Nr. 138. 27. Jahrgang.2. KnlM des Jotiuitts" Kerliiier PoMlott.Sonnabend, 9. MIM.Sie iteht'5 mit«ier kirbeiterverlicherung?Dies Dhema besprachen am Donnerstagabend in GrofcBerlin8 öffentliche politische Versammlungen.Im GewerkschaftShaus, dessen großer Saal überfüllt war,sprach Reichstagsabgeordneter Robert Schmidt. Nach denletzten Geschäftsberichten, führte er u. a. aus, hätten wir jährlichin Deutschland allein 980 909 Rentenempfänger. Das bedeute, daß989 999 Menschen im Dienste der Arbeit Schaden erlitten hättenan ihrer Gesundheit, an ihrem Wohlergehen. Ganz abgesehen vonden Getöteten und hilflos Zurückgebliebenen. Allein im Jahre 1997hatten wir 144 798 Personen, die der Unfallversicherung zur Lastgefallen sind, und davon seien 1356 vollständig erwerbsunfähig ge-Wesen, während nicht weniger als 9815 Personen durch Betriebs-Unfälle getötet waren. Sie hinterließen 29 525 Hinterbliebene,die sie ernährt oder doch zum Teil ernährt haben. Das gebe unseinen Einblick in die gewaltige Zerstörung von Menschenmaterial,die jähr- us, jahrein vorkomme. Dazu nehme man die kolossaleZahl dep Invaliden- und Altersrentner(887 999 und 198 999).Wohl se- der Etat der Arbeiterversicherung riesig angeschwollen,aber auf alle verteilt, komme auf den einzelnen ein dürftigerBetraa. So umfaßte z. B. 1997 die Durchschnitts-Jnvalidenrente166 Mark. Heute gebe der Staat 49 Millionen Mark Zuschuß zurInvalidenversicherung. Die Summe müsse erhöht werden. Siehöre sich allerdings schön an— für den, der unseren Reichsetatnicht kenne. Dieser umfaßte 2 Milliarden 699 999 Mark, wovonder höchste Betrag für Militärzwecke verwandt werde. Demgegen-über seien 59 Millionen eine äußerst geringe Summe. NachdemRedner noch das heuchlerische Getue der Industriellen über ihreBelastung ins rechte' Licht gerückt hatte, ging er in seinen Aus-führungen über auf die„große Reform" der Arbeiterversicherung,die die Reichsversicherungsordnung bedeuten solle. Er schloß miteiner energischen Ermahnung an die Versammelten, in starkenpolitischen und gewerkschaftlichen Organisationen einen Rückhaltzu schaffen für die immer schwerer werdenden Kämpfe für Fort-schritte in der Sozialpolitik.(Stürmischer Beifall.)Die Versammlung in der Hasenheide füllte den großen Saaldes„Hofjägrrpalast" bis auf den letzten Platz. Auch die Frauenwaren zahlreich erschienen, um ihre Meinung über die Reichsver-sicherungsvorlage kund zu tun. Hier sprach Reichstagsabgeord-neter Molkenbuhr.„Der Versicherungsgedanke ist ein gesunderGedanke," sagte der Redner zum Schluß,„nur muß er nicht vonkleinlichen Bureaukraten, despotischen Unternehmern und herrsch.süchtigen Junkern durchgeführt werden. Wenn die Arbeiterschaftin dieser wichtigen Sache, bei der es sich ja auch vor allem um ihreRechte, um ein Stück Wahlrecht, um ihr Selbstverwaltungsrechthandelt, ihre ganze Kraft einsetzt, dann können wir eine solcheGroßmacht bilden, daß wir alles das, was gute? in der Versicherungist, durchsetzen." Der Vortag fand lebhaften Beifall. Zur Tis-tuffion verlangte niemand das Wort.Im„Elyfium" in der Landsberger Allee war die Versammlungschon gegen Z49 Uhr so stark besucht, daß die Tische aus dem Saaleentfernt werden mußten. Als um 9 Uhr der Referent, GenosseKarl Giebel, daS Thema des Abends zu behandeln begann,saßen und standen die 2999 Zuhörer Kopf an Kopf gedrängt.Eifrig lauschten sie in der drückend schwülen Atmosphäre des Saalesden mehr als Inständigen Ausführungen des Redners. In er-greifenden Worten schilderte er die Leidensgeschichte der Arbeiter-schaft, die, proletarisiert durch die kapitalistische Produktionsweise,Leben und Gesundheit im Dienste der besitzenden Klaffe opfernmuß. Gegen eine solche Reform der Arbeiterversicherung, wie siedie Regierung und die Mehrheitsparteien des Reichstags wollen,müsse die Arbeiterschaft mit aller Macht protestieren. TosenderBeifall durchbrauste nach beendigter Rede den Saal.Auch die Versammlung im Germaniasaal(Chausseestraße) zeigteschon durch ihren ungewöhnlich starken Besuch, welch reges Jnter-effe die Arbeiterschaft an der gesetzgeberischen Gestaltung der Ar-beiterversicherung nimmt, und daß sie es nicht schweigend mit an«sehen will, wie Regierung und MehrheitSparteien daran arbeiten,diesen Zweig der Sozialgesetzgebung so zu„reformieren", daß dieberechtigten Ansprüche der Arbeiterklasse dabei in jeder Hinsicht zukurz kommen.— Der große Saal samt der geräumigen Galeriewaren von einer auS Frauen und Männern bestehenden lebhaftinteressierten Zuhörerschaft so dicht besetzt, daß viele mit Steh-Plätzen vorlieb nehmen mußten.— Der Referent, Genosse Link,zeigte bei der sachkundigen Betrachtung der Vorlage, daß sie denGrundsätzen einer wirklichen sozialen Fürsorge nicht entspricht, daßdie Regierung nicht die Wünsche der Arbeiter, sondern die Forde-rungen der größten Arbeiterfeinde, des Zentralverbandes der In-dustriellen, zu erfüllen bemüht ist. Nachdem jetzt mehr als einVierteljahrhundert gesetzlicher Arbeiterversicherung hinter uns liegt,muh man sagen, daß von den großen Versprechungen, mit denensie eingeleitet wurde, fast nichts erfüllt worden ist. Nicht im Ver-trauen auf die Regierung, sondern nur im Vertrauen auf die eigeneKraft kann die Arbeiterklasse eine soziale Gesetzgebung, die diesenNamen verdient, erkämpfen.— Das Referat wurde mit Beifall auf-genommen.1299 Personen waren in„FröbelS Allerlei-Theater" in derSchönhauser Allee versammelt. Schon frühzeitig war der großeSaal bis auf den letzten Platz besetzt. Auch von der Galerie herablauschten dichtgedrängt Männer und Frauen den sachkundigen AuS-führungen des Genossen G. Bauer. In lautloser Stille folgtedie Versammlung dem Referate. Mit gründlicher Sachkenntnisging der Redner auf die schwierige Materie der Reichsversicherungein und bearbeitete das reichhaltige Material in einer Weise, daßes jedem einzelnen Zuhörer möglich war, Punkt für Punkt zufolgen. Aus der Fülle seiner reichen Erfahrungen flocht GenosseBauer Beispiele ein, die eine trefliche Illustration zu den„Seg-nungen" unserer sozialen Gesetzgebung bildeten. Mehrmals löstenseine Ausführungen allseitige Heiterkeit aus, wenn der Referentbesonders groteske Beispiele anwendete. Unter allen Umständen.erklärte Genosse Bauer bei der Besprechung des Krankenkassen.wesenS, müssen wir bei der Forderung verharren, daß eine Zcn-tralisation aller Krankenkassen geschaffen werde. Die Regierungbezwecke jedoch, die Zersplitterung auf diesem Gebiete beizubehalten.Solange die Arbeiterversicherung bestehe, sei noch kein so nieder-trächtiges Attentat auf dieselbe unternommen worden, als wiediesesmal. Die Arbeiter sollen eben auch sozialpolitisch entrechtetwerden. An Frechheit und Verhöhnung bleibe dieser Entwurf nichthinter der letzten preußischen Wahlrechtsvorlage zurück. Rednerschloß mit dem Wunsche, daß die Arbeiter sich von nun ab mehrals bisher um diese Fragen kümmern, dann sei der Entwurf nichtumsonst gewesen. Eine Diskussion folgte dem mit großem Beifallaufgenommenen Referate nicht.Die Versammlung in Ripdorf, die in Hoppes Festfälen in derHermannstraße stattfand, war ebenso stark besucht, wie die großeProtestversammlung zwei Tage vorher. Männer und Frauenfüllten den Saal wie den Vorraum und die Galerie. Mit großerAufmerksamkeit lauschten sie dem über eine Stunde währendenVortrage von Rudolf W i s s e l. der die sogenannte Reform d-r Ar-beiterversicherung einer scharfen Kritik unterzog. Nicht seltengewann der Redner lebhafte Zustimmung aus der Versammlung,wenn er die Rücksichtnahme der Vorlage auf daS Unternehmertumund den Mittelstand hervorhob, wenn er allerlei Widersprüche auf-deckte oder die bureaukratische Auslegung vieler Bestimmungenüber die Versicherung, besonders Unfälle betreffend, schilderte. Denversprochenen Ausbau der Sozialgesetzgebung bringe der Entwurfdurchaus nicht, sondern im Gegenteil noch Verschlechterungen. Unddennoch müsse man sehen, daß große Scharen von Arbeitern denreaktionären Parteien, denen dieser Entwurf noch zu viel für dieqrbeitevde Klasse bringt, Gefolgschaft leisten. Da sei noch viel�Aufklärung nötig, und die Vorlage der Regierung biete genügendMaterial zur Agitation, was benutzt werden sollte, um die Für«sorge der Negierung durch diesen„Ausbau" der Sozialgesetzgebungins rechte Licht zu stellen.— Lebhafter Beifall folgte dem Vortrage.In Treptow und in Adlershvf fanden ebenfalls gut besuchteVersammlungen statt, in denen die Genossen Gustav Nathowund Emil W u tz k y referierten.In allen Versammlungen wurde einstimmig die nachstehendeResolution angenommen:„Die Versammlung hat eingehend Stellung zum Entwurfder Reichsversicherung genommen. Sie kann in der geplantenNeuordnung der Arbeiterversicherung nicht nur keinen Fortschrijjerblicken, sondern eine zum Teil ganz wesentliche Verschlechterungdes Bestehenden.Der Entwurf sieht die seit Jahren von Fachmännern, Sozial-Politikern und Versicherten und auch im Jahre 1993 vom Reichs-tag geforderte Verschmelzung der drei Bersicherungszweige nichtvor. Die hierbei angegebenen Gründe wirken nicht überzeugend.Bei dem Stande der heutigen Versichcrungswissenschaft undtechnik sind die organisatorischen Schwierigkeiten, von denen dieBegründung spricht, bei ernster Absicht zu lösen.Soweit es sich um die Zentralisation des KrankenkassenwesenShandelt, bleibt der Entwurf weit hinter den berechtigten Er-Wartungen zurück. Statt der im Interesse der Versicherten notwendigen zenralisicrten Orts- bezws Bezirkskrankenkassen sieht erwieder sechs verschiedene Kassenarten vor, die für denselben Ortbezw. Bezirk nebeneinander Existenzberechtigung haben sollenVon diesen lassen drei(Orts-, Betriebs- und Jnnungskranken-lassen) wieder eine weitere Zersplitterung nach Betrieben oderBerufen«zu.Unerhört ist es, daß den in den geplanten Lanbkrankenkassenzu versichernden Personen jegliche Rechte vorenthalten werdenund die ihnen zugedachten Bezüge hinter den allgemeinen Lei-stungen der Kassen zurückbleiben sollen.Die Versammlung fordert, daß die landwirtschaftlichen,staatlichen, kommunalen und seemännischen Arbeiter, die Dienstboten, die Hausgewerbetreibenden und die im WandergewerbeBeschäftigten den gewerblichen Arbeitern gleichgestellt werden.Den entschiedensten Protest erhebt die Versammlung auchgegen die auf dem Gebiete der inneren Verfassung des Kranken-kassenwesens geplante völlige Vernichtung der Selbstverwaltung.obwohl diese erst den Krankenkassen wirklichen Inhalt und Wertgegeben hat. Ohne freie Selbstverwaltung erlischt für Versicherteund eine große Zahl Beteiligter jedes Interesse am Ausbau derVersicherungseinrichtungen. Dieses Interesse ist um so mehr zupflegen, als der Entwurf jede Erweiterung der Leistungen vermissen läßt. Die Erweiterung ist in der Richtung einer Er-höhung der Bezüge, der Einführung einer allgemeinen Mutter-schaftsversicherung und der Erweiterung der Familienhilfe drin.gcndes Erfordernis. Diese Mängel werden nicht dadurch-aus-geglichen, daß der Kreis der versicherten Personen eine Aus«dehnung erfahren hat.Die vom Entwurf auf dem Gebiete der Unfallversicherungborgesehene Aenderung, wonach Renten auf Zeit gewährt werdensollen und anstatt des Rekurses die Revision treten soll, ist eineso erhebliche Verschlechterung, daß ihr gegenüber die minimaleAusdehnung des Kreises der Versicherten nicht in Betrachtkommen kann. Die Verschlechterung wirkt um so empörender,als alle seit Jahren von den Versicherten geforderten Verbesse-rungen. namentlich ihre Beteiligung an der Verwaltung völligunbeachtet geblieben sind.Die Versammlung fordert, daß auf dem Gebiete der Indalidenversicherung den heutigen Verdienstvevhältnissen entsprechen!weitere Lohnklassen eingeführt werden, daß ein« Erhöhung derRenten und eine Herabsetzung der Altersgrenze für die Alters-rcnte eintritt. Die Einführung weiterer Lohnklassen würde auchzugleich den Weg zeigen, auf dem die Versicherung der Privatangestellten durchzuführen ist. Eine Sonderversicherung derPrivatangestellten lehnt die Versammlung unter allen Umständen ab.Die geplante freiwillige Zusatzversicherung kann als wesentlicher Fortschritt nicht betrachet werden, denn die Verhältnisse undBedingungen, unter denen die Mehrzahl der Versicherten zu lebengezwungen ist, schließt die Benutzung der Zusatzvcrsicherung fürsie aus.Die vom Entwurf vorgesehene Witwen- und Waisenversicherung entspricht nicht den berechtigten Erwartungen. Eine ihrenNamen wirklich verdienende Hinterbliebcnenfürsorge muß eine,wenn auch nur bescheidene Lebenshaltung ermöglichen. In jedemFalle muß sie die Gewähr bieten, daß die Rentenbezicher nichtder öffentlichen Fürsorge anheimfallen. Unannehmbar erscheintim Entwurf die Beschränkung der Gewährung der Witwenrentean invalide WitwenZu den Kosten der Hintcrbliebenenversicherung sind auch diegleichen Kreise heranzuziehen, die von der als Folge der Ein«führung dieser Versicherung eintretenden Verminderung derArmenkosten entlastet werden.Die Versammlung ist weiter der Meinung, daß die Vertreterder Versicherten und der Arbeitgeber für alle Zweige der Ver-sicherung in direkter und geheimer Wahl auf Grund des Ver-hältniswahlsystcms zu wählen sind und allen Versicherten, ohneUnterschied des Geschlechts und der Staatsangehörigkeit, das aktiveund passive Wahlrecht zu gewähren ist.Die Versamtung ersucht den hohen Reichstag, die Vorlage derVerbündeten Regierungen im Sinn« dieser Resolution so zuändern, daß sie als Dokument wirklicher, wahrer Sozialpolitikgelten kann."Schon am Dienstagabend nahm die Charlottenburger Arbeiter.schaft in einer stark besuchten Versammlung im Volkshause zu derFrage Stellung. Der Referent, Genosse Peterhansel schil-derte eingehend die Verschlechterungen, die man besonders bei derKranken- und Unfallversicherung plane, und legte weiter dar, daßauch die Beibehalrung der bisherigen Normen bei der Invaliden-Versicherung die Arbeiter schwer benachteilige. Auch die als einso großer Fortschritt gepriesene Witwen, und Waisenversicherungunzulänglich, daß man fast von einer Verhöhnung sprechenso..„..,könne.— In der Diskussion wies Genosse Dr. S. Rosenfelddarauf hin, daß auch durch dieses Gesetz wieder der Geist des Be-amtenstandes gehe, denn die ganze Reform laufe schließlich dochbloß darauf hinaus, an Stelle der aus dem Arbeiterstande hervor-gegangenen und mit den Arbeitern fühlenden Beamten Militär»anwärter und ehemalige Ofiziere zu setzen. Wenn irgendwo, danntreffe bei dieser Art sozialpolitischer Gesetzgebung das Wort Posa-dvwskhs zu, daß eS auf keinem Gebiete mehr Heuchelei gäbe, alsauf dem der Sozialpolstik.— Zum Schluß wurde auch hier ein»stimmig die oben mitgeteilte Resolution angenommen.Eine Versammlung für Steglitz-Frtedenau fand auch im„Rheinschloß" zu Friedenau statt und war von zirka 499 Personenbesucht. Das Referat des Genossen Koblenzer wurde beifälligaufgenMmep, auch die Resolution fand einstimmige Annghme.LI» Stresslbfecher-flgent.Eine Unterhaltung mit einem Agenten der Firma AugusteMüller- Wandsbek auf seiner Heinmreise von Bassum nachHamburg am Sonntag, den 2. Juli, schildert Genosse Fr. S e e g c r tin der„Schmiede-Zeitung".. Er schreibt:„Ich mutzte, als ich von Bassum kam, in Bremen umsteigen,UM toi D-Zug nach Hamburg zu bezMAi. Mjr gegenüber.hatteschon ein Herr mit einem jungen Hundj, den ich erst für einenWolfshund hielt, Platz genommen. Mit Rücksicht daraus, daß ichsehr wenig Hundeverstand besitze, frug ich den Herrn, zu welcherRasse dieses Tierchen gehöre, und erfuhr, daß es ein Polizeihundsei. Der Preis betrug 49 Mark und die Dressur desselben besorgeer selbst, da er in diesem„Fach tätig" sei. In meiner Annahme,daß ich es mit einem Angestellten der Polizei zu tu» hätte, brachich die Unterhaltung ab und nur erst durch das Erscheinen des Zug-führers, der verlangte, daß der Hund im Gepäckwagen untergebrachtwerden müsse, brachte die Unterhaltung wieder in Fluß.Der Herr erzählte, daß der Hund auf den Mann abgerichtetwerden sollte, da er ihn als Schutz gegen die Streikenden gebrauche.Einen solchen Hund habe er schon und dieser sei so scharf, daß ereinem Menschen die Kleider vom Leibe reiße. Er kam gerade vonDelmLnhorst, wo er einen Streik in der Karosseriefabrik»er-ledigt" hatte.Und nun gab der Herr eine eingehende Schilderung diese?Streiks und durch die Fragen, die ich an ihn richtete, erfuhr»chauch alles, was ich wissen wollte. Er beklagte sich recht bitter, daßdie Polizei und namentlich die Dclmenhorster ihn nicht genügendunterstützt habe. Er hatte verlangt, daß an einem Tage verschiedeneStraßen in Delmenhorst, die von den Arbeitswilligen passiertwerden mußten, polizeilich gesperrt würden. Die Polizeiweigerte sich anfangs und erst auf seine Drohung, daß ersich sofort telegraphisch an den Minister wende» würde, hatte erden gewünschten Erfolg. Jetzt ist die Polizei so klein gewordenund es klappt so, wie er es gewünscht hatte. Auf meine Frage, obdenn der Streik erledigt sei, antwortete er bejahend. Am Sonn-abend sei schon ein Herr vom gelben Verband aus Berlin da»gewesenundhabeeineVersammlungabgehalten.Ueber 179 Aufnahmen sind gemacht und ein Vorstand gewählt, sodaß seine Mission also dort erledigt wäre. Ich frug dann weiter,ob von den Streikenden auch wieder welche eingestellt würden; ererwiderte, daß Herr ThönieS, der Betriebsleiter, es machen wollte,er aber dann mit seinen Arbeitswilligen sofortabziehe nwürd«. Sollteer abereini gegebrauchen.dann müssen diese ihre Verbandsbücher vorseinen Augen zerreißen, anders könnten keineeingestellt werden.Weiter erzählte der Herr, daß sie am Donnerstag in Delmen»borst eine kleine Straßenschlacht geliefert hätten. Die Arbeit?»willigen seien mit Gummischläuchen ausgerüstet, da sie keine R«-volver mehr tragen dürften. Ein Mitreisender frug, ob davonnichts in die Zeitung käme, er hätte doch nichts davon gelesen underhielt dieser zur Antwort,„daß das nicht breitgrtreten werdensollte". Auch die Geschäftsleute hätten für die Arbeitswilligenkeine Lebensmittel liefern wollen, aber er hätte sie doch klein be»kommen. Heute ist ein Bäckermeister da, der die Woche für zirka459 Mk. Ware liefert. Ein Schlachtermeister liefert alle Woche fürzirka 699 Mk. Der Kantinenwirt wollte erst nicht anbeißen;, aberdiesen habe er darauf aufmerksam gemacht, daß er dann die Kan-ttnenverwaltung nicht mehr bekomme.Nun wollte ich doch wissen, was er für seine aufopfernde Tätig.keit erhielt und stellte die Frage, ob sie vom Arbeitgeberverbandunterstützt würden. Dies verneinte er selbstverständlich und be-tonte, daß der bestreikte Fabrikant ihm als„Kontrolleur", wie ersich geschmackvoll ausdrückte, pro Tag 39 Mk. bezahlen müsse.Krupp habe kürzlich 4� Millionen an den Arbeit»geberverband bezahlt, die zum Schutze der Ar»beitSwilligen verbraucht werden sollen. In diesemBetriebe, also bei Krupp, sind die Gelben schon so stark, daß dieRoten nichts mehr unternehmen könnten. Dasselbe wäre beiSiemens u. Schuckert der Fall und die Roten> die indiesem Betriebe noch drin sind, sollen nach undnachanchrau». ES müsse auch mal aufgeräumt werden, denndie Streiks nehmen ja überhand. Sie hätten allein 23 Streiks zuerledigen. Vier Kontrolleure seien sie bloß, also kann man sichdenken, wie angestrengt sie tütig sein müßten. Er müsse amMontag schon wieder nach Stettin, weil dort einStreik auf der Zementfabrik ausgebrochen wäre.Auf meine Frage, ob er denn gleich Arbeiter mitnehme und obsie immer welche auf Lager hätten, erwiderte er:„Sie hättenimmer eine sogenannte Kerntruppe. Diese setzt sich aus Schlossern,Klempnern, kurzum aus gelernten und ungelernten Arbeitern zu-sammen. Diese Kcrnftuppe nimmt er gewöhnlich gleich mit unddann kommt der Nachschub. Sie haben ja so viele Arbeitswillige,daß sie allen Anforderungen genügen könnten."Mittlerweile waren wir in Harburg angelangt und nun meinteder Herr„Kontrolleur", daß dies ein ganz verteufeltes Nest wäre.Hier hätte er im vergangenen Jahre einen Streik der Schauerleutegehabt, der sehr lange gedauert hat und bei dem verschiedeneSchüsse gefallen sind. Daß er dabei wieder ein Loblied auf seineTätigkeit sang, ist wohl selbstverständlich und ich war froh, alswir im Hamburger Hauptbahnhof einfuhren. Mit einem Dankfür seine freundliche Unterhaltung und dem Hinweis, daß ich einGewerkschaftsangestellter sei, verabschiedete ich mich, ihn mit einemverdutzten Gesicht stehen lassend.Selbstverständlich habe ich die Stettiner Genossen gleich tele-graphisch benachrichtigt, welch angenehmen Besuch sie am Montagzu erwarten hätten.Irgend eine weitere Bemerkung an diese Darstellung will ichmir ersparen. Wie ich anfangs schon bemerkte, sind uns die Praktiken dieses Instituts bekannt und viel Neues bietet auch dieseUnterhaltung nicht. Nur um zu zeigen: mit welchem Raffinementdiese Herren arbeiten, weiter aber auch, die Arbeiterschaft daraufaufmerksam zu machen, daß schon selbst Polizeihunde im Wirtschaft-lichen Kampf gebraucht werden und vielleicht auch auf die Streiken-den gehetzt werden sollen, sollte der Zweck dieser Zeilen sein.Mancher Mensch schämt sich, wenn er ein schmutziges Gewerbe aus-übt, es gibt aber auch Leute, die anders können, zumal wenn siedabei pro Tag 39 Mk. verdienen.(Wir wollen nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß Arbeiter.die mit dem„Polizeihund" deö Herrn Sttetkbrecher-Agenten zu tunbekommen, berechtigt sind, die Bestie einfach totzu»schlagen. Außerdem empfiehlt sich, den Herrn, falls er denHund auf Menschen hetzt, unweigerlich bei der Staatsanwaltschaftanzuzeigen, die eine Klage gegen ihn nicht zurückweisen könnte.R. h.„V.")ßnefkaften der Redaktion.Hans Schuller-Sülzhagen. 1. Parteiborstand Berlin SW. 68, Linden»stratz« 69. 2. Ja.— R. D. 37. Die Adressen der Berliner Institutesinden Sie im Adreßbuch; mit weiteren Adressen können wir Ihnen nichtdienen.— W. P. 6. Keneraltommission der Gewerlschasten Deutsch-lands, Sngeluser 15.— H. L. 125. Ein Verzeichnis von geeignetenFachzeitschriiten, aus denen Sie dann auch gewünschte Adressen ersehen,sinven Sie in den größeren Annoncen-Agenture»(tzaasenstein«. Vogler).— D. v. 182. 1. Zum Teil ja. 2. Kießlings„Berliner Verkehr«(49 Ps.) würde Ihren Zwecken entsprechen.--- W. B. 90. Leider nicht.