„Fränkische Tagespost"-Niirnberg. »ES fällt in Baden keinem ein, den Genossen in den Landtagen zu Dresden und Berlin vorzuschreiben, was sie zu tun haben, obgAich man viellsicht auch hier nicht immer einverstanden ist mit allem, was dort geschieht. Aber in Süddeutschland be scheid et man sich und erblickt auch in den Genossen des verpreußten Deutsch- land vor allem und stets Kampfgenossen der gleichen weltum- spannenden Armee. Wir möchten schon um die gleiche Behandlung ersuchen und darum, daß man die Partei ungestört arbeiten lasse.- „Volkszeitung"-Mainz . »Wir persönlich vertreten die Ansicht, daß in erster Linie die Lande S organisationen berufen sein sollten, sich mit der Haltung ihrer Abgeordneten zu befassen. Jedenfalls aber muh im Interesse der Partei alles vernneden werden, was geeignet wäre, diesen„Fall" zum Gegenstand erregter und unsachlicher Debatten zu machen. Die Gegner sind jetzt schon voll Jubel in Erwartung der Kämpfe innerhalb der Sozialdemokratie. Sie glauben so die Mög lichkeit zu haben, über die Sünden am Volke besser hinwegtäuschen zu können. Die ultramontane„Germania " und die kon>ervative .Kreuzzeitung" verarbeiten die Sache bereits in ihrem Sinne". Gothaer„Volksblatt". Es wird den badischen Budgetbewilligern schwer fallen, zu be streiten, daß es sich hier um eine mit bewußter Abficht herbei. geführte Provokation der Partei handelt. Als die Genossen der süd. deutschen Parlamente vor zwei Jahren ebenfalls dem Budget zw stimmten, beriefen sie sich auf die angebliche Unklarheit der Dresdner und Lübecker Resolution, und eS. gab Parteigenossen, die geneigt waren, anzunehmen, daß ihnen bei ihrem Vorgehen in der Tat das Bewußtsein des absichtlichen Disziplinbruchs gefehlt habe. Von einer solchen Ausrede kann heute keine Rede mehr sein. „Tribüne"-Erfurt : »Die sozialdemokratischen Abgeordneten Badens hätten sich keine unglücklichere Zeit auswählen können, ihrer Klassenstaatregierung ein Vertrauensvotum durch die Bewilligung des Budgets auszudrücken, als Serade die jetzige. Die Genossen tun sich ja sonst so viel zugute auf ihre aatsmännische Klugheit. Sind sie denn blind gegen all das, was in der Aera Bethmann Hollweg in Deutschland vorgeht, merken sie nichts von den Machenschaften der schwarz-blauen Reaktion an allen Ecken und Enden, spüren sie nichts von den neuen Aeußerungen des per- sönlichen Regiments? Mehr denn je ist uns eine geschlossene prinzipielle Politik vonnöten, und da kommen die badischen Ultra- Parlamentarier und werfen der Gesamtpartei durch ihre borniert- partikularistische Politik Knüppel zwischen die Räder und pfeifen auf die Beschlüsse des Nürnberger Parteitages in der Budgetfrage.' „Mecklenburgische Bolkszeitung". »Mt ihrem Verhalten haben die badischen Budgetbewilliger gegen den Nürnberger Beschluß verstoßen! Der ist nun zwar nicht heilig, braucht, theoretisch gedacht, nicht ewiglich zu sein. Es ist das gute Recht eines jeden Genossen, anderer Ansicht zu sein, wie die in dem Nürnberger Beschluß niedergelegte. Er kann auch Propa- fanda machen zur Aufhebung der Nürnberger Resolution. Aber o lange sie besteht, muß sie beachtet werden. »Diplomatische " Erwägungen, wie in Baden, verleihen nicht das Recht, sich einfach über sie hinwegzusetzen I Die Sozial demokratie ist leine Partei, die es dulden kann, daß einzelne Parteigenosien ihre gleichwie geartete„Persönlichkeit" politisch schrankenlos ausleben können ohne Rücksicht auf Parteitagsbeschlüsse 1 Wie die Masie, wie die Arbeiter Solidarität, Disziplin zu üben haben, Beschlüsse der Partei(und der Gewerkschaften) streng beachten müssen, so ist dies auch zu fordern von den„Parlamentariern'I Wir wollen kein Haufen von»Individualitäten" sein, sondern eine organisierte Parteigenossenschast, deren Willens auödruck auch für die Parlamentarier giltl" „Norddeutsche Volksstimme"-Bremerhaven . »Wieder müssen die„besonderen politischen Berhältnisse' Badens herhalten, um diese neueste Mißachtung der Parteitags« veschlüsse zu bemänteln. Eine Provokation sondergleichen I Und sie muß umso aufreizender wirken, als selbst in der Frankschen Erklärung zugegeben werden muß, daß auch in Baden die»völlige politische Gleichberechtigung der sozialdemokratischen Staatsbürger noch immer nicht durchgeführt ist". Kann es einen größeren Widerspruch geben, als er hier in der Theorie der Erklärung und in der Praxis der badischen Landtagsfraktion begründet liegt? Wir hoffen, daß der kommende Parteitag derartigen Extravaganzen ein für alle mal ein Ende bereitet." „Bergische Arbeiterstimmc"-Solingen . Das Blatt meint, daß Kolb sich im»Karlsruher VolkSfteund" in geradezu lächerlich-grotesker Weise herauszureden suche und fährt fort: Das lie st sich genauso wie seinerzeit die Rechtfertigung deS Freisinns für fein Einschwenken in den Bülow-Block. Es ist unser ErachtenS Pflicht der Selbstachtung für die Partei, ein energisches Wort mit Kolb zu reden. Jeden gewöhnlichen Arbeiter hätte man längst aus der Partei ausgeschlossen, wenn er sich so viele und so schwere Seitensprünge hätte zuschulden kommen lassen, wie Kolb daS im Laufe der Jahre getan hat. Der Magdeburger Parteitag wird zeigen müffen, daß er auch den Abgeordneten gegenüber willens ist, unabänderlich not- wendige Konsequenzen zu ziehen. Die ganze Partei befindet sich überall auf dem erfreulichsten Vormarsch und eS geht nicht an, daß sie sich fortgesetzt von einzelnen Knüppel zwischen die Beine werfen läßt.' „Volkszeitung",Dusseldorf : Mit dieser Zustimmung zum Budget haben die sozialdemo- kratischen Abgeordneten deS badischen Landtages sich in st r i k t e n Gegensatz zu dem mehrmals kundgegebenen Willen der großen Mehrheit der Partei gestellt, in Gegensatz zu den Beschlüssen der Parteitage in Lübeck , Dresden und Nürnberg . Die badische sozial- demokratische Landtagsfraktion, die ja schon öfters in recht merk- würdiger Weise von sich ireden machte— zuletzt noch wegen der Teilnahme an dem sogenannten parlamentarischen Bierabend bei dem badischen Minister—, hat sich mit ihrer Haltung zum Staats- budget außerhalb des von der berufenen Partei» Vertretung— der Parteitage— fest gelegten Kampf- b o d e n S gestellt. Sie hat dargetan, daß sie für sich die grundsätz- liche Stellung der Sozialdemokratie zum heutigen Klaflenstaat, wie sie in den teilweise recht erregten Debatten auf den genannten Parteitagen und in den angeführten Beschlüssen niedergelegt ist, nicht anerkennt. Die Partei wird daraus die Konsequenzen ziehen müssen." „Bolksbote"- Stettin . DaS Blatt fügt der Erklärung des Parteivorstandes hinzu:»Es wird endlich die höchste Zeit, dem die Arbeiterklaffe verwirrenden Treiben der süddeutschen„Politiker" einen Riegel vorzuschieben", und sagt über den Hofgang:»Da geniert man sich wirklich fast, die Herren als„Parteigenossen" anreden zu müssen. Wenn in Süd- deutschland auch die Klaffengegensätze nicht so schroff und die Junker- Herrschaft nicht so frech ist, so muß man von Sozialdemokraten ver- langen, daß sie über ihrer Kantönligemütlichkeit nicht das sozial- demokratische Prinzip vergessen." „Volksstimme"-Frankfurt . »Mit vollem Bewußtsein hat die große Mehrheit unserer badischen Landtagsfraktion am Donnerstag gegen den Nürnberger Parteitags- beschluß gehandelt. Dieser Beschluß schreibt unseren Genossen in den garlamenren vor, jeder gegnerischen Regierung das Staatsbudget i der Gesamtabstinrmung zu verweigern, eS sei denn, daß die Ab« lehnung desselben die Annahme erneS für die Arbeiterklaffe un- günstigeren Budgets zur Folge haben würde. Der letztere Fall lag im badischen Landtage nicht vor. Unsere badischen Genoffen haben Vielmehr dem Budget zugestimmt, um gewisse politische Zwecke zu er- reichen, bor allem die Stärkung der linken Großvlockpolitik und des linken Flügels der Regierung gegen Zentrum und Konservative." Ueber die Gründe der Fraktion urteilt dann das Blatt:»Dabei überschätzten sie aber offenbar den Zwischenfall Bodman ganz ge- waltig. Die künftige Gestaltung der politischen Verhältnisse Badens wird nicht durch ministerielle Glaubensbekennt- nisse bestimmt, sondern durch ganz andere Dinge, vor allein durch die industrielle Entwicklung Badens und die organisierte Kraft seiner Arbeiterschaft, die von Zeit zu Zeit an großen Aufgaben geschult werden mutz. G e- rade diese Schulung der autzerparlanr entarischen Kräfte unserer Bewegung vernachlässigt man aber sehr stark in Baden über der innerparla« mentarischen Arbeit. Bei der Gemeindereform, die jetzt den Anlaß zu den letzten Auseinandersetzungen mit der Ersten Kammer gab, haben unsere badischen Genossen merkwürdig wenig getan, um die Arbeitermassen für die endliche Eroberung eines freieren Gemeindewahlrechts zu interessieren. Im„liberalen Muster- ländle" ist bekanntlich das Dreiklassenwahlrecht schon seit 1830 für die Gemeinden eingeführt, und ein so besonnener Urteiler wie Genosse Lindemann geißelt in seiner Schrift über daS kommunale Wahlrecht, wie man gerade in Baden seitens der Bourgeoisie bis in die letzte Zeit an diesem Dreillassenwahlrecht nicht bloß festgehalten, sondern auch noch fortwährend.Kautelen' geschaffen hat, um zu verhindern, daß die neu an der Gemeindeverwaltung teilnehmenden Elemente den Einfluß ihrer Stimmen nach ihrem Sinne ausüben können". Hier hätte seitens unserer Partei mit aller Macht ein- gesetzt und vor allem auch außerhalb des Parlaments mit allen zulässigen Mitteln für die Abschaffung des Klassen- Wahlrechts gekämpft werden müssen. F ast nichts ist in dieser Richtung geschehen. Es war so bezeichnend lvie möglich, daß Genosse Kolb-KarlSruhe gleich feine erste Be sprechung der badischen Gemeindereform in der»Kommunalen Praxis" mit der bangen ZweifelSftage einleitete:»Ob eS ge lingen wird, die Klaffeneinteilung ganz zu beseitigen, erscheint immerhin fraglich." Nach dieser wenig kampfesmutigen Parole ist man dann in der Kammer verfahren. Man hat natürlich den An- ttag auf Einführung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts in der Kommission gestellt, aber seine Ablehnung durch die bürgerlichen Parteien ganz ruhig hingenommen, statt an die Massen draußen zu appellieren, wie es die Leipziger kürzlich bei viel weniger wichtigem Anlaß mit großem agitatorischen Erfolg getan haben. Da wäre Gelegenheit gewesen, die Reaktion zur Rechenschaft zuziehen und Zentrum wie Junker öffentlich Spießruten laufen zu lassen. Durch solch' eine Bewegung wäre die politische Zukunft Badens wahrscheinlich wirksamer beeinflußt und geformt worden, als durch die Unter stützung eines Ministers, der sich ganz tapfer und vernünftig hielt, aber doch im Grunde auch nur einen sehr unwesentlichen Fortschritt im Gemeindewahlrecht gegen die Rechte zu ver- teidigen hatte. Alles nämlich, was uMer sotanen Umständen bei der Gemeinderefornt erzielt wurde, war die— Sechstelung der Wähler statt der alten Zwölftelung. Also Klaffenwahlrecht nach wie vor I Und darum das A u f h e b e n I In den Städten. den eigentlichen Sitzen unserer Bewegung, bleiben die arbeitenden Massen in Baden in der Hauptsache immer noch auf die ohnmächtige dritte Klasse beschränkt. Es war wahr- hastig kein welterschütternder Liberalismus, daß der Minister diesen „Fortschritt" gegen das Herrenhaus verteidigte. Und er tat es ja außerdem mit erheblichen Einschränkungen. Daß sich die Sozialdemokratie gegen die Monarchie und gar gegen die beutige Gesellschaftsordnung richte, fei durchaus zu bekämpfen. Das letztere zeigt, daß Herr v. Bodman nur erst sehr unklare Begriffe vom Sozialismus hat. Er weiß noch gar nicht, wie eS gerade das Wesen der Arbeiterbewegung, ihren Schwung und ihre Stärke ausmacht, daß sie sich gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung wendet. Er begrüßt sie lediglich als eine un- schuldige Reform bewegung ohne jede Spitze gegen die heutigen Gesellschafts- und Staatseinrichtungen; eS gefällt ihm, wenn, um seinen ebenfalls ganz schiefen Ausdruck beizubehalten,»der vierte Stand" im Staate„gehoben", aber sonst nichts an unserer Herr- lichen»Ordnung' geändert wird. Das ist gewiß von einem Minister eine ganz wackere Aeußerung, zumal, wenn die Mächtigen im Lande vorher mörderlich über unS geschimpft und gezetert und nach Unterdrückung gerufen haben. Aber zu sozialistischen Liebeserklärungen an die Regierung durch die Budgetbewilligung hätte sich die Mehrheit unserer Fraktion dadurch nicht verlocken zu lassen brauchen, zumal man niemals weiß, wie lange ein solcher Minister den Tanz auf dem glatten höfischen Parkettbooen aushält und nicht doch dem- nächst von reaktionären Hofeinflüffen gestürzt wird, wie sein Vor- gänger Schenkel auch. So wenig in Preußen ein Lentze schon den fortschrittlichen Sommer macht, so wenig hat em Bodman festen Boden in der badischen Regierung, solange nicht eine steigende Volksbewegung im Lande draußen die Herrichenden Kreise einfach zu volkstümlicher Politik nötigt. Solche Volksbewegungen schafft man aber nicht mit Budget- bewilligungen. Im Gegenteil. Man entzweit und schwächt sie dadurch, wie Figura schon zeigt, und wir wollen nur hoffen, daß unsere trefflichen Wahlausffchten für den großen Reichstagskamps vom nächsten Jahre nicht durch neue Streitigkeiten innerhalb der Partei verdorben werden. Denn was können wir in der Gesamtpartei mit den Badenser Sündern machen? Wir können sie nicht absetzen und nicht ausschließen, auch wenn sie sich in der Tragweite von ein paar gescheiten Ministerworten wieder einmal gründlich irrten. Wir können sie nur wirksam zu belehren suchen und den badischen Arbeitermassen helfe«, ihre Fraktion zu be- lehren und sie zurückzurufen von Wegen, die weitab vom Klassenkampf führen, dieser Lebens- effenz unserer ganzen Bewegung.' Eine demokrattsche Stimme. In der letzten Nummer des»Freien Volks' beschäftigt sich Dr. B r e i t s ch e i d mit der Budgetfrage. Er polemisiert gegen Artikel des Dr. Ouessel und Dr. Maurenbrecher, die für ein Zusammengehen mit den Liberalen und für den»Groß- block" eintteten und sagt: Die Auffaffung der beiden Revisionisten über die Politik der liberalen Parteien ist, wovon sie sich inzwischen am Ende schon selbst überzeugt haben(?), falsch. Aber man kann schließlich unter allen Umständen die Warnung gelten laffen, die Sozialdemokratte möge nicht durch Ungeschicklichkeitrn oder überflüssige Provokationen die Stimmung im Lande ungünstig beeinfluffen, und eS fragt sich nur, ob die Artikelschreiber recht hatten, sie so ausschließlich an die Adresse der sogenannten Radikalen oder, wie sie Ouessel törichterweise zu bezeichnen beliebt, der.Sozialrevolutionäre' zu richten. Wenn jetzt wirklich, was ein gütiges Geschick verhindem möge. in Magdeburg die Tragikomödie von Dresden eine neue Aufführung erlebte, so müßten doch wohl auch die Männer der»Sozialistischen Monatshefte" zugeben, daß der andere Flügel der Partei dafür zum mindesten nicht allein verantwortlich zu wachen wäre. Den Anstoß hätten die Badener Genossen gegeben, deren Taktik den Revisionisten doch als vorbildlich erscheint. Und wenn der Partei- tag vorübergeht, ohne daß die Auseinandersetzungen einen die Partei auf» schwerstr schädigenden Verlauf nehmen, so werden auch die Maurenbrecher und Ouessel nicht umhin können, den»Sozial- revolutionären" ihre ganz besondere Anerkennung a u S z u sprechen. Mit dieser Feststellung ist durchaus kein Urteil über die Budget- frage im allgemeinen und die Gründe der Badener im besonderen abgegeben. Hier handelt eS sich zunächst nicht darum, ob die Be- willigung der Budgets durch die große Mehrheit der sozialdemo- kratischen Fraktion im badischen Landtag mit höheren politischen Er- wägungen zu rechtfertigen ist, sondern darum, daß sie im Wider- spruch mit dem ParteitagSbeschluß von 190Z erfolgte. Der„SorwäriS, und die, die auf seiner Seite stehen, befinden sich absolut im Recht, wenn sie sich über die Nichtachtung der Beschlüffe entrüsten, die nicht etwa in einer Laune, sondern nach langen und eingehenden Debatten zustande gekommen sind, und die Position deS Abgeordneten Frank und seiner Freunde wird dadurch sicher nicht günstiger, daß sie den Vorwurf eines schweren Verstoßes wider die Disziplin, ohne die nun einmal keine Partei existieren kann, auf sich nehmen müssen. Denn sie werden wohl kaum den Versuch machen, die Resolutton 126, die jeder gegnerischen Regierung das Staatsbudget bei der Gesamt- abstimmung verweigert sehen will, in ihrem Sinne umzudeuten. Für die Einschränkung aber, die die Bewilligung zuläßt, wenn die Ablehnung die Annahme eines für die Arbeiterklasse ungünstigereü Budgets zur Folgen haben würde, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nicht gegeben. Nun läßt sich nicht leugnen— und hoffentlich finden sich auch die Gegner der süddeutschen Taktik zu diesem Zugeständnis bereit— daß die Karlsruher Fraktion sich in einem schwierigen Dilemma be« fanden hat. Rücksichten auf die Disziplin und Rücksichten auf die polittsche Ueberzeugung lagen miteinander im Kampf... Jedoch auch alles dies zugegeben, ist die Abstimmung der badischen Sozialdemokraten in hohem Matze bedenklich, weil sie die Probe auf die innere Festigkeit der Partei und die Toleranz des radikalen Flügels in einem Zeitpunkte macht, wo nach Lage der Dinge gar zu viel auf dem Spiele sieht. Und ob die sachlichen Gründe, die die Karlsruher ins Treffen zu führen vermögen, ausreichen, um einen so folgenschweren Schritt zu rechtfertigen, ist nach dem, was bisher bekannt wurde, zu bezweifeln. Herr Frank bat in seiner Erklärung selbst zugestanden, daß die politische Gleichberechtigung der Sozialdemokratie in Baden noch immer versagt set, und das allein ist schon ein wertvolles Argument für diejenigen, die die Zustimmung zum Budget als wider die Grundsätze der Sozialdemokratie verstoßend verurteilen.... Dann werden die allgemeinen Gründe für und gegen Budgetbewilligung erörtert und schließlich folgender Schluß gezogen: Das alles find Gründe, die dafür sprechen, die Sache nicht gar zu prinzipiell zu nehmen. Auf der anderen Seite wird jede oppositionelle Partei gut daran tun, nur im äußersten Falle auf die Ablehnung des Etats zu verzichten und sich vor allen Dingen nicht etwa durch die Phrase ein- schüchtern zu laffen, die Budgetverweigerung bedeute die Regie- rung des Staates. In parlamentarisch regierten Ländern fällt eS der Opposttton nicht ein, den herrschenden Parteien die Mittel zur Fortführung ihrer Herrschast zu gewähren, und niemand denkt daran, ihr deswegen die Staatsgestnnung abzusprechen. Warum sollte man sich in Deutschland nicht auf denselben Standpunkt stellen können? Wenn eS den Liberalen mit ihrer Abneigung gegen die schwarzblaue Regierung deS Herrn von Bethmann Hollweg Ernst wäre, so müßten sie im Reichstage, so gut wie die Sozialdemokratie, das Budget ablehnen. DaS wäre, so lange sie die Minderheit bilden, auch nur eine Demonstratton. Ganz gewiß. Aber im politischen Leben haben auch solche Demonstrationen ihre Bedeutung. Genau so gut, wie schließlich Reden und Artikel ihre Bedeutung haben. Sie dienen der K l ä r u n g. Wrzehvte ordentliche Generalversilmmlung des Deutschen Tabakarbtiterverbandts. Die diesmalige Tagung des Tabakarbeiterverbandes findet vom 18. bi» 23. Juli im Braunschweiger Gewerkschafts» Hause statt. Während seiner dreijährigen Geschäftsveriode erzielte der Verband«ine Einnahme von 2 178 289. eiste Ausgabe von 1919 462 M.; das Vermögen stieg von 76 364 auf 334 191 M. Die Mitgliederbewegung zeigt folgenden Gang: Schluß 1906: 32762, 1907: 29 922, 1908: 23317, 1909: 3 2 6 2 9. ES geht also wieder aufwärts, ttotz der verzweifelten Situation, die die Tabakbranche durchzumachen hatte. Die jetzige Mtgliederzahl ist auf zirka 460 Filialen verteilt! über 16000 weibliche Mitglieder' sind vorhanden. Der Verband zahlte an Unterstützungen: An Rechtsschutz........' I 8 459 M. » Streik- und Gemaßreaelteuunterstützung 485 981» » Arbeitslosen- und Notstandsunterstützung 116 262» » UmzugS- und Fahrgeldunterstützung.. 23 364» . Kraulen- und Stervemtterstützung.. 604 210„ Summa 1237 766 M. Im Jahresbericht für 1909 wird in einem besonderen Kapitel ausgeführt, wie sich angesichts der Tabaksteuerpläne der Regierung nicht nur eine umfangreiche Tättgkeit für den Verband ergab, sondern wie nach Annahme des Gesetzes der verband auch bedeutende Summen für Arbeitslosen« und RotstandSunterstützung verausgaben mußte, um der allgemeinen Not zu steuern. Die Arbeitslosigkeit unter den Tabakarbeitern hat einen bedenklichen Grad erreicht, am schwersten wurde die nordwestdeutsche Zigarren- industrie gettoffen. Die vom Reichstag ausgeworfene Summe von 4 Millionen Mark genügte bei weitem nicht, um die Not und das Elend der durch die Tabaksteuer arbeitslos gewordenen Tabak« arbeiter zu lindern. Auch die schofle Rolle der Z entr um Sp artet bei der Tabak- steuerftage wird in dem Bericht aufgedeckt und nachgewiesen, daß selbst.christliche" Gewerkschaftsführer als Handlanger des Zentrums zu Verrätern an den Tabakarbeitern wurden. Bon den zu führenden Lohnbewegungen waren LngriffSbewegungen ohne Streik 375 mit 24779 Beteiligt« Abwehrbewegungen Aussperrungen mit ohne mit 81 69 62 10 2 939 8039 2 463 1862 Insgesamt 677 86 077 Im Bericht für 1909 wird angekündigt, daß versucht werden soll. die Konsumenten und Abnehmer von Tabaksabrikaten. namentlich die Konsumvereine, zu bewegen, nur aus solchen Tabakfabriken ihren Bedarf zu decken, in denen die Forderungen der Tabakarbeiter an- erkannt sind. Allen Mitgliedern deS Verbandes wird zur Pflicht gemacht, sich der Genossenschaftsbewegung als laufende Mitglieder anzuschließen. Die Tagesordnung der Generalversammlung umfaßt außer der Berichterstattung der letzten Geschäftsperiode noch die Punkte: Reichsversicherungsordnung und Mtnimallöhne und Tarifverträge in der deutschenTabakindustrie. — Zur Aenderung der einzelnen Paragraphen deS Statuts liegen 173 Anträge der Zahlstellen und des Vorstandes zur Beratung vor. Mögen die Beschlüsse der Generalversammlung dazu beitragen, dm Verband immer mehr zu emem achtunggebietenden Faktor zu machen, der die ihm gewordene Aufgabe, die wirtschaftiichen Interessen der Tabakarbeiter zu schützen und zu fördern, immer wirkungS- voller erfüllen wird._ Huo Induftric und RandcU Hinter den Kulissen des Großkapitals. s. L. Reklame und Propaganda bilden bei jedem Geschäfts. unternehmen einen beträchtlichen Teil der Betriebskosten; bei manchen übersteigt er die Kosten der Produktton selbst. DaS liegt im Wesen unserer Konkurren zun rischaft begründet und ist an sich nichts Verwerfliches. Anders wird eS, wenn e» sich darum han- delt, Waren, die von der unabhängigen Wissenschaft in steigendem Maße als gesundheitsgefährlich und sonst bedenklich gekennzeichnet werden, dem unliminseR AcklikW als harmlos anzupreisen, zil-
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