it. 165. N.AOgmy. t Stilage Ks Jotrttls" Kerlim WsdlM Sonntag. 17. AvltlSW. vie baNilche ssarteisrage. Die Parteipresse hat bis jetzt nur zum Teil und meist in knapper Form zu der Budgetbewilligung der Mehrheit der badischen Landtagsfraktion Stellung genommen. Sie begnügt sich entweder damit, die offenbar erst kurz vor Redaktions ' schluß eingegangene telegraphische Nachricht ohne jeden Kom mentar wiederzugeben, oder aber— in Erwartung näherer Information über die Gründe der badischen Genossen-» einst weilen nur mit kurzen Randglossen zu versehen. Die badische Parteipresfe legt ausführlich die Gründe der Budgetabstimmung dar. Um unsere Leser so objektiv als mög lich zu informieren, geben wir einen Artikel der„Karls ruher Volks stimme", der gleichlautend noch von mehreren anderen badischen Parteiblättern gebracht wird, im vollen Wortlaut wieder, trotzdem wir gestern bereits nach telegraphischer Meldung einen Auszug daraus gebracht hatten. Wenn das Karlsruher Parteiorgan davon spricht, daß die „Stimmungsmache" bereits wieder beginne, so wird es uns ehrlicherweise zugestehen müssen, daß wir alle Pflichten einer loyalen Auseinandersetzung zu erfüllen bestrebt sind. Ueber Haupt wäre es besser, wenn die badischen Verteidiger der Budgetbewilligung den Vorwurf der Stimmungsmache nicht erheben würden. Denn gegen die Verletzung eines Partei- tagsbeschlusses sofort entschiedenen Protest zu erheben, ist doch wohl nur Pflicht der Parteipresse und Parteiorganisationen I Der Artikel der„Karlsr. Volksst." lautet: „Gestern spielte sich noch ein politisches Ereignis ab, das in den nächsten Tagen der Gegenstand politischer Erörterungen in den Zeitungen aller Parteien auch außerhalb der gelb-roten Grenz- pfähle bilden wird. Das Finanzgesetz wurde mit allen abgegebenen Stimmen bei drei Stimmenthaltungen(Geck, Mansch und Stockin- ger) angenommen. Es stimmte also auch die sozialdemokratische Fraktion mit Ausnahme der oben genannten drei Abgeordneten für das Budget. Genosse Dr. Frank begründete dieses Votum: „Es läge nahe, durch die Ablehnung des Finanzgesetzes da- gegen zu demonstrieren, daß wir noch immer nicht als gleichbe- rechtigte Staatsbürger behandelt werden. Mit Rücksicht auf die politische Situation aber, wie sie-sich in der letzten Zeit gestaltet hat, verzichten wir auf diese Demonstration und stimmen für das Finanzgesetz." Das sind nur zwei kurze Sätze, aber sie besagen für den Kenner der badischen Politik genug, um die Gründe zu erforschen, welche die sozialdemokratische Fraktion veranlatzten, diesen schwer- wiegenden und verantwortungsvollen Beschlutz zu fassen. Die Frage:„Für oder gegen das Budget?" war für die sozialdemokratische Fraktion gleichbedeutend mit der Frage: Für oder gegen das Interesse der sozialdemokratischen Partei unddesbadifchenVolkes, soweit es gewillt ist, der klerikal- konservativen Reaktion Halt zu gebieten. Noch am Tage vor der Abstimmung war die Fraktion entschlossen, gegen das Budget zu stimmen. Sie hatte Gründe, die eine solche Abstimmung gerechtfertigt hätten— wenn die politische Situation nicht im letzten Augenblick eine entgegengesetzte Abstimmung zu einer zwingen den politischen Pflicht gemacht hätte. Durch die erfolgreiche positive Mitarbeit und die kluge Taktik der sozialdemokratischen Fraktion, die auch von ihren erbittertsten Feinden unumwunden anerkannt werden mutz, ist die klerikal-kon- servative Reaktion in Baden arg ins Gedränge gekommen. Die Jahrzehnte hindurch erprobte und immer erfolgreiche gerissene Taktik des Zentrums, seine politischen Gegner zu zersplittern, immer mit zwei Eisen im Feuer operierend, ist in Baden gegen» über der von der Sozialdemokratie befolgten Taktik zuschanden ge- worden. Zum ersten Male mutzten es die Zentrumsdiplomaten er- leben, daß ihre Diplomatenkünste nichts mehr nützen, sobald es ge- lingt, der Reaktion«ine aktionsfähige Mehrheit entgegen- zustellen. Das ist in Baden mit dem Grotzblock erstmals gelungen und zwar mit einem Erfolg, der weit über die Grenzen Badens hinaus von großer Bedeutung ist. Was dem Zentrum in der zweiten Kammer nicht gelungen war, das wollten die konservativ-klcrikalen Junker in der ersten Kammer bewerkstelligen, die Aktionsfähigkeit des Grotzblocks dadurch un- möglich zu machen, daß sie den Minister, der Anwartschaft hat. zukünftiger Staatsminister zu werden und der Lulfe an JVapolcon» Zum 19. Juli. Die zum heroischen Drama aufgeputzte Affäre von Tilsit, die Begegnung von der Königin Luise und Napoleon , ist in allen Einzel- heilen jetzt hinlänglich bekannt. Wir wissen, wie sich die Königin zu dem Kaiser drängte, der sie nicht eingeladen hatte; wie sie versuchte einen von Hardenberg aufgezeichneten Text— in der Rolle der gänzlich unpolitischen Mutter und Gattin— herzusagen, während sich Napoleon galant nach der Herkunft ihres entzückenden Kleides erkundigte; wie die Frau, die doch ihre so lange um- schmeichelte und daher überschätzte Liebenswürdigkeit von dem eben noch als dem aus dem Kot einporgektommenen Teufel beschimpften Cäsar günstigere Bedingungen zu erschmeicheln hoffte, dann von dem gewaltigen Manne selbst erheblich bezaubert wurde und in strahlender Zuversicht einer geglückten Mission die Szene verließ. Selbst als sie ihre Täuschung eingesehen hatte, daß sich Napoleon in seiner Politik nicht durch eine anmutige Frau beeinflussen ließ, klammerte sie sich mit erneuten Bitten, bei gemeinsamen Dieners, an den Kaiser, sodaß dieser schließlich unwillig sagte:„Wie können Sie mir noch zu guterletzt etwas abpreffen wollen." Als sie endlich die AuSstchrs- losigkeit ihrer Bemühungen erkennen mußte, schmähte sie den Un- ervililichen wieder, wahrend Napoleon sich sehr nobel über sie äußerte:.Sie ist nie meine Freundin gewesen, ich weiß es wohl. aber ich vergebe eS ihr leicht. Als Frau hatte sie eS nicht nötig. die politischen Interessen genau abzuwägen. Sie ist für ihre Jmpemosität bestraft, aber schließlich, sie hat Charakter im Unglück bewiesen. Sie hat mir über ihre Stellung mit vielem Interesse ge- sprachen, ohne irgend einen Schrttt zu tun, der ihre Würde beern- trächtigen könnte." In den Briefen LuisenS aus der Memeler Zeit ist viel von Tugend und Entsagung die Rede. So schreibt sie z. B. an ihren Vater:„Auf dem Wege des Rechts leben, sterben, ja, wenn eS sein mutz. Brot und Salz effen,-nie, nie werde ich unglücklich sein.... Nur Unrecht, nur Unzuverlässigkeit des Guten unsererseits bringt mich zu Grabe." Ts wäre eine nicht unlustige literarhistorische Aus- gäbe, zu untersuchen, wie Luise in ihren schriftlichen Aeußerungen durch den Stil des deutschen Lafontaine, der ihr Lieblingsautor war, wie er von der edlen Philisterweiblichkeit verschlungen ward, beeinflußt wurde. Tieck hat diesen Klassiker Luisens als den„großen Bach' geschildert, der so klar fließt, daß man jeden Kiesel auf dem Grunde zählen kann, und »seinem Wesen nach Unschuld und Liebe", in jedem Tropfen voll Süßigkeit ist. Der behandelte in Hunderten von Bänden, die mit lehrhaften Briefen angefüllt waren, den Sieg der Tugend durch ihre Standhaftigkeit nach langem unverdienten Glück. In diesem Geist schrieb auch Luise ihre Briefe. Der Stil ihres Lebens war anders; sie dachte nicht daran, sich mit Salz und Brot zu be- gnügen— in den Hungertagen des Volkes verschlang der Hofstaat dringend verdächtig ist, sich mit dem Grotzblock abfinden zu wollen, zu stürzen. Herr v. Bodman ist, wie Genosse Dr. Frank einmal sagte, eine komplizierte Natur; von den badischen Ministern ist er zweifel- los der weitaus tüchtigste und begabteste. Zwar schleppt er das Bleigewicht veralteter Traditionen am Bein, aber schon mehr wie einmal hat er ein überraschendes Verständnis für die moderne gesellschaftliche Entwicklung und die in ihr wirkenden Kräfte be- wiesen. So passiert es ihm, einmal nach links, dann wieder nach rechts anzustoßen. Dazu kommt die zweifellos schwierige Stellung, die er in der gegebenen politischen Situation der Krone gegenüber hat. Das alles mutz man kennen, wissen und berücksichtigen, wenn man die oft widerspruchsvolle Haltung dieses Ministers verstehen und begreifen will. Seit Monaten ist es öffentliches Geheimnis, daß die klerikal- konservative Reaktion Herrn v. Bodman dasselbe Schicksal zu bereiten bestrebt ist, dem seinerzeit Minister Schenkel zum Opfer gefallen ist. Die Zentrumspresse hetzte hinter ihm her, wie die Jagdhunde hinter einem angeschossenen Wild. In der ersten Kammer sollte der letzte tödliche Schutz abgefeuert werden. Die andern Minister hatten alle ihre Gesetzentwürfe unter Dach und Fach gebracht. Herr v. Bodman hat dem Landtag die wich- tigste Borlage mit dem Gesetzentwurf betreffend die Reform der Gemeinde- und Städteordnung vorgelegt. Ge- lingt es ihm nicht, ihn durchzubringen, dann ist seine Ministerlauf- bahn ziemlich sicher abgeschlossen. Am Donnerstag nachmittag sollte die Entscheidung fallen. Der brutale Klassenegoismus einiger„liberaler" Kommerzienräte kam den klerikal-konservativen Junkern zustatten und so holte denn der ultramontane Junker von S to hingen zu dem vernichtenden Schlage aus, indem er darauf abhob, datz die Sozialdemokratie, die er als eine schwere politische Krankheit charakterisierte, in Baden ungleich stärker gewachsen sei als im Reiche. Das sei die Folge einmal der klugen Taktik des Revisionismus, der eine schleichende und daher noch gefährlichere Krankheit sei, wie ver Radikalismus in der Sozialdemokratie. Dann aber schob er die Schuld für dieses starke Wachsen der Sozialdemokratie auf die Konzessions Politik gegenüber derselben, wie sie insbeson- dere von dem Minister v. Bodman betrieben werde. Diesen charakterisierte er quasi als Führer des Grotzblocks und als Schrittmacher der Revolution, die unfehlbar komme, wenn mit der Konzessionspolittk nicht baldigst Schluß gemacht werde. Eine solche Konzcssion sei auch die demokratische Ausgestaltung der Gemeinde- und Städteordnung, die den EinflutzderSozial- demokratie steigere. Geschlossen stimmten die Junker deshalb gegen die Vorschläge der Kommission� um so das Gesetz und damit Herrn von Bodman zu Fall zu bringen. Dieser antwortete nicht mit den sonst üblichen Phrasen und Entrüstung, sondern er legte ein politisches Glaubens- bekenntnis ab, wie es bislang noch kein deutscher Minister abzulegen wagte. Er erklärte, datz er zwar manche der sozialdemokratischen Bestrebungen bekämpfe, so die gegen die Monarchie und gegen die Gesellschaftsordnung gerichtete; andere Besttebungen der Sozialdemokratie dagegen seien berechtigt und die Staatsklugheit erfordere, diesen Bestrebungen entgegen- zukommen. Wörtlich führte er dann aus:„Die Sozial. demokratie ist ein« großartige Bewegung zugunsten des vierten Standes", der gegenüber man prüfen, wägen und wagen müsse. Man denke sich nur die Möglichkeit, ein preußischer Minister würde im preutzischen Abgeordnetenhaus unter ähnlich ge- lagerten Verhältnissen eine solche Erklärung über seine Stellung gegenüber der Sozialdemokratie abgeben und man wird sich über die politische Bedeutung und Trag- weite der v. Bodmanschen Aeußerungen ohne weiteres klar. Ein solcher Minister ist in Preußen nicht nur, sondern auch in verschiedenen anderen deutschen Staaten heute noch undenkbar. Die Ablehnung des Budgets an dem auf diese denkwürdige Auseinandersetzung zwischen dem politischen Minister Badens und den Vertretern der Reaktion auf der Adelsbank der ersten Kammer folgenden Tage seitens der Sozialdemokratie hätte nichts mehr und nichts weniger bedeutet, als datz die sozialdemokratische Fraktion dieses politisch« Glaubensbekenntnis des Ministers von Bodman , das für die künftige Gestaltung der politischen Verhält- nisse Badens von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, schlecht- hin ignoriert und damit diesen Minister der Rachsucht der klerikal-konservativen Junker geopfert hätte. Wer auch nur ein klein wenig Verständnis für diese politische Situatton hat, der gegenüber sich die sozialdemokratische Fraktion in diesem Augenblick befand, wird ihre Zustimmung zum Budget sicher verstehen riesige Summen— und um ihr Familienschicksal zu verbessern, verschmähte sie keine Demütigung. Im Lande faßte sie alles Geschehen als eine persönliche Famlliengeschichte auf, auch ganz wie ihr Lieblingsromanschreiber. Der Geist Lafontaines aber waltet nun über den heutigen Historikern Luises. Ist'S nicht ganz wie ein Stück Lesefutter aus untergeordneten Leihbibliotheken, wenn Bailleu, der letzte Biograph der Königin, bei der Schilderung des Tages von Tilsit sich wie folgt verzückt:„Die Schönheit der Königin strahlte niemals heller als in den dunklen Tagen von Tilsit. Die glänzend großen Augen in Schwermut leicht verschleiert, die sonst schon zur Fülle neigende Gestalt, die jetzt durch zehrenden Kummer zu zartem Ebenmaß verfeinert, vergeistigt schien, gehüllt in ein weißes silberdurchwirkteS Kreppkleid, dessen Falten anmutig an den schlanken Gliedern herabflossen, aus dem biegsamen Halse daS stolz erhobene Haupt unter dem Perlendiadem— so stand Königin Luise da, in Schmerz und Trauer, in hingebendem Opfermut eine rührende Verkörperung von Frauenschönheit." Es fehlt nur noch eine nähere Angabe über die historisch-dramatischen Strümpfe dieses Tages, um die ganze Schlechtigkeit des Teufels zu ermessen, den das alles nicht rührte I Indessen dieser Bailleu. der als Archivbeamter aus ge- Heimen Quellen schöpfen darf, hat sich daS eine Verdienst um die Geschichtsforschung erworben, wenn auch nur um die Personalien: er hat die L u i s e n l e g e n d e. deren neuer Vergoldung durch die 399 Ouartseiteu seines Buches(„Königin Luise . Ein Lebensbild. 1998") gewidmet waren, endgültig totgeschlagen, ES gibt dreierlei Arten von Geschichtsfälschung. Die dümmste ist die Ver- schweigung von Tatsachen, die klügere die Gruppierung von Tat- fachen, die wirksamste die umdeutende Kommentierung der leidlich genau mitgeteilten Tatsachen— im«ertrauen auf die unheimliche Macht gedruckter Werturteile. Bailleu bevorzugt die letzte Art, wenn er auch die beiden anderen nicht durchaus verschmäht. Dennoch bleibt seine Enthüllung einer verborgenen Urkunde unbegreiflich. Denn er vermag sie selbst durch keinen Kommentar in ihrer Wirkung wieder zu beseitigen. Er muß sich mit dem frommergebenen Stoßseufzer be- gnügen. er wünschte, da» Dokument hätte nie existiert. Der Fall ist nicht ander» zu erllären, als daß Bailleu, der schon Jahre vor dem Erscheinen seines Buches fein Luisenmaterial gründlich ausgebeutet hatte, doch für dieses selbst ein sensationelles Schaustück liefern wollte; die revolutionäre Literateneitelkeit siegte über den gutgesinnten Archivar. Es war schon bekannt, daß Luise noch im Jahre von Tilsit, trotz ihrer Erfahrungen beabsichtigte, dem Bronzeherz noch einmal ihre menschlich fühlende Brust zu bieten, als Bittstellerin zum Kaiser nach Paris zu fahren. Die Dame hielt eS nicht mehr aus in dem ostpreußischen Sibirien , und die Schreckensbotschaft, datz Napoleon ür bv Millionen Domänen in der Elbgegend konfiszierte, machte sie vollends geneigt, jedes Mittel zu versuchen, um Napoleon zu be- einflussen. Hatte Luise schon jämmerlich geklagt, daß der Teufel über die polnischen Domänen verfügt hatte sdie Preußen doch erst frisch ihren und zu würdigen wissen. Das war ein historischer Augenblick, der, wenn er verpatzt wurde, auf Jahre hinaus unsere politi- scheu Verhältnisse zugunsten der schwarz-bWien Reaktion beeinflußt hätte.'Und das einer völlig nutzlosen Demon- stration wegen, die nur die eine praktische Folge gehabt hätte, daß das Zentrum nicht durch«Eigene Klugheit, sondern durch die Unllugheit seines gefährlichsten Gegners wieder festen Boden� gefaßt und seine politischen Chanctzfl dadurch erheblich verbessert hätte. Die sozialdemokratische Fraktion hat also nur das getan, was die Klugheit, die Kflicht und das Interesse der Partei und der großen Mehrheit des badischen Volkes ihr geboten haben. Das Gegen- teil wäre ein unverzeihlicher politilscher und taktischer Frevelt gewesen, der sich bitter, sehr bitter gerächt hätte." Eme Würdigung dieser Darlegungen finde! der Leser frt unserem heutigen Leitartikel. „Hamburger Echo": „Wir wissen bisher nicht, ob Frank über die„besonderen politischen Verhältnisse" noch weitere Bemerkungen gemacht hat. Aber die Einleitung der von ihm abgegebenen Erklärung hätte für die Fraktion, von der sich drei Genossen trennten, Veranlassung sein müssen, entschieden gegen das Gesamtbudget zu stimmen und der Regierung das Vertrauensvotum zu verweigern, die noch immer nicht die völlige politische Gleichberechtigung der sozial- demokratischen Staatsbürger anerkennen will. Das allein schon hätte Grund genug sein müssen dafür, daß die badische Fraktion eine gegenteilige Stellung eingenommen hätte. Aber die Badenser Parteiparlamentarier haben doch wohl auch die Pflicht, sich P ar te i t ag s be s ch l ü s s en zu fügen. Der Parteitag in Nürnberg hat vor zwei Jahren nach langen, heftigen Auseinandersetzungen beschlossen, datz die damals zur Erörterung stehende Budgetbewilligung in Baden , Württem« berg und Bayern nicht mit den in Lübeck und Dresden beschlossenen Resolutionen vereinbar sei, daß grundsätzlich die Verweigerung des Budgets aufrecht erhalten werden müsse. Danach durfte man, trotz der von den Süddeutschen verfochten«» gegenteiligen Auffassung, wohl annehmen, daß sie sich dem Parteitagsbeschlutz fügen würden. Statt dessen haben jetzt die badischen Abgeordneten in einer Form das Gegenteil getan, die wie eine direkte Provo» kation der Gesamtpartei aussieht. Sie geben Gründe an, die sie veranlassen müßten, gegen das Budget zu stimmen, und stimmen dann für dasselbe. Das ist eine Art des Verfahrens, wie es bisher in der Partei noch nicht dagewesen ist, und sicher wird unter den Parteigenossen helle Entrüstung über diese absichtliche Nichtachtung der ParteitagSbeschlüss« entstehen. Und mit Recht. Die vor zwei Jahren in Mürnberg stattgehabten Debatten sind auf diejenigen, die sie zur einheitlichen Taktik zurückführen sollten, wirkungslos gewesen und auf dem dies- jährigen Parteitag wird die Frage von neuem behandelt werden müssen. Wollten die Badenser das provozieren? Auch dann haben sie einen verkehrten Weg eingeschlagen. Es kann sie niemand hindern, anderer Meinung zu sein, als die Mehrheit der Partei im ganzen Reich. Wenn sie sich durch deren Beschlüsse beengt fühlen, so sollen sie versuchen, den Parteitag zu einer anderen Meinung zu bekehren. Aber sich einfach über die Partei- tagsbeschlüsse hinwegzusetzen und ihnen entgegenzu- handeln, das heißt, die Partei selbst in schwerster Weise brüskieren und ihre Aktionen lähmen. Dagegen muh mit aller Entschiedenheit Einspruch erhoben werden." „Bremer Bürger-Zritung"? „Wir befürchten nur, datz die Arbeiterschaft diesen neuesten Streich der Badenser etwas anders beurteilen wird, zumal eS schwerlich plausibel gemacht werden kann, datz die politischen Vev- Hältnisse in Baden so„besonders" sind, eine Budgetbewilligung geraten erscheinen zu lassen. Gibt ooch die Franksche Erklärung selbst zu, daß von einer„völligen politischen Gleichberechtigung der sozialdemokratischen Staatsbürger" auch in Baden nicht die Rede sein kann. Aber trotzdem erteilen Sozialdemokraten der badisch«, Regierung ein Vertrauensvotum... UebrigenS bekannt- lich nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letzten Male— trotz aller Resolutionen der sozialdemokratischen Parteitage. Es ist ein- fach ein Skandal!" „Schleswig-Holsteinische Bolkszeitung": „Wir sehen in der Zustimmung der badischen Genossen zu devt Budget einen groben Verstotz gegen die Parteidisziplin und die Beschlüsse sozialdemokratischer Parteitage. Die Beschlüsse der Parteitage in Lübeck (1991) uni» Nürnberg (1998) lassen keinen Zweifel darüber, datz die sozialdemokratischen Vertreter im Reichs- Besitzern abgenommen hatte), so bettachtete sie den Verlust eine? Teils der preußischen Domänen als direlte Beraubung ihrer Familie. „27 Marschällen und Generälen hat er die Domänen de» Königs in Polen verschenkt und dem Sachsenlönig das ausgesogene, unzu« friedene, höchst unglückliche Land, was so bewogen sei, wie noch keines", hatte sie im August an ihre Brüder geschrieben. Jetzt, im Herbst des Jahres, bekritzelte sie das Papier mit diesen entsetzten Bekenntnissen:„Kaiser Napoleon nimmt die Domänen des Königs in Besitz und läßt sie für sich durch Persohnen, die er dazu bestimmt, administriren.... Wir haben alles Verlohren. Lebe« tun wir noch, und dieses Leben weniger unan- enehm zu machen, kann jetzt unser einziger Trost ein. Ein Clima zu suchen, waS milder ist und gesünder als die Sümpfer Preußens, bleibt uns also noch übrig. Wir müssen doch nun bald dieses Land räumen, welches einer Wüste täglich ähnlicher wird.... Und wir nebst unserer Familie nehmen den Wanderstab in Händen, und suchen einen Winkel, wo eS sich besser leben läßt alS hier." Bon Salz und Brot ist hier nicht mehr die Rede, auch nicht von Ehre und Recht, nur noch im weiteren Verlauf von der Welt, in der das Laster gedeiht--- dem König„seine" Domänen zu nehmen. Stein verhinderte diese Reise nach Paris , nicht aber den B r i e f, den Bailleu zum ersten Male veröffentlicht. Luise hat eigentlich zweimal an Napoleon geschrieben. DaS erstemal richtet sie ihre Wünsche an ihre in Paris lebende Schwester Therese, die sie Napoleon übermitteln sollte. Ohne den Erfolg erst abzuwarten» schrieb sie ungefähr den gleichen Text dann an den Kaiser un- mittelbar. Dieser Brief Luisens an Napoleon vom 4. November 1897 lautet in der Bailleuschen Uebersetzung: „Sire. Prinz Wilhelm, der diesem Briefe unmittelbar folgen wird, ist mit Vorschlägen für Eure Majestät beauftragt, deren glücklicher Ausgang uns vor allem am Herzen liegt. WünschenS- wert unter jedem Gesichtspunkt ist die Herstellung eines guten und dauernden Einvernehmens zwischen Frankeich und Preußen. Ich habe meiner Schwester, der Prinzessin von Thurn und Taxis, geschrieben, da ich aber nicht weiß, ob sie Gelegenheit gehabt hat, Eure Majestät von dem Inhalt meines Briefes zu unterhalte» oder ihn zu Ihrer Kenntnis zu bringen, so wage ich hier noch- malS zu wiederholen, was den glühendsten Wunsch meines Herzens ausmacht: Die Räumung des Landes, welches durch die Anwesenheit der Armeen entsetzlich leidet; seine Hilfsquellen werden unwieder- bringlich vernichtet, wenn das so fortgeht; es wird sich nie er- holen können und keine Hoffnung mehr bieten, weder uns noch unseren Freunden. Da Ew. Majestät der unsrige sei» können, so berauben Sie sich selb st einer Hilfs- quelle, auf die Sie sicher rechnen dürfen. Die nahe Rück.kehr nach Berlin ist noch eine natürliche Folge von dem, was ich Eurer Majestät dargelegt habe. Sie ist besonders wünschenswert für mich, die mehr als irgend eine andere körperlich und geistig leidet. Als zärtliche
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