27. MM, 2, DeillM des Joimiits" Kerlilltt Nlllksdlstt. S-Ww.lv-WW....................................... H in ii-�"Litcravitdic Rundfchau.man waschechtefür den größtenwichtigsten PartienClne neue Meltgelckickte.DaS Oerlangen nach einer Weltgeschichte vom geschichts-materialistischen Standpunkte des wissenschaftlichen Sozialismus istein oft geäußerter Wunsch. Seine Erfüllung würde ohne Zweifeleinem lebhaft enipfundenen Beoürfnis abhelfen, ist aber vor derHand wohl noch nicht zu erwarten. Inzwischen muß sich, wer einerWeltgeschichte bedarf, mit dem einen oder anderen unter den vor-handenen Werken bürgerlicher Verfasser begnügen, so viel diese auchdurchweg zu wünschen übrig lassen. Und wenn dann einmal zuden älteren Weltgeschichten eine neue kommt, so ist es natürlich, sieim Hinblick darauf zu betrachten, ob sie etwa besser alsjene älteren Werke geeignet erscheint, vorläufig, d. h. inErmangelung einer Weltgeschichte sozialistischer Richtung, alsNotbehelf zu dienen. Unter diesem Gesichtspunkte wirdman seine Ansprüche also nicht gar zu hoch spannen und vorallem nicht erwarten, daß ein Werk, dessen Verfasser durchlvegUniversitätsprofessoren sind, etwa den Boden des historischen MaterialiSmus einnähme. Man müßte also zuftieden sein, wenn dieTatsachen nicht allzu sehr vergewaltigt würden. So könnte mandie jetzt in ihren neuzeitlichen Partien abgeschlossen vorliegendeUllsteinsche Weltgeschichte*) als vorläufigen Ersatz für eine sozialistische Weltgeschichte begrüßen, wenn die bestechenden Worte auchnur einigermaßen der Wahrheit entsprächen, die man u. a. in derEinführung zu dem Ullsteinschen Unternehmen liest:»Dieses Buchreicht dir die Wahrheit. ES bringt sie dar, unabhängig, frei und ohneRücksicht. Kein Parteimann durfte hier die Tatsachen nach seinenAnsichten und für seine Zwecke färben. Kein Politiker durste, umauf die Volksmeinung tendenziös zu wirken, den Ereignissen eineandere Deutung unterlegen und ausschmücken. Dieses Buch stehtim Dienste keiner anderen Macht und keiner anderen Gewalt, als indem der Wahrhaftigkeit.*Wenn von diesen kühnen Verheißungen auch nur soviel sich be>stätigte, daß diese neue Weltgeschichte die Tatsachen wenigstens nichtdurch die reaktionäre Brille ansähe, so wäre das schon ganz erfteulichLeider hinterläßt die Lektüre des Werkes nicht den Gesamteindruckdaß hier die Ereignisse, Zusammenhänge und Persönlichkeiten derneueren Geschichte im großen und ganzen unbefangen gewürdigtwürden. Bei weitem vorwiegend ist vielmehr das Gegenteil derFall. Ein Gesamturteil zu fällen ist deshalb nicht ganz leicht, weildiese Weltgeschichte aus Einzelbeiträgen einer ganzen Anzahl vonGelehrten besteht, deren Standpunkt zum Teil ein recht verschiedenerist, nicht nur politisch, sondern auch fachwissenschaftlichneben Vertretern der wirtschaftsgeschichtlichen Richtung findetRankianer, die ihren Meister unentwegtHistoriker halten. Politisch aber tragen diedes Buches ausgesprochen gemäßigt« liberalesGepräge im übelsten nationalmiserablen Sinne des Wortes. Insbesondere gilt dies auch von dem Spiritus rsotor des Ganzen, vonProf. v. Pflugk-Harttung. Von etlichen allgemeinen Einleitungen abgesehen, die nicht viel zu bedeuten haben, hat er zudem neuzeitlichen Teile zwei Abschnitte beigetragen: Entdeckung«und Kolonialgeschichte, sowie Französische Revolution und Kaiserreich. Der Ueberblick über daS Zeitalter der Entdeckungen und dieältere Kolonialgeschichte kann als passabel bezeichnet werden. Pflugk-Harttung bekundet zwar Neigung, solche bluttriefenden Räuber-Hauptleute, wie etwa Albuquerque, Clive, Hostings, unter die großenMänner zu rechnen, und verrät überhaupt imperialistische Neigungen,aber er bleibt hier doch unbefangen genüg, um die ausschlaggebendenTatsachen unentstellt wiederzugeben.DaS kann nun leider von dem viel wichtigeren Abschnitt überGeschichte der ftanzösischen Revolution nicht gesagt werden. Vielmehrist v. Pflugk-HarttungS Behandlung der großen Umwälzung alsein ganz dürftiges, oberflächliches und urreaktionäres Mach-werk zu bezeichnen, das aber auch gar nichts besitzt von jenen Bor-zügen, die in der allgemeinen Einführung dieser Weltgeschichtenachgerühmt werden. Die Dürftigkeit der Pflugk-HarttungschenRevolutionsgeschichte erhellt schon aus der einen Tatsache, daß sieder inneren Geschichte der Jahre 1783—1795 mit ihrer gewaltigenFülle ungeheuerer Ereignisse noch keine fünfzig Seiten widmet. Aufdiesem engen Räume ist es so gut wie unmöglich, auch nur daswichtigste zusammenzudrängen, zum mindesten ist es Herrn v. Pflugk-Harttung nicht gelungen. Beispielsweise sagt er nicht ein Wort überso grundlegende Tatsachen, wie die, daß die konstituierende National-Versammlung ein Geldsackswahlrecht einführte; späterhin tauchendann plötzlich.passive Bürger* auf, ohne daß man mit einem Worterführe, was in aller Welt darunter zu denken sei. Das führt nunschon zu der Oberflächlichkeit der Pflugk-Harttungschen Arbeit. Erbringt eS fertig, die RSveillon-Affäre des 27. und 23. April 1789 indie Tage vor dem Bastillensturm, in den Monat Juli zu verlegen;der reiche.Tuchfabrikant*, dessen Haus er zu dieser Zeit vom Pariser.Pöbel* gestürmt werden läßt, ist niemand anders als derTapetenfabrikant Rsveillon. Anderswo plappert Pflugk-Harttungdas reaktionäre Geschwätz nach, daß der Konvent nach derEinnahme von Lyon befohlen habe, alle Häuser zu zer-stören:.Lyon sollte dem Erdboden gleichgemacht werden*.Wenn Pflugk-Harttung auch nur ein wenig.deutsche Gründ-lichkeit* aufgewandt hätte, so wäre er mit Leichtigkeiidarauf gestoßen, daß der Konventsbeschluß sich nur auf die Häuserder Neichen, d. h. von einigen hundert Fabrikanten bezieht, dagegenFabrikgebäude, Wohnungen der arbeitenden Klassen usw. ausdrücklichausnimmt.In solchen Fällen dem reaktionären Schwindel mit dem ge-botenen Mißtrauen gegenüberzustehen und auf den Grund zu gehen,wird Pflugk-Harttung nun auch durch seine Voreingenommenheit ge«hindert. Deine Abneigung gegen die Revolusion und die Revo-lutionäre springt auf jeder Seite in die Augen und läßt ihn dieDinge ganz im Sinne Taines sehen, d. h. eines Geschichtsklitterers,der in Frankreich längst abgetan ist, in Deutschland aber immernoch seine gläubige Gemeinde hat. Die revolutionären Klein-bürger und Proletarier von Paris sind für Pflugk-Harttung stets.Pöbel*, dagegen sind ihm die besitzende» Klassen die„besserenBürger*, und eS ist ihm die Verfassung des Jahres III, die mitihrer Wahlentrechtung der Massen das Heft in die Hände der„besseren Bürger* legte, die„beste, welche Frankreich bisher') Weltgeschichte. Die Geschichte der Menschheit; ihre Eni-Wickelung in Staat und Gesellschaft, in Kultur und Geistesleben.Herausgegeben von Dr. I. v. Pflugk-Harttung in Verbindung mithervorragenden Fachgelehrten. Berlin. Verlag von Ullstein u. Co.Gruppe Neuere Zeit: 3 Bände in 80 Lieferungen a 60 Pf., Gesaintpreis 43 M.besessen hatte*. Während der Schreckenszeit war nach Pflugk-�Harttung die»gute Gesellschaft* gewissermaßen in die Gefängnisseverlegt, Ivo sich die Männer und Frauen zusammenfanden,„welcheproletarische Räch- und Raubsucht ergriffen hatte*. Da tritt ja nunder ordnungsparteiliche Standpunkt des Herrn v. Pflugk-Harttungschon mit hinreichender Deutlichkeit in die Erscheinung, und es mögenbloß noch zur Erheiterung ein paar Blüten seiner Nevolutions-geschichtschreibung folgen. Amüsant sind seine Charakteristiken derberühmtesten Revolutionäre. So wird Marat als.feiger, ver-wachsencr, ungewaschener und ungekämmter, liederlicher ZeitungS-schreiber schlimmster Sorte* hingestellt, der.geradezu von persön-sicher Erbitterung gegen jeden Besitzenden erfüllt* war, währendRobeSpierre,.eitel, feige und rachsüchtig*, alles haßte,»was durchTalent, Geburt und Reichtum emporragte*. Verbrecher waren siealle beide, Marat„ein Verbrecher der Feder', Robespierre„einsolcher der Tat*. Zu diesen Zerrbildern paßt dann späterhin dieKennzeichnung von Gracchus Babeuf, der als„ein junger, un-reifer, ehrgeiziger Mensch von zweifelhafter Vergangenheit*charakterisiert wird. Herr v. Pflugk- Harttung hat keineAhnung, daß die gemeine Verunglimpfung Babeufs durchskrupellose Gegner längst von französischen Geschichtsforschernals völlig grundlos erwiesen ist, zuletzt und am ein-gehendsten von Gabriel Deville in seinem Buche„Thermidor etDirectoire*. und daß der große Blutzeuge des Kommunismus ebensomakellos dasteht, wie etwa Marat und Robespierre, diese Schreckens-kammerfiguren des Herrn v. Pflugk-Harttung.Babeuf suchte unserem originellen Gewährsmann zufolge„eigentlich nur den tatsächlichen Zustand der Schreckenszeit theoretischauszubilden*. Pflugk-Harttung teilt nämlich die Professorale Illusion,die Shbel zuerst aufgebracht hat, daß in den Jakobinern lauterSozialisten und Kommunisten zu sehen seien. Robespierre erscheintihm als solcher, und er meint vom September 1792, die herrschendeDemokratie habe Leben und Gut ihrer Mitbürger als nationalesEigentum behandelt:„Das war die Frucht der vielverkündetenFreiheit*. Dabei begann der Konvent seine Tätigkeit mit einerGaranticrung des Privateigentums und bedrohte später, 1793, denVorschlag eines Ackergesetzes mit der Todesstrafe, kurz, er warstets eine ganz bürgerliche, wenn auch zeitweilig kleinbürgerlichradikale Körperschaft. Die französische Revolution ist eben inihrem Kern für Herrn v. Pflugk- Harttung ein Buch mitsieben Siegeln. Er bleibt ganz und gar in der reakttonärenLegende stecken und kaut gläubig den abgedroschensten Kram wieder,der längst bündig widerlegt ist. Die Marseille! Föderierten von1792 marschieren bei ihm wieder als„eine Auslese schlimmsten GelichterS* auf, ein Menschenalter, nachdem Pollio und Marcel imeinzelnen nachgewiesen haben, daß das Marseiller Bataillon vom10. August quS auch im bürgerlichen Sinne durchaus respektablenLeuten bestand. Alles das existiert für Herrn v. Pflugk-Harttungnicht. Er weiß auch nichts davon, daß in Frankreich kein ernstlicherHistoriker mehr bezweifelt, daß Ludwig XVI. und Marie Antoinettemit Fug und Recht als Vaterlandsverräter prozessiert worden sind.Er sagt kein Sterbenswörtchen davon, daß das Königspaar fort«gesetzt mit dem Feind in Verbindung stand und ihn über den fran-zösischen Kriegsplan informierte, sondern sieht Ludwig als ein un-schuldiges Lamm an, dem das schnödeste Unrecht geschehen. Umnicht weiter auf Einzelheiten einzugehen, ist nur zu wiederholen,daß die Behandlung, die der französischen Revolution in UllsteinsWeltgeschichte zuteil geworden ist, eine Mißhandlung darstellt, wiesie sich nicht gut ärger denken läßt.Ein Werk, in dem die Behandlung eines so wichtigen Zeit«abschnitteS, wie die große Revolution ist, so gänzlich verunglückt ist,wie in dieser neuen Weltgeschichte, müßte große anderweitige Vor-züge haben, wenn dieser böse Mangel einigermaßen sollte übersehenwerden können. DaS ist aber nicht der Fall. Das beste ist imganzen die Ausstattung, besonders die Jllustrierung, die sehr reichund durchweg gut gelungen ist. Die Hauptsache ist aber an einemGcschichtswerk natürlich der Text, und der läßt nun für den größtenTeil der Gruppe Neuzeit nicht viel weniger zu wünschen übrig, alsder Pflugk-Harttungsche Abschnitt über die französische Revolution.Deshalb soll nun keineswegs alles unterschiedslos in Bausch undBogen verdonnert werden, sondern es sei gern hervorgehoben, daßauch einige Abschnitte vorhanden sind, die man mit Genuß undNutzen lesen kann. Beispielsweise bietet Darmstädters Ueber-blick über die Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerikaauf knappem Nauur eine Fülle von Belehrung über die Eni-Wickelung Nordamerikas von den Kolonialzeiten bis zur Gegen-wart. Ohne etwa jedes Wort der Darmstädterschen Darstellung unter-schreiben zu wollen, kann man doch sagen, daß seine Arbeit keineschlechte Leistung ist. DaS gilt auch für Brückners Behandlungder slawischen Geschichte. Aber eS sind nur wenige Abschnitte desganzen Werkes, die man so ehrlich loben kann. Um in die Anfängeder Neuzeit zurückzugreifen, so ist B r i e g e r S Darstellung der Re-formationszeit nichts weniger als lobenswert. Dieser Historiker istin der Hauptsache Kirchcuhistoriker. Den eigentlichen Kern der ge-schichtlichen Vorgänge in der von ihm behandelten Zeit erblickt er inden Abwandlungen der religiösen Idee, die sich dann auch aufanderen Gebieten auswirkt.„Die Ueberlcgenheit über die roma-nischen Völker, deren wir uns heute erfreuen, verdanken wir einzigder religiösen Idee, ihrem schöpferischen Inhalt,* heißt es gleich aufden ersten Seiten, und gleich dahinter stößt man auf eine zweiteFehlerquelle, nämlich auf den HeroenkultuS:„alles Große geht stetsvon einer überragenden Persönlichkeit aus,* meint Brieger. Dergroße Mann aber, der in der NeformationSzeit die eigentliche Trieb-kraft war, das ist Martin Luther. Mit Martin Luther treibt Briegernun einen HeroenkultuS wie er im Buche steht. Er geht mit demteuren GottteSmann durch dick und dünn. Was sonst auch dieeifrigsten Verehrer Luthers nicht zu verteidigen gewagthaben, Brieger hält es gerade für einen Hauptruhmes-titel seines Helden. Die meisten Historiker haben Anstoßgenommen an Luthers blutdürstigem Tobe» gegen die aufständischenBauern, an den Ausforderungen, die der Bauernsohn an die Fürstenrichtete, sie totzuschlagen wie tolle Hunde. Brieger aber besorgt dieMohrenwäsche. Er kann in LutherS Verhalten keinen StellungS-Wechsel, keine Härte, keine Unbarmherzigkeit entdecken. Nach Briegermüssen wir eS viel», ehr Luther noch heute Dank wissen, daß er sokräftig gegen die Bauern ins Zeug ging. Dieser Historiker behauptet,daß Luther gerade in der BauernkriegSzeit durch die damals vonihm eingenonmiene Haltung„den Gipfelpunkt seiner Größe* erreichthat. AlleS in allem genommen, kann nicht fraglich fein, daß»die Briegersche Reformatio, isgeschichte schon wegen des Ueber«wiegenS der theologischen Gesichtspunkte als ganz verfehlt zu be«trachten ist.Die Gegenreformation in Deutschland behandelt der verstorbeneProfessor v. Zwiedineck-Südenhorst. Seine Arbeit ist gewißbesser als die Briegersche, sonst ist aber auch nicht viel Rühmens davonzu machen, und auch die Philippsonsche Behandlung der Gegen»refornration in Süd- und Westeuropa ist nichtmehr als eine Durchschnitts»leistung der Universitätsgeschichtsschreibung; in dem Philippsonsche»Abschnitt über Ludwig XIV. fällt vor allem auf die überaus kümmer-liche Behandlung der englischen Geschichte des 17. Jahrhundert»: dieenglische Revolution wird auf einigen Seiten in einer Weise abgetan,daß es ganz unmöglich ist, zu einem wirklichen Verständnis dieses soüberaus wichtigen Kreises von Ereignissen zu gelangen. In dieserArbeit PhilippsonS macht sich schon öfters die Hohenzollernlegendegeltend. Sie entstellt dann auf Schritt und Tritt daS ZeitalterFriedrichs des Großen von W. O n ck e n und H e y ck. Schon derTitel ist ein Stück Hohenzollernlegende. ES spricht daraus diespaßige Annahme, daß der alte Fritz im Mittelpunkt der allgemeinenGeschichte jener Zeit gestanden habe. Dem Preußenkönig wird dannauch ein Loblied gesungen, daS nicht gut zu übertönen ist. Preußenist damals offenbar auf königlichen Befehl an die Spitze de� Zivili»sation gelangt, und man kann sich nur wundern, daß eS nachher zumgroßen Zusammenbruch des fridericianischen Kastenstaates kam. DieserZusammenbruch unter der Einwirkung der französischen Revolutionist denn auch für Herrn Hehck augenscheinlich so eine Art vonStörung der göttlichen Weltordnung; denn er ist der Meinung, baßPreußen ohnehin vom Alten Fritz in den richttgen KurS gesteuertworden war, auf dem alles erreicht werden mutzte, was nur zu ver-langen ist.„Es ist nicht gewagt, auszusprechen, daß eS für dieweitere EntWickelung Preußens im 19. Jahrhundert der großenfranzösischen Revolution nicht bedurft hätte, welche diesen Staat jaauch am wenigsten von allen, abgesehen von England, unmittelbarerschüttert und gewandelt hat.* Diese loyale Auffassung, wonach diefranzösische Revolution eigentlich nur störend gewirkt hat, ist eineziemlich kräftige Zumutung auch für den beschränktesten Untertanen-verstand, zu einer Zeit, wo immer offenkundiger wird, wie sehr diedeutsche Entwicklung dadurch behindert wird, daß mit dem frideri-cianischen Preußen nicht gründlich von der französischen Revolutionund der sie ergänzenden deutschen aufgeräumt worden ist.Natürlich wirft bei den Herren Oncken und Heyck auch schon der„nattonale Beruf* Preußens feine Schatten voraus, um dann involler Glorie zu erstrahlen in den Partteen der Ullsteinschen Welt»geschichte, die sich an Pflugk-HarttungS Revolutionsmärchen an»schließen. DaS sind die Abschnitte von Ulmann:„Europa imZeitalter der Reaktion' und H e i g e l:„Die Zeit der nationalenEinigung*. In daS tolle Jahr haben sich diese beiden Herrengeteilt. Unstimmigkeiten in der Auffassung sind dadurch nicht ent»standen, denn beide Autoren sind so gemäßigt liberal, so ordnungS»eifrig, wie nur etwas sein kann.Ueber die Ulmannsche Behandlung der preu»tzischen Märzrevolution genügen ein paar Worte, weil seine revolutionS»feindlicheTendenz unverhüllt ausgesprochen ist. ErtadeltdenKönig Fried«rich Wilhelm IV., weil er nicht das.siegreiche Vordringen' der Truppenbis zum vollen Erfolg habe fortsetzen lassen:„es ist seine historischeSchuld, daß er eS nicht über sich vermochte, den Moment aus»zunützen*. Nicht weniger reaktionär ist HeigelS Behandlung desweiteren Verlaufs der 48er Revolutionsbewegung. Er zetert überdie bösen Radikalen und Sozialisten und hat nur für die Erbkaiser»lichen, d. h. die Vorläufer der Nattonalliberalen etwas übrig. Ueberden preußischen Staatsstreich berichtet er mit Schmunzeln in einpaar Zeilen, die freilich so unzureichend sind, wie überhaupt seinBericht über die Revolutionszeit. Mit dem Staatsstreich vomNovember 48 ist für ihn Preußen zunächst erledigt, und man erfährtso nicht ein Wort vom Dreiklassenwahlrecht. Auch über die weitereReaktionszeit vernimmt man bei Heigel absolut nichts. Er beginntvielmehr erst wieder mit der HeereLrcform und der KoufliktSzeitund behandelt dann die preußische Politik der 6<Zer Jahre durchausim bismärckisch-nationalliberalen Sinne, besingt die Kriege und dieKaiserkrönung und läßt eine kleine Philippika loS gegen die PariserKommune, ihre„Mord- und Greueltaten im Stil der großenRevolutton* usw. Nirgendwo verleugnet sich der nationalliberaleOrdnungSmann.Schließlich noch ein paar Worte über Brandenburgs„Entstehung eines Weltstaatensystems.* Dieser Abschnitt behandeltdie Geschichte der neuesten Zeit vom Jahre 1871 bis zum Jahre 1908.Auch hier spielt der Bismarckkultus eine große Rolle: im großenund ganzen schwört Brandenburg auf die Politik des ersten Reichs«kanzlerS. Ist also die gemähigt-Iiberale Färbung auch hier vor»Handon, so kommt weiter hinzu eine scharf ausgesprochene imperia«listische Tendenz. Brandenburg meint, es zeuge„von völliger Wer«kennung der Sachlage, wenn die sozialistischen Führer den Masseneinzureden versuchen, daß auswärtige und Kolonialpolitik für sie ohneBedeutung und nur ein Sport der Negierenden sei.' Bon derschiefen Widergabe des sozialistischen Standpunkts abgesehen, istjedenfalls der Brandenburgsche Standpunkt ganz klar, und tatsäch»lich läuft sein ganzer Abschnitt auf ein Plaidoyer für die Weltpolitikmit allein, was dazu gehört, hinaus. Die Ausführungen über diegeschichtlichen Vorgänge, die dahin gehören, nehmen denn auchden größten Teil des Brandenburgsche» Abschnitts ein. Die innereGeschichte der großen Kulturländer wird daneben rechtstiefmütterlich behandelt. Wenn also Brandenburg die Zu»spitzung der außerpolitischen Gegensätze der kapitalisttschenInteressen in den Vordergrund stellt, dagegen die Zuspitzung derinneren Klassengegensätze gar sehr zurücktreten läßt, so ruft er da»durch allein eine ganz einseitige Vorstellung hervor und ist Himmel«weit entfernt von der objektiven Unparteilichkeit, die derUllsteinschen Weltgeschichte in der Einführung bescheinigt wird, dieauch, nebenbei bemerkt, ein Unding ist. Die imperialistische Tendenzist dem Herrn Prof. Brandenburg weiter nicht zu verdenken: nie»mand kann aus seiner Haut heraus. Aber natürlich erscheint demAnhänger des wissenschaftlichen Sozialismus die Anschauung da»Herrn Brandenburg durchaus verfehlt.So kann das sozialistische Urteil bei der Mehrzahl der Beiträge»aus denen sich das Ullsteinsche Unternehmen zusammensetzt, soweiteS vorliegt, nicht günstig lauten: diese neue Weltgeschichte erscheintin keiner Weise als geeignet, das im Proletariat vorhandene Be»dürfnis zu beftiedigen, wie das überhaupt mit Erzeugnissen der offi»zicllen Gelehrsamkeit nie der Fall sein wird, und eS bleibt nach wievor zu wünschen, daß wir bald dahin kommen, vom Standpunktdes historischen Materialismus eine Weltgeschichte zu erhalten, diemehr anspricht als etwa die neue Weltgeschichte des UllsteinschenBerlages. A. Courady.