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Dr. 161. 27. Jahrgang. I WIM des Jotmäils" Kerlim MUliitt. IB. loli 1910. fln$ der ßekiisverficberungsordnuoss' liommifiion. Sitzung am Dienstag, 12. Juli. Von den noch zur Beratung stehenden Bestimmungen für die Dieiistboteu hatte eine gröbere Bedeutung nur die, die den Landes- regierungen das Recht geben wollte, zu bestimmen, daß Dienstboten von der Versicherungspflicht befreit find, wenn für sie bei Jnkraft- treten der Reichsversicherungsordnung nach Landesrecht im Krankheits- falle Fürsorge getroffen ist. Die Kommission strich diese Be- stimm un g, um endlich ein einheitliches Recht wenigstens in dieser Beziehung für das ganze Reich zu schaffen. Unständige Beschäftigung. Ms unständig soll nach der Vorlage, wie" bisher, die Be- schäftigung gelten, die nach der Natur der Sache oder im voraus durch den Llrbeitsvertrag auf weniger als eine Woche beschränkt ist. Die Nationalliberalen beantragten den Zusatz, dah auch die Arbeit als unständige gelten soll, die«bei un- bestimmter Dauer des Arbeitsvertrages in der Regel weniger als eine Woche währt". Dadurch sollte erreicht werden, dast zum Beispiel in den Hafenstädten die Stauer, die die Schiffe beladen, auch dann unständige Arbeiter bleiben, wenn ihre Arbeit im Einzel- falle länger als eine Woche dauert. Genosse Molkenbuhr sprach gegen den Antrag. Die meisten Stauer seien ständige Arbeiter, wenn sie auch mit Unter brechungen arbeiten. Sie wären ständig mit dem Beladen der Schiffe beschäftigt. Diese Aenderung wäre also ein Rückschritt. Der natioualliberale Antrag wurde abgelehnt und die Re gierungsfassung angenommen. Nach der Vorlage sollen die unständigen Arbeiter in der Weise versichert werden, daß sie ihren Anteil an den Beiträgen direkt bezahlen, der Anteil der Unternehmer an den Beiträgen dagegen durch den Gemeindeverband gedeckt wird. Die Sozialden, o« traten beantragten, daß die Beiträge genau so von den Arbeit gebern bezahlt und der Anteil der Arbeiter vom Arbeitslohn ab gezogen werde, wie bei den anderen Arbeitern. Zu diesem Zwecke sollten für diese unständigen Arbeiter OuittungSkarten und Ouittungs marken in ähnlicher Weise angewendet werden, wie bei der Invalidenversicherung. Genosse Hoch legte die Einzelheiten dieses Verfahrens dar, das einfacher sei und die unständigen Arbeiter eher veranlassen würde, möglichst auch für die Zeit der Arbeitslosigkeit die Beiträge zu bezahlen und sich dadurch autzer der Krankenpflege auch noch das Krankengeld zu sichern. Die RegierungSvertreter erklärten, daß das Verfahren nach der Regierungsvorlage einfacher sei. Dem stimmte auch die Kommission zu. und so wurden die Bestimmungen der Regierungs- Vorlage im wesentlichen unverändert angenommen. Die Beiträge und Leistungen soll nach der Vorlage die Satzung auf Grund des Ortslohnes besonders feststellen. Als Orts- lohn gilt bekanntlich der ortsübliche Tagesentgelt gewöhnlicher Tages- arbeiter. Die Sozialdemokraten wiesen aber nach, daß es unständige Arbeiter gibt, die bedeutend mehr verdienen. Für sie wäre es unangebracht, ihre Beiträge und Bezüge nach dem geringen Ortslohn zu bemessen. Sie beantragten daher, Beiträge und Leistungen nach dem tatsächlichen Verdien st zu be- stimmen. Dieser Antrag wurde abgelehnt, jedoch ein Antrag der Fortschrittler angenommen, nach dem die Satzung für einzelne Gruppen der unständig Beschäftigten den Betrag veS Orts lohne« durch Zuschläge erhöben kann. Nach der Vorlage ist eS dem Ermessen des GemeindeverbandeS überlassen, wie er das Geld zur Bezahlung des Beitragsanteils der Arbeitgeber aufbringt. Er kann die Susgabe auf die Gemeinde« lasse übernehmen oder den Betrag umlegen. Dabei kann er solche Einwohner, welche unständig Arbeiter in größerer Zahl oder für längere Zeit zu beschäftigen Pflegen, zu der Umlage in Höherem Maße heranziehen. Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin, daß hiernach die Versicherten erst ihren eigenen Anteil bezahlen müssen und dann noch zu der Deckung des Anteils der Arbeitgeber herangezogen würden. Sie beantragten daher, daß der Gemeindeverband stets den Betrag umlegen muß, die Versicherten aber von der Umlage befreit sein müssen. Die Regierungsvertreter antworteten, daß auch ein Versicherter einmal einen unständigen Arbeiter beschäftigen könnte. Deshalb sei es berechtigt, daß auch die Versicherten bei der Umlage mit kleinen Beträgen bedacht würden. Die Anträge der Sozialdemokraten wurden denn auch abgelehnt, dagegen ein Antrag Herold angenommen, daß, wenn die Kosten nicht auf die Gemeindekasse übernommen, sondern umgelegt würden, stets die Einwohner, die unständige Arbeiter in größerer Zahl oder für längere Zeit zu beschäftigen Pflegen, zu der Umlage in höherem Maße herangezogen werden müssen. Die Satzung der Kasse soll nach der Vorlage mit Zustimmung deS Gemeindeverbandes und Genehmigung des OberversicherungS- kleines Feuilleton. Ein Märtyrer der Wissenschast. AuS London   kommt die Kunde von dem Tode des Gelehrten Harry W. Cox, der durch seine For« schungen und Versuche mit den X-Strahlen bahnbrechend wirkte und nun, nach 12jährigem, qualvollem Leiden als ein Märtyrer der Wissenschaft gestorben ist. Cox begann vor 14 oder 15 Jahren seine Untersuchungen. Ein Zufall sollte ihm dabei verhängnisvoll werden: vor 12 Jahren brachte er während seiner Experimente eine Tube seines Apparates dem Gesicht zu nahe. Die Folge war für den jungen Forscher die schmerzvolle Krankheit, von der er nun durch den Tod erlöst wurde. Die geheimnisvolle X-Strahlen-Hautentzün- dung brach aus, und es gab kein Mittel, des furchtbaren Leidens Herr zu werden oder seine weitere EntWickelung zu ver- hindern. Aber Cox, der sich über die schreckliche Trag- weite dieser Erkrankung keinen falschen Hoffnungen hingab, blieb seinem Ziele treu; unablässig arbeitete er an der Vervoll- kommnung seines Apparates weiter und setzte seine Forschungen fort. Mehr als 80 Patente hat er im Laufe seiner Beobachtungen auf- genommen; eines von ihnen wurde von entscheidender Tragweite, denn mit dem Apparat wurde eS möglich, nicht nur die Lage einer Kugel zu erkennen, sondern auch die Tiefe der Wunde genau zu be- stimmen. Im südaftikanischen Kriege wurde der Apparat zum ersten Male praktisch verwendet und bewährte sich vollkommen. Die Haut- entzündung. die Cox sich im dritten Jahre seiner Arbeiten zugezogen hatte, nahm mit der Zeit immer gefährlichere Dimensionen an, bis der Forscher schließlich seine Arbeiten völlig einstellen mußte. Er besaß kein Vermögen und war nun hilflos der Not preis- gegeben. Seine Freunde bemühten sich vergeblich, dem verdienten Manne eine Pension auszuwirken, die ihn vor Not und Armut be« wahren sollte. Den Anstrengungen Sir William Treloars gelang es schließlich, eine Summe von 52 000 M. aufzubringen, die dem Leiden- den für seine Familie ausgehändigt wurde. Er befand sich in der Behandlung der angesehensten Aerzte, nicht weniger als drei große. qualvolle Operationen mußte er erdulden, aber das Fortschreiten der Krankheit war nicht aufzuhalten. Nacheinander waren ihm drei Finger der linken Hand, ein Finger der rechten und schließlich der ganze rechte Arm amputiert worden. Eine schwere Kehlkopfoperation erwies sich als nutzlos, man plante bereits einen zweiten Eingriff, über dessen Gefährlichkeit kein Zweifel herrschte. Aber es sollte nicht amts sBeschlußkammer) bestimmen können, daß die unständig Be- schästigten keine Bei trag Steile zahlen. Die Kasse gewährt ihnen dann nur Kran kenhilf e. Genosse Schmidt erklärte sich gegen diese Bestimmung. Auch den unständigen Arbeitern sollte in möglichst vielen Fällen ein Krankengeld zustehen. Deshalb sollten sie zu einem Teile der Bei- träge herangezogen werden. Die Bestimmung wurde jedoch angenommen. Die Bestimmungen für das Wandergewerbe wurden ebenfalls fast unverändert nach der Regierungsvorlage an- Senommen. Geändert wurde nur in Konsequenz der früheren Be- hlüsse, daß der Anteil der Arbeitgeber und Arbeiter an den Kassen- beitrügen nicht je die Hälfte sondern'/z und 2/8 beträgt. Bei der Anmeldung hat der Arbeitgeber die Beiträge für die Zeit bis zum Ablaufe des Wandergelverbescheins oder mit Erlaubnis deS Kassenvorstandes für kürzere Zeit im voraus zu entrichten. Die Sozialdemokraten beantragten, daß aus Verlangen deS Arbeitgebers die Kasse gestatten muß, daß die Beiträge stets auf ein Vierteljahr voraus bezahlt werden. Gen. Schmidt wies darauf hin, daß die Vorausbezahlung der Beiträge für ein ganzes Jahr manchem Arbeitgeber eine zu schwere Last auferlegen würde. Der Antrag wurde jedoch ab- gelehnt. Die Versicherten erhalten nur die Regelleisflmgen der Kranken- kassen. Gewährt die Kasse ihren anderen Mitgliedern mehr, so kann sie die Beiträgt für die im Wandergewerbe Beschäftigten entsprechend kürzen. f Die Sozialdemokraten beantragten, daß eS der Kasse überlassen bleiben sollte, ob sie nicht doch diese oder jene Mehr- leistung auch den im Wandergewerbe Beschäftigten gewähren und entsprechend die Beiträge festsetzen wolle. Gen. Hoch wieS besonders auf die Familienhilfe hin. Es wäre doch sicher gut, wenn die Kasse den Familienangehörigen, die zu Hause bleiben, im Falle der Krankheit Familienhilfe leistete. Das könne man den einzelnen Kassen überlassen. Ein Grund, eS zu ver- bieten, liege nicht vor. Vom Zentrum wurde geantwortet, daß zwar die Anregung viel für sich habe. Hier handele eS sich jedoch um einen ersten Versuch, den man zunächst möglichst einfach machen sollte. Später könnten derartige Verbesserungen viel leichter gewagt werden. Der Antrag wurde denn auch abgelehnt. Hausgewerbe. Auch hier kam eS zunächst zu einer allgemeinen Aussprache. Genosse Hoch vertrat die Ansicht, daß eine möglichst weitgehende Anpassung der Versicherung an die der anderen gewerblichen Arbeiter viel einfacher sein würde als das Verfahren in der Vorlage. Da aber die bürgerlichen Parteien sich auf den Boden der Vorlage stellten, nahmen die Sozialdemokraten von weitergehenden Ab änderungSanträgen Abstand. Dagegen wurde ein Antrag der Fortschrittler angenommen, der eS ermöglicht, daß wenigstens dort, wo sich das bisherige Ver fahren bewährt hat, dieses beibehalten werden kann. Er bezieht sich auf die Bezirke oder Gewerbe, für die beim Inkrafttreten der ReichSver- sicherungsordnnng die Versicherung der Hausgewerbetreibenden bereits durch statutarische Bestimmung geregell ist. Hier kann die oberste Verwaltungsbehörde aus Antrag des beteiligten Gemeindeverbandes genehmigen, daß die statutarische Bestimmung in Geltung bleibt. Aenderungen bedürfen ihrer Genehmigung. Jedoch ist dies nur dann zulässig, wenn Hausgewerbetreibender und dessen Arbeitgeber, die sogenannten Auftraggeber, im Bezirke des Versicherungsamts ihren Betriebssitz haben. Außerdem müssen die Leistungen mindestens denen, die die Reichsversicherungsordnung verlangt, gleichwenig sein. Die Sozialdemokraten beantragten, daß wenigsten» die Hausgewerbetreibenden, mit denen der Auftraggeber in engster Verbindung steht, deren Arbeiter er sogar kennt, in derselben Weife wie die anderen gewerblichen Arbeiter versichert werden. Genosse Molkenbuhr begründet den Antrag unter be- sonderem Hinweis auf die Verhältnisse in der Zigarrenindustrie. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Sogar der weitere Antrag der Sozialdemokraten, daß die Hausgewerbetreibenden in den Ortskrankcnkassen und nicht, wie die Vorlage vorschlägt, in den Landkrankenkassen versichert werden sollen, fand keine Mehrheit. Fortsetzung Mittwoch._ Hus der MiMmwiNIon. Sitzung vom 12. Juli. Die Beratung der Strafprozeßordnung wurde am Dienstag beim ersten Abschnitt des vierten Buches:Verfahren gegen Jugendliche" fortgesetzt. Die Diskussion und die Beschlußfassung über den 8 364, der das Alter der als Jugendliche anzusehenden Personen auf 18 Jahre festsetzt, wurden ausgesetzt. Der§ 365 besagt in der Hauptsache, daß die Staatsanwaltschaft gegen Jugendliche keine öffentliche Klage einleiten soll, wenn Erziehungsmaßrcgeln einer Bestrafung mehr dazu kommen, das Allgemeinbefinden des Kranken verhinderte den Versuch, und Cox mußte geduldig warten, bis das schreckliche Leiden sein ZerstörungSwerk vollendete. Nur 46 Jahre ist er alt geworden. DaS transatlantische Luftschiff, mit dem Walter Wellman   und Melvin Vaniman noch im Laufe dieses Somniers den kühnen Ver« such unternehmen werden, den Atlantischen Ozean zu überqueren und von Amerika   nach Europa   zu fliegen, ist bereits fertiggestellt. > ist derselbe Lustkreuzer, dieAmerika  ", mit der Wellman seinen bekannten Versuch unternehmen wollte, im Luftschiff den Nordpol   zu erreichen. Der Plan scheiterte, aber die dabei gewonnenen Erfahrungen sollen jetzt der transatlantischen ahrt zugute kommen. DieAmerika  " ist im Laufe dieses Zinters und Frühlings in Paris   vollkommen umgebaut und erheblich vergrößert worden. Sie ist heute der zweitgrößte Luftsckifflyp der Welt und wird an Größe nur von dem Zeppelin übertroffen. Das Fahrzeug hat eine Länge von 228 Fuß, der größte Durchmesser eträgt 52 Fuß bei einer Luftverdrängung von 345 000 Kubikfuß. Die Tragfähigkeit beläuft sich auf 12 Tons. Die Stahlgondcl hat eine Länge von 156 Fuß und wiegt allein 4500 Pfund. Die Ballonhülle ist au» drei Schichten gearbeitet, Baum« wolle. Seide und drei Gummieinlagen, die ebenfalls 4500 Pfund wiegen. Es wird beabsichtigt, insgesamt 6 Mann an Bord zu nehmen; nach Anrechnung der Mannschaft, der Instrumente, der Motore. der Rettungsvorrichtungen und des Proviants, die zu- sammen 5000 Pfund wiegen, bleibt eine Tragfähigkeit von 10 000 Pfund zur Mitführung von Gasolin ftei. Insgesamt verfügt dieAmerika  " über drei Motoren, von denen jedoch nur einer gewöhnlich in Gebrauch genommen werden soll; dieser hat 70 bis 80 Pferdekräfte und würde dem Luftlreuzer eine Geschwindigkeit von 35 Kilometer in der Stunde verleihen. Für größere Geschwindigkeiten steht ein besonderer Achtzylindermotor zur Verfügung, der 200 Pserdekräfte entwickelt. Ein kleiner 10 LL-Motor dient zum Betriebe der Luftpumpe und leistet kleine maschinelle Hilfsarbeiten. Die größte Schwierigkeit während der Fahrt wird in der Ausgleichung der Schwankungen der Tragfähigkeit liegen, die durch die Temperaturveränderuugen und andere Umstände eintreten. Notizen. Die Fritz-Reuter  -Ausstellung, die der Reuter- forscher und-Sammler Prof. Gaedstz im Berliner   KünstleÄauje vorzuziehen sind. In diesem Falle hat dann die Staatsanwaltschaft die Sache der Vormundschaftsbehörde zu übergeben. Das gleiche Verfahren greift Platz, wenn die Straftat eine geringfügige ist, aber Erziehungsmaßregeln geboten erscheinen. Demgegenüber beantragten-unsere Genossen, die Entscheidung darüber, ob ein Strafverfahren einzuleiten ist, der Staatsan- waltschaft zu entziehen und die Befugnis der Vor» mundschaftsbehörde zu übertragen. Dieser sozialdemo- kratische, prinzipiell wichtige Antrag lautete: .,§ 364s. Darüber, ob gegen einen Jugendlichen öffentliche Klage zu erheben ist, hat die Vormundschaftsbehörde zu entscheiden. Die Vormundschaftsbehörde entscheidet in der Besetzung durch ihren Vorsitzenden und vier Waisenratsmitglieder, unter denen sich eine Frau befinden soll. Die Vormundschaftsbehörde hat die Frage, ob öffentlich Klage zu erheben ist, zu verneinen, wenn die Verfehlung geringfügig ist oder wenn Erziehungs- oder Besse- rungsmaßregeln nach ihrer Ansicht geeigneter als eine Bestrafung sind, oder wenn die sozialen Verhältnisse, in denen der Jugendliche lebt, oder andere Gründe die Tat entschuldbar erscheinen lassen. Vor der Entscheidung in der Sache ist der Jugendliche vor dem Kollegium zu vernehmen. Hierbei ist sein gesetzlicher Ver- treter zuzuziehen. Handelt es sich um eine Uebertretung oder um eine gering- fügige Sache, so darf die Frage, ob die Anklage zu erheben ist, nur bejaht werden, wenn von dem Jugendlichen eine ähnliche Handlung in dem der Tat vorausgegangenen Jahre bereits schon einmal be- gangen ist." Nach einem Zentrumsantrag soll eine öffentliche Klage oder im Privatklageverfahren die Hauptverhandlung dann nicht eingc- leitet werden bezw. stattfinden, wenn auf Befragen die Vormund- schaftsbehörde der Ansicht ist,-daß Erziehungs- und Besserungsmaß- regeln der Bestrafung vorzuziehen sind und die Ausführung dieser Erziehungsmaßregeln von der Vormundschaftsbehörde übernommen wird. Der§ 866 enthält die Bestimmungen für die weitere BeHand» lung der von der Vormundschaftsbehörde für schuldig befundenen Jugendlichen. Unter anderem soll der Staatsanwaltschaft das Recht gegeben werden, Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Vormundschaftsbehörde einzulegen. Unsere Genossen beantragten, den Schlußsatz zu streichen. Abg. Gröber beantragte die Streichung der 8§ 365 und 366, da seiner Meinung nach die Straf. behörden   nicht mit Erziehungsaufgaben belastet werden sollen. Hierbei vertrat der Zentrumsredner im allgemeinen den Stand- Punkt, daß man der zu weit gehenden Verweichlichung im Straf- verfahren entgegenwirken müsse. In dieser Auffassung stimmten ein Regierungskommissar, ein nationalliberaler und konservativer Redner dem Abg. Gröber zu, aber sie betonten übereinstimmend, daß für die Jugendlichen eine Ausnahme gemacht werden müsse. Der konservative Redner stellte den Antrag, das jugendliche Schutz- alter auf 16 Jahre herabzusetzen. Gegen diese Bestimmungen der Regierungsvorlage wendete sich ebenfalls der Abg. Spahn. Wie sein Fraktionsfreund Gröber trat auch Spahn für eine eventuelle Herabsetzung des Schutzalters ein. Weide erblickten in der Ein- führung der bedingten Verurteilung der Jugendlichen eine ge- nügende Berücksichtigung. Von unserer Seite wurde bei der Be- gründung unserer Anträge aufs eingehendste auf die sozialen Ur- fachen des Anwachsens der Straftaten der Jugendlichen hinge- wiesen und aus diesen Gründen heraus die Notwendigkeit her- geleitet, daß nicht zuerst die strafende Justiz, sondern die erziehe- risch bessernd wirkende Erziehungsbehörde einzugreifen hat. Auch wiesen unsere Genossen bei dieser Gelegenheit auf die Unzuläng- lichkeiten und schweren Fehler der Fürsorgeerziehung hin. Bleibe der Staatsanwaltschaft die Initiative über die Einleitung des Strafverfahrens überlassen, dann werden wir künftig noch mehr als bisher auch im Verfahren gegen Jugendliche die Klassenjustiz sich betätigen sehen. Gegen den sozialdemokratischen Antrag(8 364s) führten die Regierungsvertreter aus: Mit der allgemeinen Ueberweisung der Voruntersuchung an die Vormundschaftsbehörde beraube man ein- mal den Jugendlichen der Garantien, die dem Verdächtigen durch die Strafprozeßordnung gewährt find. Zum anderen habe die Vor- mundschaftsbehörde nicht die Mittel, die Untersuchung so zu führen wie die Gerichte. Auch bestritt man, daß es sich bei den Ver- fahren gegen Jugendliche häufig um politisch« Delikte handele. Waisenpfleger und Waisenräte zur Jugendfürsorge und-gerichtS- barkeit heranzuziehen, sehe der Entwurf zur Genüge vor. DaS Legalitätsprinzip der Staatsanwaltschaft müßte zugunsten der Jugendlichen unterbrochen werden. Auf eine Ersetzung der Staats- anwaltschaft durch die Vormundschaftsbehörde könne die Regierung unter keinen Umständen eingehen. In der Abstimmung wurden alle Verbesserungsanträge ab» gelehnt. Der sozialdemokratische gegen die Stimmen unserer Genossen, der ihm ähnliche Zentrumsantrag mit Stimmengleich- heit. Dagegen stimmten außer einigen Zentrumsabgeordneten Konservative und Nationalliberale. Arigenommen wurde nur, daß im 8 365 das WortStaatsanwaltschaft" durchStaatsanwalt" ersetzt wird, ferner, daß sich die Bestimmungen der§8 365 und 366 nur auf Jugendliche unter 16 Jahren beziehen sollen. Fortsetzung am Mittwoch. zusammengebracht hat. wurde am Dienstag als am 100. GeburtS  - tage Reuters   eröffnet. Die Internationale Vereinigung zur Sonnenforschung. Auf kaum einem anderen Gebtete der Naturforschung ist ein internationales Zusammenarbeiten von so hoher Wichtigkeit wie in der Himmelskunde, und aus der Erkenntnis dieser Wahrheit sind schon manche wichtige Unternehmungen entstanden. Man braucht nur an die Großtat der inter  « nationalen Himmelskarte zu denken. Seit kurzem ist es namentlich durch die Bemühungen amerikanischer Gelehrter gelungen, auch für die Sonnenforschung einen inter  - nationalen Zusammenschluß herbeizuftihren. Die Seele dieser Bestrebungen ist Professor Haie, der zurzeit hervorragendste Ver- treter der Sonnenfvrschung in Amerika   und der Begründer deS eigens zu diesem Zweck errichteten Observatoriums auf dem Mount Wilson in Kalifornien  , das in unerreichter Vollkommenheit für diese Forschungeil ausgestattet worden ist. An diesem Platz wird nun die vierte Konferenz derInternationalen Vereinigung zur gemeinsamen Arbeit in der Sonnenforschung" in der Woche vom 29. August bis 6. September zusaminentreten. Die Viotoris rogia im neuen Botanischen Garten(Dahlem  ) blüht zurzeit. Diese Riesen-Wasserrose, deren Blätter einen Durchmesser bis zu zwei Meter erreichen, bringt ebenso riesige Blüten hervor(bis zu einem Drittel Meter Durchmesserl) Leider blühen die prächtigen Blumen nur zwei Abende und Nächte. aber sie entfalten dann auch ein wunderbares Farbenspiel von Weiß bis Purpurrot. Die auS Südamerika   stammende Wasserpflanze, die 1801 entdeckt wurde, bedarf bei uns der Pflege im glasgedeckten Warmhaus, wo sie bei 2530 Grad gedeiht. Altindische Dramen funde. Unter den Schätzen, die die beiden Turfail-Expeditionen ans Zentralasien   nach Berlin   brachten, sind Reste altindischer Dramen entdeckt worden. Der Berliner Pro« fessor für Sanskrit(altindisch) Heinrich LüderS   ist der glückliche Finder und Entzifferer dieser teils in Sanskrit teils in Volks« dialekten abgefaßten Szenen. Die Funde dürsten aus dem ersten oder zweiten nachchristlichen Jahrhundert stammen und führen uns in der Kenntnis des altindischen Dramas weit über den bekannteste» indischen Dramendichter Kalidasa  (6. Jahrhundert) hinaus.