wangelhast ersaßt worden, einmal, weil vielfach Unklarheit darüber herrschte, waS als Ueberarbeit anzusehen war und was nicht, dann, weil die Beamten der Gewerbeinspektion durch die neue umfang- reiche Arbeit zu sehr belastet worden sind, und endlich, weil die Be- richtszeit eine Zeit schlechter Geschäftslage war. Und doch waren 40 Proz. aller Arbeiter von der Ueberarbeit betroffen worden. Bis zu 27 Stunden haben Hüttenleute ohne Unterbrechung gearbeitet! ES wird über 90, 100, ja 108 Ueberstunden in einem Monat und bei den einzelnen Arbeitern berichtet. Trotz der verlangten Mindestruhezeit von acht Stunden, die eine Maximalarbeitsschicht von 16 Stunden bedingt, die langen Schichten! Wenn ein Arbeiter mehr als 16 Stunden arbeiten muß, so wird dann der Beginn der folgenden Schicht soweit verschoben. daß doch die acht Stunden Ruhe gewahrt bleiben. Die Fabrikinspek- toren haben gegen diese„wandernde Schichte" fast durchweg nichts einzuwenden, trotzdem die Schiebung zweifellos gegen Sinn und Wortlaut der Schutzverordnung verstößt. Bei der erwähnten Hand. habung könnte die Schicht des Arbeiters beliebig lang gezogen werden. Er könnte 48, 60 und mehr Stunden gehetzt und eS müßten nur die 2 Stunden Pausen gewährt werden. Ein sonderbarer Ar- beiterschutz! In den meisten Hütten- und Walzwerken herrscht die Zwölf- stundenschicht, jedoch kommen auch noch regelmäßige IZstündige Schichten vor. Nur ganz vereinzelt, meist an Walzenstraßen, einigemal an Hochöfen, ist für eine kleine Zahl von Arbeitern die Achtstundenschicht eingeführt worden, zusammen für 2697 Arbeiter. Da? ist bitter wenig, aber ein Anfang, bei dem nach Verallgemeine. rung gestrebt werden muß. Im allgemeinen wird in den Hütten- und Walzwerken auch noch des Sonnabends nachts gearbeitet, so daß der Betrieb erst am Sonntag früh ruht, woraus sich dann die umfangreiche Sonntags- reparaturarbeit ergibt. Ein AufstchtSbeamtcr berichtet, daß in einem Werk der Betrieb in der Puddelabteilung am Sonnabend Abend aufhört. Auch in dieser Beziehung muß nach allgemeiner Einführung der Mahnahme hingewirkt werden. Dann können die Reparaturen des Sonnabend Nachts gemacht und der Sonntag kann viel mehr von Arbeit frei werden. In England geht das schon lange. Einige Fabrikinspektoren berichten über große Skrupellosigkett von Unternehmern bei der Beantragung von Ausnahmen. In einem Fall beantragte ein Werk die halbstündige Mittagspause. trotzdem dort vor Inkrafttreten der Schutzverordnung schon eine längere Pause bestand! In einem anderen Bezirk waren die For- mulare zur Ausnahmebeantragung von einer Zentralstelle her- gestellt worden und verschiedene Werke verfuhren dann so lodderig, daß sie sogar Ausnahmen von den Regelpausen beantragten für Betriebsabteilungen, die es auf dem Werke gar nicht gab! Vielfach berichten die AufsichtSbcamten, daß die Arbeiter sehr gern Ueberstunden machten, da sie besser bezahlt würden. Die Ar- beiter wollten den Lohnausfall nicht missen. Allerdings lassen die Unternehmer viel lieber Ueberstunden machen, als daß sie den Lohn der Arbeiter erhöhen. Reicht der Lohn zum Leben eines Kultur- menschen auS, dann wird die„Willigkeit" zur Ueberarbeit schon rasch schwinden, soweit sie überhaupt wirklich vorhanden ist. Na» türlich muß die Schutzverordnung auch gegen rückständige Arbeiter durchgeführt werden. Ziehen wir die Folgerungen aus den Berichten der Fabrik- Inspektoren über die Durchführung der Hüttenarbeiterschutzverord- nung, so ist vor allem eine einheitlichere, energischere Durchführung zu verlangen, unter Fortfall jeder Ausnahmegewährung. Auch der Notfallbegriff muß sehr eingeschränkt werden. Darüber hinaus ist eine Erwei- tening der Schutzmaßnahmen zu fordern, die Ruhezeit ist auf 12 bis 14 Stunden zu bemessen und der von der sozialdemokratischen Partei schon lange erstrebte Achtstundentag ist mit Nachdruck zu sordern. Gegenüber den Sturmversuchen der Hüttenkönige muß es heißen: Hand weg von der Schutzverordnung! vemolikAtea gegen lüeviilonllten. In derselben NunMier des„Freien Volks", in der Herr S)r. Breitscheid gegen die badische Budgetlbcwilligung auftrat, veröffentlichte auch Herr Lüdemann einen Artikel, der sich mit Auslassungen Dr. Quesisels beschäftigte, die uns ein Bündnis mit den Liberalen empfehlen und dies„wirtschasts- wissenschaftlich" durch Untersuchung der sozialen Schichtung Deutschlands zu beweisen suchten. Dagegen polemisiert nun Lüdemann und findet es unbegreiflich und seltsam, daß Ouessel auS Unternehmern, Privatangestellten, Staatsbeamten und den Angehörigen der freien Berufe unter dem Titel„Neuer Mittelstand" eine einheitliche politische Gruppe zu kon- struieren suche. Ouessel schrieb: „Nach der Gewerbezählung des Jahres 1907 kann man die Zahl der männlichen Unternehmer auf rund 1300 000 veranschlagen. Rechnet man hierzu die 1,29 Millionen Privat- b e a m t e n und rund 1 Million Staats» und Gemeinde» beamte und Vertreter der freien Berufe, so haben wir den neuen Mittelstand in einer Stärke von 3,69 Millionen vor uns, gewaltig an Zahl, groß an Ansehen, reich an Intelligenz. vielfach allerdings in beschränkten, in der Regel aber in über- proletarischen Verhältnissen lebend und sorgsam darauf bedacht. die höhere Lebenshaltung nicht durch eine zu große Kinderzabl zu gefährden. Unter dem neuen Mittelstand stehend finden wir die Klasse der Handwerksmeister alten Stils, die in den letzten Jahren an Zahl zurückgegangen ist, aber auch heute noch rund eine Million Angehöriger zählen wird; neben und über dem Mittelstand stehend sehen wir die Klasse der untätigen Kaplta- listen, Rentner und Pensionäre, die mit ihren männlichen An- gehörigen sich im Jahre 1907 auf zirka 1.5 Millionen beliefen." Dagegen führt Lüdemann aus: „Die Privatangestellten zusammen mit den Vertretern des UnkernehmertumS zu einem politischen Begriff vereinigt zu sehen, unter ihnen die Klasse der Handwerksmeister und sogar die Klasse der untätigen Kapitalisten. Rentner und Pensionäre noch neben ihnen,— das ist ein zu originelles Bild, als daß man ohne kritische Bemerkungen daran vorübergehen könnte. Aber selbst wenn eS im zwanzigsten Jahrhundert noch Politiker geben sollte— und nach dieser Erfahrung wage ich ihr Vorhanden- sein nicht zu bestreiten—. die eine derartige Konstruktion für zulässig halten, für einen sozialdemokrati schen Poli- tiker ist sie jedenfalls unmöglich! Denn auch ohne das mehrjährige Studium der theoretischen Nationalökonomie darf ein sozialdemokratischer Politiker nicht darüber im Zweifel sein, daß die Einteilung'der Menschen in Klassen nicht auf Abstammung, Kinderzahl und äußerlichen Lebensgewohnheiten beruht, sondern das Produkt ihrer sozialen Stellung, ihres Verhältnisses zur Arbeit und Besitz ist. Er müßte also auch wissen, daß die— nebenbei bemerkt— nicht 1.29, sondern fast2Mtllion«nPrivatangestelltenin ihrer übergroßen Mehrzahl mit den Vertretern des Besitzes nicht mehr gemein haben als die Arbeiter, daß sie mit diesem zusammen das große Heer der- jenigen bilden, die nichts oder doch nicht soviel besitzen, um von den Zinsen ihres Kapitals leben zu können und die infolgedessen gezwungen sind, als Lohnempfänger in den Diensten anderer ihren Unterhalt zu verdienen. Gewiß gibt es auch heute noch einzelne Angestellte, denen das Glück oder die väterliche Erbschaft— meist ist es ja dasselbe— ein spätes Selbständigwerden ermöglicht. Ader die übergroße Mehrzahl— mindestens 95 Proz.!— bleibt ihr ganzes Leben hin- durch wirtschaftlich abhängig und hat somit an einer weitgehenden Umgestaltung unserer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse das allergrößte Interesse. Eine andere Frage ist natürlich, ob sich die organisatorische Betätigung dieses Interesses innerhalb der sozialdemokratischen Partei vollzieht, d. h. ob die Mehrzahl der Prwatangestellten ihre politische Vertretung in der heutigen Sozialdemokratie suchen und— findet, wird. Allerdings für Dr. QuesselS Untersuchung ist das gleichgültig; denn seine Fragestellung lautet nicht: wie kann die Sozialdemokratie die Reaktion niederringen? sondern er fragt: wie kann überhaupt eine Gesundung der deutschen Politik herbeigeführt werden? Für diese Beurteilung politisch. taktischer Möglichkeiten ist aber allein entscheidend der Umstand. daß nicht bloß die 8,3 Millionen Lohnarbeiter, sondern auch der größere Teil der Privatangestellten und, wie ich gleich hinzu- fügen möchte, eine mindestens ebenso große Schar von Agenten, Händlern und anderen scheinbar selbständigen, in Wirklichkeit aber recht proletarischen Existenzen mindestens in dem gleichen Maße daran interessiert ist, den gegenwärtigen Machthaber» die politische Herrschaft zu entreißen. „Wenn die„Sozialistischen Monatshefte" aufhören würden, die ihnen ofsenbar nicht in ihr Schema passende Demokratische Vereinigung systematisch totzuschweigen, so würde eS ja auch Dr. Ouessel nicht entgangen sein, daß diese Schichten gar nicht daran denken, sich dauernd als die Stützen kapitalistischer Jnter- essenwirtschaft zu betrachten. Er würde wissen, daß sie im Gegenteil— durchaus entschlossen sind, links von den Vertretern des mobilen Kapitals und des festen Grundbesitzes Aufstellung zu nehmen, wenn sie auch Bedenken tragen, die sozialdemokrati. schen Reihen verstärken zu helfen. Nach diesen Feststellungen kommen wir natürlich zu einer ganz anderen Rechnung wie Dr. Ouessel. Denn nun stehen den 8,3 Millionen Lohnarbeitern nicht mehr die ganzen übrigen 6,09 Millionen Volksgenossen gegenüber, sondern auf der einen Seite stehen schon jetzt 10 bis 11 Millionen proletarischer Existenzen und auf der anderen 3 bis 4 Millionen Vertreter von Besitzinteressen, während die öffent- liehen Beamten und die Intellektuellen mitten dazwischen stehend, mal den einen, mal den anderen ihre Unterstützung leihen werden. Die Revisionisten mögen ja ihre Gründe dafür haben, daß sie ihre Rechnung ohne Rücksicht auf näherliegende Partei- bildungen aufstellen; aber: ist das Ergebnis einer richtig durch. geführten Untersuchung der Klasseninteressen wirklich so entmutigend, daß man der Sozialdemokratie raten muß, 12 Monate vor ihrem wahrscheinlich größten Wahlsieg Anschluß an die— Nationalliberalen zu suchen?", Armer Ouessel!_ politische Geberficbt. Berlin , den 23. Juli 1910. Das wahre Geficht. Die Kaplanspresse vertritt äußerlich trotz t>er volkSver- räterischen Haltung der Zentrumsfraktion bei den Berawn- gen der Wahlrechtsvorlage im preußischen Abgeordnetenhause noch immer die Forderung einer Uebertragung des Reichs- tagswahlrechts auf Preußen. In Wirklichkeit, so versichert sie, halte das Zentrum energisch an der schon 1873 von Windthorst vertretenen Auffassung fest, daß das allgemeine. gleiche, direkte und geheime Wahlrecht jedem Klassenwahlrecht entschieden vorzuziehen sei; leider nur hätte sich bisher nie die Aussicht geboten, dieses ibessere Wahlrecht- in Preußen durchzusetzen, und da das Zentrum nicht gerne politische Aktionen unternähme, deren Fehlschlag von vornherein fest- stäube, so hätte das Zentrum zu seinem Leidwesen auf Bor- stöße zur Einfuhrung des Reichstagswahlrechts in Preußen verzichten müssen. Auch bei den Beratungen der Bethmann- schen Wahlrechtsvorlage im preußischen AbgeordnetenhcvuFe hätte es sich nicht um die Frage Reichstagswahlrecht oder Dreiklassenwahlrccht gehandelt, sondern lediglich darum, die Vorlage mit Hilfe der Konservativen so weit zu verbessern, daß die ärmeren Volksschichten einen größeren Einfluß auf die Gesetzgebung erlangt hätten. Wie innerlich verlogen diese in der kleinen Zentrums- presse immer wieder auftauchende Argumentation ist, zeigt aufs neue ein Artikel, den Professor Martin Spahn , der Sohn des großen Peter Spahn , im„Hochland" verösfent- licht: denn Herr Martin Spahn spricht sich darin ganz ent- schieden gegen die Uebertragung des Reichs- tagswahlrechts auf Preußen aus, und zwar mit der Begründung, daß der im Reiche wehende„d e m o- k r a t i s ch e G e i st" sich nicht auf Preußen ausdehnen dürfe, wenn nicht schwere Mängel entstehen sollten. A l s Gegengewicht gegen diesen Geist müsse viel- mehr Preußen in seiner„Eigenart" erhal- te.n bleiben. Wörtlich heißt es in dem Aufsatz: «Wenn Preußen morgen dahinschwände, wir würden eS schwer vermissen. Gewiß entspricht die Staatsform des Reiches dem deut- schen Volksempfinden mehr als die des preußischen Staates. Der demokratische Geist, der im Reiche weht, ist der Be- völkerung genehmer als der bureaukratisähautoritäre Preußens. Käme jener aber ausschließlich zur Herrschast, so würde sich die Bevölkerung bald bewußt werden, daß auch ihm schwere Mängel anhaften. Heute leidet sie nur deshalb nicht unter ihnen, weil Preußens Eigenart sie ausgleicht. Wir haben in Deutschland keine politische Partei, die über die Mehrheit im Volke verfügt. Wer sollte unsere Führung über- nehmen. Leidenschaftlicher Hader und Vorurteil« trennen die VolkSmassen einstweilen immer weiter von einander. Unduldsam ist einer gegen den anderen. Noch übertragen viele ihren po- litischen Streit aufs religiöse Gebiet und lassen ihn gar die For- men des gesellschaftlichen Lebens und den geselligen Verkehr be- einträchtigen.... In Wahrheit stehen in Deutschiland die erst im Beginn ihrer Anstrengungen, welche die Massen„politisieren", sie zur regelmäßigen und aufmerksamen Wahrnehmung der öffentlichen Pflichten anleiten wollen. Ihr Erfolg steht noch völlig in Frage. Ließen sie zurzeit durch die revolu- tionär Gesinntem Preußen zertrümmern und Hilfen ihnen auS falscher Wertschätzung bloßer Verfassungsformen gar dabei, so würd« das deutsche Volk, der echte Bürgersinn und das gleiche Recht aller den meisten Schaden davon leiden. Verfassungsformen gelten nur, wozu der Geist, der sie durchdringt, sie prägt. An dem starken und gerechten, dem po- litischen Geiste gebricht es der Demokratie des Zeitalters noch überwiegend...» Mit Preußen sänken alle Ein- zelstaaten in den Staub. Zwänge der Radikalismus heute dem preußischen Staat das Wahlrecht des Reichstags im Sturme auf, erschütterte er ihn dadurch bis ins Mark." Vielleicht wird die den Arbeiierstimmenfang betreibende Zentrumspresse nach altem Rezept wieder einwenden, Herr Martin Spahn sei nicht die Zenkrumspartei. Das mag richstg sein: aber Tatsache ist, daß Herr Spahn junior in letzter Zeit vielfach in Zentrumsblättern als eine wissenschaftliche Ka- pazität des Zentrums betrachtet wird und daß er gegen den Willen der Wähler vor kurzem von den feudalgesinnten Zen- trumsgrößen in dem sicheren Wahlkreis Warburg-Höxter als Reichstagskandidat aufgestellt worden ist. Wäre er nicht der Zustimmung der maßgebenden Zentrumskreise sicher, so würde er jetzt nicht mit solchen Ausführungen hervortreten, Zur Ehre des deutschen Rindviehs. Wir haben schon in vorgestriger Nummer mitgeteilt, baß die auS Deutschland nach der Internationalen landwirtschaftlichen Aus- stellung in Buenos Aires gesandten RinSer dort als tuberkulös befunden worden find und nach Deutschland zurückexpediert werden mußten und daß sich nun bei der Untersuchung in Hamburg tat- sächlich bei dem größten Teil dieser Pracht-AuSstellungSrinder, ine den Ruhm der deutschen Viehzucht im Auslande verkünden sollten, Tuberkulose herausgestellt hat. Die agrarische Presse hat bisher auf diese Blamage des AgrariertumS noch nicht die Antwort gefunden- Dafür hat die«Köln . Zeitung" die Entschuldigung dieses so- genannten unliebsamen Vorkommnisses übernommen. Sie bringt an der Spitze ihrer heutigen Nummer ein anscheinend offiziöses Verlegenheitsgeschwätz, das mit der Ausrede operiert, es sei doch noch gar nicht festgestellt, daß die AuSstellungSrinder schon vor ihrer Absendung tuberkulös gewesen seien; sie könnten doch vielleicht auch erst später tuberkulös geworden sein. Das Blatt schreibt: Wir haben berichtet, daß die vierzig deutschen Rinder auS- gesuchtes Zuchtmaterial, in der Ouarantäneanstalt von Buenos Aires beanstandet und von der dortigen Internationalen Aus- stellung zurückgewiesen worden sind. Die Rinder sind dann am Montag wieder in Hamburg angekommen und sofort vor einer Sachverständigenkommission geschlachtet worden, um festzustellen, 'welchen Umfang die durch die Tuberkulinimpfung der Tiere in Buenos Aires nachgewiesene Erkrankung angenommen hat. Der wissenschaftlichen Kommission gehörten an: Geheimrät Never- mann-Berlin, Geheimrat Dr. Ostertag-Berlin, UniversitätS- Professor Dr. Müller-KönigSberg, Staatstierarzt Professor Dr. Peter-Hamburg, ferner Lehrer der Tierärztlichen Hochschule Berlin und verschiedene Kreistierärzte. Dieser beträchtliche wissenschaftliche Aufwand war notwendig im Hinblick aus den aufsehenerregenden Vorgang der Zurückweisung pein- lich ausgesuchten deutsichen Zuchtviehs und im Interesse der deutschen Züchter und der deutschen Viehzucht. Der eingehenden nachprüfenden Untersuchung, die in Berlin stattfinden soll, wird es vorbehalten sein, das endgültige, wissen- schaftlich begründete Ergebnis festzustellen. Zunächst scheint man daran festhalten zu können daß es sich nicht, wie die erste Meldung des»Hamburger Fremdenblattes" wissen wollte, bei der Mehrzahl der Tiere um eine weit vorgeschrittene Tuberkulose gehandelt hat. und daß somit die Schlußfolg:- rung kaum stichhalten dürfte, daß die Rinder bereits vor ihrem Transport hochgradig erkrankt gewesen seien. Aus dem Kreise der Sachverständigen wird darauf verwiesen, daß die vorläufige Untersuchung nach der Schlachtung in der erdrückenden Mehrzahl der Fälle nur kleine örtliche Krankheitssymptome ergeben habe, und daß die Erkrankung nur bei einer Kuh weiter fortgeschritten gewesen sei.... ES bleibt auch vorläufig noch durchaus frag- lich, ob die Tiere von dem Uebel tatsächlich schon vor ihrer Ab» reise nach Argentinien ergriffen waren, denn eS läßt sich kaum denken, daß nicht alles möglich« unter. nommen worden sein sollte, um die tadellose Be» schaffenheit des die deutsche Zucht an solch her. vorragender Stelle vertretenden Rindviehs vor seiner Versendung vollkommen zweifeis. frei festzustellen. War das aber der Fall, so entsteht der Verdacht, daß die Infektion der Tiere womöglich erst auf der Reise oder gar in den Ouarantäneställen von Buenos Aires selbst geschehen ist. Tatsache ist jedenfalls, daß der dortige Quarantäne- stall auf die Fachleute einen wenig vertrauenerweckenden Eia- druck gemacht hat. Nachdem auf diese Meise die Ehre des deutschen RmtviehS ge. rettet worden ist— vielleicht entdeckt demnächst noch ein agrarische» Blatt, daß die 40 Rinder eigentlich gar nicht deutscher, sondern dänischer oder holländischer Herkunft sind— kann sich jedoch die „Kölnische Zeitung ' nicht enthalten, gegen die von den Agrariern so angelegentlich befürwortete Tuberkulinimpfung zu eifern, in« dem sie hinzufügt: Jedenfalls beweist der ganze Fall das eine: die von unseren Agrariern so hochgepriesene Tuberkulinimpfung ist ein zwei- schneidiges Schwert und insofern unzuverlässig, als sie gering- fügige. den Flcischtvert nicht beeinträchtigende Erkrankungen rein örtlicher Natur ebenso anzeigt, wie eine gefährliche, wert fortgeschrittene Infektion, so daß man bei einer Reaktion de» Tieres auf die Impfung nie wissen kann, wa» eigentlich dahinter steckt. Fachleute haben es bereits ausgesprochen, daß un. zweifelhaft ein sehr großer Teil des deutschen V iehS reagieren würde, wollte man an ihm die Tuber» kulinprobe vornehmen, wie denn auch tatsächlichbe» reits mehrfach deutsches Vieh, das ins AuS. land ausgeführt werden sollte, die an den Grenzen vorgenommene Tuberkulinprobe nicht bostandeu hat. ES wird daher an den maßgebenden Stellen zu prüfen fein, ob der Vieh. verkehr zweckmäßiger an die bisherigen Bedingungen geknüpft blewen soll, oder ob es sich nicht empfiehlt, die für die Einfuhr ftemden ViehS maßgebenden Bestimmungen sanitärer Natur nach den gemachten Erfahrungen zu andern, ohne daß selbstverständlich dadurch die Gefahr für die Einschleppung von Seuchen, der unter allen Umständen nach Kräften vorgebeugt werden muß. erhöht wird.' Die„Kölnische Zeitung " hat also das hohe Prinzip der deutschen Seuchengesetzgebung noch immer nicht begriffen. Nur da» tuberku- löse Fleisch ausländischen Rindviehes ist gefährlich; das tuberkulöse Fleisch des deutschen Nationalreiches schadet nichts. Wenn wirklich jemand daran erkrankt, macht eS gar nichts; denn der Erkvankte kann sich mit dem schönen vaterländischen Gedanken trösten, daß sein Leiden doch im Grunde genommen nichts bedeutet gegen die Erhaltung eines sich gutrentierenden kräftigen Großgrundbesitzes. Die Nachwahl in Frankfurt 'LebnS. Endlich hat sich die Regierung dazu bequemt, den Termin für die Ersatzwahl im Wahlkreise Frankfurt -Lebus festzusetzen. Wie uns aus Frankfurt berichtet wird, findet die Wahl am 1 5. S e p t e m b e r cr. statt. Eine schwere Beschuldigung. Bürgerliche Blätter hatten davon Mitteilung gemacht, baß der frühere WirtschastSinspettor deS konservativen Landtags» abgeordneten Freiherrn v. Richthofen diesen der Steuer- Hinterziehung beschuldige. Die„Kons. Korresp." veröffentlichte daraus folgendes Dementi unter der Ueberschrift.Eine Ver- leumdung": „Die„Konservative Korrespondenz' schreibt: Ein Berliner demokratisches Mittagsblatt verbreitete in Gemeinschaft mit der „Täglichen Rundschau" auf Grund von Angaben einer ZeitungS« korrespondenz die Meldung, gegen den konservativen Landtags- abgeordneten Freiherrn v. Rlchthofen-Mertschütz schwebe bei der Staatsanwaltschaft zu Liegnitz ein Strafversahren wegen
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