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Abermaliger Wahlrechtsraub in Waudsveck. Im Herbst 1909 wurde in Wandsbeck, nachdem trotz höchsten Wahlzensus die Sozialdemokraten einige Mandate erobert hatten, das kommunale Wahlrechtveredelt", indem beide Wahl- bezirke, von denen der eine millionenschwer und daher sozialistenrein ist, zu einem vereinigt wurden. Tas Experiment glückte, mit Hilfe der Villenbesitzer wurden unsere Genoffenge- schlagen". Bei derRevision" der Stadtordnung knüpfte man die Verleihung des Wahlrechts an ein Jahreseinkommen, welches, nach den Grundsätzen der Staatssteuerveranlagung ge schätzt, den Betrag von 1599 M. erreicht, während bis dahin der Staatseinkommen st euersatz von 16 M. Einkommen stufe 1359 bis 1599 M. in Frage kam. Auf die Einwände unserer Genossen erklärte der Oberbürgermeister Rauch:Nie mandem würden Rechte genommen, alles bleibe beim alten, es handele sich nur um die Zusammenlegung beider Bezirke; von einem Wahlrcchtsraub könne nicht die Rede sein." Jetzt liegt dieberichtigte" Bürgerrolle aus, und was unsere Ge nassen befürchtet hatten, ist eingetreten: sämtliche Wähler mit einem Einkomme» zwischen 1359 bis 1599 M. sind ausgemerzt worden, etwa 399 an der Zahl! Obgleich der Wähler mit einem Einkommen von 1351 M. denselben Steuersatz bezahlt wie'der Wähler mit einem Einkommen von 1599, ist er nqdh Auffassung der städti scheu Verwaltung nicht wahlberechtigt, weil die Stadtordnung ein Einkommen von 1599 M. vorschreibt. Unter Hinweis auf dieautoritative" Erklärung des Ober. bürgermeisters wird dieser Wahlrechtsraub sowohl im Stadtverord- neten-Kollegium als auch an anderer Stelle zur Erörterung ge- langen. Mit Dieser Matzregel glaubte man die Wirkung des Kinder- Privilegs paralysieren zu können; dieses hätte uns einen Stimmen- zuwachs von etwa 399 gebracht, so daß wir höchst wahrscheinlich bei dex nächsten Wahl gesiegt hätten. Stipendiaten des Zollwuchers. Der Vorsitzende des polnischen landwirtschaftlichen Zentral- Vereins für die Provinz Posen , Rittergutsbesitzer v. Jackorski, hat kürzlich auf der Generalversammlung dieser Organisation seinen Standesgenossen empfohlen, schon jetzt auf die Zukunft bedacht zu sein und zum Kampfe zu rüsten, da im Jahre 1917 die Erneuerung der Handelsverträge bevorstehe. Zum Kampfe für die unerhörte Ausplünderung des Volkes durch Brot- und Fleischwucher! Die Großgrundbesitzer fahren bei dieser Politik ja ganz ausgezeichnet, die polnischen nicht minder wie die deutschen . Ein polnisches kleinbürgerliches Blatt, der jtKurjer Poznan sk i", schrieb ja erst kürzlich: Das Wohlbefinden der Landwirtschaft äußert sich auch in ihrem Privatleben dadurch, daß prachtvolle Sitze gebaut werden, daß man Bäder besucht und weite Reisen unternimmt, und daß man verhältnismäßig ein ziemlich bequemes Leben führt. Paläste und ansehnliche Herren- sitze schießen jetzt in allen Kreisen wie die Pilze nach dem Regen, und nicht nur Magnaten fahren nach der Riviera und anderen schönen Gegenden, sondern auch kleinere Be- s i tz e r von tausend und weniger Morgen." Auch Herr v. Jackorski hob ja selbst in der erwähnten Ver- Sammlung hervor, daß die größeren Landgüter im Posenschen Zimmer größere Einnahmen abwerfen". ES wäre danach an der Zeit, daß sich auch diedemokratischen" Elemente unter den Polen energisch zu rüsten begännen, um der polnischen Reichstagsfraktion rechtzeitig alle agrarischen An- Wandlungen auszutreiben, resp. dafür zu sorgen, daß bei den Neu- Wahlen eine vorsichtige Auswahl der Kandidaten vorgenommen Wird!' Die Wirkungen der Zündholzsteuer. Die AktiengesellschaftUnion" in Augsburg , eine der größten Zündholzfabriken Deutschlands , läßt infolge des durch die Zündholzsteuer bedingten Konsumrückganges schon seit Monaten mit bedeutend reduziertem Personal arbeiten, wozu noch jede Woche ein bis zwei Feiertagsschichten einge- legt werden. Aus Mangel an Bestellungen hat nun die Ge- sellschaft in der Filialfabrik in K e mp t e n, in der etwa 200 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind, am 14. Juli sämtliche Arbeiter bis auf eine ganz ge- ringe Zahl entlassen, wobei den Entlassenen eröff- net wurde, daß ein Teil in 8 bis 10 Wochen wieder eingestellt wird, wenn bis dahin größere Bestellungen einlaufen sollten. Ein waschechter Zentrumsburgermeister. In, unteren Kreise Solingen , wo das Zentrum unbeschränkt herrscht, ist es der Sozialdemokratie nicht möglich, Säle zu politischen und gewerkschaftlichen Bersamm- lungen zu bekommen. Der letzten Stadtverordneten- Versammlung in Opladen hinterer Kreis Solingen) lag nun ein Antrag unseres Genossen Pfannkuche vor. den städtischen Sport- und Spielplatz am Birkenberg zu einer öffentlichen politischen Versammlung unter freiem Himmel, in der Genosse Reichstagsabgeordneter Scheidemann referieren sollte, herzugeben. Den An- trog begründete unser Genosse damit, �daß es uns in Opladen nicht möglich sei, ein Lokal für öffentliche Versamm- lungen zu bekommen. Gleichzeitig wurde versichert, daß seitens unserer Partei in mustergültiger Weise für die Wahrung der öffent- lichen Ruhe und Sicherheit gesorgt werden würde. Der Bürger- meister Bellefontaine erklärte zu diesem Antrage, eS sei be­kanntlich Sache der Polizeiverwaltung, einen weiteren Antrag auf Genehmigung einer Versammlung unter freiem Himmel ab- zulehnen oder die Abhaltung einer Versammlung zu ge- statten. Es war schon hier die arg verklausulierte Erklärung herauszuhören, daß Herr Bellefontaine gewillt ist, als Polizeigewaltiger die Genehmigung zu versagen. Im weiteren erklärte fich der Bürgermeister gegen die Hergabe eines städtischen Besitztums zu politischen Ver- anstaltungen welcher Art sie auch seien und von welcher Partei lie auch ausgehen mögen. Der Stadtgewaltige konnte eS sich auch nicht verkneifen, seiner Be- friedigung darüber Ausdruck zu geben, daß die Opladener Wirte der Sozialdemolratie kein Lokal zur Verfügung stellen wollen! Der schöne Traum von bürgermeisterlicher Unparteilichkeit wurde durch die Aeußerung:»Ich kann es nicht bedauern, daß die Opladener Wirte dieser Partei ihr Lokal nicht geben" grausam zerstört. Ein Herr Dr. Norrenberg befürwortete die Hergabe des Platzes. Die Sozialdemolratie sei eine Partei, die einen ungeheuren Einfluß auf sehr bedeutende Teile der Bevölkerung ausübe meinte der Herr. Man solle den Kampf gegen die Sozialdemokratie mit geistigen Waffen führen und ihn nicht vergiften durch Erdrücken der freien Meinung. Der Zentrums- arbeiter Kellermann erklärte sich für die Hergabe des Platzes, waS dem Bürgermeister zu der Bemerkung veranlaßte.er werde einen dahingehenden Beschluß beanstanden. Herr Fabrikant Römer, ein Links- liberaler fand kräftige Worte für die Hergabe bei Platzes, indem er ausführte: Man solle durch Hergabe des Platzes der Sozialdemokratie die Möglichkeit geben, ihre Meinung sagen zu können. Daß keine Ruhestörungen stattfinden werden, davon sei er überzeugt. Bei alle» Demonstratumr» sei bisher die Ruhe so lange gewahrt worden, sobald die Polizei die Finger davon ließ. Die Bemerkung des Bürger- meisterS, er werde keiner Partei die Benutzung de» Platze» ge» statten' sei gegenstandslos. Praktisch würde von der Ablehnung des Antrages nur die Sozialdemokratie getroffen. Bei der A b st i m m u n g erhoben sich 8 Herren 7 Liberale und 1 Zentrumsmitglied für den Antrag. Da 9 Liberale und 7 Zentriimsstadtverordnete, zusammen 16 Herren, anwesend waren, erklärte Her Bellefontaine den Antrag für abgelehnt. Als aber Gegenprobe gefordert und vorgenommen wurde, ergab sich die Annahme des Antrages mit 8 gegen 6 Stimmen. Zwei Liberale enthielten sich der Stimme, während die Zentrnvisstadt- verordneten, mit einer Ausnahme, dagegen stimmten! Der Bürger- meister erklärte darauf, er werde den Beschluß nicht ausführen und beanstande denselben. Wenn die Mehrheitfest" bleibt und Be- schwerde erhebt, steht noch eine interessante EntWickelung dieser An- gelegenheit bevor._ Das Ende der Staatsaktion. Das gegen eine Anzahl B re m e r Lehrer eingeleitete Er- mittelungsverfahren, weil sie dem Genossen Bebel zu dessen 70. Geburtstag ein Glückwunschtelegramm geschickt hatten, ist ziem- lich resultatlos verlaufen. Vier Lehrer erhielten vom Senat einen ernsten Verweis, einem nicht festangestellten Lehrer wurde ge- kündigt, im übrigen wurde das Verfahren eingestellt. Ein Pflaster auf die Wunde. Bassermann scheint für die nationalliberalen Scharf- macher bereits abgetan. Um ihm aber den Abgang etwas zu ver- süßen, haben die saarabischen Nationalliberalen ihm den folgenden Beschluß zugehen lassen: Der Hauptvorstand des nationalliberalen Vereins für den Wahlkreis Saarbrücken spricht dem Reichstagsabgeordneten Basseriiiann sein lebhaftes Bedauern aus über die ungerechten An- griffe, die gegen seine parlamentarische Tätigkeit in der Presse erhoben worden sind, und versichert ihn seines einmütigen und uneingeschränkten Vertrauens. Er bedauert den Entschluß des Abgeordneten, ein Reichstagsmandat nicht mehr annehmen zu wollen, und gibt sichrer Hoffnung hin, daß seine unersetzbare Kraft noch der Partei erhalten bleibe." In einer nicht-parlamentari scheu Stellung scheint er ihnen weniger anstößig zu sein._ Originelle Staatsrettung. In T he i ß e n, einem großen Landort im Kreise WAßenfelS, war es vor einigen Jahren der Arbeiterschaft gelungen,«inen Ver- treter in den örtlichen Schulvorstand zu entsenden. Sein Wirken gefiel jedoch dem Herrn Pastor absolut garnicht und im Verein mit anderen Honoratioren sann er darauf, wie der unbequeme Kritiker zu entfernen sei. Daß dieser bei der Gemeinderatswahl für den Arbeiterkandidaten stimmte, war schon ein schweres Ver- brechen, schien den Herren aber doch nicht genügend, um seine Beseitigung durchsetzen zu können. Endlich wurdeda? Maß voll". Der Angefeindete trat einem Arbeiteraesangverein bei, welche erschreckliche Tatsache in Bälde folgendes Regierungs­schriftstück nach sich zog: Merseburg . 30. Juni 1919. Königliche Regierung Abteilung für Kirchen und Schulwesen. Nachdem Sie durch Ihren Beitritt zu einem sozialdemo. kratischen Gesangverein(!) sowie durch Ihre Stimmabgabe für den von den Sozialdemokraten aufgestellten Kandidaten zur Ge- meindevertreterwahl bewiesen haben, daß sie die Bestrebungen einer Partei unterstützen, welche nach ihren programmatischen Kundgebungen in grundsätzlichem Gegensatze zu den Aufgaben der preußischen Volksschule steht, müssen wir Sie für nicht geeignet erachten, das Amt eines Mitgliedes des Schulvorstandes ferner- hin zu bekleiden. Auf Grund der 88 47 Abs. 6 und 44 Ziffer III des Volks. schulunterhaltungsgesetzes in Verbindung mit dem Ministerial- erlasse vom 2g. August 1398(Z. Bl. S. 727b) schließen'wir Sie daher von der Mitgliedschaft des Schulvorstandes Theißen-Nonne- Witz aus und machen Ihne» zur Pflicht, sich künstig aller Hand- lungen zu enthalten, welche dieses Amt bisher für Sie mit sich brachte. Die Berufung auf densozialdemokratischen Gesangverein" ist gottvoll. Sie hat aber natürlich auch ihre ernste Seite. Schon ist eS nicht mehr nötig, Mitglied der sozialdemokratischen Partei zu sein, es braucht nur jemand mit ihr sympathisieren und schon ist erstaatsgefährlich". Der Wider Recht und Gesetz aus dem Schul- vorstand entfernte Arbeiter ist nicht Mitglied der Partei; daß er für einen Arbeiterkandidaten gestimmt hat, genügt, ihn zu maß- regeln! Darin zeigt sich eine Verstärkung des unsinnigen Unter- drückungssystemS gegen die Arbeiterschaft, zugleich aber auch eine Art Abschreckungspolitik. Man möchte verhindern, daß weitere Kreise mit der Sozialdemokratie sympathisieren, ihr Unterstützung leihen, ohne in ihr Mitglied zu fein. Der klassenbewußten Arbeiter. schaft kann solches Tun nur recht sein, so gibt eS keine Halbheit und nur«in Hüben und Drüben t Die oberschlesischcn Großindustriellen gegen die sozialpolitische Gesetzgebung. In dem soeben erschienenen Jahresbericht 1999 der Handels- kammer für den Regierungsbezirk Oppeln (Oberschlesten), in welcher die kleine, aber mächtige Gruppe der oberschlesischen Berg- und Hüttenmagnaten den ausschlaggebenden Einfluß ausübt, wird der Unwille der oberschlesischen Großindustriellen, nachdem die Novelle zur Gewerbeordnung, das HauSarbeitsgesetz, das Arbeits- kammergesetz und die Reichsversicherungsordnung kurz gestreift werden, im folgenden Gesamturteil zum Ausdruck gebracht: Im Hinblick auf all diese neuen Vorlagen sozialpolitisch:! Gesetzgebung haben Handel und Industrie den dringlichen Wlunsch, daß die sozialpolitische Gesetzgebung nicht wie bisher der Sozial- demokradie ständig weitere Gelegenheit biete, die Arbeiterbevöllerung agitatorisch zu verhetzen, und daß bei allem Wohlwollen(?l) der ' ndustrie für ihre Arbeiter vor allen Dingen endlich einmal Stillstand in der Gesetzgebung eintreten möchte. Handel und Industrie bedürfen dringend eine» nicht zu kurz zu bcmessenden Ruhen? der Gesetzgebungsmaschine auf sozialem Ge- biete, um sich in die erfolgten Umwälzungen allmählich einzuleben. Die durch die ständigen neuen Gesetze bedingten Störungen des Erwerbslebens müssen und werden schließlich im letzten Ende auch für die Arbeiter selbst nachteilige wirtschaftliche Folgen haben." Der letzteren Besorgnis brauchen die oberschlesischen Groß- industriellen sich wirklich nicht hinzugeben! Einer, der oben gefällt. Der Amtsvorsteher von L e u t h e n bei Breslau erhielt am 23. Juni die Anmeldung einer öffentlichen Volksversammlung, die am 3. Juli stattfinden sollte. Er legte sie achtlos beiseite, ohne. wie eS das Gesetz erfordert, die vorgeschriebene Bescheinigung zu erteilen. Zwei, drei, vier Tage wartet der Einberufer. Am Abend des vi eisten Tages fragt er telegraphisch an. wo die Bescheinigung bleibt. Da die Rückantwort bezahlt war, telegraphiert der Amts- Vorsteher zurück:Ich verbiete die Versammlung." Nichts weiter! Keine Gründe. Später muß ihm wohl die Erleuchtung gekommen sein. Er erinnert sich, daß er ja verpflichtet ist, s ch r i f t- lich Antwort zu schicken und Gründe dazu. Er setzt sich hin wohlverstanden am 2. Juli spät abends. schreibt aus einen Bogen das Datum des 39. Juni(l). schreibt,daß wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" die Versammlung verboten sei und schenkt sich auch jetzt noch die Begründung. Dieses Verbot erhält der Einberufer erst, als die Versammlung gerade beginnen sollte! Dem L a n d r a t wurde allsogleich eine gepfefferte Beschwerde unterbreitet und darin im einzelnen nachgetviesen, daß der Amts. Vorsteher dreifach wissentlich das Gesetz über» treten hasten krstxns Habs ex üe vgrgeMichM BeMisiguW nicht allsgestellt, MiienS die Versammlung willkürlich ohne Ur» fache verboten, was er ja nicht dürfte, und drittens habe er das Verbot nicht begründet.(Die merkwürdige Geschichte mit dem falschen Datum legt der Einberufer höflich zu seinen Gunsten als Versehen auS, obwohl ihn der Poststempel verraten: Er trägt das Datum des 2. Juli von spät abends, wo er aber das Telegramm schon erhalten hatte!) Was geschieht jetzt? Wird der Mann befftaft? I wo! Der Landcat, der darüber zu befinden hat, regiert in Breslau , das genügt wohl. Und der Amtsvorsteher ist erst vor wenigen Jahren nach Leuthen versetzt worden und hat bisher daS Ein- dringen der Sozialdemokraten ins Dorf verhindert. So etwas bleibt in Preußen nicht unbelohnt._ Bayerische Rechtsgleichheit. München , 16. Juli. Aus den Kunstdebatten interessiert die Besprechung des Vor« ganges, der zu der Entfernung eines Bildes aus der Münchener Kunstausstellung geführt hat. Es war das große Bild eines polnischen MialerS aufgehängt, das ein Judenmassakre in Rußland darstellt und an einer Mauer die Kvnstiwtions-Proklamation des Zaren zeigt. Der blutige Kontrast ist natürlich sehr wirkungsvoll und enthält eine herbe' Kritik russischer Mordbrennereien. Einige Wochen hing das Bild in der Ausstellung und mußte dann plötzlich entfernt werden. Genosse v. Wollmar besprach die Angelegenheit und bezeichnete den Vorgang als eine Blamage für den Staat Bayern und die Münchener Künstler. Heute antwortete der Vertreter des Auswärtigen Amtes auf die Ausführungen Vollmars. Er betonte, daß dieinternationale Courtoisie" es ausschließen müsse, daß in einem Staatsgebäude' Bilder zur Ausstellung kommen, die einen befreundeten Staat oper befreundeten Souverän verletzen können. Bilder, die politisch an- stößige Motive behandeln, dürfen nicht in Staatsgebäuden aus- gestellt werden. Genosse Müller- München trat dem Vertreter deS Staats- Ministeriums'deS Aeußern in schärfster Weise entgegen. Er stellte fest, daß die Blamage für die bayrische Regierung schon groß war, daß sie aber nach der Erklärung des Regierungsvertreters geradezu ungeheuerlich geworden sei. Er protestierte gegen die Sklaven» gesinnung der bayrischen Regierung dem Zarentum gegenüber, die sich in der letzten Zeit in mehrfachen Vorkommnissen gezeigt hat. Die Ursachen der Fahnenflucht. In geradezu auffälliger Weise häufen sich in letzter Zeit bei dem 71er.Jumläums"regime»t in Erfurt die Fälle von Fahnenflucht. Am Mittwoch standen vor dem Kriegsgericht Erfurt allein zwei Musketiere dieses Regiments, um sich wegen dieses Vergehens zu verantworten. Beide find von der in letzter Zeit besonder? diel f genannten 6. Kompagnie. Sie gaben unumwunden zu, die gemein- ame Flucht nach der Schweiz beschlossen zu haben, behaupteten aber auch mit aller Entschiedenheit, hierzu durch wiederholte Mißhandlungen durch den Sergeanten Süß ni und veranlaßt worden zu sein, der fie geschlagen und mit dem Gewehr- kolben in die Knielehle gestoßen habe. Zwei als Zeugen zur Verhandlung geladene Kameraden, die selbst auch mißhandelt worden feien, hätten da» mit angesehen. Nun zeigte sich das schon so oft in derartigen Fällen erlebte Schauspiel: Einer der Zeugen wollte von Mißhandlungen überhaupt nichts wissen, der andere gab endlich, nachdem er von dem VerHand» lungSführer erst ganz energisch ans die Folgen eine? Meineids hin» gewiesen worden war, zögernd zu, von dem Säbel de» Sergeanten einmal»angetippt' worden zu sein. Wie da»Antippen" ausgefallen sein muß. ergibt sich daraus, daß der so Geliebkoste dem einen der Angeklagten seinen m i t d e utli ch e n S ch w i eleu beha steten Arm gezeigt hatte. Unter diesen Umständen wurde die Verhandlung gegen die beiden Fahnenflüchtigen zunächst vertagt, um Aufklärung über die behaupteten Mißhandlungen zu schaffen. da hiervon die Höhe des Strafmaßes abhängig ist. In derselben Sitzung w»rde auch noch gegen einen Musketier von der 1. Kompagnie des 94. Infanterieregiments in Weimar ebenfalls wegen Fahnenflucht verhandelt. Auch dieser Soldat behauptete, deshalb fortgelaufen zu sein, weil er vom Vize» feldwebel Markrodt wiederholt bedroht worden sei, Ter Herr Vizefeldwebel machte bezüglich dieses Punkte« seiner Aussage von dem Rechte der Zeugnis- ver- Weigerung Gebrauch. Der Soldat aber wurde nun wegen»unerlaubter Entfernung" und einiger geringfügiger Neben- delttte zu 3 Monaten 6 Tagen Gefängnis verurteilt. Wird man nun auch gegen den Vizefcldwebel gerichtlich vorgehen? Drei Fälle von Fahnenflucht in einer Kriegsgericht»»)«» Handlung I O, welche Lust Soldat zu sein l frankreicd. Pressenss unterlege». Paris , 17. Juli. Im 15. Arrondifsement von Pari» wurde bei der Ersatzwahl zur Teputiertenkammer Bertrand D a r a m o n(Kons.) mit Stimmen gegen de P r e s s e n s 6(Soz.), der 5030 Stimmen erhielt, gewählt. Die Niederlage unseres Genossen kommt über- raschend. Bei der Hauptwahl hatten die antiklerikalen Stimmen die erdrückende Majorität. Ein großer Teil der Radikalen ist also ins Lager der Reaktion abmarschiert und hat den Klerikalen dem Vertreter des klassenbewußten Prole- tariats vorgezogen._ Die Affnire Rochette. Buenos Aires , 18. Juli. Der frühere Ministerpräsident Tie. m e n c e a u ist hier eingetroffen und von den Vertretern der Re. gierung begrüßt worden. In einem Interview erklärte er. niemal« habe jemand zu ihm über R o ch e t te gesprochen, niemals habe er ein Wort über seine Angelegenheit geäußert, niemals sei er des. wegen mit der Staatsanwaltschaft noch mit sonst jemand in ver. bindung getreten. Al» er von den Gerüchten erfahren habe, daß man einen Druck ausübe, um das Vorgehen der Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit Rochette zu verhindern, habe er dem Polizei- präfekten Löpine erklärt, er solle ohne jede andere Erwägung einfach der Staatsanwaltschaft Folge leisten. Der Zweck sei der gewesen, nicht zuzulassen, daß irgendwelche Einflüsse zum Schaden privgtkr mfl» öffentlicher Interessen ausgeübt würden, Spanien . Die Lage in Barcelona . Barcelona , 17. Juli. (P. T.)»El Progrefo". da» Organ des Radikalen Leroux erklärt, daß die alarmierenden Nachrichten üb«r drohende Unruhen in Katalonien unbegründet, zum mindesten aber stark übertrieben sind. Die linksstehenden Par» teien wissen nur zu gut. daß die K a r l i st e n aus Revolten Nutzen ziehen, aber nicht sie selbst. Gewiß betrachten die Republikaner einen Aufstand als Ultima ratio zur Durchsetzung ihrer Forde- rungen, aber keine Zeit sei ungünstiger hierfür als die Gegenwart. Jetzt, wo die Regierung ein liberale», antiklerikale« Programm mit Konsequenz durchführt, versuchen die Karlisten, die Regierungi- Plaue SU durchkreuzen und eigen Aufstand hervorzurnjen.