Dr. 161. 27. Jahrgang.I WIM des Jotmäils" Kerlim MUliitt.IB. loli 1910.fln$ der ßekiisverficberungsordnuoss'liommifiion.Sitzung am Dienstag, 12. Juli.Von den noch zur Beratung stehenden Bestimmungen für dieDieiistboteu hatte eine gröbere Bedeutung nur die, die den Landes-regierungen das Recht geben wollte, zu bestimmen, daß Dienstbotenvon der Versicherungspflicht befreit find, wenn für sie bei Jnkraft-treten der Reichsversicherungsordnung nach Landesrecht im Krankheits-falle Fürsorge getroffen ist. Die Kommission strich diese Be-stimm un g, um endlich ein einheitliches Recht wenigstens in dieserBeziehung für das ganze Reich zu schaffen.Unständige Beschäftigung.Ms unständig soll nach der Vorlage, wie" bisher, die Be-schäftigung gelten, die nach der Natur der Sache oder im vorausdurch den Llrbeitsvertrag auf weniger als eine Wochebeschränkt ist.Die Nationalliberalen beantragten den Zusatz, dahauch die Arbeit als unständige gelten soll, die«bei un-bestimmter Dauer des Arbeitsvertrages in der Regel wenigerals eine Woche währt". Dadurch sollte erreicht werden, dast zumBeispiel in den Hafenstädten die Stauer, die die Schiffe beladen,auch dann unständige Arbeiter bleiben, wenn ihre Arbeit im Einzel-falle länger als eine Woche dauert.Genosse Molkenbuhr sprach gegen den Antrag. Diemeisten Stauer seien ständige Arbeiter, wenn sie auch mit Unterbrechungen arbeiten. Sie wären ständig mit dem Beladen der Schiffebeschäftigt. Diese Aenderung wäre also ein Rückschritt.Der natioualliberale Antrag wurde abgelehnt und die Regierungsfassung angenommen.Nach der Vorlage sollen die unständigen Arbeiter in der Weiseversichert werden, daß sie ihren Anteil an den Beiträgen direktbezahlen, der Anteil der Unternehmer an den Beiträgen dagegendurch den Gemeindeverband gedeckt wird. Die Sozialden, o«traten beantragten, daß die Beiträge genau so von den Arbeitgebern bezahlt und der Anteil der Arbeiter vom Arbeitslohn abgezogen werde, wie bei den anderen Arbeitern. Zu diesem Zweckesollten für diese unständigen Arbeiter OuittungSkarten und Ouittungsmarken in ähnlicher Weise angewendet werden, wie bei derInvalidenversicherung.Genosse Hoch legte die Einzelheiten dieses Verfahrens dar,das einfacher sei und die unständigen Arbeiter eher veranlassenwürde, möglichst auch für die Zeit der Arbeitslosigkeit die Beiträgezu bezahlen und sich dadurch autzer der Krankenpflege auch noch dasKrankengeld zu sichern.Die RegierungSvertreter erklärten, daß das Verfahrennach der Regierungsvorlage einfacher sei. Dem stimmte auch dieKommission zu. und so wurden die Bestimmungen der Regierungs-Vorlage im wesentlichen unverändert angenommen.Die Beiträge und Leistungen soll nach der Vorlage die Satzungauf Grund des Ortslohnes besonders feststellen. Als Orts-lohn gilt bekanntlich der ortsübliche Tagesentgelt gewöhnlicher Tages-arbeiter. Die Sozialdemokraten wiesen aber nach, daß esunständige Arbeiter gibt, die bedeutend mehr verdienen. Für siewäre es unangebracht, ihre Beiträge und Bezüge nach demgeringen Ortslohn zu bemessen. Sie beantragten daher, Beiträgeund Leistungen nach dem tatsächlichen Verdien st zu be-stimmen.Dieser Antrag wurde abgelehnt, jedoch ein Antrag derFortschrittler angenommen, nach dem die Satzung füreinzelne Gruppen der unständig Beschäftigten den Betrag veS Ortslohne« durch Zuschläge erhöben kann.Nach der Vorlage ist eS dem Ermessen des GemeindeverbandeSüberlassen, wie er das Geld zur Bezahlung des Beitragsanteils derArbeitgeber aufbringt. Er kann die Susgabe auf die Gemeinde«lasse übernehmen oder den Betrag umlegen. Dabei kann er solcheEinwohner, welche unständig Arbeiter in größerer Zahl oder fürlängere Zeit zu beschäftigen Pflegen, zu der Umlage in Höherem Maßeheranziehen.Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin, daß hiernachdie Versicherten erst ihren eigenen Anteil bezahlen müssen und dannnoch zu der Deckung des Anteils der Arbeitgeber herangezogenwürden. Sie beantragten daher, daß der Gemeindeverband stetsden Betrag umlegen muß, die Versicherten aber von der Umlagebefreit sein müssen.Die Regierungsvertreter antworteten, daß auch einVersicherter einmal einen unständigen Arbeiter beschäftigen könnte.Deshalb sei es berechtigt, daß auch die Versicherten bei der Umlagemit kleinen Beträgen bedacht würden.Die Anträge der Sozialdemokraten wurden denn auchabgelehnt, dagegen ein Antrag Herold angenommen, daß,wenn die Kosten nicht auf die Gemeindekasse übernommen, sondernumgelegt würden, stets die Einwohner, die unständige Arbeiter ingrößerer Zahl oder für längere Zeit zu beschäftigen Pflegen, zu derUmlage in höherem Maße herangezogen werden müssen.Die Satzung der Kasse soll nach der Vorlage mit ZustimmungdeS Gemeindeverbandes und Genehmigung des OberversicherungS-kleines Feuilleton.Ein Märtyrer der Wissenschast. AuS London kommt die Kundevon dem Tode des Gelehrten Harry W. Cox, der durch seine For«schungen und Versuche mit den X-Strahlen bahnbrechend wirkte undnun, nach 12jährigem, qualvollem Leiden als ein Märtyrer derWissenschaft gestorben ist. Cox begann vor 14 oder 15 Jahren seineUntersuchungen. Ein Zufall sollte ihm dabei verhängnisvoll werden:vor 12 Jahren brachte er während seiner Experimente eine Tubeseines Apparates dem Gesicht zu nahe. Die Folge war für denjungen Forscher die schmerzvolle Krankheit, von der er nun durchden Tod erlöst wurde. Die geheimnisvolle X-Strahlen-Hautentzün-dung brach aus, und es gab kein Mittel, des furchtbarenLeidens Herr zu werden oder seine weitere EntWickelung zu ver-hindern. Aber Cox, der sich über die schreckliche Trag-weite dieser Erkrankung keinen falschen Hoffnungen hingab,blieb seinem Ziele treu; unablässig arbeitete er an der Vervoll-kommnung seines Apparates weiter und setzte seine Forschungen fort.Mehr als 80 Patente hat er im Laufe seiner Beobachtungen auf-genommen; eines von ihnen wurde von entscheidender Tragweite,denn mit dem Apparat wurde eS möglich, nicht nur die Lage einerKugel zu erkennen, sondern auch die Tiefe der Wunde genau zu be-stimmen. Im südaftikanischen Kriege wurde der Apparat zum erstenMale praktisch verwendet und bewährte sich vollkommen. Die Haut-entzündung. die Cox sich im dritten Jahre seiner Arbeiten zugezogenhatte, nahm mit der Zeit immer gefährlichere Dimensionen an, bisder Forscher schließlich seine Arbeiten völlig einstellen mußte. Erbesaß kein Vermögen und war nun hilflos der Not preis-gegeben. Seine Freunde bemühten sich vergeblich, dem verdientenManne eine Pension auszuwirken, die ihn vor Not und Armut be«wahren sollte. Den Anstrengungen Sir William Treloars gelang esschließlich, eine Summe von 52 000 M. aufzubringen, die dem Leiden-den für seine Familie ausgehändigt wurde. Er befand sich in derBehandlung der angesehensten Aerzte, nicht weniger als drei große.qualvolle Operationen mußte er erdulden, aber das Fortschreiten derKrankheit war nicht aufzuhalten. Nacheinander waren ihm dreiFinger der linken Hand, ein Finger der rechten und schließlich derganze rechte Arm amputiert worden. Eine schwere Kehlkopfoperationerwies sich als nutzlos, man plante bereits einen zweiten Eingriff,über dessen Gefährlichkeit kein Zweifel herrschte. Aber es sollte nichtamts sBeschlußkammer) bestimmen können, daß die unständig Be-schästigten keine Bei trag Steile zahlen. Die Kasse gewährtihnen dann nur Kran kenhilf e.Genosse Schmidt erklärte sich gegen diese Bestimmung. Auchden unständigen Arbeitern sollte in möglichst vielen Fällen einKrankengeld zustehen. Deshalb sollten sie zu einem Teile der Bei-träge herangezogen werden.Die Bestimmung wurde jedoch angenommen.Die Bestimmungen für dasWandergewerbewurden ebenfalls fast unverändert nach der Regierungsvorlage an-Senommen. Geändert wurde nur in Konsequenz der früheren Be-hlüsse, daß der Anteil der Arbeitgeber und Arbeiter an den Kassen-beitrügen nicht je die Hälfte sondern'/z und 2/8 beträgt.Bei der Anmeldung hat der Arbeitgeber die Beiträge für dieZeit bis zum Ablaufe des Wandergelverbescheins oder mit ErlaubnisdeS Kassenvorstandes für kürzere Zeit im voraus zu entrichten.Die Sozialdemokraten beantragten, daß aus VerlangendeS Arbeitgebers die Kasse gestatten muß, daß die Beiträge stetsauf ein Vierteljahr voraus bezahlt werden.Gen. Schmidt wies darauf hin, daß die Vorausbezahlungder Beiträge für ein ganzes Jahr manchem Arbeitgeber eine zuschwere Last auferlegen würde. Der Antrag wurde jedoch ab-gelehnt.Die Versicherten erhalten nur die Regelleisflmgen der Kranken-kassen. Gewährt die Kasse ihren anderen Mitgliedern mehr, so kannsie die Beiträgt für die im Wandergewerbe Beschäftigten entsprechendkürzen. fDie Sozialdemokraten beantragten, daß eS der Kasseüberlassen bleiben sollte, ob sie nicht doch diese oder jene Mehr-leistung auch den im Wandergewerbe Beschäftigten gewähren undentsprechend die Beiträge festsetzen wolle.Gen. Hoch wieS besonders auf die Familienhilfe hin. Es wäredoch sicher gut, wenn die Kasse den Familienangehörigen, die zuHause bleiben, im Falle der Krankheit Familienhilfe leistete. Daskönne man den einzelnen Kassen überlassen. Ein Grund, eS zu ver-bieten, liege nicht vor.Vom Zentrum wurde geantwortet, daß zwar die Anregungviel für sich habe. Hier handele eS sich jedoch um einen erstenVersuch, den man zunächst möglichst einfach machen sollte. Späterkönnten derartige Verbesserungen viel leichter gewagt werden.Der Antrag wurde denn auch abgelehnt.Hausgewerbe.Auch hier kam eS zunächst zu einer allgemeinen Aussprache.Genosse Hoch vertrat die Ansicht, daß eine möglichst weitgehendeAnpassung der Versicherung an die der anderen gewerblichen Arbeiterviel einfacher sein würde als das Verfahren in der Vorlage. Daaber die bürgerlichen Parteien sich auf den Boden der Vorlagestellten, nahmen die Sozialdemokraten von weitergehenden AbänderungSanträgen Abstand.Dagegen wurde ein Antrag der Fortschrittler angenommen,der eS ermöglicht, daß wenigstens dort, wo sich das bisherige Verfahren bewährt hat, dieses beibehalten werden kann. Er bezieht sich aufdie Bezirke oder Gewerbe, für die beim Inkrafttreten der ReichSver-sicherungsordnnng die Versicherung der Hausgewerbetreibenden bereitsdurch statutarische Bestimmung geregell ist. Hier kann die obersteVerwaltungsbehörde aus Antrag des beteiligten Gemeindeverbandesgenehmigen, daß die statutarische Bestimmung in Geltung bleibt.Aenderungen bedürfen ihrer Genehmigung. Jedoch ist dies nurdann zulässig, wenn Hausgewerbetreibender und dessen Arbeitgeber,die sogenannten Auftraggeber, im Bezirke des Versicherungsamtsihren Betriebssitz haben. Außerdem müssen die Leistungen mindestensdenen, die die Reichsversicherungsordnung verlangt, gleichwenig sein.Die Sozialdemokraten beantragten, daß wenigsten» dieHausgewerbetreibenden, mit denen der Auftraggeber in engsterVerbindung steht, deren Arbeiter er sogar kennt, in derselben Weifewie die anderen gewerblichen Arbeiter versichert werden.Genosse Molkenbuhr begründet den Antrag unter be-sonderem Hinweis auf die Verhältnisse in der Zigarrenindustrie.Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.Sogar der weitere Antrag der Sozialdemokraten, daßdie Hausgewerbetreibenden in den Ortskrankcnkassen und nicht, wiedie Vorlage vorschlägt, in den Landkrankenkassen versichert werdensollen, fand keine Mehrheit.Fortsetzung Mittwoch._Hus der MiMmwiNIon.Sitzung vom 12. Juli.Die Beratung der Strafprozeßordnung wurde am Dienstagbeim ersten Abschnitt des vierten Buches:„Verfahren gegenJugendliche" fortgesetzt.Die Diskussion und die Beschlußfassung über den 8 364, derdas Alter der als Jugendliche anzusehenden Personen auf 18 Jahrefestsetzt, wurden ausgesetzt.— Der§ 365 besagt in der Hauptsache,daß die Staatsanwaltschaft gegen Jugendliche keine öffentlicheKlage einleiten soll, wenn Erziehungsmaßrcgeln einer Bestrafungmehr dazu kommen, das Allgemeinbefinden des Kranken verhinderteden Versuch, und Cox mußte geduldig warten, bis das schrecklicheLeiden sein ZerstörungSwerk vollendete. Nur 46 Jahre ist er altgeworden.DaS transatlantische Luftschiff, mit dem Walter Wellman undMelvin Vaniman noch im Laufe dieses Somniers den kühnen Ver«such unternehmen werden, den Atlantischen Ozean zu überquerenund von Amerika nach Europa zu fliegen, ist bereits fertiggestellt.> ist derselbe Lustkreuzer, die„Amerika", mit der Wellmanseinen bekannten Versuch unternehmen wollte, im Luftschiffden Nordpol zu erreichen. Der Plan scheiterte, aber diedabei gewonnenen Erfahrungen sollen jetzt der transatlantischenahrt zugute kommen. Die„Amerika" ist im Laufe diesesZinters und Frühlings in Paris vollkommen umgebaut und erheblichvergrößert worden. Sie ist heute der zweitgrößte Luftsckifflyp derWelt und wird an Größe nur von dem Zeppelin übertroffen. DasFahrzeug hat eine Länge von 228 Fuß, der größte Durchmessereträgt 52 Fuß bei einer Luftverdrängung von 345 000 Kubikfuß.Die Tragfähigkeit beläuft sich auf 12 Tons. Die Stahlgondclhat eine Länge von 156 Fuß und wiegt allein 4500 Pfund.Die Ballonhülle ist au» drei Schichten gearbeitet, Baum«wolle. Seide und drei Gummieinlagen, die ebenfalls 4500 Pfundwiegen. Es wird beabsichtigt, insgesamt 6 Mann an Bord zunehmen; nach Anrechnung der Mannschaft, der Instrumente, derMotore. der Rettungsvorrichtungen und des Proviants, die zu-sammen 5000 Pfund wiegen, bleibt eine Tragfähigkeit von 10 000Pfund zur Mitführung von Gasolin ftei. Insgesamt verfügtdie„Amerika" über drei Motoren, von denen jedoch nureiner gewöhnlich in Gebrauch genommen werden soll; dieserhat 70 bis 80 Pferdekräfte und würde dem Luftlreuzer eineGeschwindigkeit von 35 Kilometer in der Stunde verleihen. Fürgrößere Geschwindigkeiten steht ein besonderer Achtzylindermotor zurVerfügung, der 200 Pserdekräfte entwickelt. Ein kleiner 10 LL-Motordient zum Betriebe der Luftpumpe und leistet kleine maschinelleHilfsarbeiten. Die größte Schwierigkeit während der Fahrt wird inder Ausgleichung der Schwankungen der Tragfähigkeit liegen, diedurch die Temperaturveränderuugen und andere Umstände eintreten.Notizen.— Die Fritz-Reuter-Ausstellung, die der Reuter-forscher und-Sammler Prof. Gaedstz im Berliner KünstleÄaujevorzuziehen sind. In diesem Falle hat dann die Staatsanwaltschaftdie Sache der Vormundschaftsbehörde zu übergeben. Das gleicheVerfahren greift Platz, wenn die Straftat eine geringfügige ist,aber Erziehungsmaßregeln geboten erscheinen.Demgegenüber beantragten-unsere Genossen, die Entscheidungdarüber, ob ein Strafverfahren einzuleiten ist, der Staatsan-waltschaft zu entziehen und die Befugnis der Vor»mundschaftsbehörde zu übertragen. Dieser sozialdemo-kratische, prinzipiell wichtige Antrag lautete:.,§ 364s. Darüber, ob gegen einen Jugendlichen öffentlicheKlage zu erheben ist, hat die Vormundschaftsbehörde zu entscheiden.Die Vormundschaftsbehörde entscheidet in der Besetzung durch ihrenVorsitzenden und vier Waisenratsmitglieder, unter denen sicheine Frau befinden soll. Die Vormundschaftsbehörde hat dieFrage, ob öffentlich Klage zu erheben ist, zu verneinen, wenn dieVerfehlung geringfügig ist oder wenn Erziehungs- oder Besse-rungsmaßregeln nach ihrer Ansicht geeigneter als eine Bestrafungsind, oder wenn die sozialen Verhältnisse, in denen der Jugendlichelebt, oder andere Gründe die Tat entschuldbar erscheinen lassen.Vor der Entscheidung in der Sache ist der Jugendliche vordem Kollegium zu vernehmen. Hierbei ist sein gesetzlicher Ver-treter zuzuziehen.Handelt es sich um eine Uebertretung oder um eine gering-fügige Sache, so darf die Frage, ob die Anklage zu erheben ist, nurbejaht werden, wenn von dem Jugendlichen eine ähnliche Handlungin dem der Tat vorausgegangenen Jahre bereits schon einmal be-gangen ist."Nach einem Zentrumsantrag soll eine öffentliche Klage oderim Privatklageverfahren die Hauptverhandlung dann nicht eingc-leitet werden bezw. stattfinden, wenn auf Befragen die Vormund-schaftsbehörde der Ansicht ist,-daß Erziehungs- und Besserungsmaß-regeln der Bestrafung vorzuziehen sind und die Ausführung dieserErziehungsmaßregeln von der Vormundschaftsbehörde übernommenwird.Der§ 866 enthält die Bestimmungen für die weitere BeHand»lung der von der Vormundschaftsbehörde für schuldig befundenenJugendlichen. Unter anderem soll der Staatsanwaltschaft dasRecht gegeben werden, Rechtsmittel gegen die Entscheidungen derVormundschaftsbehörde einzulegen. Unsere Genossen beantragten,den Schlußsatz zu streichen.— Abg. Gröber beantragte dieStreichung der 8§ 365 und 366, da seiner Meinung nach die Straf.behörden nicht mit Erziehungsaufgaben belastet werden sollen.Hierbei vertrat der Zentrumsredner im allgemeinen den Stand-Punkt, daß man der zu weit gehenden Verweichlichung im Straf-verfahren entgegenwirken müsse. In dieser Auffassung stimmtenein Regierungskommissar, ein nationalliberaler und konservativerRedner dem Abg. Gröber zu, aber sie betonten übereinstimmend,daß für die Jugendlichen eine Ausnahme gemacht werden müsse.Der konservative Redner stellte den Antrag, das jugendliche Schutz-alter auf 16 Jahre herabzusetzen. Gegen diese Bestimmungen derRegierungsvorlage wendete sich ebenfalls der Abg. Spahn. Wiesein Fraktionsfreund Gröber trat auch Spahn für eine eventuelleHerabsetzung des Schutzalters ein. Weide erblickten in der Ein-führung der bedingten Verurteilung der Jugendlichen eine ge-nügende Berücksichtigung.— Von unserer Seite wurde bei der Be-gründung unserer Anträge aufs eingehendste auf die sozialen Ur-fachen des Anwachsens der Straftaten der Jugendlichen hinge-wiesen und aus diesen Gründen heraus die Notwendigkeit her-geleitet, daß nicht zuerst die strafende Justiz, sondern die erziehe-risch bessernd wirkende Erziehungsbehörde einzugreifen hat. Auchwiesen unsere Genossen bei dieser Gelegenheit auf die Unzuläng-lichkeiten und schweren Fehler der Fürsorgeerziehung hin. Bleibeder Staatsanwaltschaft die Initiative über die Einleitung desStrafverfahrens überlassen, dann werden wir künftig noch mehrals bisher auch im Verfahren gegen Jugendliche die Klassenjustizsich betätigen sehen.Gegen den sozialdemokratischen Antrag(8 364s) führten dieRegierungsvertreter aus: Mit der allgemeinen Ueberweisung derVoruntersuchung an die Vormundschaftsbehörde beraube man ein-mal den Jugendlichen der Garantien, die dem Verdächtigen durchdie Strafprozeßordnung gewährt find. Zum anderen habe die Vor-mundschaftsbehörde nicht die Mittel, die Untersuchung so zu führenwie die Gerichte. Auch bestritt man, daß es sich bei den Ver-fahren gegen Jugendliche häufig um politisch« Delikte handele.Waisenpfleger und Waisenräte zur Jugendfürsorge und-gerichtS-barkeit heranzuziehen, sehe der Entwurf zur Genüge vor. DaSLegalitätsprinzip der Staatsanwaltschaft müßte zugunsten derJugendlichen unterbrochen werden. Auf eine Ersetzung der Staats-anwaltschaft durch die Vormundschaftsbehörde könne die Regierungunter keinen Umständen eingehen.In der Abstimmung wurden alle Verbesserungsanträge ab»gelehnt. Der sozialdemokratische gegen die Stimmen unsererGenossen, der ihm ähnliche Zentrumsantrag mit Stimmengleich-heit. Dagegen stimmten außer einigen ZentrumsabgeordnetenKonservative und Nationalliberale. Arigenommen wurde nur, daßim 8 365 das Wort„Staatsanwaltschaft" durch„Staatsanwalt"ersetzt wird, ferner, daß sich die Bestimmungen der§8 365 und 366nur auf Jugendliche unter 16 Jahren beziehen sollen.Fortsetzung am Mittwoch.zusammengebracht hat. wurde am Dienstag— als am 100. GeburtS-tage Reuters— eröffnet.— Die Internationale Vereinigung zurSonnenforschung. Auf kaum einem anderen Gebtete derNaturforschung ist ein internationales Zusammenarbeiten von sohoher Wichtigkeit wie in der Himmelskunde, und aus der Erkenntnisdieser Wahrheit sind schon manche wichtige Unternehmungenentstanden. Man braucht nur an die Großtat der inter«nationalen Himmelskarte zu denken. Seit kurzem ist esnamentlich durch die Bemühungen amerikanischer Gelehrtergelungen, auch für die Sonnenforschung einen inter-nationalen Zusammenschluß herbeizuftihren. Die Seele dieserBestrebungen ist Professor Haie, der zurzeit hervorragendste Ver-treter der Sonnenfvrschung in Amerika und der Begründer deSeigens zu diesem Zweck errichteten Observatoriums auf dem MountWilson in Kalifornien, das in unerreichter Vollkommenheit für dieseForschungeil ausgestattet worden ist. An diesem Platz wird nun dievierte Konferenz der„Internationalen Vereinigung zur gemeinsamenArbeit in der Sonnenforschung" in der Woche vom 29. August bis6. September zusaminentreten.— Die Viotoris rogia im neuen BotanischenGarten(Dahlem) blüht zurzeit. Diese Riesen-Wasserrose, derenBlätter einen Durchmesser bis zu zwei Meter erreichen, bringt ebensoriesige Blüten hervor(bis zu einem Drittel Meter Durchmesserl)Leider blühen die prächtigen Blumen nur zwei Abende und Nächte.aber sie entfalten dann auch ein wunderbares Farbenspiel von Weißbis Purpurrot. Die auS Südamerika stammende Wasserpflanze, die1801 entdeckt wurde, bedarf bei uns der Pflege im glasgedecktenWarmhaus, wo sie bei 25—30 Grad gedeiht.— Altindische Dramen funde. Unter den Schätzen, diedie beiden Turfail-Expeditionen ans Zentralasien nach Berlin brachten,sind Reste altindischer Dramen entdeckt worden. Der Berliner Pro«fessor für Sanskrit(altindisch) Heinrich LüderS ist der glücklicheFinder und Entzifferer dieser teils in Sanskrit teils in Volks«dialekten abgefaßten Szenen. Die Funde dürsten aus dem erstenoder zweiten nachchristlichen Jahrhundert stammen und führen unsin der Kenntnis des altindischen Dramas weit über den bekannteste»indischen Dramendichter Kalidasa(6. Jahrhundert) hinaus.