Einzelbild herunterladen
 

einstellen, d i e Lei einer ärztlichen Untersuchung gesund befunden worden sind." Der Vorwurf ist also doch berechtigt? Nein sagt der Herr Redner, denn die Statistik zeige, daß die Betriebskrankenkassen auch hohe Krankheitsziffern haben unddaß die un st reitig vielfach verwirklichte Auswahl der Versicherten der fach- lichen Notwendigkeit entspricht, für die Groß­betriebe mit ihrer scharfen, alle Kräfte an- spannenden Betriebsweise nur wirklich leistungs- fähige Arbeiter einzustellen." Der Anwalt der Be- triebskranke» lassen vergißt dies natürlich auch bei dem Kapitel .Unfallversicherung" zu wiederholen. Weshalb sollten dann nicht auch die Großbetriebe in der Unfallversicherung eine Extrawurst gebraten bekommen? Diearistokratische Nebenform der Orts- krankenlasse" sei aber noch aus einem anderen Grunde nötig. In diesen Kassen findet ein Zusammenschluß deS Arbeitgebers und seiner Arbeiter zu gemeinschaftlicher Arbeit und g e- mein schaftlicher Verständigung statr, den anzustreben dem Unternehmer nicht verwehrt werden kann. Unternehmer und Arbeiter lernen sich in den Betriebskrankenkassen auf einem wenigstens in der Hauptsache neutralen Boden besser kennen als es sonst viel- leicht der Fall sein würde. Die Arbeiter haben gegenüber den praktisch bedeutsamen Vorrechten des Unternehmers doch die Mehrheit der Stimmen, und damit in entsprechend scheinenden Fällen die volle Möglichkeit, sich gegen un- berechtigte Maßnahmen erfolgreich zu wehren". So viel Worte, so viel Unrichtigkeiten! Zuerst betont der Redner ja selbst, daß derHerr des Betriebes" in derLage ist, die ihn, unbequemen Elemente" aus dem Betrieb zu entfernen, also jede Opposition der arnien Kassenmitglieder im Keime zu ersticken, und dann sollen die Arbeiter wieder«die volle Möglichkeit" haben, sich zu wehren I Das verstehe, wer kann. Schließlich vergißt der Herr sein Loblied auf die Halbierung der Beiträge und Be- setzung der Vorstände. Oder haben dann dieArbeiter immer noch die Mehrheit der Stimmen?"... Obdie mitten in der sozialen Arbeit stehenden Geistlichen" diese Widersprüche gar nicht gemerkt und lebhaft Bravo ! Bravo I gerufen haben? Die Junungskraiilenkassen werden mit einigen Zeilen ab- getan, denn die Geistlichen werden von dieser Kassenart noch wenig gehört haben, da sie nach Ansicht ihres Rednerskeine sehr erhebliche Bedeutung" haben. Und trotzdem soll dieser Unfug der Zwergkassen weiter bestehen? Auch über die KnappschastSkassen kommr er mit neun Zeilen hinweg. Alles in bester Ordnung. Mehr Gewicht legt er aber auf dieEingeschriebenen Hilfskassen", die . r e i n e A r b e i t e r k a s s e n" sind. Aha werden die Geistlichen da gerufen haben. Hier gibt er keinen Pardon und sind diese auch uicht mehr diearistokratische Nebenform der Ortskrankenkassen" sie find jareine Arbciterkassen". Denngegen die Hilsskassen wird mit Recht das Bedenken erheben, daß sie zu Ungunsten der übrigen Kassen- 'formen die günstigsten Risiken aussuchen." Deshalb, nieder mit den Hilfskassen, die jareine Arbeiterkassen" sind. Doch nein, sie sollen ja nicht beseitigt, bewahre I Sie sollen ja nur besser kontrolliert und unterAufsicht des Kaiserlichen Aufsichtsamtes für Privat- Versicherung"in einem den Mißbrauch ausschließenden Sinne organisiert" werden.__ Aus der lulMommiinoD. Sitzung vom 5. Juli 1910. In der Fortsetzung der Beratung über die§8 266 und 267 am Dienstag drehte sich die Debatte in erster Linie darum, ob ein gerichtliches Protokoll nur dann angefochten und zur Unterlage eines Revisionsverfahrens gemacht werden kann, wenn es gefälscht ist, oder ob eine Unrichtig- k e i t im Protokoll genügt, die Anfechtung zu rechtfertigen. Den letzteren Standpunkt vertraten außer unseren Genossen, von denen ein sehr krasser Fall einer Protokollfälschung angeführt wurde, auch einige Zentrumsabgeordnete. Nationalliberale, Konservative und der Antisemit wendeten sich gegen diese Forderungen. Und ein von konservativer Seite gestellter Antrag ging in seiner verschlechtern- den Tendenz noch über die Regierungsvorlage hinaus. Von den Verteidigern des sozialdemokratischen Antrages und des Antrags Groeber dessen Inhalt wir im letzten Bericht skizzierten wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß durch den Regierungsentwurf und den konservativen Antrag die WahrheitS- beweisführung in beträchtlichem Maße eingeschränkt werde. In der Abstimmung wurden die prinzipiell bedeutenden Anträge abge- lehnt und der RegierungSentwurf mit unwesentlichen Aende- rungen angenommen. Der 7. Abschnitt deS 2. Büches handelt von dem Schwurgericht. Dazu lag ein von einzelnen konservativen, nationalliberalen und antisemitischen Abgeordneten unterzeichneter Antrag vor, der eine prinzipiell wichtige Aenderung für die Bildung der Geschworenen- Hanl forderte. So wurde in erster Linie verlangt, daß die Gc- schworenen nur unter den gleichen Bedingungen abgelehnt werden lönnen, die für die Ablehnung der Richter und Schöffen gelten. Nach dem geltenden Recht kann ein Geschworener im Gegensatz zu den Schöffen ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Ferner soll nach dem konservativ-nationalliberalen Antrag die Zahl der Geschworenen von 12 auf 9 herabgesetzt werden. In der Dis­kussion sprachen sich die Redner deS Zentrums, der Fortschrittler und vor allen Dingen unsere Genossen gegen den Antrag auS. Während aber aus den Reden der Zentrumsleute im Eventualfälle eine Neigung zur Herabsetzung der Zahl heraussah, waren unsere Genossen scharf gegen jede verfchlechternde Aenderung der Ge- schworenengerichte. Je kleiner die Zahl der Geschworenen werde, je enger werde der Kreis der Bevölkerung, aus dem die Laienrichter genommen werden. Schon heute sei die Auswahl der Geschworenen auf eine verhältnismäßig kleine Zahl der Bevölkerung beschränkt. Die weiten Kreise der Arbeiter bleiben so gut wie ganz u n- berücksichtigt. Dadurch seien schon heute die Geschworenen keine eigentlichen Volksgerichte mehr. Im Namen der Verbündeten Regierungen sprach sich der Staatssekretär des Reichsjustizamtes gegen den Antrag aus, betonend, daß die Regierung entschlafen sei, an der Institution der Schwurgerichte prinzipiell nicht» zu andern. Nach längerer Dis­kussion, in der sich auch ein konservativer Redner gegen den Antrag aussprach, ergab sich, daß die Kommission zu einer Ablehnung des Antrages kommen würde: die Antragsteller zogen deshalb den An- trag zurück. Zum§ 279 nahmen unsere Genossen einen vom antisemitischen Kommissionsmitglied fallen gelassenen Antrag auf, nach dem die' Vereidigung eines Zeugen nur unterbleiben darf, wenn kein Ge- schworener widerspricht. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Beim § 280 wurde ein sozialdemokratischer Antrag abgelehnt, der ver- langte, daß die Prozeßbcteiligten ein Recht auf eine Abschrift der den Geschworenen gestellten Fragen erhalten. Der§ 289 der Regierungsvorlage besagt u. a., daß die Rechtsbelehrung der Ge- schworenen durch den Borsitzenden von keiner Seite erörtert werden darf. Demgegenüber verlangte ein Antrag Groeber, daß Staats- anwalt und Verteidiger gegen bestimmte Satze der Belehrung Ein- Wendungen erheben und protokollarische Feststellung verlangen können. Ein Antrag unserer Genossen forderte, daß die Belehrung schriftlich zu fixieren, dann zu verlesen und dem Protokoll als An- läge beizufügen ist. Durch diesen Antrag sollen auch aus der Rechtsbelehrung, die oft genug durch ihre Art und Weise das Urteil der Geschworenen beeinflußt, Revisionsgründe hergeleitet werden können. Die Regierungsvertreter wollten von diesen Verbesserungen nichts wissen. Gegen den sozialdemokratischen Antrag wurde vor allen Dingen eingewendet, daß die schriftliche Fixierung sich schwer durchführen ließe. Ein weiterer Antrag Groeber schlug vor, daß erst die Rechtsbelehrung, dann die Stellung der Fragen an die Geschworenen und zuletzt die Plädoyers des Staatsanwalts und der Verteidiger erfolgen solle. Unter Ablehnung aller Anträge wlttden die Bestimmungen der Regierungsvorlage aufrechterhalten. » (Sitzung Born 6. I u l i.)' Am Mittwoch wurden die Beratungen beim dritten Buch: Rechtsmittel und Wiederaufnahme; erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften über Rechtsmittel fortgesetzt. Beim§ 301 brachte cm Zentrums abgeordneter zur Sprache, daß von den Anjlagebehörden in viel zu weitgehender Weise Berufungen eingelegt werden. Er verwies auf.einzelne in Preußen an die Staatsanwälte ergangene Verfügungen, worin sie zur Einlezung von Berufungen angehalten wurden. Dagegen habe die olden- burgische und württembergnche Regierung durch entsprechende Er- lasse dieser überhandnehmenden Anwendung der Rechtsmittel durch die Anklagebehörde vorgebeugt. Die Regierungsvertreter betonten, daß in Preußen bisher Verfügungen im oben angedeuteten Sinne nicht ergangen sind, wenigstens nicht von feiten einer Zentralbehörde, sondern höchstens für einzelne Orte. Ferner erklärte ein Regierungstommiffar, es sei dem Sinne des Gesetzes widersprechend, wenn im Anschluß an vom Verurteilten eingelegte Berufungen ohne triftige Gründe, und nur um die Lage zu erschweren, auch von der Staatsanwaltschaft Berufungen ein- gelegt werden. 8 303 gibt dem Ehemann das Recht, für seine Frau ohne besondere Ermächtigung ein Rechtsmittel zu ergreifen. Ein Antrag unserer Genossen forderte dasselbe Recht auch für die Ehefrau, die mit dem Manne auch in dieser Beziehung gleichgestellt werden müßte. Die Regierungsvertreter meinten, dazu liege eine Not- wendigkeit nicht vor. Trotzdem fand der Antrag unserer Genossen starte Sympathien. So erklärte sich außer den Fortschrittlern auch ein Mitglied der Reichspartei und des Zentrums dafür, und nur mit Stimmengleichheit wurde der Antrag abgelehnt. Zum§ 306 verlangte ein Zentrumsantrag, daß, wenn auf die Benutzung eines Rechtsmittels verzichtet wird, dieser Verzicht bis zum Ablauf der Einlegungsfrist wieder zurückgenommen werden kann. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Der zweite Abschnitt des 8. Buches handelt von der Beschwerde. Hier entspann sich beim§ 314 eine längere Debatte über einen Antrag Gröber, der forderte, daß sofortige Be- schwerden auch an den erkennenden Richter gerichtet werden können. Nach dem geltenden Recht und dem Entwurf kann sich eine solche Beschwerde nur an die höhere Instanz wenden. Die Kommission erklärte sich in ihrer Mehrheit im Prinzip für diese Anregung, behält sich aber ihre Befolgung für die 2. Lesung vor. Beim dritten Abschnitt: Berufung beantragten unsere Genossen, daß das Recht der Berufung auch auf die in erster Instanz vor dem Schwurgericht oder Reichsgericht ergangenen Urteile ausgedehnt werden solle. Ferner müßte ausdrücklich be- stimmt werden, daß die Staatsanwaltschaft zuungunsten des An- geklagten oder Angeschuldigten Berufung nicht einlegen darf. Die Berufung gegen ein Schwurgerichtsurteil würde von einem anderen Schwurgericht, die Berufung gegen ein erstinstanzliches Reichs- gerichtsurteil von zwei anderen Senaten zu erledigen sein. Die Regierungsvertreter wendeten sich gegen diese Anträge, ebenso ein nationalliberaler und fortschrittlicher Redner. Der letztere erklärte sich auch gegen einen sozialdemo- kratischen Eventualantrag, nach dem das Berufungsrecht der Staats- anwalts wesentlich eingeschränkt werden solle. Diese Forderungen wurden früher auch von dem freisinnigen Abgeordneten Munckel erhoben; die heutigenFortschrittler" wollen davon nichts mehr wissen. Auch das Zentrum verhielt sich teilweise ablehnend, doch wurden bei ihm auch Stimmen für eine Berufung gegen Schwur- und Reichsgerichtsurteile laut. Gegen die Stimmen unserer Genossen und eines Polen wurden die Anträge abgelehnt. Die 88 316, 317 und 318 bringen insofern eine erhebliche Ver. s ch l e ch t e r u n g des Berufungsrechts gegenüber dem bestehenden Recht, als nach dem Entwurf der Regierung eine eingelegte Be- rufung hinfällig wird, wenn nicht innerhalb 8 Tagen nach Ein- legung die Begründungsanträge eingebracht sind. Nach dem gelten­den Recht war eine vorherige Begründung der Berufung nicht er» forderlich. Unsere Genossen und die Mehrheit der Zentrums- abgeordneten beantragten die Streichung der neuen Bestim- mungm und die Beibehaltung der geltenden Vorschriften. Dagegen sprachen Nationalliberale und Konservative. Unsere Redner wiesen insbesondere darauf hin, daß man von Leuten, die sich keinen Rechtsbeistand sichern können, nicht verlangen kann, in einwandfreier Form die Berufungsgründe anzugeben. Wenn auf der einen Seite die Berusungsmöglichkeit auch auf die Straf- kammerurteile ausgedehnt wird, soll man durch formalistische Schwierigkeiten diese Verbesserung nicht wieder aufheben. Die Debatte wird abgebrochen und auf Donnerstag vertagt. Soziales. Aus dem Tapezierergewerbe. Vor dem JnnungsschiedSgericht gelangte am Dienstag eine Anzahl auS Arbeitsverhältnissen im Tapczierergetoerbe hervor» gegangene Rechtsstreit« zur Verhandlung, die wieder einmal zeigten, welche Schwierigkeiten immer noch von ein«m nicht unerheblichen Teil von Jnnnungsmeistern deren Arbeitern gemacht werden, bevor die Lohnansprüche derselben befriedigt werden. 1. So hat der Taprzierermeister Otto Thiele dem Tapezierer W. kürzlich 20,97 M. Lohn einbehalten, weil sich inzwischen eine im November vom Arbeiter hergestellte Arbeit als mangelhaft gemacht herausgestellt haben soll. Das Schiedsgericht lehnte es ab, die gerügte Arbeit auf ihre Güte zu prüfen und verurteilte den Meister ur Zahlung des einbehaltenen Lohnes, da der Lohnabzug nach 394 deS Bürgerlichen Gesetzbuchs unzulässig war. 2. Dem Tapezierer L. hat der Tapeziercrmeister August Wünsch 2,70 M. vorenthalten, weil sich L. zuviel Lohnstunden angeschrieben haben soll. Den Beweis für seine Behauptung konnte der Meister nicht erbringen. Die aus dem Gewerbe entnommenen Beisitzer des Schiedsgerichts hielten den vom Kläger angegebenen Zeitauf- wand für die Borarbeiten für vollkommen angemessen. Beklagter wurde nach dem Klageantrage verurteilt. 3. AuS dem gleichen Grunde hat der Tapezierermcister Franz Fitzon dem Gesellen Sch. 6,90 M. Lohn nicht gezahlt. Auch hier erfolgte Verurteilung. 4. Einen falschen Weg, um zu seinem Lohne zu gelangen, hatte der Tapezierer L. eingeschlagen. L. hatte bereits ein rechts- kräftiges Urteil auf Zahlung von 36 M. gegen den Tapezierermeiste» Scheidtke erstritten. Jedoch die Pfändung war fruchtlos aus- gefallen. Er klagte nun ohne Erfolg gegen den Tapezierermeister Lehmann, für den er die in Rede stehenden Arbeiten im Auftrage Sch.s ausgeführt hatte. Das Schiedsgericht vertrat die Ansicht, da durch rechtskräftiges Urteil bereits festgestellt sei, daß Sch. der Arbeitgeber des Klägers gewesen sei, könne der Klage gegen den Beklagten nicht entsprochen werden. Der Kläger zog darauf die Klage zurück. 5. Der Tapezierer M. war von der Firma Wenbland u. Ed. fristlos entlassen worden, weil er sich in ungehöriger Weise über einen Kutscher geäußert habe. Der daraufhin geltend gemachte Schadenersatzanspruch von 70 M. wurde dem Kläger vom Schieds- gerickt zugesprochen, weil die von der Beklagten gerügte Bemerkung des Klägers(die Beklagte solle sich einen Kutscher nehmen, der hübscher ist) kein Grund zur Entlassung war. 6. Eine Entschädigung von 80 M. wegen fristloser Entlassung verlangte der Tapezierer I. vom Tapezierermeister Robert Vieöke. Kläger hat selbst aufgehört, weil ihm der Lohn gegen seinen Willen von 32 M. auif 25 M. pro Woche gekürzt werden sollte. Die Klage wurde abaewicscn. Das Schiedsgericht vertrat die irrige. Ansicht, der Kläger hätte die zwei Wochen zu 25 M. arbeiten müssen und nachher den Differenzbetrag einklagen können. Die Gewerbeordnung (§ 124, Ziffer 4) rechtfertigte das Verlangen des Klägers voll- kommen._ Wie eine Verkäuferin sich kleide» muß. Eine Toilettenfrage hatte die 5. Kammer des Berliner Kauf- «tUluSgerichts i» ihrer letzte« Sitzung zu lösen. Die Berkänferm Fräulein R. erhob gegen siaS Bijouterietochrengeschäft von Baum Sohn Klage auf Restgehalt für zwei Monate. Der Hergang, der zu ihrer sofortigen Entlassung führte, war nach ihrer Schilderung der folgende: Der Prinzipal erklärte ihr eines Tages unter vier Augen, sie kleide sich zuausschweifend" und darum könne er sie nicht weiter behalten. Sie erwiderte dem Chef darauf, sie sei sich zwar bewußt, stets sauber und adrett zu gehen, rönne aber nichts Extravagantes an ihrer Kleidung finden. Der Beklagte sprach aber dennoch wegen Verdachtes der Unredlichkeit die Entlassung aus, und ihr Toilettenaustvand sei mit ihrem Gehalt von nur 90 M. nicht in Einklang zu bringen. Im Termin zeigte sich die Ver- käuferin dem Richterkollegium in der vom Chef alsausschweifend" bezeichneten Toilette. Es war ein gutsitzendes, aber einfaches, dunkelblaues Jackenkostüm, daZ in Verbindung mit dem blumcn- geschmückten Strohhut keineswegs auffallend wirkte. Als Be- lastungszeugen marschierten. eine ganze Anzahl frühererKolle. ginnen" der Klägerin auf. Sm hatten nämlich im Geschäft die Garderobe des Fräulein R. einer genauen Prüfung unterzogen und herausgefunden, daß das Kostümfeinste Schneiderarbcit" ist und unmöglich von ihr selbst, wie sie angab, hergestellt sein kann. Den Hut schätzte eine Kollegin ausmindestens 30 Mark", während Fräulein R. ihn im Geschäft mit 10 M. angeboten haben sollte. Die Beweisaufnahme ergab, daß die Klägerin ein Opfer ihrer Gutmütigkeit den Mitangestellten gegenüber geworden war. Nur aus reiner Gefälligkeit hatte sie den Hut der Aufsichtsdame aus deren Bitten von ihrer in einem Hutgeschäft tätigen Schwester be- sorgen lassen wollen, und ein Sachverständiger hielt auch den Preis für durchaus angemessen. Die Fasson hat einen Wert von zirka 4 M. Das zum Anstoß gewordene Kleid ist von der Mutter der Klägerin hergestellt worden. Die-Beklagte wurde zur Zahlung des NestgehaltS verurteilt. Ihre«cheu vor adretten Toiletten kommt ihr teuer zu stehen._ Bei Stadtverordneten -Fristwahlen ist der Anfangstermin innezu- halten. Die Frage, ob auch bei Fristwahlcn der für den Beginn fest. gesetzte Zeitpunkt innezuhalten ist, hatte am 5. Juli das preußische Ober-VerwaltungSgericht zu entscheiden. Wegen Nichtinnehaltung dieses Zeitpunktes hatte ber Rechtsanwalt Dr. Ablaß die Wahl der Herren Wiester, Altmann, Schmidt, Bonnet und Beiersdorf zu Stadtverordneten von Hirschberg angefochten. Es handelte sich um die Wahlen der ersten Abteilung. Der Hergang war folgender: Die Wahlen der zweiten und ersten Abteilung fanden am selben Tage statt. Für die der zweiten Abteilung war die Zeit von 9 bis 11 Uhr und für die der ersten Abteilung die Zeit von 12 bis 1 Uhr angesetzt worden. Da um 11 Uhr noch eine ganze Anzahl Wähler der zweiten Abteilung anwesend waren, die noch nicht abgestimmt hatten, so wurden von 11 Uhr ab bis zur Erledigung ihrer Abstim- mung die Türen geschlossen gehalten. Es wurde ntittlerweile 1114 Uhr. Nun durften zwar die Wähler der ersten Abteilung hinein. Da aber jetzt noch das Resultat der Wahlen der zweiten Abteilung festgestellt wurde, so begann der Wahlakt der ersten Ab- teilung faktisch erst nach 5412 Uhr, statt um 11 Uhr, wie festgesetzt. Darauf berief sich Dr. Ablaß in seiner Anfechtungsklage, nachdem die Stadtverordnetenversammlung seinen Einspruch verworfen hatte. Der Bezirksausschuß zu Liegnitz wies die Klage ab. Er vermochte eine erhebliche Unregelmäßigkeit nicht einzusehen, weil den wenigen Wählern der ersten Abteilung noch Zeit genug geblieben sei. Und Erwägungen, wie man sie bei einer Terminwahl anstellen könne, träfen bei einer Fristwahl nicht zu. Dr. Ablaß legte Be- rufung ein und machte geltend, daß auch bei Fristwahlen der An- fangstermin sehr wichtig sei, weil die Wähler mit ihren Dispofi- tionen sich danach richteten. Das Ober-BerwaltnngSgericht gab der Berufung statt und erklärte die fünf Wahlen der ersten Ab- teilung mit folgender Begründung für ungültig: Die Nichtinne- Haltung auch der für eineFristwahl" festgesetzten Zeit sei als eine gröbliche Berletzung wesentlicher Formvorschriften anzusehen und mache die Wahlen ungültig. Hub Induftrie und RandeL Hereingefalleue Agrarier. Mit der Talon st euer wollten die Agrarier hauptsächlich daS Großkapital treffen und alle Vernunftgründe, mit denen man ste überzeugen wollte, daß in letzter Linie der Schuldner zu be« zahlen habe, prallten wirkungslos ab. Nun ist den Agrariern die Richtigkeit obiger Argumentation in ziemlich drastischer Weise zum Bewußtsein gekommen. Diese Steuer sollte natür- lich auch von den Pfandbriefinhabern bezahlt werden. Die Gencral-LandschaftSdircktion machte nun aber die Ent» deckung, daß die Pfandbriefinhaber nicht geneigt waren, diese Lasten auf sich zu nehmen. Es fand deshalb eine Konferenz der General-LandschaftSdirektoren Ostpreußens statt, und wie in den Prenßischen Jahrbüchern" recht erbaulich nachzulesen ist, kamen die Herren zu der Ueberzeugung, daß weiter nichts übrig bleiben werde, als die Steuer den Schuldnern aufzubürden. Herr v. Oldenburg » Jan usch au ist Mitglied deS PlenarkollcgiumS der ostpreußischen Landschaft und er machte dort seiner Verblüffung mit den Worten Luft, daß die Fassung der Vorlage allein die Schuld trage, daß sie so besonders unsympathisch geworden ist. Sein Fraktionskollege, der ReichstagSabgeordnete R e h b e l meinte, es müsse anerkannt werden, daß die Wirkungen des Gesetzes anders gedacht waren, als sie dies jetzt im Wirtschaftsleben gezeigt haben. Für die Pfandbriefe der oft- preußischen Landschaft hatten 940 000 M. Talonsteuer bezahlt werden müssen. Die Landschaft beschloß nun, diesen Betrag von den Schuldnern einzuziehen, und um selbst auch noch Kapital in die Hand zu be» komme,:, gleich noch 235 000 M. mehr. Die Presse der Bündler. die in so beweglichen Worten die Talonsteuer angepriesen hatte, hat sich bis jetzt vollständig über diesen Vorfall, der keineswegs so vereinzelt dasteht, ausgeschwiegen, und selbst dieDeutsche TageS« zeitung", die direkt brieflich auf diese Vorgänge hingewiesen wurde, hat den Brief leider unbeachtet im Papierkorb verschwinden lassen._ Eine neue Elcktrobank. Unter der Firma Bergmann-ElektrizitätS» Unternehmungen A. G. haben die Bcrgmann-ElekrizitätSwerke ein neues Unternehmen ins Leben gerufen, dessen Zweck der Bau und Betrieb von städtischen und Ueberlandzentralen sowie von elektrischen Bahnen und die hiernrit im Zusammenhang stehenden Finanzierungen bilden. Zur Bearbeitung dieser Projekte werden die Bergmannwerke ihre bisherigen Abteilungen für Bahnen und Zentralen der neuen Gesellschaft überlassen. In dem Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft sind die Deutsche Bank, die Diskontogesellschaft, der Schaaffhausensche Bankverein, die All­gemeine Deutsche Kreditanstalt, daS Bankhaus Bernhard Caspar , Hannover sowie die Bergmannwerke vertreten. DaS Aktienkapital beträgt 12 Millionen Mark._ Kündigung deS deutsch -japanischen Handelsvertrages. In maß- gebenden deutschen Regierungskreisen erwartet man, wie die Reicks-Korrespondenz" berichtet, mit Sicherheit die Kündigung des deutsch -japanischen Handelsvertrages bis zum 18. Juli d. I. Die deutsche Exportindustrie ist bereits damit beschäftigt, ihre Wünsche für den Abschluß eines neuen Handelsvertrages mit Japan den zu- ständigen Behörden bekanntzugeben. Japan hatte erstmalig im Jahre 1006 die Zölle seines General- tarisS erhöht. Im April d. I. wurde eine neue Erhöhung vor- genommen mit der Absicht, die bestehenden Handelsverträge zu kündigen.