me dies politische Ideal in patriotischen' Träumett erscheinen mochte, als eine äußerst klägliche Wirklichkeit, die ihre historische Weihe nur durch daS Blut schuldloser Männer erhielt, die der .„Kartätschenprinz" in ruchloser Grausamkeit verschüttete, und durch den Mut anderer Männer, wie Friedrich Engels , Josef Moll , Johann Philipp Becker . Wilhelm Liebknecht , die freilich nie den Lylinder aufgestülpt haben, um einen toten Grotzherzog zur Gruft seiner Bäter zu geleiten oder einer lebenden Grotzherzogin die silberne Mhrte zu überreichen. Vergegenwärtigt man sich die badische Geschichte, die hier tiatürlich nur in ganz großen Umrissen gezeichnet werden konnte, so wird man über die Vorgänge, die sich gegenwärtig, zum Gaudium aller Parteigegner, im badischen Landtag abgespielt haben, noch am mildesten beurteilen. Man mag nun freilich einwenden, seit sechzig Jahren habe sich das Blatt gewendet, seitdem sei auch Baden mehr und mehr in den großen Strom des Weltverkehrs gerissen worden. DaZ kann sich aber nun gerade nicht in seinen Kammern geltend machen I Denn mit dem badischen Konstitutionalismus ist iheute noch nicht mehr los als vor sechzig Jahren. Dagegen werden allerdings diese Jahrzehnte an der Bevölke- fcung des Ländchcns nicht spurlos vorübergegangen sein, und so ist die Hoffnung gestattet, daß die proletarischen Wähler in Baden die Politik ihrer Erwählten zu berichtigen wissen werden. Sollte diese Hoffnung dennoch trügen, so wird der badische Zweig der Sozialdemokratie zwar auch die Gesamtpartei, aber noch viel mehr sich selbst schädigen; der Baum kann eher eines Zweiges entbehren, als ein Zweig des Baumes. Aber wir glauben nicht daran, daß die badischen Parteigenossen noch nach bald vierzig Jahren das bisher nur lächerliche Hohnwort Treitschkes zur traurigen Wahr- Iseit machen werden:„Das Zusammenwirken der Sozialdemokratie mit dem Partikularismus berechtigt uns zu guten Erwartungen; eine der Zukunft sichere Macht verbündet sich nicht mit einem Leichnam." Ueber die Illusion der bürgerlichen Presse nun gar, als könne die Taktik der badischen Landtagsfraktion irgendwie auf die Taktik der Gesamtpartei einwirken, lohnt es sich nicht, ein ernsthaftes Wort zu verlieren. Der Wunsch ist hier wieder einmal der Vater des Gedankens. Oder bildet diese Presse sich wirklich ein, daß— um einen Vergleich aus einer ihr verständlichen, also aus der bürgerlichen Sphäre zu wählen— die Krupp und Stumm ihre Politik einrichten könnten nach den Bedürfnissen und Neigungen der xhrsamen Bürger von Schild«. In kleinen Landparzellen, durch die nach Lassalles Wort die Zugluft der Geschichte nicht streicht, entscheiden sich die.Geschicke des proletarischen Klassenkampfes niemals." j Aus dem eheleben des Grafen IFfell. Abermals stand gestern aus Anlaß der Mißhandlung seiner »?rau vor einem Kriegsgericht der Hauptmann im Jnfanterieregi. ment Nr. 129 in Graudenz Graf HanS zu Pfeil und Klein-Ellguth. In dem ersten Kriegsgerichtsprozeß in Thorn wurde der Angeklagte. wie man weiß, in allen Punkten freigesprochen. Während damals die Anzeige von der ersten Gattin des Hauptmanns, der ge- schiedenen Gräfin Stefanie Pfeil, der Tochter des Geheimen Hofbaurats Heim in Berlin , ausging, handelt eS sich in diesem zweiten Prozeß um die zweite Gattin des Grafen Pfeil, eine geborene Baronesse v. Behr aus Mitau . In dem Prozeß, der gestern bor dem Kriegsgericht der Kommandantur in Ber. Sl i n begonnen, dreht es sich hauptsächlich um Vorgänge in der zweiten Ehe des Grafen. Graf Pfeil ist der Mißhandlung, des Mißbrauchs der Di enstgewa lt. der Bedrohung und anderer Straftaten beschuldigt. Die Betroffenen sind die zweite Kattin und frühere Burschen des Angeklagten. Graf Pfeil ,'der in der Uniform feines Regiments erschienen ist. Will sich zunächst auf den Stuhl neben der Anklagebank niederlassen. er wird jedoch aufgefordert, auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Nach der Anklage, die KriegSgerichtsrat Dr. Welt verliest. wird dem Grafen Pfeil zur Last gelegt, sein« zweite Frau, die Gräfin Pfeil, am 6. April 1909 vorsätzlich körperlich mißhandelt zu haben, indem er sie während ihrerdrei. monatigen Schwangerschaft vor die Brust stieß, guBodenwarfundamtzalsewürgte.so daß die Miß- handelte bewußtlos wurde. Ein andermal drohte der An» geklagte, seine zweite Frau zu erschießen. Mit den Worten: „Siehst Du, ich habe noch einen!" richtete Graf Pfeil einen R e. volver gegen seine Gattin. Dann soll er den Mu S k e» tier Schröder körperlich vorsätzlich mißhandelt und ihn durch Drohung vorschriftswidrig behandelt zu haben. Schließlich kommt die Anklage auch«ruf die Zeitungsaffäre zu sprechen. Graf Pfeil hat danach in einem Cafe mehrere Zeitungs- blätter, in denen Notizen über seine Prozesse standen» entwendet und seinem Rechtsanwalt zugestellt. Graf Pfeil bestreitet bei seiner Vernehmung, in der von der Anklage geschilderten Weise gehandelt zu haben. Wohl müsse er zugeben, daß es zu Tätlichkeiten zwischen ihm und seiner Frau gekommen sei, doch tue ihm dies furcht- bar leid. Daß seine Frau damals schwanger ge- Wesen sei— davon habe er nichts gewußt l Betreffs der Anklage im! Falle Schröder erklärt der Angeklagte, daß ihm der Bursche Günther keineswegs gefallen und einen sehr schlechten Eindruck auf ihn gemacht habe. Er wollte einen besseren Burschen haben und dies war Schröder, der interimistisch die Durschendienste versehen wollte. Schröder drängte sich immer danach, seine Briefe und die eingeschriebenen Sendungen zur Post zu bringen. Eines Tages habe er Schröder wegen des Detektivs Gräger ausgehorcht. Schröder habe ihm erklärt, daß Gräger ihm 50 M. dafür geboten habe, wenn er alle möglichen Nach- richten über ihn und sein Familienleben ihm, dem Detektiv, übergebe. Später habe der Bursche in einer förmlichen Rede alles wieder ab- gestritten, und nun habe er Verdacht geschöpft und Schröder ver- haften lassen. Am 1. Juni soll Graf Pfeil den Schröder«ruf die Kompagniestube genommen und ihn dort% Stunden bearbeitet haben. Er soll ihn g e st o ß e n und g eg e n d a S Spind gedrängt haben und ihm dann gedroht haben, er werde ihn sofort auf Festung bringen lassen, wenn er kein Geständ- niS dahin ablege, daß ihm von dem Detektiv 50 M. für die Nachrichten versprochen worden seien. Hierzu bemerkt der Angeklagte, daß es ihm gänzlich fern liege, einen Mann in dieser Weise zu beein- slussen.— Die Aeußerung:„jWenn Sie jetzt nicht gestehen, dann werde ich Sie sofort auf Festung bringen lassenl" klärt der An- geklagte dahin auf, er habe dem Schröder nur Vorhaltungen in Väter- l icher Weise gemacht. Er habe wohl dabei angedeutet, daß, wenn Schröder die Unwahrheit sage, er schließlich noch auf Festung kommen könne. Zu dem letzten Punkt der Anklage, die Entwendungen von Zeitungen, erklärt der Angeklagte, er sei im Caf6 Gussow in Graudenz Stamm- gast gewesen, und an einem Abend sei er infolge innerer Erregungen so aufgebracht gewesen, daß er die Zeitungen am liebsten zerrissen hätte. Es sei wohl möglich daß er ein Blatt fortgenommen, ob er es aber dem Rechtsanwalt zugestellt habe, wisse er nicht mehr. Er habe ja auch geglaubt, daß et als Stammgast gewissermaßen zu seiner Handlung berechtigt sei, und zwar um so mehr, als die Zei- jungen alt waren. Ein rechtswidriges Empfinden habe er damals keineswegs gehabt. Nach dem Führungszeugnis, da» verlesen wird, ist Graf Pfeil ein„gewandter, pflichttreuer Offi- zier von liebenswürdigem Wesen". Als erste Zeugin wird die Gräfi» Pfeil vorgerufen. Auf den Hinweis, daß sie als Ehefrau de» Angeklagten berechtigt fei, die Aussage zu verweigern, äußert die Zeugin, sie wolle aussagen. Graf Pfeil Me sie zu Anfang ihrer He zwei«. Mal yätk attt Gelenk gefaßt. Km 9. April habe et ihr vorgeworfen, sie verhalte sich so kühl. Sie sei dann mit ihm in Streit geraten. Er habe ihr vorgeworfen, sie gehe zum General Krause und anderen Vorgesetzten und verklatsche ihn dort. Als er dann auf sie zukommen wollte, rief sie ihm zu:„Du Schuft!" Im nächsten Moment wurdedie Gräfinvon dem Gattenzur Erde geworfen. Der Angeklagte stellte die Knie auf ihren Körper und würgte sie am Halse, so daß ihr der Atem ausging. Später seien noch Würgeflecke am Hals zu sehen gewesen. Daß sie schwanger gewesen sei, davon habe der Angeklagte nichts gewußt. Die Zeugin gibt die Möglichkeit zu, daß der Graf beim Fallen zur Erde mit dem Knie auf die Brust der Gräfin geraten ist. Auf eine Frage des Sachverständigen bekundet die Gräfin, daß ihr schwarz vor den Augen wurde, und daß sie meinte, ersticken zu müssen. Der Kragen war bei dem Gefecht«ruf- gerissen worden. Später stellte sich Erbrechen ein, daß teilweise auf ihren Zustand zurückzuführen Urar, das aber nach Ansicht der Gräfin als eine Folge der Mißhandlungen anzusehen sei. Kurz vor dem aufregenden Vorfall hat der Graf Bilder zu Böden geworfen und ein Bild der Zeugin gegen den Kopf geschleudert. Revolverszenen seien häufig vorgekommen, doch habe ihr der Graf nicht mit Erschießen gedroht. Eines Tages sei ihr der Gatte im Zimmer entgegengekommen und habe erschreckend aus- gesehen. Mit den Worten:„Du siehst, ich habe noch einen Revolver!" holte der Angeklagte einen Revolver aus dem Tisch- kästen hervor und fuchtelte damit vor der Gräfin umher. Ihr sei Angst geworden und sie habe aus dem Zimmer entfliehen wollen. Der Graf hielt sie jedoch fest. Nach Rücksprache mit dem Grafen Lamsdorff habe sie sich entschlossen, nach der Geburt ihres Kindes, die vor einiger Zeit erfolgte, auszusagen, während sie zu- nächst nichts aussagen wollte. Es kommt dann die Rede auf die Persönlichkeit der Gräfin Pfeil m körperlicher Beziehung. Die Gräfin hat in Gesellschaften wiederholt Zeugnis davon abgelegt, daß sie über eine für Frauen seltene Körperkraft verfügt. Sie hob schwere Gewichte und war auch leidenschaftliche Anhängerin des Fechtsports. Hin und wieder pflegte die Gräfin mit dem Wort„Bär " zu unterschreiben. Nach beendeter Vernehmung der Gräfin gibt der als Sachver- ständiger geladene Oberstabsarzt sein Gutachten ab. Der Verhandlungsleiter richtet«m ihn die Frage, ob durch die Behand- lung des Angeklagten das Leben der Gräfin ernstlich gefährdet werden könne. Der Sachverständige bekundet, daß durch das Knieen auf der BrustXund das gleichzeitige Würgen am Hals der Lust- Mangel ein weit bedeutenderer sei als durch dcrs Würgen allein. Der Gräfin fei schwarz vor den Augen geworden, und sie habe auch keine Lust bekommen. Bei den sich widerstreitenden Aussagen der Gräfin und des Grafen könne er jedoch zu keinem bestimmten Ergebnis dahin gehend kommen, ob'das Leben der Gräfin bei jenem Vorgang ernstlich gefährdet war. Hätte daS Würgen noch länger angehalten, so hätte es böse Folgen haben können. Major Born st ein wird über die Mißhandlungsfälle des gräflichen PaareS vernommen. Gleich nach der Mißhandlung war die Gräfin damals fortgelaufen und hatte in der Familie des Majors Zuflucht gesucht. Die Gräfin war nach den Bekundungen des Zeugen wiederholt bei seinen Angehörigen und erzählte öfter derartige Geschichten. Was daS Fassen an die Handgelenke anlangt, so habe die Gräfin mehr von einem Ringen gesprochen. In Berlin , wohin die Gräfin nach ihrer Flucht sich wandte, suchte sie der Zeuge auf, um sie zur Rück- kehr zu ihrem Gatten zu bewegen. Die Grafin ließ sich auch wieder überreden. Wie sie aussagt, ist sie dadurch zur Rückkehr bestimmt worden, daß ihr der Major sagte, wenn er erfolglos nach Graudenz zurückfahre, so werde sich Graf Pfeil zweifellos das Leben nehmen. Der Major war auch der festen Ueberzeugung, daß es zur Katastrophe kommen werde und bot alles auf. um feine Mission mit Erfolg durchzuführen. Der Zeuge hatte bei der Erzählung der Gräfin die Empfindung, daß Graf Pfeil nicht die Gräfin, sondern sich selbst erschießen wollte. Auch bei der folgenden Zeugin, der Frau Debarrh, hat di« Gräfin einmal Zuflucht gesucht. Auch ihr erzählt« die Gräfin von Mißhandlungen, wovon sie blaue Flecke am Arm bekommen hätte. Von den WürgungSversuchen weiß die Zeugin nichts. In der weiteren Beweisaufnahme kommt der Fall Schröder zur Verhandlung. Der Hauptzeuge, der frühere Musketier Schröder, wirb noch einmal eindringlich zur Wahrheit ermahnt. Zu der Angelegenheit der eidesstattlichen Versicherung, die der Zeuge seinerzeit dem Detektiv Gräger abgegeben hat, bekundet Schröder folgend«?: Er habe Gräger nicht in die Wohnung des Grafen Pfeil eingelassen. Er habe Gräger überhaupt erst nach seiner Entlassung aus dem Dienst des Grafen kennen gelernt. Gräger hcibe ihn aufgesucht und ihm mitgeteilt, er müsse Material gegen den Grafen Pfeil haben. Er habe die Zeugen dann auSgefnigt, die Antworten niedergeschrieben, das Schriftstück dem Schröder später zugesandt, ehe er dann unterschrieb. Der Zeuge sandte das Schrei. ben an die Gräfin Stephanie Pfeil nach Berlin . Schröder will nur 3 Mark von Gräger bekommen haben. Dieses Geld galt aber für den Ausfall, den er infolge der Angelegenheit an Zeitversäum- niS und Arbeitsverdienst erlitten. Was der Zeuge unterschrieben habe, entspricht auch der Wahrheit. Schröder bestreitet, dem Grafen gesagt zu haben, er habe den Detektiv in die Wohnung gelassen und Geld von ihm bekommen. Graf Pfeil sei einmal m ihn gedrungen, doch zu sagen, daß er von Gräger Geld bekommen habe und daß ihm von dem Detektiv Versprechungen gemacht worden feien. Eines Tages nahm der Graf den Zeugen mit auf die Schreibstube. Er nahm ihn unter vier Augen ins Gespräch und rief plötzlich:«Gesteh'n Sie, gestehen Sie." Er faßte ihn dann am Kopf und stieß ihn heftig gegen den Schrank. Nur um den Grafen zu beruhigen, habe der Zeuge hervorgestoßen, er habe 5 oder 15 Mark von Gräger bekommen. Der Angeklagte verließ dann den Burschen und sagte: „Ich werde Ihnen fünf Minuten Zeit lassen! Ueberlegen Sie es sich alsol" Am Vormittag de? Tages, an dem dieser Vorfall sich abspielte, traf der Zeuge den Grafen weinend<m. Der Angeklagte rief dem Eintretenden entgegen: „Lieber Heiny, die Gräfin ist fort und sie kommt nicht wieder!" Nur durch die Drohung, er werde auf Festung kommen und durch die Mißhandlungen sei er dazu bewogen worden, solche Aussagen zu machen. Darauf wurde in die Verhandlung Segen Zeitungsdiebstahls eingetreten. Der Kellner eines Graudenzer Cafäs bekundete, daß aus Zeitungen, die Graf Pfeil gelesen habe, Stücke heraus- geschnitten worden seien. Graf Pfeil habe auch schließlich zuge- geben, daß er der Täter gewesen sei. Der Besitzer des Cafes er- klärte demgegenüber, daß er der Ansicht sei, daß sich Graf Pfeil für berechtigt gehalten habe, die ihn interessierenden Artikel aus den Zeitungen herauszuschneiden. Ein Brief der Gräfin Pfeil an ihren Gatten, der borgelesen wird, fällt in die Zeit unmittelbar nach einem Selbstmord- versuch des Angeklagten. Gräfin Pfeil schreibt darin dem Gatten, den sie kurz vorher verlassen hatte, daß wohl jetzt nicht der Moment da sei, ihm Vorwürfe zu machen. Aber er werde eS wohl selbst einsehen, daß eS für beide besser fei, wenn sie getrennt lebten. Er werde sich ja über ihre kühle Behandlung hinwegsetzen können. Längere Zeit nimmt die Vernehmung deS Privatdetek» tivs Gräger in Anspruch. Gräger war früher Kriminal- beamter, auch in der politischen Abteilung tätig. Er hat große Geldsummen von der Gräfin Stephanie erhalten, damit er dieser ihre Kinder wieder verschaffe. Recht eigenartige Aussagen macht der Gefreite Schi- porra. Eines Tages wurde ihm vom Feldwebel befohlen, ge» meinfam mit zwei anderen Gefreiten den Musketier Schröder zu bewachen. Die Bewachung sollte auch abends vom Schlafengehen bis zum Wecken dauern. Es war den Gefreiten anbefohlen worden, auf sLkS zu gchten, WS Schpödep unteruehW. LuS WS er sb u'n? kränk«ußlen sie beoba'chkekk. Dem SchißoWa gsgAkklber äußerte Schröder einmal, er fei von dem Hauptmann gegen daö Spind gestoßen worden und habe Kopfschmerzen und Schmerzen im Kreuz. Der Gefreite Schmitt, der ebenfalls zur Nacht, wache gehörte, bekundet, daß er von dem Grafen Pfeil den B e- fehl zur Bewachung bekommen habe. Der Angeklagte läßt durch den Zeugen Schröder feststellen, daß er niemals im Dienst Leute mißhandelt oder nur angefaßt habe. Schröder sagt hierzu aus. daß Graf Pfeil wohl streng im Dienst gewesen sei, aber nie- mals geschlagen habe. In einem anderen Schreiben an die Gräfin heißt eS u. a.: „Du bist der reine Kampfhahn geworden, Du bist keine Frau mehr, das steht Dir sehr schlecht an!" Das Gericht beschließt, die Gräfin Pfeil, die noch nicht rechtskräftig geschieden ist, und den Zeugen Gräger nicht zuver» e i d i g e n. Bei Gräger ist das Gericht übereinstimmend der Ueberzeugung, daß er unglaubwürdig ist. Der Vertreter der Anklage, Kriegsgerichts- rat Dr. Welt, führt in seinem Plaidoher auS, daß die Anklage in drei Teile zerfalle. Die Drohung mit dem Revolver falle durch die Aussage der Gräfin Pfeil ins Wasser. Von einem Verbrechen des gedrohten Totschlags könne keine Rede sein. Betreffs des zweiten Falles, die Körperverletzung, müsse die Aussage der Gräfin herangezogen werden. Bei der bevorstehenden Scheidung des gräflichen PaareS müsse man aber die Situation, in der sich die Gräfin augenblicklich befindet, berücksichtigen. ES sei festgestellt, daß der Graf von der Schwangerschaft keine Kennt- nis gehabt hat und es falle die Anklage der schweren Körper- Verletzung fort und bleibe nur noch die Anklage der einfachen Körperverletzung! Hierfür sei aber kein Strafantrag ge- stellt, und so müsse er auch in diesem Falle Freisprechung beantragen. Es komme dann die Mißhandlung des Musketiers Schröder. Hier fei man auf das Zeugnis des Schröder angewiesen. Ein Zeuge, der dem Detektiv Gräger in die Finger geraten sei, der sei kein Zeuge mehr für das Gericht. Aber es bleibe hier doch bestehen, was Schröder unter seinem Eide bekundet hat, und er müsse Be st rafung beantragen. Er sehe die Nötigung und Mißhandlung des Musketiers als eine fortgesetzte Handlung an und verkenne nicht, daß sich der Angeklagte in einer sehr üblen Lage befunden habe. Er beantrage 14 Tage Stubenarre st. So- dann komme die famose Zeitungsdiebstahlsaffäre, die dem Staat viel Geld gekostet habe. Bereichern konnte sich der Angeklagte nicht mit den Zeitungen. Am liebsten hätte er die Pamphlete, die von der Gegenpartei in die Zeitungen lanciert wurden, zerrissen. Wo lag also hier die Absicht des Diebstahls? Es liege also nur S a ch- beschädigung vor und hier ist auch vom Betroffenen, dem Cafehausbesitzer kein Strafantrag gestellt worden. So müsse also auch hier die Anklage fallen. Verurteilung könne nur im Falle de? Schröder erfolgen. Gegen Z47 Uhr abends wurde das Urteil gefällt. Der An. geklagte wurde wegen vorschriftswidriger Behandlung eines Unter» gebenen in Ausübung des Dienstes zu fünf Tagen Stubenarrest verurteilt. Von der Anklage der Bedrohung und deS Diebstahl» wurde er freigesprochen. Ueber Strenge de? Anklagevertreter» und vor allem des Ge« richtS braucht sich der Graf wirklich nicht zu beklagen. Man sieht, daß das Kriegsgericht im Gegensatz zu den oft gefällten drako- nischen Urteilen gegen„gemeine Soldaten" auch xecht Milde urteilen kgnn.= Bon Rechts wegen. Sericbts- Leitung. Die vatetschlagungen de» Rechtsanwalts und MarinefrlegH«. gcrichtsrat a. D. Max Staats beschäftigten gestern unter Vorsitz de» Landgerichtsdirektor» ttager die 10. Strafkammer des Landgerichts I. Staats hatte sich unter der Anklage der Untreue in drei Fällen und der Unterschlagung in einem westeren Falle zu verantworten. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, in den Jahren 1900 bis 1910 als Bevollmächtigter über Vermögensstücke seiner Auftraggeber absichtlich zu deren Nachteil verfügt zu haben, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Angeklagte, welcher der Sohn eines GroßkaufmannS in Breslau ist, war, nachdem er das Assessorexamen bestanden hatte, erst längere Zeit in einer großen schlesischen Bank- und Versiche- rungsgesellschast als juristischer Ratgeber tätig gewesen. Nachdem er zum Reserveoffizier befördert worden war, trat er als Hilfs. arbeiter des Justitiars in das ReichSmarineamt ein. In Dieser amtlichen Stellung kam er auf die Kreuzcrdivision. die im Jahre 1903 die bekannte Expedition wegen der in Venezuela entstandenen Wirren auszuführen hatte. Er hatte damals bei der Erledigung völkerrechtlicher Fragen als Jurist mitzuwirken. Auf dieser Reise nahm er den Keim zu einem schweren und äußerst schmerzvollen rheumatischen Leiden in sich auf. Nach seiner Rückkehr war Staats einige Zeit in Kiel als Marinekriegsgerichtsrat tätig, mußte diese Position jedoch wieder infolge seines Leidens aufgeben. Er kam dann nach Berlin und ließ sich hier als Rechtsanwalt nieder. Da es ihm nicht gleich gelang, eine Praxis zu erlangen, war er ge» nötigt, ein Darlehen von 5000 M. aufzunehmen. Als er die hier- bei eingegangenen RückzahluckgSverpflichtungen nicht erfüllen konnte, ließ er sich mit gewerbsmäßigen Geldverleihern ein, denen er hohe Wucherzinsen zahlen mußte. Um diesen Verpflichtungen gerecht werden zu können, geriet er immer mehr in Wucherhände. so daß schließlich der finanzielle Zusammenbruch erfolgte. Im Februar 1909 leistete Staats den Offenbarungseid. Es war da- mals schon die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Ver- mögen beantragt worden. Der Antrag wurde jedoch zurückgezogen, nachdem ein naher Verwandter de» Angeklagten ntit einem größeren Betrage für ihn eingetreten war. Bald darauf stellte es sich jedoch heraus, daß Staats in der Zeit, als ihm das Messer an der Kehle stand, sich hatte dazu verleiten lassen, sich an Geldern, die ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt anvertraut worden waren, zu vergreifen. Auf die Anzeige eines der Geschädigten hin erfolgte am 3. Juni dieses Jahres die Verhaftung des Angeklagten. In dem Ermittelungsverfahren ergaben sich folgende Einzek» fälle von Veruntreuungen: Vor einiger Zeit war dem Angeklagten von einem Tischler Sonnenrein Postvollmacht erteilt worden. Von den eingehenden Beträgen behielt Staats für sich zirka 3300 Mark zurück. In einem anderen Falle eignete sich St. den Betrag von 350 Mark an, der bei ihm für Mietzahlungen von einem gewissen Backhaus hinterlegt worden war. Von einer Friseurin Koehler ließ sich Staats als Sicherheit für feine späteren Kostenford«- rungen eine Aktie der Oberschlesischen Eisenindustrie über 1000 Mark aushändigen. Dieses Wertpapier verkaufte er sofort nach Erhalt bei der Firma Fromberg u. Co. Als feine Mandantin dieses Papier zurückforderte, verlangte er einen Barvorschuß von 500 M., den er auch erhielt. Inzwischen kaufte er schleunigst die Aktie zurück, behielt jedoch später den überschießenden Betrag von den 500 Mark, da seine Kostenforderung nur zirka 200 Mark aus» machte. In einem anderen Falle erhielt der Angeklagte von einem Kürschnermeister Ziebell in Oderberg die Summe von 2500 Mark in bar und Wertpapiere in Höhe von 7500 Mark ausgehändigt. Staat? erhielt von Ziebell den Luftrag, mit Htlfe jene? Betrages mrt der Firma Israel Vergleichsverhandlungen anzubahnen und Zahlungen zu leisten. Trotz der Hergabe de? Geldes wurde bei Ziebell ge» pfändet. Als er dann von Staats das hinterlegte Geld verlangte, hatte dieser das Geld zum größten Teile für sich verbraucht. In dem letzten Falle der Anklage hatte Staats ein Wertpapier über 1500 Mark, welches ihm zur Zahlung von Alimenten von einem Konditor Meinke anvertraut war, unterschlagen. Vor Gericht war der Angeklagte geständig. Er gab zu, sich an fremdem Geld« vergangen zu haben und erklärte, daß er durch seine unglücklichen finanziellen Verhältnisse und vor allem durch sein Leiden schließlich gar nicht mehr gewußt habe, was er tue. Der als Sachverständiger gelgdene Gefängnisgrzt Dr, Sehnsen bekun-
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