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Nr. 165. 27. Zahrgavz. 2. KeilM i>cs Jitmätls" Krlim WsblM Smitihg, 17. Inli 1910. £)nen Blick in das Berliner Aohnungselend gestatten die seit 1302 alljährlich vom Vorstande der Ortskranlen- kaffe der Kaufleute. Handelsleute und Apotheker herausgegebenen. von Albert K o h n, dem Vorsitzenden der genannten Kasse, be- arbeiteten WohnungSenqueten. Diese Erhebungen zeigen schlagend. wie schlechte Wohnungsvcrhältnisse die Krankcnhilfe ungünstig be- einflussen und zur Verbreitung von Krankheiten beitragen. Die einwandfreien, zahlenmäbigen Feststellungen von Mistständen im Wohnungswesen werfen grelle Schlaglichter auf das Berliner Woh- nungselend überhaupt. Sie leuchten hinein in die Höhlen der Armut und lassen erkennen, daß ein erschreckend grotzer Teil der Berliner Proletarier eines seiner notwendigsten Lebensbedürfnisse, nämlich das Wohnungsbedürfnis, in einer durchaus unzureichenden Weise zu befriedigen gezwungen ist. ES ist natürlich, daß bei solchen Untersuchungen, wie sie die Ortskrankenkasse der Kaufleute usw. vornimmt, auch Mißstände aufgedeckt werden, die nicht nur in der schlechten wirtschaftlichen Lage der Wohnungsmieter, sondern mehr noch in der gewissenlosen Profitsucht mancher Hausbesitzer ihre Ursache haben. Kein Wunder, daß derartige Veröffentlichungen den ausgepichten Hausagrariern recht unbequem sind. Aus diesem Grunde hat ja der Preußische Landesverband der HauS- und Grundbesitzervereine im Jahre 1907 einen Vorstoß zur Unter- drückung der WohnungSenqueten der Ortskrankenkasse der Kauf- leute unternommen. DaS Verlangen des genannten Verbandes, der Krankenkasse die Verwendung von Kassenmitteln für die Woh- nungsenquete zu untcvsagen, wies der Berliner Magistrat zurück, der Handelsminister aber sprach das von den Haus- und Grund- Besitzern geforderte Verbot aus. Erst im Verwaltungsstreitver- fahren, in letzter Instanz durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Januar 1310 sicherte sich die Kasse das Recht, ihre Woh- nungSenqueten vornehmen und auf ihre Kosten veröffentlichen zu lassen. Die KaufmannSkasse hat sich durch ihre WohnungSenqueten ein unbestreitbares soziales Verdienst erworben. Die eben erschienene, von der Ortskrankenkasse der Kaufleute «sw. unternommene Wohnungsenquete für 1903 bietet gleich ihren Vorgängerinnen wertvolles Material zur Beleuchtung deS Wohnungselendes der Berliner Proletarier. Selbst eine sonst einwandfreie Wohnung muß für ihre ge- sunden, aber mehr noch für ihre kranken Bewohner ein Mißstand werden, wenn sie nicht genügend Na u m bietet. Bekannte Hygieniker fordern als Mindestmatz der Bodenfläche 16 bis 20 Ouadratmeter für Wohn- und 20 25 Quadratmeter für Schlaf­räume. Albert Kohn, der Bearbeiter der voliegenden Enquete, legt ein Mindestmaß von nur 12,18 Quadratmeter zugrunde und findet, daß von den erwerbsunfähigen Kranken seiner Kasse denn nur auf solche bezieht sich die ganze Erhebung 538 Männer und 498 Frauen in Räumen wohnen, die diesen bescheidenen An- forderungen nicht entsprechen. 67 Männer und 49 Frauen hatten in ihren Wohnungen noch weniger als 6 Quadratmeter Bodenfläche. Legt man die angeführten Forderungen der Hygieniker zugrunde, so findet man, daß diese b e i 4197 Män­nern und 3992 Frauen nicht erreicht wurden. Die Berliner Baupolizeiordnung verlangt für Wohnräume eine Mindesthöhe von 2,80 Meter. Die Wohnungen von 1626 Männern und 1471 Frauen blieben hinter dieser Forderung zurück. 62 Männer und 57 Frauen wohnten in Räumen, die weniger als 2,35 Meter Höhe haben. Ja, bei 44 Personen waren die Wohn- räume nur 1,95 Meter und bei 10 Personen nur 1,60 Meter hoch. Wenn auch die alten Häuser mit derartigen Wohnlöchern ach und nach dem Abbruch verfallen, so ist doch ihre Zahl, wie auS den vorstehenden Angaben hervorgeht, immer noch erschreckend groß. M�n kann annehmen, daß immer noch Tausende von Proletariern iin solchen engen und dumpfen Winkeln hausen, die als menschen» würdige Wohnungen nicht angesprochen werden können. Soviel über das Wohnungselend, soweit eS durch an sich zu ileine Räume verursacht wird. Eine andere Seite des Woh- nungsclends ist die, daß sich in einer Wohnung, die einer Kleinen Zahl von Personen genügend Raum bieten würde, eine größere Anzahl von Menschen zusammenzudrängen gezwungen ist. Dadurch schwindet nicht nur jede Annehmlichkeit und Behaglichkeit, welche die Wohnung bieten sollte, sondern eine solche Wohnung ist eine ständige Gefahr für die Gesundheit ihrer Bewohner, denen das notwendigste Lebensbedürfnis, die frische Luft, mangelt. Alb. Kohn nimmt als den Mindestluftraum, der auf eine Person kommen soll, 20 Kubikmeter an. DaS ist eine recht bescheidene Forderung: angesehene Hygieniker verlangen 30 35 Kubikmeter selbst für Ge- säugnisse. Und dennoch zeigt die Erhebung, daß sich 3404 Männer und 2939 Frauen in Räumen aufhielten, die diesen Anforderungen nicht entsprechen. In Räumen, wo dem einzelnen ein Luftraum von noch nicht 10 Kubikmeter zufällt, lebten 1969 Personen und mit einem Luftraum von höchstens 5 Kubikmeter mußten sich 213 Personen begnügen. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier aus- schließlich um Kranke. Für solche fordert Prof. Räbner. je nach der Schwere der Kvankheit. einen Luftraum von 40 60 Kubik­meter. Die Erhebung aber zeigt uns eine Reihe von Fällen, wo neben dem Kranken noch 6, 7 und mehr Menschen in Räumen Hausen, die überhaupt nur 2025, ja sogar nur 1015 Kubik- meter Luftraum enthalten, wobei der von den Möbeln eingenom» mene Raum noch nicht einmal abgerechnet ist. Als besonders erschreckender Zug in dem Elendsbild ist hervor- zuHeben, daß 79 Patienten in Räumen ohne Fenster hausten. Diese Aermsten sind also nicht nur von der frischen Luft völlig ab- geschnitten, sondern sie entbehren auch der belebenden Wirkung deS Sonnenlichtes. Nicht viel besser sind die 502 Personen daran, deren Wohnräume zwar so etwas wie Fenster haben, aber doch nur un- genügend mit natürlichem Licht versorgt werden. 301 Patienten wurden in Räumen angetroffen, die wegen Feuchtigkeit als gesundheitsgefährlich angesehen werden müssen. 397 Patienten be- wohnten Räume, die keine Heizgelegenhxit haben. So zeigt uns die vorliegende Wohnungsenquete auf jedem Blatte, sowohl in Tabellen wie in Einzelschilderungen, wahrhaft betrübende Bilder aus der Berliner Wohnungsmisere. Und diese« Bilder können noch nicht einmal die düstersten sein, welche das WohnungSelend liefert. Denn die Mitglieder der Ortskrankenkasse der Kaufleute usw. gehören ja bei weitem nicht zu den am schlechtesten gestellten Proletarierschichten. Wenn hier schon so düstere Elendsbilder entrollt werden müssen, wie mag eS dann erst mit den Wohnungsverhältnissen schlechter. gestellter Arbeiterschichten aussehen. Der Einfluß, den die Höhe deS Einkommens auf die Wohnungsverhältnisse hat, tritt übrigens auch in der vorliegenden Enquete deutlich hervor. Wir sehen, daß die Handlungsgehilfen im allgemeinen besser wohnen als die Hilft- arbeiter und»arbeiterinnen. Diese sind häufiger als die Hand- lungSghilfen in Hinterhäusern, namentlich aber in Keller- und Dachwohnungen sowie im vierten Stockwert anzutreffen. Wir sehen auch, daß Inhaber von Möblierten Zimmern und Schlaf- stellen im allgemeinen besser wohnen als ihre Vermieter, was sich daraus erklärt, daß Familien, die gezwungen sind, einen Teil ihrer Wohnung weiterzuvermieten, den besseren Raum ihren Unter- Mietern überlassen und sich selbst auf engstem Raum zusammen- drängen. Die Enquete bestätigt die bekannte Tatsache, daß die Wohnungen in den Hinterhäusern im allgemeinen hinter den Vorder- Wohnungen in hygienischer Beziehung erheblich zurückstehen, und daß die für Proletarier bestimmte Mietskaserne den Anforderungen, welche an eine in jeder Hinsicht einwandfreie menschliche Wohn- statte gestellt werden müssen, durchaus nicht gerecht wird. Gewiß haben viele Mißstände im Wohnungswesen ihre Ursache nicht in der Beschaffenheit der Wohnung, sondern in dem Umstand, daß die Wucherpreise, welche für Arbeiterwohnungen verlangt werden, die Arbeiter zwingen, sich mit ihren Familien und in vielen Fällen noch mit Schlafgängern in kleinen Räumen zusammen- zudrängen. So ist es auf der einen Seite das niedrige Ein- kommen des Arbeiters, auf der anderen Seite der die Mieten zu unerschwinglicher Höhe hinauftreibende Grund st ücks- Wucher, wodurch das proletarische Wohnungselend verschuldet wird, von dem die vorliegende Enquete ja nur einen ganz kleinen Teil zeigt. Das aus diesen Ursachen resultierende WohnungSelend wird im wesentlichen bestehen bleiben, so lange die Befriedigung des Woh. nungsbedürfnisses ein Gegenstand kapitalistischer Spekulation und der Wohnungsuchende ein Ausbeutungsobjekt für den Bodenwucherer ist. Wenn die Gemeinden, wie es die Sozialdemokratie fordert, eine den Interessen der Allgemeinheit dienende Wohnungspolitik treiben würden, dann könnte vieles im Wohnungswesen gebessert werden. Aber noch haben ja die Haus- und Grundbesitzer die Herrschaft in den Gemeindeverwaltungen und sind deshalb in der Lage, jede Reform zu hintertreiben. Ihre Herrschaft zu brechen, Sozial- demokraten an ihre Stelle zu setzen und dadurch unter anderem auch den sozialdemokratischen Forderungen hinsichtlich der Wohnungs- reform zur Durchführung zu verhelfen, muß die Aufgabe jedes Freundes einer gesunden Wohnungsreform sein. Jiiis Induftne und Ftandel* Vom Kohlensyndikat. Aus Essen wird telegraphiert: Aus dem der Zechenbesitzerversammlung deS Rheinisch- West- fälischen Kohlensyndikats erstatteten Bericht ist folgendes zu ent- nehmen:, Der rechnungsmäßige Absatz betrug im Juni d. I. bei 25-4(im gleichen Monat des Vorjahres 24%) Arbeitstagen 5 601 353(Vorjahr 5 341 211) Tonnen oder arbeitstäglich 222 939 (Vorjahr 219 127) Tonnen. Von der Beteiligung, die sich auf 6 562 585(Vorjahr 6 337 718) Tonnen bezifferte, sind demnach 85,35 Proz.(Vor- jähr 84,23 Proz.) abgesetzt worden. Der Versand einschließlich Landdebit, Deputat und Liefe- rungen der Hüttenzechen an die eigenen Hüttenwerke betrug in Kohlen bei 25%(Vorjahr 24%) Arbeitstagen 4 562 332(Vorjahr 4 539 874) Tonnen oder arbeitstäglich 131 535(Vorjahr 136 251) Tonnen; an Koks bei 30(Vorjahr 30) Arbeitstagen 1 374 593 (Vorjahr 1 138 596) Tonnen oder arbeitstäglich 45 320(Vorjahr 37 953) Tonnen; an Briketts bei 25%(Vorjahr 24%) Arbeits- tagen 275 264(Vorjahr 244 560). Tonnen oder arbeitstäglich 10 956(Vorjahr 10033) Tonnen. Hiervon gingen für Rechnung des Syndikats an Kohlen 3 995 159(Vorjahr 3 976 826) Tonnen, oder arbeitstäglich 159 011 (Vorjahr 163 152) Tonnen, an Koks 834 839(Vorjahr 715 351) Tonnen oder arbeitstäglich 29 478(Vorjahr 23 845) Tonnen, an Briketts 266 300 Tonnen(Vorjahr 236 620) Tonnen oder arbeits- täglich 10 599(Vorjahr 9 707) Tonnen. Die Förderung stellte sich insgesamt auf 6 910 466(Vor- jähr 6 599 879) Tonnen oder arbeitstäglich auf 275 043(Vorjahr 270 764) Tonnen, und im Mai auf 6 562 909 Tonnen respektive 283 801 Tonnen. In der Entwicklung des Kohlenabsatzes ist in den Monaten Mai und Juni dieses Jahres im Vergleich zu dem Ergebnis des Monats Apri� kein Fortschritt zu verzeichnen. Der im Monat Mai erzielte Kohlenabsatz für Rechnung des Syndikats von insgesamt 3 826 814 Tonnen weist gegen den vormonatlichen Ab- sah einen Rück gang von 187 106 Tonnen auf. Im Juni hat der Versand von insgesamt 3 995 159 Tonnen gegen den Vormonat wieder eine Zunahme von 168345 Tonnen ergeben. Dieser blieb hinter dem Ergebnis im April bei gleichen Arbeitstagen be- züalich der Gesamtmenge um 19 361 Tonnen und bezüglich der arbeitstäglichcn Menge um 771 Tonnen zurück. Die Gründe für die eingetretene Abschwächung sind hauptsächlich in dem scharfen Wettbewerbe zu erblicken, der dem Syndikatsabsatz durch die englische Kohle und durch die außen st eh enden Zechen deS RuhrrevierS in immer stärkerem Maße im In- und Auslande erwächst. Ferner hat die zunehmende Verwendung von Braun. kohlen und Braunkohlenbriketts für Hausbrand- und industrielle Zwecke eine bemerkbare Beeinträchtigung des Steinkohlenabsatzes zur Folge, wie endlich auch die Störungen, welche die gewerbliche Tätigkeit infolge der Arbeitsein st ellung und Arbeits- aussperr ungen im Baugewerbe un d in der Eisen- industrie des Hagener Bezirks erlitten hat. iylf den Kohlenverbrauch von ungünstigem Einfluß gewesen sind. Der Koksabsatz hat einen verhältnismäßig befriedigenden Verlauf genommen. Der Syndikatsabschluß hat gegenüber dem Ergebnis des Monats April im Mai um 17 240, im Juni um 5112 Tonnen zugenommen. Auf die Beteiligungsanteile der Mitglieder beziffert sich der Absatz im Mai auf 73,38 Proz., im Juni auf 75.34 Proz., wovon je 1,24 Proz. auf Koksgrus entfallen, gegen 75,61 Proz. (einschließlich 1,41 Proz. Koksgrus) im April d. I. Der Brikett- a b s a tz hat sich im Inland nicht gebessert, konnte aber durch ver- mehrte Ausfuhr auf dem bisherigen Stande erhalten werden. Der gegen April d. I. im Mai eingetretene Rückgang wurde im Juni wieder eingeholt. Auf die Brikettsbeteiligung wurden im Mai 78,74, im Juni 74,36 Proz. abgesetzt. Das günstigere Verhältnis des Absatzes zur Betcilung im Mai ist darauf zurückzuführen, daß dieser Monat eine für zwei Arbeitstage geringere Beteiligungrate als der Juni umfaßt. Das Versandgeschäft hat sich in beiden Berichtsmonaten ohne größere Störungen vollzogen. Mitte Mai machte sich vorübergehend Wagenknappheit bemerkbar. Der Schwindel platzt. Noch nicht lange, nur etwa ein Jahr, ist es her. daß die Kolonialpapiere an den deutschen Börsen auf einen geradezu schwindelhaft hohen Kurs, bis über 2000 Proz.. ge- trieben wurden. Es liegt auf der Hand, daß selbst die größte Aus- beutung der Kolonien das niemals bezahlt machen kann. Es konnte deshalb nur eine Frage der Zeit sein, wann der rapide Sturz dieser Papiere beginnen werde. Der Moment scheint jetzt ge- kommen zu sein. Die Anteile derDeutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika" z. B. sind in wenigen Wochen um 275 Proz. gefallen! Den Verlauf ihrer Kursbewegung zeigt folgende Auf- stellung: 1908: März 175 Proz., Dezember 410 Proz.. 1909: Mai 1080 Proz., Juli 2100 Proz., 1910: Februar 1700 Proz.. Juni 1700 Proz., Juli 1425 Proz. Es ist das ja immer noch enorm hoch, viel höher als irgendein vernünftiger Betrieb in den Kolonien rechtfertigen kann; aber man sieht doch, mit. weicher Gewalt die AdwärtIbewegung einsetzt. Vermilebtes. Wie die russische Postverwaltung recherchiert. Die Geschichte eines Postpakets liefert ein drastisches Beispiel von der grenzenlosen Bummelei der russischen Postverwaltung. Nach demVerl . Tagebl." wurde am 4. November 1909 ein Postpaket von einem Berliner Kaufmann an einen Kunden nach Warschau gesandt; es blieb dort unbestellbar und bei der Zollrevision in Alexandrowo war es g e st o h l e n. Der Berliner Kaufmann wandle sich in einem Beschwerdeschreiben am 22. Januar an das kaiserliche Postamt 25 in Berlin und erhielt am 3. Februar folgende Antwort: Nach einer soeben hier eingegangenen Mitteilung des Zentral« postkontors in Warschan ist das von Ihnen hier am 4. November eingelieferte Paket nach Warschau am 2. Dezember 1909 bei der unter Zollverschluß erfolgten Rücksendung zwischen Warschau und Alexandrowo b e st o h l e n worden. Die russische Postverwal- tung hat infolgedessen das Paket zu Uutersuchungszwecken zurück- behalten und wird dasselbe erst nach Beendigung dieser Unter- suchung zur Einleitung deS Ersatzverfahrcns zurücksenden. DaS Ergebnis der Untersuchung wird Ihnen nach dem Eingange der Mitteilung übermittelt werden. Der Kaufmann wartete geduldig bis zum 20. April auf eine Antwort. Als sie nicht eintraf, wandte er sich zum zweitenmal an die Oberpostdirektion und erhielt wenigeTage später folgendenBescheid: Auf Ihre Eingabe wird Ihnen im Auftrage der kaiserlichen Oberpostdirektion ergebenst mitgeteilt, daß die von der russischen PostVerwaltung eingeleiteten Untersuchungen noch immer nicht abgeschlossen sind. Erfahrungsgemäß nehmen diese Ermittelungen in Rußland einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten in Anspruch. Ohne Zahlungsermächtigung der russischen Postverwaltung kann Ihnen jedoch zunächst eine Entschädigung nicht gezahlt werden. Der Berliner Kaufmann wartete abermals einen ganzen Monat, da er annahm, daß eine einfache Untersuchung wegen Beraubung eine? Postpakets unmöglich so lange Zeit in Anspruch nehmen könne. Aber er hatte sich getäuscht. Am 11. Juni erhielt er folgende trost« reiche Antwort von der Oberpostdirektion: Die russische Postverwaltung hat die Untersuchung wegen Be« raubung Ihres Pakets i m m e r n o ch n i ch t abgeschlossen. Sie ist seitens der kaiserlichen Oberposldireklion hier am 4. noch- mals um baldige Mitteilung über daS Ergebnis der Untersuchung und den Umfang der Ersatzpflicht gebeten worden. Sobald Nach« richt eingeht, werden Sie benachrichtigt werden. Wieder ging ein Monat ins Land, aber der Kaufmann ruhte nicht und wandte"sich zum vierten Male an die Oberpostdirektion Berlin . Am 13. Juli erhielt er folgenden Bescheid: Auf das Ersuchen der kaiserlichen Oberpostdirektion vom 4. Juni an die russische PostVerwaltung um Mitteilung über daS Ergebnis der Untersuchung und den Unifang der Ersaypflicht für das von Ihnen nach Warschau eingelieferte Paket ist bisher keine Ant» wort eingegangen. Eine nochmalige Erinnerung ist veranlaßt worden. Wie lange eS nun noch dauern wird, bis der Berliner Kaufmann in den Besitz seines Eigentunis gelangt, daS steht in den Sternen ge- schrieben. Vielleicht nimmt die russische PostVerwaltung an, daß der Berliner Kaufmann, der eine solche Zähigkeit entfaltet, schließlich doch erlahmen und sein Guthaben an die russische Postverwaltung in den Schornstein schreiben wird._ Blutiges Ehedrama in Kiel . Der Produktenhändler Bartels aus der Wörther Straße in Kiel lauerte Sonnabend früh seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau auf und machte ihr zuerst Vorwürfe über ihre Untreue, verlangte dann aber, daß sie wieder zu ihm zurückkehre. Als die Frau dies ablehnte, ging Bartels mit einem Revolver auf sie los und feuerte fünf Schüsse auf die Frau ab. so daß sie blutend zu Boden sank. Dann richtete er den Revolver gegen sich selbst, die Kugel durchbohrte den Kehlkopf und verletzte ihn so schwer, daß er im Sterben liegt._ Eiscnbahnkatastrophe in Spanien . Nach einem Telegramm aus Madrid ereignete sich gestern morgen ein folgenschwerer Eisenbahnunfall unter folgenden Um« ständen: Kurz vor der Ankunft im Bahnhofe von Balladolid geriet die Achse eines Wagens Hl. Klasse des Expreßzuges Madrid« Hendaye in Brand. Der Reisenden bemächtigte sich eine Panik und sie zogen die Alarmglocke. Die Flanunen griffen rasch um sich und gingen auf andere Wagen über, die aus dem Geleise sprangen. Die Passagiere verließen die Wagen und hielten sich zum größten Teil auf dem Nebengeleis auf. In diesem Augenblick brauste der Süd» exprcßzug mit voller Geschwindigkeit heran. Ein Teil der Passagiere des verunglückten Zuges konnte sich nicht mehr in Sicherheit bringen und wurde von dem Expreß überfahren. Zwei Personen find tot, 19 wurden schwer und einige dreißig leichter verletzt. Kleine Notizen. Vom Blitzschlag getötet. Bei einem starken Gewitter wurde gestern nacknnittag in der Nähe von Landau der Tagelöhner Winkler. Vater von vier Kindern, vom Blitz erschlagen und der Tage- löhner Arbinger, ebenfalls Bater von vier Kindern, schwer ver« letzt. Auch zwei Kinder des getöteten Winiler sind ziemlich stark verletzt worden. Die Verunglückten hatten unter einem Birnbaum vor dem Wetter Schutz gesucht. In der Nähe deS Forsthauses Neuhaus bei Komolau wurde die siebzehnjähnge Tochter deS Pri» vatierS Genauck aus Pirna durch Blitzschlag getötet. Explosion ans einem englischen Kreuzer. An Bord deS Kreuzers 1. KlasseSutly" ereignete sich nach einer Meldung aus London bei dem gestrigen Flottenmanöver eine Pulvcrcxplosion, bei der fünf Leute der Besatzung schwere Brandwunden erlitten. DerSutlh" ist gestern abend im Hafen von Berehaven eingetroffen und hat vier der Schwerverletzten ausgeschifft, die nach dem Hospital gebracht wurden. Der fünfte war inzwischen seinen Verletzungen erlegen. Ucberfall auf einen Briefträger. In der Nähe von Nireghaza (Ungarn ) wurde der Briefträger Andreas Szylogyl von unbekannten Tätern ermordet und beraubt. Die Mörder hatten die Leiche auf das Bahngleis gelegt, damit sie von dem in kurzer Zeit fälligen Zuge zermalmt würde, um so die Spuren ihrer Tat zu verwischen. Der Briefträger wurde jedoch vor der Ankunft des Zuges auf« gesunden. In der Tasche des Briefträgers wurden nur noch einige wertlose Briefe gefunden. Ziigzusammenstoß. Auf der Station Kleinschadowitz (Böhmen ) lief ein Personenzug infolge falscher Weichenstellung auf mehrere KoblenwaggonS auf, wobei drei Personen verletzt wurden. Die Kohlenwaggons wurden vollständig zertrümmert. Neue Fälle von TyPhuS . Nach einem Telegramm aus Budapest waren gestern wiederum 15 Fälle von Typhuserkrankungen zu ver­zeichnen. von denen 3 tödlich verliefen. Zehn Personen getötet. Bei einem großen Brande, der in einer Mietskaserne in Bombay ausbrach, sind sieben Eingeborene in den Flammen umgekommen. Drei andere Personen erstickten und wurden als Leichen geborgen. Großfcucr. In Fulda ist in vergangener Nacht eine Waggon« fabrik durch ein Großseuer zum großen Teil zerstört worden. Der Schaden ist sehr groß; so weit bekannt, sind Menschen nicht ver« unglückt. Der Brand dauert fort. Militär ist zur Absperrung auf« bolen worden. Dynamit-Exploflon. Bei Bauarbeiten in der Nähe von Porte Perpigna» explodierte eine Dyiiamitpatrone. Fünf Arbeiter wurde» durch die Sprengstücke verletzt, darunter drei tödlich.