Dr. 167. Z7. Zehrglmg. t. Mßt ies.Amärls" Kerlim WlksM Mittmch, 20. Inli 1910. Die Parteipreffe über die Budget* bewilllgung. „Mannheimer Volksstimme". 5(n einem Artikel über die letzte Landtagssession schreibt unser Parteiorgan: „Datz im Verlauf der achtmonatlichen Session dieses Landtags sich dieser aus den Verhältniffcn herausgewachsenen Blockpolitik nicht unerhebliche Schwierigkeiten in den Weg stellen würden, das uxir vorauszusehen und nur zu begreiflich. Immerhin darf man aber, ohne der Uebcrtreibung bezichtigt werden zu können, behaup- tcn, daß im großen und ganzen das Experiment, über welches bis- lang nur theoretisch diskutiert wurde, in Baden praktisch ge- lungen ist. Gegen diese Behauptung wird ja wohl da und dort Widerspruch erhoben werden, insbesondere in Norddeutschland, wo eine solche Koalition der Parteien leider zurzeit noch nicht möglich ist. Wer aber in die politischen Verhältnisse unseres Landes auch nur einigermaßen eingeweiht ist. wird ohne weiteres zugeben müssen, daß der von den Linksparteien eingescklagene Weg der einzig mögliche war. um die Gefahr einer Herrschaft des schwarz. biauen Blocks zu bannen. Vom Standpunkt der Parteitradition aus mag man gegen die politischen und parlamentarischen Vorgänge, wie sie sich eben in Baden abgespielt haben, schwere Bedenken haben, und wir wollen diese Bedenken auch nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Allein die richtige Entscheidung darüber, ob die badische Sozialdemokratie berechtigt war,- die von ihr angewandte Taktik zu befolgen, kann man unmöglich nur vom Standpunkt der überlieferten P a r t e i d o k t r i nen aus treffen. In der Politik gibt«S nun einmal keine auf alle Fälle und Ver- Hältnisse passende Schablone für die Taktik. Die Verhältnisse in Baden haben zu dieser Taktik und Politik förmlich gedrängt, und cS wäre geradezu wahnsinnig und daher unverantwortlich gewesen, eine Taktik zu befolgen, die früher durchaus berechtigt war, die aber mit den Verhältnissen, wie sie sich in Baden in den letzten Jahren gestaltet haben, in diametralem Widerspruch gestanden hätte. Welchen Sinn hätte es gehabt, bei den Wahlen die schwarz� blaue Koalition des Zentrums und der Konservativen mit ver- einten Kräften zu bekämpfen, wenn man ihr hinterher das par- lamentarische Kampffeld überlassen hätte, was für die nächsten Wahlen nichts anderes zur Folge haben konnte, als daß der Block des Zentrums und der Konservativen mühelos die Früchte einer so sinnlosen Taktik einheimste. Daran krankte ja bisher und krankt auch heute noch die Re i ch s p o l i t i k. daß es nicht m ö g- lich ist, der Neaktion eine geschlossene, aktionS» fähige Koalition der Linken entgegen zustellen. In der Reichspolitik wird das leider noch längere Zeit so bleiben. Damit aber kann doch unmöglich bewiesen sein, daß auch in den Einzel st aaten das Experiment nicht möglich ist. Unter ge- wissen Voranssetznngen— und diese sind in Baden vorhanden— muß es möglich sein. Die taktische und politische Verständigung zwischen Sozialdemokratie und Liberalismus mutz auch noch für die Reichspolitik erreicht werden, wenn wir nicht auf weiß wie lange hinaus darauf verzichten wollen, auch im Reiche m o- dernere politische Zustände zu schaffen. Darüber muß sich doch nachgerade jeder Politiker klar geworden sein. Wer den Zweck will, muß auch das Mittel wollen, mit dem allein der Zweck er» reicht werden kann, lieber diesen politischen Grundsatz kommt man nicht hinweg, es sei denn, man verzichtet fteiwillig darauf, den jenigen politischen Einfluß auszuüben, über den man verfügt. Die badische Sozialdemokratie bereut ihre Taktik nicht, im Gegenteil, sie ist felsenfest davon überzeugt, daß sie mit derselben nur den Weg beschritten hat, den über kurz oder lang die ganze deutsche Sozialdemokratie wird beschreiten müssen, wenn sie nicht ihrer gewaltigen Stärke zum Trotz sich selbst dauernd zur politischen Ohnmacht verurteilen will. Wer leidenschaftslos und mit ruhigem Blick die Dinge beurteilt, die in Baden zur Groß- blockpolitik geführt haben, der wird, mag es ihm noch so schwer fallen, seinen Widerspruch dagegen aufgeben müssen. Es wird ja in den nächsten Wochen viel über die„Sünden" der badischen So- zialdemokratie geschrieben und gesprochen werden; es mag deshalb kleines feuilleton. Bei den Indianern BoliviaS. In der Berliner Anthropo- logischen Gesellschaft hielt Erland von Nordenftiöld einen Vortrag über da? Leben dei Jndianerstämme im Innern Boliviens , unter denen der Forscher wahrend der Jahre 101)8 und 1909 längere Zeit verweilt hatte. Diese Stämme waren bisher so gut wie gar nicht bekannt; Nordenftiöld wußte sich ihr Vertrauen dadurch zu er» werben, daß er wie einer ihresgleichen lebte. Seine Reise führte ihn über die Grenze Argentiniens in das südliche Bolivien an den Rio Pilcomaho. wo er zuerst längere Zeit bei den Stämmen der Choroti und AschluSlay verweilte. Die Kultur der Weißen ist diesen Menschen noch völlig unbekannt. Ihre Waffen gleichen denen aller indianischen Urstämme; Feuerwaffen kenne» sie noch nicht. Ihre Hauptbeschäftigung ist der Fischfang. Um deS Fischfangs willen kommt eS auch bisweilen zum Kriege zwischen den einzelnen Stämmen. Denn Fische sind ihre Hauptnahrung. Vom Fischfang hängt ihr Wohlstand ab, ijt der Fang unergiebig, so leiden sie Not, während bei genügender Nahrung alle sich gleich reich und glücklich dünken. Etwaigen Ueberfluß an Fischen tauschen sie bei anderen Stämmen gegen MaiS aus, den sie zum Brauen ihres berauschenden MaiSbiereS gebrauchen. Das Trinken spielt bei ihnen die Haupt- rolle, und war der Fischfang gut. so vergeht kein Abend ohne große Trinkgelage, bei denen die jungen Männer sich mit Eifer dem Tanz ergeben. Dieser Tanz bildet ihre größte Freude, und sie schmücken sich da. wie sich unsere jungen Mädchen zum Balle schmücken. ÄaS Gesicht wird in möglichst grellen Farben angemalt, das Hinterhaupt wird mit roten und blauen Papageienfedern ver- ziert. Nie kommt es bei den Trinkgelagen oder auf den Tanzplätzcn zu Streitereien oder Zwistigkeiten. Es gibt auch keine Eigentums- bergchen; wer auf der Jagd Glück hat, teilt dem weniger Erfolg- reichen von seiner Beute mit. Der Häuptling in einem Dorfe ist nicht viel mehr wie ein Familienvater; alle behandeln ihn mit Achtung, ebenso wie die Medizinmänner. Man füttert sie nämlich gut, damit sie den Stammesangehörigen gewogen bleiben. Die Frauen leisten, wie überall bei den Indianern, die meiste und schwerste Arbeit; trotzdem werden sie nicht etwa geringschätzig de» handelt, sondern genießen Achtung und Ansehen. Die Kinder wachsen völlig frei, ohne je harte Worte zu hören oder Schläge zu bekommen, bei ihren Spielen heran. Sie tummeln sich außer- halb der kleinen runden Hütten im Walde. Ihre Toten bestatten diese Stämme in zusammengehockter Stellung in runden Grab» Urnen. Schachtnrnirre und Schachweltmeister. Die internationalen Meister des Echachipiels haben in Hamburg begonnen, ihre Kräfte zu messen. Tarrasch nnd Schlechter, Rubinstein und Janowski, Marshall und Tartakow usw., im ganzen mehr als 18 Meisterspieler treten in die Schranken. Diese großen Kämpfe, zu denen heute aus aller Herren Länder die Künstler und Denker des Schachs herbeieilen, sind ein stolzes Zeichen für die Entwickelung, die die Teilnahme und das Interesse für dies Spiel genommen hat. Denn die Geschichte des neuen Schachspiels reicht nicht allzuweit zurück: die«neue Zeit". vorerst bei diesen Bemerkungen über die politisch-taktische Seite der ganzen Angelegenheit sein Bewenden haben." „Volksfreund"-Braunschwcig. „Zunächst ist es reine Sophisterei, herausklügeln zu wollen, daß die badischen Genossen sich in der Zwangslage befunden hätten, die Parteidisziplin zu brechen und das Budget zu bewilligen. Die badische Regierung ist gewiß anders als die braunschweigische; aber auch sie erkennt die Sozialdemokratie nicht als gleichberechtigt an, bestätigt keine sozialdemokratischen Bürgermeister und duldet keine sozialdemokratischen Beamten. Außerdem wimmelt auch das ba- dische Budget von Ausgaben, die wir grundsätzlich ablehnen müssen; wir erinnern nur an die Zivilliste. Es ist also gar nicht erst nötig, auf unsere prinzipielle Gegnerschaft gegen den Klassenstaat hinzuweisen; selbst wenn die badischcn Genossen nur konsequente kleinbürgerliche Demokraten wären, konnten sie das Budget nicht bewilligen. Aber auch von dem von den badischen Genossen sonst einge- nommenen Standpunkte aus, alles zu vermeiden, was uns bürger- liche Mitläufer abspenstig machen könnte, ist ihre Haltung nicht zu rechtfertigen. Die Mitläufer würden sich herzlich wenig um die Nichtbewilligung gekümmert haben, die ja auch die Fraktion zuerst beschlossen hatte, um dann, man darf die Sache betrachten wie man will, nur um der schönen Augen eines Ministers willen plötzlich umzuschwenken. Damit haben die badischen Genossen uns nicht Mitläufer gesichert, sondern verscheucht. Es ist doch ganz klar und selbstverständlich, daß die Partei eine Mißachtung ihrer Partei- beschlüsie sich nicht ruhig gefallen lassen kann. Es mutz also auf dem nächsten Parteitag, wie schon jetzt in der Presse, wicddr zu einer lebhaften Auseinandersetzung kommen. Wir scheuen vor solchen Auseinandersetzungen nicht zurück, wir halten sie vielmehr für förderlich. Aber es mutz doch etwas vorliegen, über das man sich auseinandersetzt, es mutz doch etwas vorhanden sein, über das man im unklaren ist. Dastu gehört aber unsere Stellung zum Bud- get nicht. Da hat der Nürnberger Parteitag endgültig Klarheit geschaffen. Es ist deshalb überaus töricht, eine erledigte Frage noch einmal mutwillig heraufzubeschwören und mutwillig das zu entfachen, was gerade die badische Richtung so gern einen Partei- stank nennt. Die badische Landtagsfraktion will klug und taktisch weise gehandelt haben. Wir meinen, daß sich die bürgerlichen Stimmenfänger. um in den von uns noch nicht gewonnenen, aber doch bereits mit unL sympathisierenden Kreisen Verwirrung anzu- richten, gar nichts Besseres wünschen konnten, als die Budget- bewillignng, mit der die paar badischen Genossen um Kolb und Frank der ganzen Partei die Pistole auf die Brust setzen und sagen:„Entweder geht ihr mit Stillschweigen über uns hinweg oder es gibt wieder einen Hcidenradau, der uns die Mitläufer in Scharen wegtreibt." Natürlich kann sich die Partei das nicht ge- fallen lassen, und so ist denn wieder das da, was unsere Gegner sich schon während der ganzen Zeit unserer neuesten Wahlerfolg« gewünscht haben. Deshalb ist, selbst wenn man, wie wir es hier tun, die Angelegenheit nur von dem ganz oberflächlichen Stand- punkte der Wahltaktik aus betrachtet, die Budgetbttvilligung ein Parteiverrat. Geht man tiefer zu den prinzipiellen Fragen, dann wird die Haltung derer um Frank und Kolb nicht nur unentschuld- bar, sondern, wenn die Budgctbewilliger sich noch Sozialisten nennen wollen, auch unbegreifbar. Es ist recht häßlich, daß die Badenser der Partei diesen Streich gespielt haben; aber um so energischer muß jetzt der Parteitag mit den skrupellosen Parteischädigern reden. Die Partei kann ja überhaupt keine Taktik mehr durchführen, wenn sie stets darauf gefaßt sein muß, von solchen Streichen überrascht zu werden." „Volksblatt"-Harburg . „Es ist uns geradezu unverständlich, wie man sich durch solche Gemeinplätze aus dem Munde eines Ministers zu solchen wenig verschleierten Lobhudeleien hinreißen lassen kann. Wir können uns keinen politisch organisierten Arbeiter denken, der sich durch ähnliche billige Phrasen aus dem Mund« eines Unternehmers ver- leiten ließe, voller Rührung mit den politischen Vertretern des Privattapitals Frieden zu schließen. Es wird dem Arbeiter schwer, zu begreifen, daß Vertreter seiner Interessen sich so schwere Verfehlungen gegen die Einheit der sozial- demokratischen Partei, wie der Parteivorstand mit Recht die Handlung der badischen Parlamentarier nennt, zuschulden kommen lassen können. beginnt mit dem Jahre 1749, mit der denkwürdigen„Analyse" deS Philider in Paris . Lange Zeit galt der französische Meister als der stärkste Spieler der Welt und sein Ruhm und sein Ruf waren es, die Paris zu einer Zentrale des Schachspiels erhoben. Der Ruf des besten Spielers wurde erst nach längerer Pause von seinem Lands mann La Bourdonnais übernommen; nach einem gewaltigen Wett- kämpfe von 80 Pallien errang er 1884 den unbestrittenen Ruf eines Meisters. In seinem interessanten kleinen Buche„DaS Schach- spiel und seine strategischen Prinzipien" erzählt Max Langer , wie Frankreich 9 Jahre später von England geschlagen wurde. In dem Match zwischen St. Amant und Howard Staunton siegte der Brite und seine Landsleute nahmen für ihn den Titel„Champion of the world" fWeltmeister) in Anspruch, den er freilich nicht lange behielt. Denn aus dem ersten internationalen Schachturnier im Jahre 18S1 in London siegte nicht Staunton, sondern der BreS- lauer Matbematikprofessor Adolf Andeisien. Von einem eigenartigen Interesse ist das Auftreten des genialen Amerikaners Paul Merphy in der Schachwelt; auf dem ersten amerikanischen Schachturnier 1857 hatte er gesiegt, 1858 kam er nach Europa und in Paris mußte Andersten vor ihm die Waffen strecken. Aber auch sein Triumph war ohne Dauer. In dem letzten Halb- jahrhundert bildete fich die Organisation des Schachlebens immer mehr aus und die internationalen Turniere wie Wettkämpse mehren fich. Adolf Andersten, der bis 1879 lebte, gewann auf den Tournieren 1802 in London und 1870 in Baden den ersten Preis; dann aber mußte er fich mit geringeren Preisen begnügen. Seit seinem Siege über Andersten 1300 galt Steinitz als Weltmeister; 28 Jahre hat er diesen Ehrentitel behalten. Während dieser Zeit hatte er in Wien 1873 den ersten Preis gewonnen und 1882 ebenso den ersten und zweiten Preis mit Winaun geteilt, war 1383 in London zweiter Preisträger gewesen und hatte alle Angriffe starker Gegner, die ihn. durch ihre Erfolge in Tournieren an- gestachelt, zu Wettkämpfen herausgefordert hatten, siegreich ab- geschlagen. Blackburne. der 1873 den zweiten Preis erlangt hatte und auf den Turnieren 1881 und 1880 sogar den ersten davontrug, hotte 1870 seine Steine gegen Steinitz nicht ein einziges Mal zum Siege führen können. Auch Zuckertorts Ansturm gegen Steinitz im Jahre 1880, nachdem er 1883 erster Sieger gewesen war, endete mit einem Siege des alten Weltmeisters, ebenso der zweimalige Angriff TschigvinS in den Jahren 1889 und 1691. 1892 war dann Emanuel Lasker aus dem New F orker Turnier alS erster Sieger hervorgegangen. Zwei Jahre später, in dem Jahre, da fem späterer Angreifer Dr. Tarrasch zum zweiten- mal den ersten Platz im Weltturnier erkämpft hatte. forderte Lasker Steinitz zum Kampfe heraus. Sein An- griff führte ihn zum Siege; von 10 Partien gewann er 10, 4 wurden remis und 5 gingen Lasker verloren. Damit war er zum Welt- meister geworden; im Revanchewettkampf 1890 schnitt Steinitz sogar noch weit schlechter mit 2 Gewinnen gegen 10 ab. Lasker hat seit- dem drei Wettkämpfe auSgefochten. 1907 mit Marshall, in dem er von 10 Spielen 8 gewann, im folgenden Jahre mit Tarrasch, wo er von 10 Spielen 8 gewann und 3 verlor, und schließlich der noch unvergessene Kampf mit Schlechter, wobei von 10 Spielen nur 2 zur Entscheidung führten und das ganze auf ein tote» Rennen hinauslief. Es ist eine öde Anbequemungspolitik, d-r die badischen Ge» nassen die Sicherung der Autorität des Parteitages aufzuopfern bereit sind. Darüber, welcher Stoff zu berechtigter Freude den bürgerlichen Parteien jetzt kurz vor den nächsten Reichstagswahlen franko und gratis geliefert wird, wollen wir uns nicht verbreiten. Kaum hat die verflossene Bauarbeitcrbewegung den Wert unserer bewährten Taktik des Klassenkampfes ins hellste Licht gerückt, kommen die badischen Arbeitervertrauensleute daher und machen dre Disziplin, die Arbeitervertrauens leuto den Arbeitern predigen, zum Gespött. Es ist dis» ziplinwidrig gehandelt, über Parteitagsbeschlüsse sich mit einer—> auch vom Karlsruher „VolkSfrcund" verteidigten— Eleganz hinwegzusetzen, um einen badischen Minister, der im übrigen so reak» tionär Handelt wie andere, der Rachsucht der klerikal-konservativen Junker zu entziehen." „Sächsisches Volksblatt"-Zwicka«. „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Während die roke Flut immer mehr anschwillt und ein Erfolg nach dem andern sich an unsere Fahne heftet, hat es die große Mehrheit der sozialdemo. kratischen Landtagsfraktion in Baden fertig gebracht, die Einigkeit der Partei in Frage zu stellen, indem sie sich eines ganz groben Disziplinbruchcs dadurch schuldig machte, daß sie zu dem Budget des Klassenstaates ihren Segen gab. Es ist nicht das erstemal, daß sich die Badenser eine Extratour leisten. Das Land der Steg- m ü I l e r e i hat uns schon mehrfach unangenehme Ueberraschungen gebracht. Allein der jetzige Disziplinbruch ist eine noch nicht da« gewesene Brüskierung der Gefamtpartei... Es ist ganz unmöglich, daß der Magdeburger Parteitag den! Afftont der Badenser ruhig hinnehmen kann, so bedauerlich es auch ist, daß die kostbare Zeit des diesmal so ungeheuer wichtigen Par- teitagcs nochmals mit der Budgetbewilligungsftage vertrödelt wer- den muß. Es rächt sich eben jetzt, daß man seinerzeit in Nürnberg die Erklärung der 00 süddeutschen Delegierten widerspruchslos hingenommen hat... Was in Nürnberg verabsäumt worden ist, muß deshalb jetzt nachgeholt werden. Eine Kampfpartei, wie die unsere, darf es auf keinen Fall dulden, daß ihr die Disziplinbrecher auf der Nase herum- tanzen. Hier heißt es Fraktur reden; das kann sehr wohl in einer Form geschehen, daß die Gefamtpartei keinen Schaden dar- unter leidet. „Volkszeit«ng"'Kiel . „Aus reiner OpportunitätSpolitik, mit Rücksicht auf dis bür» gerlichcn Freunde im Großblock hat also unse/e badische Kammerfraktion für das Budget gestimmt. Sie hat den Klassenstandpunkt völlig aufgegeben und ist entzückt von den nichtssagenden Phrasen eines Ministers, der übrigens keinen Zweifel darüber läßt, daß er ein energischer Gegner der Sozialdemokratie ist und— wie seine früheren Aeutzerungen zeigen— von einer vollständigen �Gleich- berechtigung der Sozialdemokratie nichts wissen will. Enthält doch selbst die Städte- und Gemeindereform, wie Herr v. Bodman sie vertreten hat, noch das Dreiklassenwahlrecht, nur ist statt der alter» Zwölftelung die Scchstelung eingeführt worden. Nicht von der energischen Vertretung unseres KlassenkampfftandpunktSs erftar« ten die badischen Budgetbewilliger eine Förderung der Interessen der Arbeiterklasse, sie wollen Vorteile für die Arbeiterklasse durch Wohlverhalten von den bürgerlichen Gegnern und der Regierung erbetteln. Die Ablehnung des Budgets, diese Bekundung der grundsätzlichen Gegnerschaft gegen den heutigen Klassenstaat, ist! für sie eine völlig nutzlose Demonstration, die Politik des Ent- gegcnkommens, des SichabfindenS mit den heutigen Zustanden der Inbegriff aller politischen Weisheit." Und über die Hofgängerei wird geurteilt:„ES ist gerade, alD ob die Genossen in der badischen Kammer die Gesamtpartei provo- zieren wollen. Wenn die sozialdemokratischen Mitglieder der ba-, dischen Kammer sich durch ihre Handlungen außerhalb der Be« schlüsse der Partei stellen, dann mögen sie auch die Konsequenzen ziehen und öffentlich mit der Partei brechen, der sie innerlich, wie! ihre Haltung zeigt, doch nicht mehr angehören. Die Zusftmmung zum Budget und die damit verbundene Mißachtung der Partei- tagsbeschlüsse, die beabsichtigte Gratulationscour im königlichen Schlosse schlagen unfern Parteigrundsätzen und aller bisherigen Parteitraditionen direkt inS Gesicht." Humor und Satire. Luftverkehr. Der Luftschiff. Schaffner: Also, mein Herr» Sie haben Ihre Karte für zweihundert Mark gelöst? Der Passagier: Ja, hier ist sie. Bitte, erster Äajüte Berlin — Hannover . Der Schaffner: Sehr wohl. Das heißt: ob wir gerade nach Hannover kommen, das garantiert die Gesellschaft nicht. Bei der letzten Fahrt nach Hannover sind wir hinter Schöneberg in die Laubenkolonie gekommen. Und bei der vorletzten nach Pasewalk . Der Passagier: So, so. Weiter nach Hannover zu sind Sie noch nie gekommen? Der Schaffner: O doch. Der L. 27 hat zwei Stunden nach der Abfahrt sogar in der O st s e e gelegen. Der Passagier: Was Sie nicht sagen.., Ich bitte mir zu sagen, wenn es etwa gefährlich wird. Der Schaffner: Sehr gern. Das kann ich Ihnen aber gleich sagen: so bald es losgeht, wird's gefährlich. Später hätte ich vielleicht auch keine Gelegenheit mehr dazu. Denn wenn wir beide an zwei voneinander entfernten Stellen auf dem Bauche liegen sollten, so... Der Passagier: Auf dem Bauche?... Der Schaffner: Wenn wir vorn oder hinten plötzlich Ballast brauchen, so werden wir eben dahin kommandiert— Par- don, es wird Zeit einzusteigen. Da haben Sie Ihre Nummer. Der Passagier: Nummer? Wozu? Der Schaffner: Ei, das Blechplättchen müssen Sie um den Hals hängen. Es ist bloß— Sie sind unter dieser Nummer in die Passagierliste eingetragen. Und für den Fall, daß man Sie nachher nicht mehr erkennt, da schaut man bloß im Register die Nummer nach. Der Passagier: Bloß im Register... Der Schaffner: Ja. Das ist eine sehr gute Einrichtung. Donner, ja, eines hätt' ich beinah noch vergessen. Ich muß noch um Ihren Namen bitten und Adresse. Der Passagier: Meyer. Grüner Weg 19. Erste Etage. Aber warum... Der Schaffner: ES ist nur, damit wir Ihrer Frau Witwe telegraphieren können. Der Passagier: Meiner Witwe? (Es läutet.) Der Schaffner: Ein— steigen in der Richtung Spandau - Stendal — Braunschweig — Hannover . Der Passagier: Ich Hab' was bergessen. Ich muß noch mal rasch nach Hause... Der Schaffner: Aber wir können nicht warten. Der Passagier(aus der Entfernung): Gott soll mich bv» hüten, daß ich Ihnen UnzelegenHeiten mache. I ch fahre dann mit dem V-Zug. Gut Luftl Adieul(»Lustige Bl.") Notizen. — Theaterchronik. Im Hebbel-Theater geht Wem gehört Helene?" am 20. d. M. zum 50. Male in Szene. Vorher wird MünzerS Groteske.Spuk" gegeben,
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