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Dr. 170. 27. IahrgW. L KnlU des Jorantlü" Sttliiitr WKsM Smmdtüd� 23.|«li 1910. Sind wir todfeinde der bürgerlichen Gelellkhaft? Von Ed. Bernstein. Der Satz tzes Vorwärts", dast die Sozialdemokraten ihre polt, tische Haltung von dem Gedanken leiten lasten müssen, daß sie »Todfeinde der bürgerlichen Gesellschaft" seien, ist von den Tod' feinden einer demokratisch gerichteten Reformpolitik mit Eifer aus gegriffen worden, um den Widersinn einer solchen Politik zu be- weisen. Es scheint daher angezeigt, ihn etwas näher zu prüfen. Was heißtTodfeind der bürgerlichen Gesellschaft". waS kann tS im Munde eines Sozialdemokraten heißen? Der Begriff bürgerliche Gesellschaft ist, wie der Begriff bürgerlich, vieldeutig, verschwommen. Bürgerlich stammt vom Wort burgher ab, das den Bewohner der Burg und späteren St«dt bezeichnet. Politisch steht es zunächst für den Ja Haber des Burg- oder Stadtrechts und wird damit von der Zeit ab, wo die Städte neben einer in diesem Recht befindlichen, noch «ine mehr oder weniger nur geduldete Einwohnerschaft haben, Be. Zeichnung einer privilegierten Klasse. Diesen Sinn hat es nament. lich in seiner französischen Formbourgeois", die noch stärker als das deutsche Wort Bürger an den althochdeutschen Ursprung burghsri erinnert. Aber über der Stadt erhebt sich der Staat, und in dem Maße, wie er aufhört, feudalständische Herrschaft zu sein, entwickelt sich in seinem Schöße ein anderes Recht, das Staatsbürgerrecht, dessen Inhaber in Frankreich zum Unterschied vom dourxeois mit dem Wort citaxen bezeichnet wird, entsprechend demcitteäino" der italienischen Städtestaaten des Mittelalters. Längere Zeit beschränkt das Staatsbürgerrecht die Privilegien der Inhaber des Stadtbürgerrechts nur insofern, daß es auch diese Bürger zu direkten Untertanen des Staates macht, läßt sie aber ihre Vorrechte sonst fast unangetastet. ES kommt jedoch die große französische Revolution, proklamiert als politischen Rechtsgrundsatz dieGleichheit aller vor dem Gesetz", und der«Citoyen" wird nun prinzipiell den anderen Citoyens gegenüber ein gleicher, dem Staat gegenüber ein Nicht. privilegierter. Die Revolutionäre reden sich mit C i to y e n an. Die Staatsauffassung der französischen Revolution hat stch euch in Deutschland mit Ach und Krach Bahn gebrochen. Auch unsere Verfassungen statuieren dieGleichheit aller vor dem Ge- setz", erklären grundsätzlich, daß.Standesvorrechte nicht statt- finden".(In Preußen Artikel 2 der Verfassung.) Aber die deutsche Sprache, zu deren unleugbaren Vorzügen Schärfe der Unterschei. dung nicht gehört, die vielmehr gern, mit gemütlichen Dämmerungs- begriffen hantiert, hat kein eigenes Wort für den Citoyen gebildet, sondern behilft sich, wo der Unterschied von Privilegieninhabern zum Ausdruck gebracht werden soll, mit dem zusammengesetzten Wort Staatsbürger, das jedoch nicht in den alltäglichen Ge. brauch eingegangen ist. Für gewöhnlich braucht der Deutsche das WortBürger" und seine Ableitungbürgerlich" in der der- fchiedenartigsten Anwendung: als Bezeichnung für das Mitglied einer bestimmten, nach oben wie unten begrenzten Gesellschafts- klasse; als Bezeichnung für den Städtebewohner zum Unterschied vom dörflichen Landbebaucr, als Bezeichnung für den nicht im Heer dienenden Staatsangehörigen, und schließlich auch für den nicht privilegierten Staatsangehörigen schlechthin. Daß dieser vieldeutige Gebrauch zur Quelle aller möglichen Mißdeutungen, Unbestimmt- itzeiten und Mißverständnisse werden mußte, liegt auf der Hand. Am klassischsten zeigt sich dies gerade an der Geschichte des Wortesbürgerliche Gesellschaft ". Dies Wort deckt zwei ganz ver- fchiedene Dinge. Es ist der Ausdruck für den Allgemein. begriff einer geordneten Gesellschaft, die nicht mehr die feudale Gesellschaft ist. wo also das Wort bürgerlich mit »zivil" übereinstimmt, und es ist die buchstabengemäße Uebersctzung des Spezialbegriffs einer Gefellschaftsordnung, die den Auffassungen und Klassenansprüchen der besonderen Gesellschafts- klaffe der besitzenden Bürger, derBourgeois" ent- spricht. Diese Form nahm der Staat am Tage nach der franzost schen Revolution an. Er hielt nur die Gleichheit vor dem Gesetz fest, die Rechte a m Staat blieben oder wurden ungleich verteilt. Nur daß nicht die Geburt schlechthin für die Verteilung maßgebend wurde, sondern wirtschaftliche Momente nunmehr das Mittel der Konstituierung staatlicher Ungleichheiten abgaben. Die politischen Rechte verteilten sie nach der direkten Steuerlei st ung, nach Besitznachweisen und dergleichen, in grundsätzlicher, mehr oder weniger genauer Uebereinstimmung mit der unmittelbar aus den Besitzunterschiedcn sich ergebenden rein gesellschaft lichen Machtverteilung. Es entstand die Bourgeois gesellschaft. Der Staat wurde das Herrschaftsmittel des be- sitzenden Bürgertums, der Bourgeoisie. Diese Klasse hielt die Ge- setzgebung in Händen und patzte sie ihren Bedürfnissen an. Den so geschaffenen Zustand der Dinge nun hatte der auf kommende neuzeitliche Sozialismus im Auge, als er den Kampf gegen die neue Gesellschaftsordnung eröffnete, und sobald er sich von der Utopie emanzipiert hat, findet er auch den genauen Begriff für das Objekt seiner Angriffe: er will dieLocietä bourgeoise", l'ordre bourgeois" die Bourgeoisgesellschaft, die Bourgeois- ordnung abschaffen. Es ist das zweifelhafte Verdienst Lorenz Stein's , sehr viel dazu beigetragen zu haben, daß sich dafür in der Literatur des deutschen Sozialismus der zweideutige BegriffBe' kämpfung der bürgerlichen Gesellschaft" eingebürgert hat. Außer bei Fourier, der unter dem Kaiserreich und der Restauration schrieb, wo die Verhältnisse sich noch nicht geflärt hatten, und dem seine Phantasiegemeinschaften(Phalansterien) vorschwebten, findet man bei keinem französischen Sozialisten den Widersinn einer Kriegserklärung gegen diesociete civil". Auch dasKommu- nistische Manifest" braucht für die Kennzeichnung der dem Prole. tariat gegenübergestellten Klasse wohlweislich die Worte Bourgeois und Bourgeoisie. Ebenso sucht Lassalle imArbeiterprogramm streng die BegriffeBourgeois" undBürger" auseinanderzuhalten und geht darin sogar so weit, den Begriff Bourgeois ausschließ lich auf denjenigen Besitzenden zu beziehen, der auf Grund seines Besitzes staatliche Vorrechte beansprucht, undBürger" lediglich für den Begriff des Staatsbürgers gelten zu lassen.Bürger", sagt er wörtlich,sind wir alle". Erst später führt die im allgemeinen lobenswerte Abneigung gegen Fremdworte dazu, daß die Worte Mrgcr",bürgerlich" auch in der Sozialdemokratie Unterschieds- los bald in dem einen und bald in dem anderen Sinne gebraucht werden. Meistens hat das nun nicht allzuviel auf sich, weil der Zu- sammenhang in der Regel schon erkennen läßt, in welchem Sinne die Worte genommen werden sollen. Wird aber ein diese Frage betreffender Satz außerhalb jedes erklärenden Zusammenhanges als Schlagwort in die Debatte geworfen, so ist eine genaue Begriffsbestimmung unerläßlich. ES liegt auf der Hand, daß ein Sozialist sich nicht schlechthin als Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft im Sinne von sociöte civile gesetzlich geordnetes Gemeinwesen bezeichnen kann. Die? tun hieße auf die Utopie zurückgehen. Wir können die Idee fassen, daß die gesellschaftliche EntWickelung schließlich einmal zu einem Zustand führen mag, der in der Tat nichts mehr von Rege. lung durch Gesetze an sich hat, und einen solchen Zustand uns als Ideal ausmalen. Aber auf bloße Denkbarkeiten gründet sich für eine Partei, die der sozialen EntwickelungSthcorie huldigt, keine Todfeindschaft". Ihre Gegnerschaft kann sich nur auf eine be- st i m m t e Ordnung der Dinge, nicht gegen jede gesetzliche Ordnung beziehen. Soll der Satz also weiter nichts ausdrücken, alsTod- feindschaft" gegen die Ordnung der Gesellschaft im Bourgeoissinne, d. h. gegen ungleiche staatsbürgerliche Rechte und die kapitalistische Produktionsordnung mit der Unterordnung der Arbeit unter den Besitz, so spricht man etwas aus, WaS jeder Sozialist unterschreibt, kleines feuilleton. WaS Wftd aus Abdul Hamids Odalisken? In einer seiner jüngsten Sitzungen hat sich das türkische Parlament mit dem Schick' sal der Frauen beschäftigt, die einst den Harem des entthronten Sultans Abdul Hamid bildeten. Man hatte ursprünglich angenommen, daß die Zahl der kaiserlichen Haremsfrauen 200 nicht überschritten habe: nun hat der Finanzminister den Volksvertretern ein gonaucS Verzeichnis vorgelegt, nach dem die Zahl der Haremsbewohnerinnen mit ihren Dienerinnen und Kindern die stattliche Höhe von nicht weniger als 740 erreicht. DerStambul " berichtet, daß allen diesen Frauen und Kindern Ansprüche gegen den Sultan zustehen, die sich auf rund 184000 türkische Pfund, also weit über drei Millionen Mark belaufen. Bei den» jetzigen Stand der türkischen Finanzen schlug der Minister vor, diese Summe nicht auszuzahlen, sondern in zehn- jährige Renten von 100100 Piaster im Monat umzuwandeln. ES gab eine erregte Debatte, einige Abgeordnete forderten, man solle die Exfrauen deS SultanS verheiraten, statt sie zu bezahlen. Der Finanzminister wieS darauf hin, daß die erdrückende Mehrzahl dieser Frauen weder Verwandte noch ein Heim besäßen, aber viele Abgeordnete wollte» von dieser Pensionierung nichts wissen und verlangten. man solle die Frauen und Kinder den Eltern und Verwandten zurückgeben, die seinerzeit vom Sultan reiche Abfindungen erhielten und sicherlich leicht ausfindig gemacht werden könnten. Schließlich wurde die Regierungsvorlage angenommen, nach der der türkische Staat zehn Jahre lang jährlich rund 240 000 M. für die einstigen Odalisken Abdul Hamids bezahlt. Aber trotzdem sind die Pensionen sehr knapp bemessen, denn für eine gewesene Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen ist eine Monats- rente von 20, 40 60 und in besonderen Fällen 100 M. gerade keine fürstliche Abfindung. Schiffe aus Eisenbeten, die sich in Italien schon seit mehreren Jahren recht gut bewährt haben, kommen neuerdings nach dem Prometheus" auch in anderen Ländern in Aufnahme. So hat kürzlich eine Pommersche Zementfabrik einen 10 Meter langen und 4 Meter breiten Prahm aus Eisenbeton zu Wasser gelassen, der zum Transport von Schlamm. Erde usw. bei Baggerarbeiren Verwendung finden soll. Das 17 Tonnen schwere Fahrzeug befitzt eine Tragkraft von 22,6 Tonnen und hat im un- beladenen Zustande einen Tiefgang von 50 Zentimeter, während feine Seitenhöhe 1,33 Meter beträgt. Der ganze Prahm enthält 4 getrennte Räume, von denen die beiden mittleren, größeren oben offen find und als Laderäume dienen, während die beiden kleineren, an den Schiffsendcn liegenden Räume völlig ge- schloffen und als Luftkammern ausgebildet find. Die Wandstärke des Schiffskörpers beträgt nur 7 bis 8 Zentimeter, die Ouer- lind LängSrippen haben einen Querschnitt von 12 zu 26 Zentimeter. Auf dem Main fahren seit einigen Monaten auch zwei KieStranS- Portkähne aus Eisenbeton von etwa 40 Meter Länge, die von einer süddeutschen Eisenbetonfirma erbaut sind, und demnächst sollen auch beim Bau des Panamakanals Eisenbetonprähme Verwendung finden, auf denen Baggermaschinen aufgestellt werden sollen. Mufik. Die Pragär AuSsprachä ist berühmt wenigstens im Süden so berühmt, wie die Hännoveräner im Norden. Wir lernen sie jetzt kennen durch ein Ensemble-Gastspiel von Mitgliedern des Deut- schen LandeS-TheaterS in Prag , das sich in die Gott- scheid-Oper sSchiller-Theater 0.) einschaltet. Die Künstler fingen und sprechen im ganzen recht gut, kommen aber samt ihrer Regie nicht über alte Opernweise hinaus. Noch dazu war das Stück, bei dem wir eine Stichprobe machten, die richtigeOper"; allerdings nicht schlecht und recht Bühiiensingsang, sondern eins von den Stücken G. Verdis, die auf seinem Wege vom Leicrgesang zum Tondrama liegen. Mit einem auf den unseligen Pariser Theater- autor A. E. Scribe zurückgehenden Text, der zwischen Wonne und Rache zickt und zackt, hat Verdi imMaskenball" musikalische Plattheiten und Schönheiten entfaltet, die zusammen doch etwas Großes und sogar echt Empfundenes geben. Wiederum stellt sich hier unser Wunsch ein, daß doch solche Stücke einmal von den eingewöhnten Manieren befteit und genau nach der Vorlage des Komponisten so aufgeführt würden, wie dies mittels der heutigen Erfahrungen möglich ist nicht mit.Feldtelegraphen', die vor'S Publikum hingestellt werden, und dergleichen. Indes: Sommeroper I Man läßt sich auch die Reklame gefallen, die mit dem Tenor A. P i c c a v e r gemacht wird: er hat zwar nicht den vornehmsten, aber einen vollen Ton. Man erträgt die schrillen hohen Fortetöne von Helene Forti, die sonst gut.hochdramatisch' singt. Man findet allmählich auch bei den übrigen Künstlern Gutes heraus: die Wärme des BarytonS H. Kant, die Beweglichkeit der Sopranistin L. Perrot, den sonoren Klang der Mezzosopranistin I. Neustadt und endlich die jedenfalls nicht kleinliche Dirigenten- leistung von I. T r u m nr e r. bz. Humor und Satire. Die Schutzhaft. Eine Strafanzeige wegen Freihelisberaubung ufw. gegen die Polizeler Stephan und Ailrogge, die bei der Ferrcrdemonstration unschuldige Per. fönen halten verhasten lassen, wurde von der StaatSanwaltschast ab- gewiesen, weil die Verhaftung lediglich zur Sicherheit der Verhafteten der ernst genommen sein will. Diese Gegnerschaft ist für dert Sozialisten selbsttierständlich. Warum aber dann nicht lieber einen Ausdruck wählen, der das auch ganz unzweideutig erkennen läßt? Freilichbourgeoise Gesellschaft" würde abscheulich geschmack- los lauten, undGesellschaftsordnung der Bourgeoisie" ist auch eine unschöne Wortbildung und außerdem auch zu verklausuliert. Es fehlt indes nicht an einem guten deutschen Ausdruck, der das um» schließt, waS das französische Wort societe bourgeoise bezeichnet» es sogar sozialpolitisch schärfer bestimmt. Man gehe von der Kategorie des ökonomischen Werkzeugs der Bourgeoisherrschast au? und sage einfach: kapitalistische Gefells chaftSord- n u n g. Dies Wort versteht heute alle Welt; was Gegnerschaft gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung bedeutet, begreift jeder einigermaßen politisch bolvanderte Mensch, mit dem Hinweis auf diesen Kampf läßt sich keine Umneblung der Gehirne mehr voll- ziehen. Wohl aber leiht sich das WortTodfeind der bürgerlichen Gesellschaft" dazu, denn das große Publikum versteht unter bürger- licher Gesellschaft lediglich die gesetzlich geordnete Gesellschaft inr weiteren Sinne, und man kann ihm das nicht einmal streitig machen. Wir sind keine Anarchisten, die jede staatliche Ordnung verwerfen, die von keinem Gesetz wissen wollen, und noch weniger hat unser Kampf mit der Gegnerschaft der Verbrecher von Beruf gegen das Gesetz zu tun. Die Sozialdemokratie tut sich selbst Un- recht, wenn sie ihre Kampfstellung gegen eine bestimmte Staats- und Wirtschaftsordnung mit einem Ausdruck kennzeichnet, aus dem Unwissenheit alles mögliche herauslesen, böser Wille alles mögliche herausdeuten kann. » Anmerkung der Redaktion. Man muß sicher Genossen Bernstein dankbar sein, daß er sich zu dieser minutiösen Aus- einandersetzung entschlossen hat, die auch böswilligen Aus- lcgern den Sinn unserer Worte zu entstellen erschwert. Wir waren allerdings der Meinung, daß das Wortbürgerliche Gesellschaft " in diesem Zusammenhang nur als gleichbedeutend mitbourgeoiser Gesellschaft" verstanden werden kann, einer Gesellschaft, in der die Bourgeoise ihre Klassenherrschaft aus» übt; uns schien das Wortbürgerliche Gesellschaft " mehr die politische Seite zu betonen, während der Ausdruckkapitali- stische Gesellschaft" nur den rein ökonomischen Charakter aus- drückt. Genosse O u e s s e l übrigens, den diese Worte so sehr aufgeregt haben, wird jetzt vielleicht einsehen, daß diese Auf» regung nur einem Mißverständnis entsprungen war, das man nicht nur bei einem Sozialisten für ausgeschlossen halten sollte. Vierzehilte ordentliche Geueraloersammlung des Deutsche » Tadaliarbeiterverbandes. Braunschweig , Lt. Juli. vierker Verhandlungstag. V Die Verhandlungen begannen mit einem eineinhalbstündigen, groß angelegten Referat deS Reichstagsabgeordneten Geher über die ReichSversicherungSirbnung. Redner legt die bekannte Resolution vor, die auch seinerzeit in den acht Berliner Versammlungen Annahme fand. Er schloß sein Referat: Wenn diese Reichsversicherungsordnung nicht zustande kommt, haben die Arbeiter nichts verloren dabei. Die Ausführungen des Referenten wurden mit lebhaftem Beifall entgegengenommen, die Resolution einstimmig angc- nommen. Auf Anregung Hübsch(Generalkommission) trat der Kon-i greß auch einstimmig dem Beschluß des außerordentlichen Ge­werkschaftskongresses bei, wonach, wenn die Halbierung der Kran- kenkassenbeiträge Gesetz wird, die Gewerkschaftsmitglieder den Be- trag der ersparten Beiträge zur Erhöhung der GewerkschaftSbei- träge für die Führung des gewerkschaftlichen Kampfes opfern. Danach hielt Verbandssekretär Eberle ein kurzes Referat über den zu Kopenhagen stattfindenden internationalen erfolgt sei. Wie fürsorglich die Polizei Besorgt um unserLeib und Leben', Und wie sie rücksichtsvoll dabei, Hat eben ein Descheid ergeben. Nimmt etwas unsanft sie in Hast Spaziergänger, die nichts verbrochen, Wird doch sie laut Gesetzeskraft Der Strafverfolgung losgesprochen. Freiheitsberaubung war es nicht; Noch weniger war es Beleidigung: Nur Christen, und Bcamtenpflicht War dies behauptet die Verteid'gung. Zu der Sistierten eignem Heil Hat man sich ihrer angenommen; Nur Schutzhaft war dies, alldieweil Sie sonst zuschaden tonnten kommen. Wenn man's nicht definieren kann So hat der Staatsanwalt entschieden» So sieht man es als Schntzbaft an... Hoch die Gerechtigkeit hienieoen l _ N. Oergler. Notizen. « Theaterchronik. Die diesjährigen Festspiele de? Deutschen Theaters zu Berlin im Münchener Künstler- theater werden vom 1. August bis Ende September dauern. Von den Darbietungen nimmt die geplante Aufführung des zweiten Teiles von GoethesFaust' besonderes Jntereffe in Anspruch. Außer Wiederholungen sollenJulius Cäsar ".Der Widerspenstigen Zähmung" und die Orestie des AeschyloS in neuer Inszenierung zur Darstellung kommen. Wissenschaftliche Auszeichnung. Die Universität von E d i n b u r g hat dem Direktor der chirurgischen UniversitätS - klinik zu Berlin , Professor August Bier, den Camcronpreis zuer- kannt, der ausgesetzt war für den Wohltäter der Menschheit, der innerhalb der letzten fünf Jahre auf dem Gebiete der Heilkunde be- sonders wichtige Fortschritte erzielen würde. Prof. Bier hat bekannt- lich eine neue Methode erfunden zur Erzeugung örtlicher Gefühl- losigkeit, wodurch schwere Operationen ermöglicht werden, ohne An­wendung der Narkose. LiliencronS Popularität. Anläßlich der Ent- hüllung des Grabdenkmals für Liliencron , die am Freitag in Alt- rahlstedt stattfand, wird eine Statistik über die Verbreitung seiner Werke interessieren. Besonders des Dichters LicblingSwerk, sein kunterbnnteS EpoSPoggfted", hat im letzten Jahre den Verehrerkreis so erweitert, daß es die fünf anderen Bände seiner Verse bereits überholt hat. Die elfte Auslage steht bevor. Auch die beiden(schwächeren) Nachlaßbäude: Letzte Ernte' undGute Nacht", haben hohe Auflageziffern erreicht. JndeS alle seine Bücher stehen den.Kriegsnovellen" an Popularität nach; über 100 000 Exemplare zählen sie jetzt in den Originalaus- gaben, über 300 000. wenn die billigen Ausgaben hinzugerechnet werden. Mitte September werden von Dehme! herausgegeben, zwei Bände ausgewählter Briefe erscheinen, die etwa 1000 Nummern enthalten werden. Caruso, lieber die Künstlerlaufbahn des MtterS vom hohen 0 veröffentlicht derMeffaggero' einige Angaben, die ihm der Sänger gemacht hat. In den letzten 6 bis 6 Jahren hat der Künstler die Kleinigkeit von 6.6 Millionen Mark verdient. Jeder Abend, an dem Caruso seine Stimme erschallen läßt, bringt ihm 8000 M. ein. So glänzend hat er aber nicht angefangen, denn sein erstes Engagement nach seinem Debüt brachte ihm für 14 Tage die Summe von 64 M. Auch an Enttäuschungen und Demütigungen hat cS nicht gefehlt. Sagte doch sogar ein bekannter Gcsanglchrer einst zu ihm:Machen Sie sich keine Illusionen, das bißchen Stimme, was ist das I' Und der Sänger Scalist, der ihn mit Engelsgeduld eine Zeitlang anhörte, sagte schließlich bei der sechste» falschen Note: Er ist ein guter Junge, aber zunächst muß er studieren". Und diesen Rat hat er auch befolgt, an der Schulung seiner Stimme gearbeitet, wodurch dieselbe nach seinem Ausspruch vor allem an Umfang gewonnen hat.