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17. MreswIammlnDS des Zentralverbandes der Ortskranhenhaffen veMHIands. Regensburg  , den 12. Juli 1910. (Telegraphier Bericht.) In der heutigen Sitzung wurde zunächst beschlossen, den Jnter- nationalen LrbeiterversicherungSkongreß im Haag zu beschicken. Mit der Vertretung der OrtSkrankentassen wurden beauftragt Ver» waltungZdirekwr Hestr-DvcSdcn und Abg. Kräszdorf-Dresden. Stritwich-Hamburg beantragte die Herbetführung einer einheitlichen Krankcnkasscnstatistik, Eckermann-Bremerhaven die Einführung ein- heitlicher Krankenkassenberichte. Nach längerer Debatte wurde be- schloffen, die hierfür notwendigen Vorarbeiten einzuleiten. Sodann sprach Dr. Hirt-München über: Alkohol und Krankenkassen". Er hob herbor, lxch die Krankenkassen in ganz hervorragender Weise an der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs beteiligt seien, da der Alkohol die Ursache zahlloser Krankheiten sei und die Krankenkassen erheblich belaste. Abgesehen von den direkten Alkoholkrankheiten sei es auch der Alkohol, der bei einer Reihe von Krankheiten mit- geholfen hat. Es liege im Interesse der Krankenkassen selbst, wenn sie auch prophylaktisch(vorbeugend) mitarbeiten. Die Kranken- lassen müssen, ohne in eine direkte Gegnerschaft gegen die Alkohol- industrie zu treten, auf eine allgemeine Mäßigkeit hinarbeiten DaS können sie durch Vorträge, durch populäre Darstellungen der Haupt. sächlichsten Wirkungen des Alkoholismus   usw. Die Krankenkassen müssen mitarbeiten an der Darstellung der nackten Tatsachen über den Alkohol, sie können auch, ohne daß sie große Mittel aufzuwenden haben, ausrechnen, wie lange und wie häufig diese Alkvholkrank- heiten in den Listen der Krankenkassen geführt werden und was die Krankenkassen dafür ausgeben. Man wird auf diese Weise an der BoUSgesundheit wesentlich mitarbeiten.(Lebhafter Beifall.) Borsitzender Friihdorf-DreSden: Ihm sei mitgeteilt worden, daß die Brauerei Union sich mit dieser Tagung beschäftigt habe und hier ein Gegenreferat halten wolle. Die Herren befänden sich in einem Irrtum. Die Tagung sei kein offener Kongreß, sondern ein Delegiertentag, und der Vorstand wähle sich die Herren, an die er Einladungen verschickt, selbst auS. Ebenso bestimme auch die Leitung, wer«in Referat zu halten habe. Es habe sich übrigens ein Herr, der die Brauereiindustrie hier vertreten wolle, nicht ge- meldet. Wenn jedoch auS den Reihen der Delegierten jemand da» Wort dazu nehmen wollte, so würde«S diesem natürlich frei- stehen. ES sei allerdings kaum anzunehmen, oaß dies der Fall sein werde.(Lebhafter Beifall.) Hierauf erhielt der Generalsekretär des Vereins gegen Miß. brauch geistiger Getränke, Professor Gonser-Berlin  , daS Wort: Daß der Kongreß in RegenSburg   und in Niederbayern   die Alkohol- frag« angeschnitten habe, beweise einen hohen Grad von Kurage. (Heiterkeit.) ES sei dankenswert, daß der Ortskrankenkassentag dies« Frage zum zweiten Male gründlich und sachlich zur Debatte gestellt habe. Die Notwendigkeit eines gründlichen Kampfes gegen die Tuberkulose wird seit Jahren von niemandem mehr bestritten. Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Stellungnahme gegen den Alkoholismus fei erst eine Errungenschaft der neuesten Heit. ES sei daS eine Folge der Erfahrnnge», die geistige und körperliche Arbeiter gemacht haben, nämlich, daß sowohl die geistige Klarheit, alS auch die körperliche Ausdauer und Kraft durch den Alkoholmiß- brauch beeinträchtigt werde. In der Schweiz   wird seit einer Reihe von Jahren bei allen Todesfallen von dem Arzte eine Rubrik .AlkoholiSniu»" ausgefüllt. Dabei ergibt sich, daß bei allen Todes- J allen unter 40 Jahren in 10 Proz., bei über 40 Jahren in IS Proz. ie Todesursache mit dem Alkohol zusammenhängt. Im Charlottenburger   Krankenhause ist festgestellt worden, daß jeder fünfte Kranke, der in der inneren Abteilung behandelt wird, Shmplome einer Krankheit aufweist, die auf starkes Trinken zurück- zuführen ist. E» ist die Zahl der Kranken, die den Krankenkassen infolge des LlkoholiSmus zur Last fallen, eine viel größere, als wissenschaftlich absolut nachweisbar ist. Die Wirkungen des AlkoholiSmuS treten um so mehr in Erscheinung, je größer die Unterernährung und je schlechter die WohnungSderhältnisse sind. Bisher verboten die gesetzlichen Bestimmungen den Krankenkassen die Prophylaxe oder beschränkten sie jedenfalls auf die engsten Grenzen. Seit einer von Jahren Hab« der von ihm vertreten« Verein in Eingaben und persönlichen Vorstellungen sich bemüht,. diese Schranken zu beseitigen. Nach dem Entwurf sollen sie ja nun fallen. Dann werden die Krankenkassen freie Bahn haben. Neben der Auf. klärungSarbeit können die Krankenkassen Wesentliches zur Volks- gesundyeit tun, wenn sie mitarbeiten an dem Ausbau von Trinker» fürsorge- und Trinkerheilstätten.(Lebhafter Beifall.) Gräf  -Frankfurt   a. M. begrüßte, daß der Referent nicht alS Abstinenzfanatiker aufgetreten sei. fondern für die Mäßigkeits- bestrebungen. In der Unfallfrage spiele der Alkehol indirekt eine sehr grvhe Rolle. In Werkstätten, in denen der Alkoholgenuß ab- geschafft ist, sei nachweisbar die Unfallziffer Zurückgegangen. Ein sehr bemerkenswertes Zugeständnis habe auch die Brauereiindustrie gemacht, indem sie feststellte, daß die Unfallziffer zurückgegangen ist, seitdem daS Freibier für die Brauereiarbeiter abgeschafft sei. (Hört! hörtl) Für eine Reihe von gewerblichen Berufen, die mit Gastwirtschaften zu arbeiten haben, bestehe noch ein unerträglicher Trinkzwang. Die Reichsversicherungsordnung bringe die Ver- sicherung der unständigen Arbeiter. Dadurch werde eine große Zahl von Trinkern überhaupt zum ersten Male einer Kranken- behandkung zugeführt. Vielleicht werden dadurch die Krankenkassen ein« Mehrbelastung erhalten, aber man werde doch«in großes Stück in der Sozialreform vorwärts kommen. Selbst wenn wir mit den Aufsichtsbehörden in einen Konflikt kommen sollten, indem dies« sagen, daß daS Geld zu falschen Zwecken verwendet werde, müssen wir die Propaganda in dem Kampfe gegen den AlkoholiSmuS aufnehmen.(Lebhaste Zustimmung.) Fräßdvrf-DreSden   konstatiert, daß die Krankenkassen bereit seien, die Bewegung gegen den Alkoholmißbrauch zu unterstützen, und baß sie andererseits auch bereit seien, die Alkoholiker alS Kranke zu behandeln und geeignete Jürsorgemaßnahmen zu deren Heilung zu treffen. Auf diesem Wege glaubten sie, der VolkSaesundheit zu dienen Er richte an die Krankenkassen das Ersuchen, die Antialkoholbewegung nach Möglichkeit zu unterstützen. (Lebhaft« Zustimmung.) Sodann beschäftigte sich der Kongreß mit einem Antrag Metz, der de» AnstcllungSvertrag betrifft, der ja bekanntlich in der Reichstagskommisston zu lebhaften Angriffen geführt hat. ES wurde aus Antrag de» Buchdruckerei- besitzerS Scholem  -Berlin   beschlossen, den gegenwärtigen Anstellungs- vertrag durch Sachverständige nachprüfe» zu lassen und die neue Fassung mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen. Diese neu« Fassung soll sofort an Stelle des jetzt geltenden Vertrags in Kraft treten. Der Kongreß war beschickt von LK2 OrtSkranIenkassen mit 1672 903 Mitgliedern durch 464 Delegierte. Den Abschluß der Tagung bildete ein Ausflug zur Walhalla  . Huö der Partei. Ein reuiger Sünder, AuS London   wird uns geschrieben: Was hier schon vor Konaten vorausgesagt wurde, wird jetzt durch die Tatsachen be- stätigt: derClarion", da» von Blatchford gegründete und redi- gierte Wochenblatt pfeift auf dem letzten Loche. DaS von Blatchford später als derClarion" gegründete BlattWomen Folk", das friihereWoman Wprker", ist schon in der letzten Woche ein- gegangen. Mer Wahrscheinlichkeit nach mußte es sein junges Leben aushauchen, um seinem älteren Bruder mehr Lust zu verschaffen. Nun zappelt auch der.Clarion" zwischen Leben und Tod, und Blatchford, der jetzt, nachdem der Mohr seine Schuldigkeit getan hat, von seinen imperialistischen Freunden zum alten Eisen ge- worfen worden ist, fleht seine Leser und die englischen Genossen um Hilfe am In der heutigen Nummer bittet er seine Getreuen, anstatt eine fortan zwei Nummern desClarion" zu kaufen, um das Blatt über Wasser zu halten. Schon seit mehreren Wochen fordert er in jeder Nummer seinen zusammengeschmolzenen Leserkreis auf, sich darüber zu äußern, ob derClarion" sein Erscheinen einstellen soll oder nicht. Die Briefe, die er erhalten hat, scheinen ihn etwas aufgeklärt zu haben über die Ursache des Schwindens seiner Popularität; denn in der heutigen Ausgabe veröffentlicht er einen Leitartikel, der, soweit es seinem sanguinischen Temperament möglich ist, deutlich die Spuren der Reue über seine tollen Sprünge aufweist. Er schreibt: Nun ein paar Worte über unsere Politik. Ich setze voraus, daß es der Wunsch unserer Leser ist, daß derClarion" eine kämpfende sozialistische Zeitung sein soll. Unsere Arbeit ist eS, den Sozialis- muS zu lehren und zu verteidigen. DaS wird unsere Politik sein. Die ganze Redaktion, glaube ich. ist einstimmig gegen den Freihandel und für die allgemeine Wehrpflicht. Aber daS sind Nebenfragen(l) und können fallen gelassen werden. Zeitweilig mag eS notwendig sein, die schwindelhasten Prätensionen des liberalen Freihandels bloßzustellen,«wer darüber hinaus werden wir wahrscheinlich nicht gehen. Was die Frage der deutschen   Gefahr anlangt, sind wir wieder. um einstimmig; aber wenn ich eS als meine Pflicht erachte, diese Frage zu behandeln, werde ich es an anderer Stelle tun." Blatchford behauptet noch immer eigensinnig, daß HerClarion" von den englischen Genossen systematisch boykottiert würde. Be- sonder? die Arbeiterpartei trachte nach seinem Leben. Das ist nun zum größten Teil Phantasie. Die einfache Erklärung für den Niedergang de? Blarchfordschen Blattes ist die, daß der Redakteur, der stets geneigt war, sich eine Extratour zu erlauben, diesmal seinen Lesern mit der Deutschenhetze und der Befürwortung deZ Militarismus und des Schuhzolls allzu grob gekommen ist. Der angeführte Passus aus dem Blatchfordschen Artikel wirft aber auch ein interessantes Streiflicht auf den Sozialismus, den besonders Blatchford in England derbreitet hat, und den man in Ermangelung eines besseren Namens den sentimentalen SozialiS- mus nennen kann. Man denke sich: Freihandel und allgemeine Wehrpflicht sind 5!ebenftagenl Und die Hetze gegen Deutschland   ist eine Gewissenöfragel Man glaube nicht, daß Blatchford der einzige englischeSozialist" ist. der solchen oder ähnlichen theoretischen Ansichten huldigt. Sie beweisen, wie sehr dieser englische   Sozialis- mus noch in den Wolken schwebt. Man propagiert vom SozialiS- muS nur den Grundsatz der Vegesellschastlichung der Produktions­mittel, und siehe da, die Formel ist weit genug, um allerhand Volk im Schöße des Sozialismus Platz zu gewähren: Leute, die die Munizipalisierung der Straßenbahnen und Wasserleitungen ver- langen, Fcchier, die in der bürgerlichen Gesellschaft als Schwere. nöter gelten wollen, und Pastoren, die eS mit Hilfe einer plato- nifchen Liebe zum Sozialismus nicht mit den Arbeitern verderben wollen. Das Aktuelle, die Politik, die Mittel, durch die wir den Sozialismus zu verwirklichen trachten, wird zur Neben- frage, in der jedermann freien Spielraum hat. Blatchford hat es nun auf diesem Wege endlich so weit gebracht, daß er die Dinge auf den Kopf stellt und die Ideale des Kapitalismus: MilitariS. muS, das Schutzzollsystem mit seinen das Volk ausbeutenden in» direkten Steuern und Chauvinismus mit den Ideen des SozialiS» muS in Einklang zu bringen versucht. Die Reue auf dem Totenbett kommt etwaS spät. Bekanntlich streiten sich die christlichen Sekten darum, ob der liebe Gott eine derartige späte Besserung al« echt ansieht. Man wird wohl die Frage von Fall zu Fall beurteilen müssen. Und der Fall des Clarion" sieht recht trübe au». Wer bürgt uns dafür, daß Match. ford nicht von neuem derDaily Mail' beispringen wird, wenn dieser große Lügenpeter in einer Million Exemplaren die zweite deutsche Gefahr an die Wand malt? Schon werfen die Parlaments- wählen ihren Schatten voraus, und schon sammelt da» Hetzerblatt neues Material, um die chauvinistischen Leidenschaften des eng- lischen Volkes anzufachen. WaZ unser Korrespondent hier von Blatchford sagt, kann mit einigen Aenderungen auch von Hyndman   gelten, der in den entscheidenden Fragen der Gegenwartspolitik nicht minder versagt wie der weniger ernst zu nehmende Blatchford. Hyndman   hat eS für angezeigt gehalten, in der konservativen und imperialistischen Morning Post" einen konfusen Artikel über die Notwendigkeit verstärkter Flottenrüstungen gegen diedeutsche Gefahr" zu ver- öffentlichen. Hyndman erklärt seine Ansichten als rein persönliche. Wir meinen aber, daß solche Ansichten ihre Bekenner von selbst aus jeder sozialistischen   Partei ausschließen. ReichStagSkandidatur. Eine am Sonntag in Memmingen   statt- gefundene Wahlkreiskonferenz für den Wahlkreis Jllertissen- Memmingen(Schwaben 4) stellte einstimmig den Genossen Ludwig Pickelmann. Landtagsabgeordneten in München  , als Kandidat für die kommende ReichStagSwahl auf. Der Jahresbericht für den RelchStagSwahkkreiS Vochum-Gelsen« tirchen-Haltingen-Wiiten ergibt, daß die Mitgliederzahl 6763, davon 1611 weibliche, beträgt(S7g0, darumer 1382 weibliche im Vorjahre). Die Einwohnerzahl de« Wahlkreise« beträgt 747 260 gegen 660 230 im Jahre 1007� Mitgliederversammlungen fanden 466 im ver- laufenen Jahre statt. Oessentlich« Versammlungen wurden 102 ab- gehalten. Flugblätter kamen in 524 000 Exemplaren zur Verteilung. Die Einnahmen und Ausgaben beliefen sich auf 33 505 M. Der Maifeierfond» beträgt 4892 M..Volksblatt'- Abonnenten wurden 2600 gewonnen. Am 1. Oktober wird in der Großstadt Gelsen- kirchen eine Zweigstelle mit einem freigestellten Beamten eröffnet. Em« Konferenz der JugendauSschüsse für Rhemland-Westfalen tagte am Sonntag in Düsseldorf  . Vertreten waren sämtliche 28 Jugendausschüsse de« Bezirks. Die Zahl der Abonnenten der .Arbeiter-Jugend" beträgt 4777. Nach dem Bericht des Vor- sitzenden des Bezirksausschusses, als welcher der Elberfeld  -Barmer Jugendausschuß fungierte, und einem Vortrage des Vertreter» des Zentral-JugendauSschuffes I. Sassenbach» Berlin   über Die Aufgaben der Bezirksausschüsse' wurde ein Bezirks- statut beraten und beschlossen. Nach diesem find zur finanziellen Unterstützung der Tätigkeit des Bezirksausschusses pro Abonnent derArbeiter-Jugend" und pro Quartal 2 Pf. an den Bezirksausschuß abzuführen. Ferner wurde beschlossen, den bis- herigen Bezirk Rhemland-Westfalen in drei AgitationSbezirke ein- zuteilen, und zwar in Oberrhein(Vorort Köln  ). Niederrhein  (Vorort Elberfeld  ) und westliche« Westfalen  (Vorort Dortmund  ). Soziales. Ei» neuer Trick. Der SeemanSberuf hat für Binnenländer immer noch etwa» verlockendes. Die jugendliche Phantasie sieht sich in stemde Länder und Erdteile versetzt und wocnöylich als reicher Mann zurückkehren. DaS überaus traurige Los der Seeleute ist wenig bekannt. Dem jugendlich«, Wandertrieb und d» Abenteuerlust kowwea allerlei verlockende Inserate entgegen, die bald w dieser bald t» jene« Form durch die Tagxspresse laufen. Da« gilt auch von dem Nach- stehenden: Stewards".(Schiffskellner). Hohes Einkommen erzielen junge Leute aller BerufS-Klassen, welche als solche zur See fahren wollen. Verdienst 350 bis 3000 p. Reise(4 Monate 14 Tage). Bei freier Station. Nähere Aus- kunft, Rat und Referenzen erteilt G. F. Kessel Seemännisches AuSkunfts-Bureau, Hannover  , Wolfstr. 24 Honorar 2 Mk. Eins. Briefmarken oder 9 Nachnahme. Junge Leute, die an einen derart hohen Verdi:nst für ihre erste Reise glauben, werden bitter enttäuscht. Die jungen Stewards haben trotz der sehr beschwerlichen Arbeit nur einen gang geringen Verdienst: erst wenn sie nach langen Jahren zu besseren Stellungen aufrücken, ändert sich das etwas. Die meisten Stewards, die für den überseeischen Dienst in Frage kommen, werden bei der Harn- burg-Amerika-Linie und bei dem Norddeutschen Lloyd   eingestellt und zwar für die Fahrten zwischen den europäischen   Häfen und Amerika  . Die Hamburg-Amerika-Linie   stellt aber seil Jahren nur noch gelernte Kellner ein. so daß junge Leute,aller Bcrufsklassen" hier nicht in Frage kommen. Nun verspricht Herr Kessel in seinem Inserat auch gar nicht den Nachsuchenden eine Stellung zu verschaffen, sondern er erteilt nur Auskunft. Diese Auskünfte beschränken sich darauf, den Anfragenden auf die oben genannten Linien zu verweisen und allerhand gute Ratschläge zu erteilen. So heißt es in dem Prospekt, den er nach Einsendung der 2 Mk. verschickt u. A.: Für einen vor- wärtsstrebenden jungen Mann, der sich Weltkenntnis und ein gute? Einkommen sichern wolle, biete die Laufbahn als Seemann  , be» sonders aber als Steward eine sichere Gewähr. Tausende hatten das Verlangen, bei einer großen Schiffahrts-Gesellschaft ein Enga- gemcut zu erhalten. ES gelänge aber wenigen, weil die meisten ohne praktische und theoretische Erfahrungen nach der Seestadt gingen, in unlautere Hände verfielen usw. Diepraktischen und theoretischen Ersahrungen" gibt natürlich auch Herr Kessel nicht, kann sie nicht geben, ihm kommt eS lediglich auf die auSbedungeneu 2 Mark an. In ähnlicher Weise geht ein Stellenvermittler in Kiel   vor. Dies« Leute sollen, wie uns von glaubwürdiger Seite mitgeteilt wird, Hunderte von Gesuchen erhalten, ein Beweis, daß die Dummen nie alle werden. Wir möchten die jungen Leute aller Berufe auf das dringendste warnen, auf derartige, Annoncen hereinzufallen. Auf der Suche nach Material für die ReichSverstchervn». Der Bergiiche Fabrikantenverein versendet an seine Mitglieder ein Zirkular, oaS das StigmaUm strenge Geheimhaltung wird ersucht" trägt. Daraus geht hervor, daß die Arbeitgeber im Vor- stand der allgemeinen Ortslrankenkasse zu Remscheid   Stellung zur Reichsversicherungsordnung genommen haben. Da aber die Be« hauptung, die Organisationen der Krankenkassen würden in den Dienst der politischen Parteien gestellt, Widerspruch fand, so wollen nun die Mitglieder des Bergischen FädvikantenvereinS Be- Weismaterial für diese Behauptung liefern. In dem Geheim, schreiben wird vringend ersucht, alle etwa bekannt gewordenen Fälle, in denen von Angestellten der Krankenlassen in irgendeiner Weise versucht worden ist, un- organisierte Arbeiter zum Eintritt in eine Organisation(Ge- werkschaft. Partei oder dergleichen) zu bewegen, möglichst sofort mitzuteilen und dabei auch solche Fälle mit anzuführen, in denen Arbeiter, die den sozialdemokratischen Bereinen nicht beigerk-ten sind, von den Angestellten der Krankenkassen schikaniert worden sind". Zum Schluß wird betont, daß bei Verwendung de» Material» Namensnennungen nicht stattfinden sollen und eS wird nachmaß strenge Verschwiegenheit zugesichert. Unterzeichnet ist daS Schriftstück von dem Vorsitzenden d«D Bergischen Fabrikantenvereins Arnold ManneSmann in Remscheid  . Der Verein umfaßt das ganz« Wirtschaftsgebiet des bergischen Landes, aber auch die Städte Elberfeld  , Barmen, Solingen  , ßeus rath usw._ Huö Induftrie und Rande!* Wie ti gemacht wird. Hinter die Kulissen der Großbanken leuchtet ein Artikel, den unser ftanzösisches BruderblattHumanitö" vorige Woche ver» öffentlicht«. Vor einigen Tagen weilte der König von Bulgarien  in Paris   und eS wurde ihm zu Ehren der übliche Klimbim veran» staltet, Banketts, Paraden, Feftvorstellungen in de» Theatern usw. Nun ist eS kein Geheimnis, daß der eigentliche Zweck seine» Be» such» der Abschluß einer Anleihe war. Aber warum dazu all der angeblich..patriotische" Klimbim sich nötig machte, da» erfährt die Oeffentlichkeit erst aus den folgenden Mitteilungen derHuma- nitä". Auswärtige Anleihen werden m Frankreich   stets durch emm« große Banken besorgt, die da» Geschäft gemeinschaftlich machen. Aber jede einzelne derartige Anleih« wird von einer be- stimmten Bank abgeschlossen, die von dem Gewinn einen größeren Teil abbekommt al» die übrigen Mitglieder deS Ringes. Um jedoch eine Konturrenz zu vermeiden, die dem Interesse aller nachteilig wäre, haben sie die verschiedenen Länder unter sich verteilt. ES besitzt also jede der Großbanken sozusagen ein festes Anrecht auf bestimmte Länder, und keine andere darf ihr da in» Gehege kommen. So gehört Rußland   dem Credit Lyonnais, Griechenland  dem Comptoir d'EScompte, Brasilien   der Societe generale usw. Wenn also Bulgarien   in Frankreich   pumpen will, so kann eS sich zur Verniittelung des Geschäfts nicht eine Bank nach seinem Be- lieben auswählen, sondern Bulgarien   gehört zu dem gewaltigen Bereich der Banque de Paris et des PahS-BaS(Pariser   und Hollan- dische Bank). ES kann sich also nur an diese Bant wenden, muß deren Bedingungen annehmen, sonst bleibt ihm der ftanzösische Markt verschlossen. Nun hat sich Ende vorigen JahreS etwa? ganz Entsetzliches er- eignet: der Credit Mobilier, eine Bank, die erst vor kurzem der Vereinigung beigetreten war. hat insgeheim mit der bulgarischen Regierung eine Anleihe von 100 Millionen abgeschlossen. Die Sache wurde ruchbar, die Banque de Paris geriet außer sich über diese Wilddieberei, die auf ihrem Gebiet verübt war und wandte sich an Herrn Pichon, Minister der auswärtigen Ange- legenheiten! Sie verlangte von ihm, sofort einzugreifen und sie gegen diesen nichtswürdigenDiebstahl" zu schützen I Ein der- artiges Ansinnen, sagt dieHumanitö", ist nichts Ungewöhnliches. Vielmehr ist das Departement des Herrn Pichon geradezu eine Filiale des erwähnten BankringeS, und es sieht eine seiner Auf- gaben darin, dessen Geldgeschäfte zu unterstützen und zu erleichtern. Herr Pichon enttäuschte auch keineswegs die Hoffnungen der Banque de Paris, sondern, um den Credit Mobilier an der Durch. führung deS Geschäfts zu hindern, verlangte er für die neue An» leihe unter dem Vorivande, daß Bulgarien   keine genügende Sicherheit biete ein besondere? Unterpfand; sonst werde sie nicht 1ur Börse zugelassen. Es trat natürlich der Erfolg ein, den die Sanque de Pari» haben wollte: Bulgarien   weigerte std& auf dies« Bedingung einzugehen, daS Geschäft fiel ins Wasser.   Aber nun braucht Bulgarien   doch da» Geld. ES wandte sich nach Oester- reich vergeben». Es wandte sich nach der Srfpveiz, und die Schweizer   Bankier» wandten sich ihrerseits an französische   Kapita- listen. Aber die französischen   Bankiers brachten Notizen in die Presse, worin sie das Publikum warnten, ein Papier zu kaufen, da» die Regierung nicht zur Börse zugelassen habe. So wurde der bulgarische Kredit auf dem französischen   Markt erschüttert. AlS ei so weit war.«in igten sicb die französischen   Banken über die Teilung de» Raube» und wollten nun das Geschäft wieder in Gang bringen. Dazu war nötig, erstens, daß der Minister einen Vor. wand bekam, um die Bedingung eines besonderen Unterpfandes |üg jeds neue bulgaxischq Anleihe»�4 heben; zweitens, daß