenes„Gesetz der sozialen Ordnung", das ein Ausnahme-gesetz schlimmster Sorte gegen die Arbeiterbewegung darstellt.Nach§ 1 des neuen Gesetzes, das sofort in Kraft tritt,wird allen Personen das Betreten argentinischen Bodensverboten,„welche je verurteilt wurden oder sein mögen(I)für irgendwelche Vergehen, auf die nach argentinischen Ge-setzen körperliche Strafen angedroht werden": ferner allenPersonen, die„Angrifse mittels irgendwelcher Gewalt auföffentliche Beamte oder Einrichtungen" propagieren. Wersolchen Personen bei der Einwanderung behilflich ist, setztsich schweren Strafen aus: wer gegen die Bestimmungendieses Gesetzes das Land betritt, wird sofort ausgewiesen,im Wiederholungsfalle dagegen mit Gefängnis von drei bissechs Jahren bestraft.Weiter wird„jede Vereinigung oder Versammlung ver-boten, welche die Propagierung, Vorbereitung oder die Auf-forderung zum Begehen solcher Akte, welche gesetzlich verbotensind, zum Zwecke hat". Keine öffentliche Versammlung darfmehr ohne vorherige Erlaubnis der Lokalbehörden abgehaltenwerden: ihre sofortige Auflösung muß aber auch erfolgen,wenn sich in ihrem Verlaufe irgend etwas ereignet, dessenBekanntsein vorher das Verbot der Versammlung zur Fol�egehabt hätte. Zuwiderhandelnde erhalten sechs Monate bisein Jahr Gefängnis. Wer dagegen mündlich, schriftlich, inDruckereien oder in irgendeiner anderen Weise öffentlich eineTat zu entschuldigen versucht, die vom Gesetz als ein Ver-brechen betrachtet wird, soll mit Gefängnis nicht unter einemJahre bis zu zwei Jahren bestraft werden. Doch es kommtnoch schlimmer. Wer versucht, andere zum Streik oderBoykott zu veranlassen, wird mit Gefängnis von ein bis dreiJahren bestraft: die gleiche Strafe soll denjenigen treffen,der auf irgendeine Art und Weise öffentlich die Ignorierungder Landesverfassung propagiert oder die Landesflagge oderdas Landeswappen beschimpft! Um aber auch in allen Teilenden babarischen Charakter des Gesetzes zu zeigen, ist weiterbestimmt, daß in allen diesen Fällen das Verfahren, das sichnur auf Polizeiberichte zu stützen hat, ein summarisches undstets innerhalb zehn Tagen erledigt sein soll.Nach alledem ist wohl verständlich, daß Argentinien vongeschäftskundigen Kapitalisten auch hier als das Land ihrerZukunft betrachtet und daß immer mehr deutsches Kapitalin argentinischen Unternehmungen angelegt wird.Den steten Versuchen, Arbeiter in großer Zahl zur Aus-Wanderung nach Argentinien unter den lockendsten Ver-sprechungen zu bewegen, werden unsere Organisationen nachvorstehendem sicher noch energischer als bisher entgegen-wirken!öerlln und Umgegend.Die Abzieher, Flaschensplller und Kutscher aus den Mineral-wasserbetrieben stehen zurzeit in einer partiellen Lohnbewegung.Ein Teil der in Frage Kommenden gehören seit Jahren dem Deut-schen TvanHportarbeiter-Verband an und haben durch diesen, teil-weise mit Erfolg versucht, ihre ungünstigen Lohn- und Arbeits-Verhältnisse zu verbessern. Die Beschäftigung selbst ist in vielenFabriken eine recht ungesund«, die miserabelsten Räume dienenvielfach als ständiger Aufenthaltsort für die Abzieher undFlaschenspieler. Die bestehenden Schutzvorschriften toerden injeder Weise ignoriert. Hier würdchr die Gewerbe-Aufsichts-beamten ein danlbares Feld ihrer Tätigkeit ausüben können. Durchdas energische Eingreifen der Arbeiterorganisation sind in mehre-ren Betrieben die Lohnverhältnisse geregelt, ebenso ist die Arbeits-zeit von 10 auf k> Std. festgesetzt worden. Tarisverträge sind biszetzt mit folgenden Firmen vereinbart worden: B e r o l i n a, H.Fanselow, O. Franke, Dr. Heureuse, W. Güntheru. Co.. Kloninger Nchf Herm. Thiel. I. Schoemann,G. Rausch, Schubert u. Radau, H. R ö s l e r, Herm. Pohl,Reusch u. Pluge, Rob. Martens, E. Sichtin g, Jnh.Gebr. Schwanekow, R. Behl. Die Firma Ernst Rauch,Neuonburgerstr. 23, hat es abgelehnt, ein Vertragsverhältuis mitdem Deutschen Transportarbeitev-Verband einzugehen. Der In-Haber dieses Betriebes erklärte den VerbandSvertretern gegenüber,daß seine Arbeiter mit den gezahlten Löhnen, die am allerniedrig-sten sind, zu frieden wären. Sonderbarer Weise gibt dieser guteMann angeblich schon seit einigen Jahren bares Geld zu, um bloßArbeiter beschäftigen zu können. Dabei erhält die Firma für ihreWare immer noch einen leidlichen Preis. Im übrigen ist zu be-richten, daß weitere Verhandlungen mit den Unternehmern nochim Gange sind und die Lohnbewegung somit noch nicht beendet ist.Die organisierten Rutscher usw. sind im Besitz einer grauen Legi-timationskarte, deren Felder regelmäßig abgestempelt werden.Oeutkches Reich.Oertliche Tarifverhandlungen im Baugewerbe.Für den Bezirk U n t e r e l b e ist vereinbart worden, daßdie örtlichen Verhandlungen überall bis zum Ib. Juli stattgefundenhaben müssen. In mehreren Orten haben die Unternehmer erklärt,es fei ihnen durch ihren Zentralvorstand bei Strafe verboten, auförtliche Forderungen der Arbeiter einzugehen. Es bestand inSchleswig-Holstein in vielen Orten eine tarifliche Bestimmung, nachder an Lohnzahlungstagen und an den Tagen vor den hohen Festenetwas früher Feierabend ist, als an den übrigen Tagen, ohne daßLohnabzug erfolgt. Die Arbeiter wünschen diese Bestimmung bei-zubehalten, die Unternehmer dagegen weisen diese Forderung über-all zurück mit der Begründung, nach§ 6 des Mustervertrages seieine solche Bestimmung nicht zulässig. Mit dieser Bestimmungsoll aber ganz etwas anderes getroffen werden, was die Arbeiterfordern. Der§ 616 des bürgerlichen Gesetzbuchs hat nichts mitdem tariflich vereinbarten früheren Feierabend zu schaffen. Dieseran besonderen Tagen eintretende frühere Feierabend ist in Schles-Wig-Holstein noch aus alter Zeit üblich und beruht auf Privilegien,die den Arbeitern durch königliche Verordnungen erteilt wurden.Die Unternehmer bringen nun diese Verordnung unter den§ 616deS bürgerlichen Gesetzbuches und erklären, es sei ihnen durch ihrenVorstand bei Strafe verboten, hiergegen zu Verstoßen. Für diebeiden Herzogtümer Mecklenburgs wurde vereinbart, daß die ört-lichen Verhandlungen am 7., 8. und S. Juli in allen Orten, wonoch Differenzen bestehen, stattfinden müssen. Nur in denjenigenOrten, wo durch besondere Umstände, die Verhandlungen vorSchluß der Woche nicht stattfinden können, soll es gestattet sein,am Sonntag, den 16. Juli, noch zur Verhandlung zusammenzu-treten. Die Unternehmer haben durch Zirkular ihre Mitgliederangehalten, keine Zugeständnisse zu machen.Lohnbewegungen in der Steinindustrie.Mit dem Granitwerk VateS in Kirchenlamitz(Ober-franken) konnte ein umfangreicher Tarif zum Abschluß gebrachtwerden. In diesem Werk sind 6S Mann beschäftigt, die geschliffeneund polierte Monumentalarbeit herstellen. Das Schiedsgericht fürden Bayrischen Wald wurde anerkannt.In Beucha(Sachsen) ist nach achtwöchentlicher Dauer derStreik bei der Pflasiersteinfirnia Bruno P r e i s s e r beendet. Für35 Steinarbeiter konnte ein Tarif zur Annahme gebracht werden.Herr Preisser bemühte sich im Auslände um Arbeitswillige, dieaber, nach Beucha gekommen, es unterließen, Arbeit zu nehmen, sodaß die Firma ihr Geld umsonst ausgab.In Oberpeilau(Schlesien) konnte mit der Marmorwaren-firma Thust ein detaillierter Tarif zum Abschluß gebracht werden,der etwa 66 Arbeitern zugute kommt. In Oberpeilau wurden bis-her in der Steinbranche die geringsten Löhne bezahlt.In Derdingen(Württemberg) Iveigert sich der Steinmetz-meister Treutle, die tariflichen Löhne zu bezahlen. 36 Stein-metzen haben nun am 5. Juli die Arbeit niedergelegt. Zuzug istfernzuhalten.Das Granitwerk Döcke in Detstitz-Thumitz wollte eine20prozentige Lohnreduktion vornehmen. Die organisierten Stein-arbeiter legten dagegen scharfen Protest ein, und die Abzüge unter-blieben.In der Zellstoffabrik Waldhof zu T i l s i t, in der ca. 966 Ar-beiter und 160 Arbeiterinnen arbeiten, wurde für das Personaleine Lohnerhöhung von pro Stunde 3— 4 Pf. erreicht. In niehrerenAbteilungen ist ein Minimallohn von 4,50 Mk. pro Schicht garan-tiert. Die Lohnerhöhung, die rund 9000 Mk. im Jahre ausmachtund die durch Verhandlungen erreicht wurde, ist dem guten Organi-sationsverhältnis der Arbeiterschaft zu verdanken. Von den 1000Beschäftigten sind 850 im Fabrikarbeiter-Verband organisiert. Beiden ersten Verhandlungen mit einer 20gliedrigen Kommissionwurden nur winzige Zugeständnisse gemacht; sie scheiterten voll-ständig. Dann wurden von der Organisationsleitung VerHand-lungen angebahnt. Die Vorschläge von den Organisationsvertreternwurden von der Direktion anerkannt und weitere Zugeständnissegemacht. Die noch übrig gebliebenen Differenzpunkte wurden vordem Einigungsamt des Gewerbegerichts geschlichtet und ein aufein Jahr laufender Vertrag geschlossen. Diese erfolgreiche Lohn-bewegung im Osten Deutschlands hat gezeigt, daß auch hier dieArbeiterschaft imstande ist, sich bessere Arbeitsbedingungen zu er-kämpfen. Die Kampsesstimmung unter den Arbeitern war groß,trotzdem bewahrten sie stets gute Disziplin und befolgten striktealle Anordnungen der Organisationsleitung.Die Konfektionsarbeiter zu Elberfeld haben den seit 1906 mitdem„Verein der Elberfelder Herren- und Knabenkonfektion engros" bestehenden Tarifvertrag gekündigt. Der Vertrag läuft am1. August ab. Am 5. Juli sind dem genannten Verein die neuenEorderungen zugegangen, die in einem zehn- bis zwanzigprozentigenohnaufschlag auf die bis dahin bestandenen Lohnsätze bestehen.—Die Arbeiter sind zum größten Teil im Schneiderverband organi-siert, außerdem kommt aber auch noch der christliche Verband undder Hirsch-Dunckersche Gewerkverein in Frage. Alle drei Organi-sationen haben beschlossen, den Unternehmern die Forderungen ge-meinsam zu unterbreiten._In der Bleiftiftfabrik von Johann Faber in Nürnberghaben 300 Arbeiter und 500 Arbefterinnen am Mittwoch die Arbeitniedergelegt.HusUnd.Achtung, Sattler! In Uetersen in Holstein sind in denReiseeffektenfabriken Differenzen ausgebrochen. Zuzug von Satt-lern ist fernzuhalten._Bäckerstreik in Warschau.In einer Zeit, wo die politische Reaktion einerseits und diewirtschaftliche Krise andererseits schwer auf dem Proletariat Ruß-lands lasten und sich eine dumpfe Gleichgültigkeit seiner bemächtigtbat, ist jedes Zeichen eines beginnenden Erwachens des altenKampfesgeiftes aufs lebhafteste zu begrüßen. Ein solches ist derEnde Mai ausgebrochene allgemeine Streik der jüdischen Bäcker-gesellen in Warschau. Wie so manche andere Arbeiterkategorienhaben auch die Warschauer jüdischen Bäcker im Jahre 1905 denUnternehmern bedeutende Zugeständnisse, vor allem auf dem Gebietder Arbeitszeit und des Arbeitslohnes, abgerungen. Doch habendie Bäckereibesitzer die nach 1906 einsetzende allgemeine Abschwächungder Arbeiterbewegung benutzt, um sie allmählich wieder zurückzu-ziehen, und so sind jetzt die Verhältnisse im Bäckergewerbe in nichtsbesser als vor 1905. Trotz der ungeheuren Lebensmittelteuerungsind die Löhne die gleichen oder sind sogar gesunken und reichenkaum zum nackten Leben aus. Die Arbeitszeit ist eine unmenschlichlange, so daß, wie der Streikaufruf erklärt, die Arbeiter Wochenhindurch nicht genügend Schlaf haben und ihre Familien nicht zusehen bekommen. Die Behandlung seitens der Bäckereibesitzer isteine entwürdigende; die hygienischen Verhältnisse spotten jeder Be-schreibung. Die Backstuben liegen meist im Keller, sind drückendheiß, starren vor Schmutz und dienen dabei den Gesellen als Schlaf-räume. Dies alles führte nun schließlich zu einer allgemeinenArbeitsniederlegung in sämtlichen jüdischen Bäckereien der Stadt,so daß es bereits am nächsten Tage empfindlich an Brot mangelte.Die Hauptforderungen der Streikenden sind: achtstündige Arbeits-zeit, Lohnerhöhung bis zu 11 bis 15 Rubel(22 bis 30 M.) in denverschiedenen Arbeiterkategorien, Bezahlung von Ueberstunden, an-ständige Behandlung, keine Maßregelung infolge des Streiks undAnerkennung der Arbeiterorganisation seitens der Unternehmer.Der Kampf wird nämlich von beiden Seiten organisiert geführt.Aber während die Unternehmerorganisation eine legale, von denBehörden genehmigte ist und sich ihrer großen Gunst erfreut, ist dieGewerkschaft der Arbeiter eine illegale, geheime, und die Polizeigeht scharf gegen die Streikenden vor. Der Vorstand der Bäcker-gewerkschaft, die unter Leitung der Warschauer Organisation des„Jüdischen Arbeiterbundes" steht, hat während der Dauer desStreiks mehrere Aufrufe zur Verbreitung gebracht, auch hat diesogenannte demokratisch-polnische Bäckergewerkschaft ein Flugblattherausgegeben, in dem die polnischen Bäcker an die proletarischePflicht der Solidarität gemahnt und aufgefordert werden, keineStreikbrecherdienste zu leisten und Streikarbeit zurückzuweisen.Die gute Disziplin der Streikenden und die Solidarität ihrerpolnischen Berufskollegen haben bereits schön« Früchte getragen.In den bedeutendsten Bäckereien sind die Forderungen der Arbeiterbewilligt, und es besteht begründete Hoffnung, daß dieser teilweiseSieg der Arbeiter zu einem vollständigen wird, was zweifellos vongroßer Bedeutung für die Hebung der Stimmung und Kampfeslustauch in anderen Arbeiterschichten wäre.To2iales.(Siehe auch 1. Beilage.)Ein Elendsbild.In Briesnitz bei Dresden wohnte eine mit ihren 6 Kindernin bitterster Not lebende Witwe. Der Mann, ein kleiner Beamter.war ftühzcitig gestorben und hatte seine zahlreiche Familie zurück-gelassen. Die Witwe, eine infolge Unterernährung überaus schwäch-liche Frau, bezog nach dem Tode ihres Mannes eine mäßige Penjion.Diese langte aber bei weitem nicht aus. um eine 7köpfige Familiezu ernähren, und die Witwe arbeitete von früh bis spät und ver-diente mit Näharbeit— eine andere Arbeit konnte sie infolge ihreserbärmlichen ZustandcS nicht verrichten— ganze 2—3 Mark proWoche! Die Kinder waren fast alle klein und deshalb nicht in derLage, etwas für den Lebensunterhalt beizutragen. Aber bald wurdeauch die Witwe krank und nun kehrte daS grinsende Elend insHauS, nachdem ohnehin schon Not und Entbehrung vorhandenwaren. Es war nicht einmal das Nötigste im Hause und die Familiemußte buchstäblich hungern und— es war gerade im Wiuter—frieren. Wochenlang war kein Feuer im Ofen, an warme Speisenkonnten Mutter und Kinder überhaupt nicht denken. Kurz, dieZustände waren geradezu krasse. Die Frau lag im Bett und diearmen Kinder standen hungernd und zitternd am kalten Ofen. EineLehrersfrau im Orte brachte den Hungernden mal etwas Fleischzum Brotbelag, sie mußte aber die traurige Entdeckung machen,daß nicht einmal trockenes Brot im Hause war. Schließlich mußtedie Gemeinde Briesnitz als Armenbehörde eingreifen und wendetefür 6 Monate— 60 Mark Armenunterslühung auf und zahlteeinmal extra— 5 Mark! Da auch dadurch die Not nicht gelindertwurde, nahinen sich einige Ortsbewohner der bedauernswerten Ge-schöpfe an. Es wurden durch die Lehrerssrau im Dezember 60 M.gesammelt. Die Witwe hatte in der benachbarten Gemeinde Kemnitzihren Unterstützungswohnsitz, und nun begann ein Streit umAlmosen zwischen beiden Gemeinden. Briesnitz forderte die 65 M.zurück und Kemnitz weigerte sich, diese Summe zu zahlen, indemsie— man höre und staune— die HilfSbedürftigkeit der Witwebestritt!!! Die Kreishaupimannschaft hat den Rekurs der GemeindeBriesnitz verworfen, indem es eine Hilfsbedürftigkeit nicht an-erkannte. Nunmehr wendete sich Briesnitz mit einer Berufung andas sächsische Oberverwaltungsgericht. Hier wurde durch Zeugendie ganze elende Lag« der Familie festgestellt und die beklagteGemeinde erklärte sich dann bereit, 55 Mark zu zahlen. Die volleSumme zu zahlen lehnte Kemnitz ab, weil das Oberverwaltung--aericht ausführte, daß man zweifelhaft darüber sein könne, ob imDezember, wo die 60 M. gesammelt worden sind, noch eine Hilfs-bedürftigkeit vorgelegen habe!!Der Fall zeigt, wie dringend not den Gemeinden eine Durch-dringung mit sozialem Verständnis tut.Km der Frauenbewegung.Tas politische Recht der Frauen in Oesterreich.Genosse Pernerstorffer hat den Bericht des Verfassung?-ausschusses über die Aenderung des Vereinsgesetzes dem Parlamentübergeben. Wir entnehmen diesem Bericht über das politischeVereinsrecht der Frauen folgendes:Der Z 30 des geltenden Vereinsrechtes schließt die Frauen vondem Recht, politischen Vereinen anzugehören, vollständig aus. Vonjeher ist die Frau im Wirtschaftsleben ein unentbehrliches Glied.Die moderne Entwickelüng hat gewiß alte Vorstellungen von jenerAusnahmestellung der Frau, die sich durch Vorenthaltung gewisserRechte dokumentiert, zerstört. Die Frau unserer Tage wird mitjedem Tag mehr in das Erwerbsleben hineingezogen. Auch die-jenigen, die diese Richtung bedauern, müssen sie zugeben. Da dieFrauen an Lasten und Beschwernissen des Lebens, sei es als selb-ständig erwerbende Frau oder als Familienmutter, da der Gangder Politik ihre materiellen und geistigen Interessen genau so be-rührt wie die des Mannes, da mit der gesteigerten Kultur sich auchihr Gesichtskreis erweitert, so ist das Verbot, politischen Vereinenanzugehören, durchaus unzeitgemäß und wäre kaum noch auflängere Zeit aufrechtzuerhalten. Es ist auch keineswegs das Ver-langen nach politischer Gleichberechtigung der Frau das Kennzeichenbesonders radikaler Parteien. Das zeigte sich auch in der Aus-schußberatung, bei der mit Ausnahme eines einzigen Bedenkenseines Mitgliedes alle Redner sich für die Aufhebung des Verbotsaussprachen. Ja, der Beschlutz wurde sogar einstimmig gefaßt.Dieses öffentliche Rechtsbewußtsein will sich durchsetzen, und wirdes durch Gesetz gehemmt, so weiß eS sich auf Umwegen geltend zumachen.Zum Schlüsse heißt es:„Die vom Ausschuß vorgenommenenAenderungen sind nicht sehr bedeutend, aber sie haben den Charak-ter der dringenden Notwendigkeit. Der Ausschuß hofft, daß dieRegierung einem starken Votum des Abgeordnetenhauses gegenüberihre im Ausschuß geäußerten Bedenken werd- fallen lassen. DieserBericht ist das erste parlamentarische Dokument über die politischenRechte der Frauen in Oesterreich.Tas Ende der Womcn Worker.Vor zwei Jahren wurde in England unter dem Titel.TheWomen Worker" ein Arbeiterinnenblatt gegründet, das unter derLeitung der Genossin Maiy Macarthur zunächst eine erfreulicheEntWickelung nahm. Das Blatt war außerordentlich reichhaltigund vertrat auch den Klassenstandpunkt des Proletariats mit Ge,schick und Glück. Genossin Macarthur trat nach einiger Zeit dieRedaktion Tin Genossin Julie Dawson ab, die aber nur zwei Mo-nate an der Spitze des Blattes aushielt. Dann übernahm RobertBlatchford die Leitung, der vor einiger Zeit durch seine konfusedeutschfeindliche Politik peinlich von sich reden machte. Er machteden verfehlten Versuch, die„Women Worker" aus einem reinenArbeiterinnenblatt zu einer Zeitschrift für alle Frauen zu machen.Damit war 5er Niedergang des Blattes nach jeder Richtung be-siegelt. In der für England gegenwärtig brennenden Frage deSFrauenstimmrechts war es schließlich kein zuverlässiger Führermehr. Es liebäugelte stark mit der arbeiterinnenfeindlichen bürger«lichen Stimmrechtsorganisation und vernachlässigte die so wichtigegrundsätzliche Schulung und Aufklärung seiner Leserinnen auf poli-tischem Gebiete mehr und mehr. Schließlich wurde auch noch derTitel des Blattes, seiner neuen Tendenz entsprechend, in„WomenFolk" geändert, als Blatchfords Tochter die Redaktion übernahm.In einem Abschiedswort an die Leser fällt Robert Blatchford überdas oben gekennzeichnete Blatt das weder von Sachkenntnis nochvon Bescheidenheit getrübte Urteil, daß es„das beste Frauenblattgewesen, das jemals gedruckt worden wäre"; womit er dann alleSchuld für das Nichtgedeihen des einst so vielversprechenden Unter-nehmens von sich und seiner Tochter abwälzt.— Hoffen wir, daß dieenglische Arbeiterinnenbewegung bald so erstarken möge, daß sie eineigenes rei» sozialdemokratisches Blatt ins Leben rufen und er-halten kann._Letzte Nacbnchtcn und DcpeFcben.Für das allgemeine Wahlrecht.Leipzig, 6. Juli.(Privatdepesche des„Vorwärts".)Heute abend von 7 bis �9 Uhr demonstrierte das ProletariatLeipzigs in gewaltigen Massen für die Einführung des all-gemeinen Wahlrechts zum Stadtparlament. Das Rathaus,in dem die Stadtverordneten in öffentlicher Sitzung über dieWahlrechtsvorlage verhandelten, war in weiter Um-gebung von dichten Schutzmannsketten abgesperrt. �9 Uhrerschien noch ein großer Trupp berittener Schutzleute, die dieDemonstranten gewaltsam auseinandertrieben.Die Ratsvorlage, nach der die Wahlkreiseinteilung einegewaltige Verschlechterung für die s o z i a l d e m o k r a-tische Partei bedeutet, wurde gegen die Stimmen derSozialdemokraten angenommen.Die italienische Kammer vertagt.Rom, 6. Juli.(W. T. B.) Die Deputiertenkammerhat heute außer einer großen Anzahl kleinerer Vorlagen den Ge-setzcntwurf, betreffend den Elementarunterricht, mit 216 gegen58 Stimmen angenommen und sich sodann auf unbestimmte Zeitvertagt.Rachforschnngcn in Sachen des Friedberger Attentäters.Frankfurt a. M., 6. Juli.(B. H.) Die Nachforschungen inSachen des Frankfurt-Friedberger Attentäters sollen ergeben haben,daß die Explosion in der Meyerschen Villa zu Frankfurt a. M.,Ecke Bockenheimer Landstraße, vermutlich der benachbartenR e i ch s p o st gegolten habe. ES sind nämlich von der PolizeiPläne gefunden worden, aus denen hervorgeht, daß verschiedene Ex-plosioncn in benachbarten Grundstücken der Post erfolgen sollten.Die allgemeine Verwirrung wollten die Attentäter benutzen, um indas Postgebäude einzudringen und die Postlasse zu berauben.verantw. Redalt.: Richard Barth. Berlin. Inseratenteil verantw.;|&Gl»de, Berlin. Drud mBerIag:Borwärt»Buchdr.u.Berlag»anstaU$auISingerLcCo.,BerlinLW. Hierzu 2 Beilagen u.UntcrhaltunMl.