vnd unnvtze SluSgaven nach Möglichkeit vermeiden. Nach uns zu« gegangenen Mitteilungen scheint sich unsere Militärverwaltung jedoch leider nicht der dringend gebotenen Sparsamkeit zu befleiszigen. In der von unS wiedergegebenen Notiz der„Bresl. Volkswacht" war auch die Rede von erfolgreichen Flugversuchen, die in Döberitz in letzter Zeit mit einem neu konstruierten Militäraeroplan unter- nommen worden seien. Diese Erwähnung stützte sich offenbar auf Nachrichten, die kürzlich durch Berliner Tagesblätter gingen. Ein Dr. Brück sollte danach auf dem Militäraeroplan günstig verlaufene Ueberlandflüge unternommen haben. Diese Nach- richten sollen nun aber nach unserer Information jeder Begründung entbehren. Ein Dr. Brück existiere überhaupt nicht. Und was den Militäraeroplan des RegierungsbaumeisterS Hoffmann anlange, mit dem dieser legendäre Aviatiker seine Flüge unter- nommen haben solle, so habe dieser bisher höchstens Sprünge ge- macht, aber trotz zehnmonatigen Experimentierens noch keinen wirk- lichen Flug zustande gebracht. Sofern in Döberitz in letzter Zeit faktisch Flüge ausgeführt worden feien, handele es sich um einen der Militärverwaltung zur Verfügung gestellten Farman- Apparat, der von einem bekannten Aviatiker geleitet worden sei. Unser Gewährsmann ist der Ansicht, daß die Militärverwaltung besser tue, mit bereits erprobten Systemen zu beginnen und diese zu vervollkommnen und militärischen Zwecken anzupassen, als ganz erhebliche Summen— es handele sich wohl um weit mehr als IVO OOO M.— in nutzlosen Experimenten zu verpulvern. Wir können dieser Ansicht nur beipflichten I Arbeiterkandidaturen für die kommenden Reichstags- Wahlen. In den Reihen der bürgerlichen Parteien scheint man für die kommenden Reichstagswahlen in vermehrtem Mahe Arbeiter als Kandidaten aufstellen.zu wollen. Die Nationalliberalen gedenken in Duisburg und Bochum Arbeiter als Kandidaten zu be- nennen. Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften haben von der Fortschrittlichen Volkspartei verlangt, daß in einigen aussichts- reichen Kreisen Arbeiter als Kandidaten aufgestellt werden. Auch die Konservativen haben bekanntlich für die bevorstehende Ersatz- Wahl in Frankfnrt a. O. einen Arbeiterkandidaten auf den Schild erhoben. Bemerkenswert dabei ist aber, daß die bürgerlichen Parteien, mit Ausnahme des Zentrums, Arbeiterkandidaten bloß in solchen Kreisen aufstellen, in denen an einem glattenDurch» fall nicht gezweifelt werden kann. In sicheren Kreisen fällt es den bürgerlichen Parteien gar nicht ein, den von ihnen geleit« Hammelten Arbeitern irgendeine Konzession zu machen. Bündlerische Versammlungspraktiken. Zur Agitation unter den Kleinbauern hielt der Bund der Landwirte am vergangenen Sonntag(10. Juli) in Plattscheid �Kreis Solingen) eine öffentliche politische Versammlung ab, in welcher der Geschäftsführer Pesch- Köln referierte. Pesch war gleichzeitig Versammlungsleiter und drohte unliebsamen Zwischen- rufern— nebenbei gesagt, Mitgliedern der Fortschrittlichen Volks- Partei— wiederholt mit Herauswerfen. Zu Beginn der Diskussion setzte er die Redezeit auf zehn Minuten fest, ohne sich an den leb- haften Protesten der Versammlungsteilnehmer zu stören. Einem Genossen, der sich zum Wort gemeldet hatte, um diese Ge- schäftsführung als erbärmliche Feigheit zu charakterisieren, wurde das Wort verweigert mit der Begründung, es seien nur königstreue Männer eingeladen. Ueber diese Vergewaltigung der Redefreiheit quittierten die Anwesenden, unter denen sich keine Sozialdemokraten befanden, mit stürmischen Rufen:„Pfui!" und „Gemeinheit!" Man erklärte, im Westen vom Zentrum zwar man- chcs gewohnt zu sein, aber den Gipfel der Schamlosigkeit zu e» reichen, bleibe doch anscheinend dem Bund der Landwirte vorbe- halten, desien Mitglieder einen Mann wie Adolf Wagner , der «ineS Lebens Arbeit in ihre Dienste gestellt, wie einen Schuljungen behandelten._ Prälat Jazdzewski macht Schule. Die Polittk des Vorsitzenden der polnischen Landtagsfraktion, des Prälaten Dr. I a z d z e w s k i. vor dem preußischen Kürassierstiefel zu kriechen, findet bei den Nationalpolen Nachahmung. — Der Magistrat der Stadt Posen beantragte bei den Stadtverordneten, 3S 000 M. aus dem Stadtsäckel für die Dekoration der Stadt Posen während des Besuches des deutschen Kaiser«, welcher am 20. August d. I. zur Ein- weihung de« mit großenKosten neu erbauten königl. Schlosses nachPosen kommen wird, zu bewilligen. In der Kommission, an welche der Magistratsantrag verwiesen wurde, hat man von der verlangten Metall- und Eisenindustrie, so sinkt die Durchschnittszahl der ein- zelnen Fabrik bedeutend. Die offizielle Statistik betrachtet die Minenindustrie gesondert. Leider ist das Material über diese, die am besten entwickelte Jndu» strie Japans , recht unvollständig. Hier ist es platterdings un- möglich, zu sagen, wieviel Arbeiter auf eine Mine entfallen, auch nicht, wie hoch die Zahl der darin angewandten motorischen Pferde- kräfte ist. Von den Fabriken weiß man doch wenigstens, daß sich ihre Maschinenstärke aus 2ö8 984 Pferdekräfte beläuft. Im Durch- schnitt kommt etwas mehr als eine Pferdekraft auf drei Arbeiter. Ein nicht gerade erbauliches Zeichen von der maschinellen Ent- Wickelung der japanischen Industrie. Wie es aus den oben gegebenen Zahlen hervorgeht, sind rund LS Proz. aller Etablissements Handbetriebe. Dieses Verhältnis wird sich nicht so leicht zugunsten der Maschinen- betriebe ändern. Wohl ist im letzteren Jahrzehnt die Zahl der letzteren mehr gestiegen, als die der anderen. Aber der Unterschied ist gering. Es ist interessant zu sehen, wie sich direkt an der Mauer eines mit den letzten Errungenschaften der Technik ausgestatteten Großbetriebs eine mit ärgster Rückständigkeit produzierende Krauterschaft uuftut. Inmitten der Millionenstädte Tokio und Osaka , in der Hörweite der summenden Webereien und Spinne. reien, werden noch Faden gesponnen und wird noch Stoff gewebt auf Instrumenten, die in der Steinzeit der Weberei entstanden sein müssen. Ueberall in Stadt und Land sieht man noch Reis und andere Körner enthülsen mit Werkzeugen, die die alten Aegypter zu PhavaoS Zeiten für höchst rückständig gehalten haben würden. Die Handbetriebe und primitiven Werkzeuge, kurz die rück- ständigen Arbeitsmethoden, verdanken ihre schier unverwüstliche Existenz nicht in letzter Linie der Billigkeit der mensch- lichen Arbeitskraft. Die unglaublich niedrigen Löhne reizen zur Beibehaltung irrationeller Arbeitsweisen und veralteter Werkzeuge. Wie der Bauer noch sein Feld mit dem Spaten be- arbeitet, oder es mit einem schnurrigen Instrument, das Pflug nicht genannt werden kann, von der Kraft seiner schwächeren Hälfte durchpflügen läßt und Dünger und Ernte auf dem Rücken feldein, feldaus schleppt, so schafft auch noch der größte Teil der Fabrik- bcsitzer mit ihren Gesellen in brutalster Verleugnung der Errungen- schaften der Technik. Merkwürdigerweise ist eS gerade die Niedrigkeit der Arbeits- löhne, die dw professionellen Darsteller der Gelben Gefahr in schreienden Farben auftragen läßt. Eine auch nur oberflächliche Kenntnis der einschläglichen Verhältnisse sollte eigentlich schon dar- tun, daß es die schlechte Bezahlung der Arbeiter ist, die das Ein- greifen Japans auf dem Weltmarkt verzögert. Hemmende Faktoren in der industriellen Entwickelnng. In Europa haben sich in innigem Einklang mit der Industrie Dinge und Menschen, Geist und Talent entwickelt. In Japan traf die moderne Industrie Menschen und Ideen in asiatisch-feudaler Rückständigkeit. Die Anforderungen, die die neue Zeit stellte, waren zu zahlreich und zu hoch, als daß sie der noch im Bannkreis des Feudalitaates lebende Mensch shgltx erfüllefl können.� Eine Summe 5000 M. gestrichen. Als die Sache wieder an das Plenum der Stadtverordnetenversammlung am verflossenen Mittwoch gelangte, stimmten polnische Stadtverordnete auf Grund eines vorherigen Beschlusses ihrer Fraktion für die Bewilligung der 30 000 M. Das alles am Vorabend der Tannenberg-Feie'r, welche die national- polnischen Führer am 15. Juli unter großem Spektakel und nationalistischem Klimbim veranstalten. Es unterliegt jetzt keinem Zweifel» daß am 20. August die polnischen Schlachzizen unter Führung des greisen Vorsitzenden der polnischen ReichstagSfraltion, des Fürsten Radziwill, vor dem Haupt des HohenzollernhauseS, das alle Ausnahmegesetze gegen die polnische Bevölkerung unterzeichnet hat, zu Kreuze kriechen werden aus Heidenangst vor der Anwendung des Enteignungsgesetzes. So sieht der Patriotismus der polnischen Schlachta aus I Sobald ihr materielles Interesse bedroht ist, vergißt sie gänzlich ihr«»nationale Würde", die sie sonst in Pacht genommen hat. Polizisten von ISIV gegen den Trompeter der Revolution von 1848. Am selben Tage, da der„Vorwärts" die Freigabe der H e r w e g h schon Gedichte mitteilte, schickte der Breslauer(natürlich der!) Polizeipräsident zwei Polizisten ins Gewerkschaftshaus mit dem Auftrage, dort die— Freiligrath-Gedenkseier zu überwachen! Als der Leiter und Redner des Abends, Genosse Albert, die Polizei zum sofortigen Verlassen des Lokals aufforderte, erklärten die Polizisten, dann sofort die„Versammlung" auflösen zu müssen. Die Feier— Klavier- und Gesangs- vortrage, Rezitationen, Gedenirede— sei eine„ ö f f e n t- liche politische Versammlung"!! Den Einwand der Veranstalter, daß man doch bisher schon viele ähnliche Feiern zu Ebren Goethes, Heines, Schillers, Eichendorffs, Roseggers usw. veranstaltet, ohne daß die Polizei darin«politische Veranstaltungen" erblickt, ließen die Polizisten ebensowenig gelten wie den, daß die Bildungsausschüsse in Berlin und anderen Orten doch genau die- selben Feiern abgehalten hätten, ohne daß eS auch nur einer einzigen Behörde eingefallen wäre, sie zu überwachen. Es blieb also, wollte man sich den schönen Abend nicht verderben lasten, dem Leiter nicht» anderes übrig, als sich unter Vorbehalt der sofortigen Beschwerde mit der Anwesenheit zweier Polizisten abzufinden. Er plazierte sie deshalb unter großer Heiterkeit der 1200 Besucher an den Tisch, der für die— Mitwirkenden reserviert war. worüber die Polizisten mit betrübter Miene quittieren. Es erhöht unseren Stolz, zu sehen, daß die glutrote Poesie unseres Freiligrarh noch heute, 34 Jahre nach seinem Tode, den Herrschenden unbequem ist. Seitdem die Bourgeoisie ihre revolu- lionären Freiheitsideale gegen die soliden Sätze des Zolltarifs ein- gehandelt und Freiligrath schnöde vergessen hat, glaubt so ein Polizeioberhaupt die Zeit für gekommen, auch den Proletariern ihren Revolutionssänger nehmen zu können. Aktueller denn je sind Freiligrats Berse: Wir tragen noch immer die Ketten, die er schon vor 60 Jahren brechen wollte, wir werden noch immer von einer Polizeibureaukratie regiert, über die ganz Europa lacht, und immer noch versucht man aufs neue, das nach dem Schönen lechzende Proletariat zu Heloten der Ostelbier zu machen. Und Breslau ist allen Finsterlingen um eine Nasenlänge voraus!— Einstweilen ist gegen die Störung der schönen Feier durch die Polizei Beschwerde eingelegt worden; schneller noch freilich, als sie, wird das Straf- verfahren laufen, das die Polizei gegen die Veranstalter der Feier (auch gegen die mitwirkenden Künstler?) wegen— Nichianmeldung einer politischen Versammlung eingeleitet hat. Wahrlich, eS ist schwer, keine Satire zu schreiben! Damit daS Bild vollständig werde, registrieren wir bei dieser Gelegenheit, daß dieselbe Polizei im Bunde mit der Staatsanwalt- schaft gegen unser Breslauer Parteiorgan eine Anklage eingeleitet bat und zwar wegen— Abdrucks und Erläuterung des Freiligrath- scheu Gedichtes:„DieToten andieLebenden", des Ge- dichtes also, wegen dessen der Dichter sogar im Revolutionsjahre freigesprochen wurde!_ franhmcb. Die Affäre Rochctte. Paris , 11. Juli. Deputiertenkammer. Nach der Rede von Jaures erklärte der Ministerpräsident Briand , die Maß- nahmen gegen Rochette seien auf eine regelrechte Klage hin infolge der gänzlich freien Entscheidung des Untersuchungsrichters getroffen worden. Briand sprach sich sodann lobend über L e p i n e aus, verteidigte besten �Haltung und die des Kabinettschefs Durand und warf Jaures vor, er behaupte ohne irgendeinen Beweis, daß die Polizei eine ungerechtfertigte Klage gegen Rochette erhoben hätte. Der Minister fuhr fort, die Justiz sei mit der Re- Fabrik war schnell aufgebaut, aber damit waren noch nicht die Leute geschaffen, die ihr Räderwerk verstanden und c§ in geregeltem Lauf zu halten fähig waren. Solange der kleine braune Mann als Glied einer Kette automatisch mitbewegt wird, geht es noch an. Soll er aber selbst Initiative ergreifen, Weitsicht, Orga- nisationstalent und Spekulation entwickeln, so versagt er. Zur Pflege solcher Fähigkeiten hatte die Vergangenheit weder Gelegen- heit noch Ursache. Im alten Japan konnte dieser Mangel nicht gefühlt werden, jetzt aber wird er zu einer ernsten Kalamität. Er ist ein Stein des Anstoßes geworden, groß genug, den Gang der ökonomischen Transformation fühlbar zu verlangsamen. Solange die Industrie noch in ihren ersten Anfängen war, konnte mit den ausländischen Kräften das Uebel bis zur Unsicht- barkeit überbrückt werden. Die Leitung der Unternehmen durch die Fremden wurde mit der Ausdehnung der Industrie immer weniger möglich, auch wenn der Nationalstolz nichts dagegen ein- gewendet hätte. Mit dem Engagement einheimischer Kräfte für die leitenden Stellen wurde auch der Mangel ihrer Eigenschaften für die dirigierenden Posten evident.„Wir haben viele Fähigkeiten für tiefe metaphysische Gedanken. Bis hierher haben wir unsere philosophischen Ideen von Indien und China bezogen; heute ver» langen wir neue von Europa und Amerika . Die Japaner haben keine originellen Denker hervorgebracht. Wir sind ein Volk, da» das Gegenwärtige und Greifbare, das volle Licht und die sichtbaren Dinge liebt."(Okura: ll'bs fttpanese Spirit.)„Die Japaner haben nichts erfunden. Sie wissen ihre Fähigkeiten dem Milieu anzu- passen, in dem sie leben; sie ahmen in einer vollständigen Wahr- haftigkeit nach, was sie gesehen haben und assimilieren auf eine beachtenswerte Weise die Fabrikationsmethoden. Aber auf der anderen Seite existiert schöpferische Fähigkeit(baeulte creatrice) nicht in ihrem Hirn; die allgemeinen Ideen, der Ueberblick geht ihnen ab."(Martin: Le vrai Japon.) Die Beschaffenheit ihrer geistigen Fähigkeiten nahmen sie erst wahr, als sie selbst die Produktion in die Hand nahmen. Der Nationalstolz gebot ihnen, die fremden Kräfte noch eher zu ent- lassen, als es gut war. Was die Weißen wußten und konnten, glaubten sie ihnen schon abgeguckt zu haben. Aber da, wo der nationale Eigendünkel nicht jede Einsicht vernichtet hatte, wurde man nur zu bald gewahr, daß für die Leitung der Industrie bloßes Nachahmen nicht genüge. In Unternehmen, wo der Gang der Ge- schäfte sich auf engem Terrain bewegte, leicht zu überblicken war, wurde Erfolg gebucht, während in den großen Etablissements das Räderwerk stockte und krachte. Die Hoffnung, daß die neugeschaffenen technischen Schulen einen Ersatz für die ausländischen Kräfte produzierten, sollte sich so bald nicht erfüllen. Die studierenden Jünglinge sind zumeist Söhne der alten Kriegerkaste. Der Stolz, mit dem ihre Vorfahren auf das ordinäre Volk herabsahen, ist bei ihnen durch den Schul- besuch noch gewaltig Zebläht worden. Der Fluch der Halbbildung macht sich erst ganz fiihlbar, wenn sie in einem Geschäft eintreten. „Die Masse der Direktoren und Administratoren der Kompagnien sind einfältige Tröpfe, die ihre kostbare Zeit mit dem Herplappern von Albernheiten verbringen und die sich befleißigen,' aus ihren Etablissements praktische Elementarschulen für schlechtbezahlte lUM ErzdWuMke du mäilk'Jte gierung entschlossen, alles klarzustellen. Wenn Beamte sich hätten bereichern können, indem sie ihre Stellung mißbrauchten, so würden sie an den Pranger gestellt werden. Er weise aber diese Behaup- tung zurück, bis der Gegenbeweis erbracht sei. Briand protestierte schließlich gegen die Kampagne, die daraufhin ziele, glauben zu machen, daß in Frankreich alles, außer der sozialisti» schon Partei, korrumpiert sei.(Beifall.) Darauf beantragte Jaures die Einsetzung einer Parka» mentarischen U nt e r su chung s!o mm i s si o n. Ray- n a u d brachte eine Tagesordnung ein, die der Regierung das Ver- trauen der Kammer ausspricht. Ministerpräsident Briand erklärte darauf, er persönlich sei gegen die Ernennung einer parla- mentarischen Untersuchungskommission, da ihm aber in der Ange» legenheit gewissermaßen eine Mitschuld vorgeworfen werde, könne er die Ernennung einer solchen Kommission nicht ablehnen. Da- gegen widerspreche er dem, daß der Kommission richterliche Befug- niste übertragen würden. Als Tagesordnung nehme er nur die von Raynaud eingebrachte an und aus ihrer Annahme mache er eine Vertrauensfrage. Hierauf wurde die Tagesordnung Raynaud mit 395 gegen 85 Stimmen und dann mit 398 gegen 169 Stimmen der Antrag angenommen, eine Untersuch ungs- kommt ssion von 33 Mitgliedern zu ernennen, die über die Umstände Klarheit schaffen soll, die der Verhaftung Rochettcs vorangingen, sie begleiteten und ihr folgten. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen._ Eine Verteidigungsrede LspineS. Paris , 11. Juli. In der heutigen Sitzung des Munizipal- rats verteidigte Polizeipräfekt Lcpine seme Stellungnahme in der Angelegenheit des Bankiers Rochette und erklärte, er habe keine zweifelhafte Handlung begangen und bei dieser Gelegenheit wie immer seine Pflicht getan. Er habe schnell gehandelt, weil es galt, die kleinen Sparer zu schützen. Schließlich wurde die eiyfgche Tagesordnung Mit 48 gegen 26 Stimmen angenommen, kfcUaud. Kammerwahl. Haag» 12. Juli. Nach den heute von den Generalstaaten vor- genommenen Wahlen zählt die e r st e K a m m e r 32 Klerikale und 18 Liberale. Rußland. Der Vertrag mit Japan . Petersburg, 12. Juli. Der russisch -japanische Vertrag, der am 4. Juli in Petersburg unterzeichnet worden ist, hat folgenden Inhalt: Die kaiserlichen Regierungen von Rußland und Japan sind, auftichtig den Grundsätzen ergeben, die durch die zwischen ihnen am 30. Juli 1907 geschlossene Konvention aufgestellt worden sind, und von dem Wunsche beseelt, die Wirkungen dieser Konventton hinsichtlich der Konsolidierung des Friedens im fernsten Osten zu erweitern, übereingekommen, das erwähnte Abkommen durch fol- gende Bestimmungen zu vervollkommnen: 1. Um den Ver- kehr zu erleichtern und den Handel der Völker zu entwickeln, ver- pflichten sich die beiden vertragschließenden Parteien, sich gegen- seitig freundschaftliche Mitwirkung zu leihen Hinsicht» lich einer Verbesserung ihrer beiderseitigen Eisenbahnlinien in der Mandschurei und hinsichtlich einer Vervollkommnung des Verbindungsdienstes der erwähnten Eisenbahnlinien und sich jeder Konkurrenz zu enthalten, die der Verwirklichung dieses Zieles schädlich wäre. 2. Jede der beiden vertragschließen- den Parteien verpflichtet sich, den status quo in der Mandschurei , wie er sich aus allen Verträgen, Konventionen und anderen Ab- kommen ergibt, die bis heute, sei es Mischen Rußland und Japan oder zwischen diesen beiden Mächten und China ge- schlössen sind, aufrechtzuerhalten und zu respektieren. 3. Im Falle daß ein Ereignis eintreten sollte, das geeignet wäre, den status quo zu gefährden, werden die beiden vertrag- schließenden Parteien jedesmal miteinander in Verbindung treten, um sich über Matznahmen zu verständigen, die sie für richtig und notwendig erachten, um den Status quo apfrechtzn- erhalten, Cürkcl Blutige Zusammenstöße. Saloniki , 12. Juli. Die G r i e ch e n von Monastier veranstalteten heute eine Protestkundgebung gegen das neue Kirchengesetz und zogen dann in Massen vor den Konak, wo Gendarmen gegen die Menge vorgingen. Infolge eines Handgemenges entstand eine Panik, wobei zahlreiche Personen in den P r a g o r f l u ß gedrängt wurden. Die Polizei hatte Mühe, die Ordnung wieder herzustellen. Heute wird in Saloniki eine große griechische Protest- veriammlung abgehalten. Was hier vom technischen Personal gesagt wird, gilt auch vom kommerziellen. Nur kommt bei diesen noch ein anderes Uebel da- zu: die Unguverlässigkeit, die U n e h r l i ch k e i t. So ziemlich jeder Kaufmann, der mit dem japanischen Handel in Verbindung ge- treten ist, weiß über die Unehrlichkeit der japanischen Kaufleute zu berichten. Im Orient ist sie sprichwörtlich geworden. Wenn die Japanbesucher am Ende ihrer Reise in der Hafenstadt zu- sammentreffen, wissen so ziemlich alle ein böses Lied auf den japanischen Kaufmann zu singen. Mein eigener Geldbeutel ist nun allerdings von ihm nicht allzusehr beschnitten worden, schon auS dem einfachen Grunde, weil daran nicht viel zu beschneiden war. Den Fremden zweimal höhere Preise anrechnen, als den Einheimi- fchen oder für die nämliche Summe schlechtere Ware liefern als bestellt, ist das größte Uebel noch nicht.„Es ist unmöglich, zu sagen," berichtet ein Engländer,„ob ein japanischer Kaufmann, der einen(Termin-) Handel abgeschlossen hat, die Lieferung nimmt oder nicht: im gegebenen Moment hält er daS Abkommen oder auch nicht, je nach dem Stande des Marktes." Oder: Die Stadt Kobe hat eine Anleihe aufgenommen. Die Schuldscheine hatten japanischen und englischen Text. Während der letztere die Einlösung zu einem bestimmten Preis versprach, war der japanische Text darüber stumm. Aber eS ist unnötig, hier die lauten Klagen und blutigen Flüche der nichtjapanischen Kaufleute und Reisenden über die japa. nische Unehrlichkeit zu wiederholen, denn sie sind bekannt und werden nirgends bestritten. Diese sittlichen Gebrechen machen auch der japanischen Regierung schwere Sorge. Um dem Uebel zu steuern, hat sie an einer Hochschule einen Stuhl für Redlichkeit im Handel eingerichtet. Von diesem werden die Scherereien und Nachteile des Betruges mit eindringlichen Worten geschildert. Ob aber dadurch die Nachpfuscherei ausländischer Patente und Schutz- marken verhindert wird? Oder ob dadurch die Richter unpar» teiisch, gerecht urteilen, wenn sie einen Streitfall zwischen Aus, länder und Japaner zu entscheiden haben? Viel hemmender für die gedeihliche EntWickelung der japani- scheu Industrie als Unfähigkeit der technischen Beamten und Un» redlichkeit der Händler ist das Fehlen eines tüchtigen Arbeiterstammes.Von diesem Mangel wissen alle japa» nischen Fabrikanten in bewegten Tönen zu berichten. Die Gleich- gültigkeit und Trägheit der Arbeiter entlockt allen Unternehmern laute Klagen. Mit diesen Beschwerden über die Arbeiter scheinen sie recht zu haben, ebenso recht als die Arbeiter mit ihren über die Fabrikanten haben. Die Berechtigung dieser Beschwerden an- erkennen, heißt aber noch nicht, die Arbeiter verdammen. Im Gegenteil. Die Untugenden der Arbeiter, oder wenn man will, ihre Laster, werden wesentlich von den elend geringen Löhnen, wenn auch nicht geboren, so doch jeden» falls gehalten und verstärkt und ihr Verschwin» den w,rd dadurch unmöglich gemacht. Von der Be- seitigung der Ursache der Uebel, das ist von der Beseitigung der elenden Löhne, aber wollen die Unternehmer nichts wissen. Ohne die billigen Arbeitslöhne wären wir verloren, sagen sie. Betrachten wiy zunächst die ArbeitKlöhnL der javanischen 5snduss�efl]cheiter. -
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