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daß man jemandem MO Pfund zahle, um unker den Londoner Stutzern, den Hahn im Korbe spielen zu können. Es gebe auch noch eine Reihe anderer Personen, die ähnlicheDienste" zu erfüllen hätten. Einem gebe man 700 Pfd. Sterl., damit er bei staatlichen Zeremonien die Gäste an ihre Plätze weise. Solcher Phantasiearbeiter gebe es in großer Menge. Sie hätten absolut nichts zu tun und er- hielten ihre Posten nur, weil sie der liberalen oder konser - vativen Partei Dienste erwiesen hätten. Man halte einmal die diesen Parasiten gezahlten hohen Gehälter den erbärm- lichen Löhnen gegenüber, die den unteren Staatsbeamten ge- zahlt würden. Sein Vorschlag, die Zivilliste zu reduzieren, bedeute nur in der Praxis die Wiederherstellung derZivUliste, wie sie vor neun Jahren bestand. Später bei der Beratung des AbänderungsantragS, der darauf zielte, die den Kindern des Königs zu zahlenden Be- träge nicht der Kontrolle des Parlaments zu entziehen, ent- fesselte Keir Hardie einen Entrüstungssturm bei den bürgerlichen Parteien, indem er erklärte, daß der Antrag der Regierung den Mitgliedern der königlichen Familie ein Ein- kommen sichere, das es ihnen gestatte, ein Leben des Luxus, der Weichlichkeit und der Trägheit zu führen. Erst wollte man den Genossen nicht weiter reden lassen. Keir Hardie blieb jedoch bei seiner Behauptung und wiederholte sie, wenn auch in einer etwas milderen Fassung. Einen interessanten Beitrag zu dieser Debatte lieferte auch der Arbeiterparteiler L e d d o n. Er be- merkte, daß die Krone in einem Nachbarstaate vor kurzem eine Gehaltsaufbesserung durchgesetzt und diese mit dem Hin- weis auf die hohen Lebensmittelpreise begründet habe. Votiere man jetzt die geforderten Summen für die ganze Regierungs- dauer, so hätten die armen königlichen Kinder, falls die Tarif- reformer an die Regierung kommen sollten, keine Gelegenheit, die durch die unausbleiblichen Folgen des Schutzzolles ver- ursachten Verluste wett zu machen. Die englische Monarchie ist in einem Zeitalter, in dem in einem großen Kulturstaate noch die byzantinische Theorie von dem Gottesgnadentum allen Ernstes gepredigt wird, eine eigentümliche Pflanze. Die Zeiten des GotteSgnadentums sind in England schon seit 200 Jahren vorüber. Der liberale und konservative Brite betrachtet seinen König nur mehr als den sichtbaren Zentralpunkt des Staates. Der König ist der Präsident der von der liberalen und konservativen Oligarchie gebildeten Republik . Herr Balfour bemerkte gestern:Der Staat , soweit diese Insel in Betracht kommt, würde nicht im Chaos versinken, wenn wir eine Republik anstatt einer Monarchie hätten. Aber nach meiner Ansicht würde das britische Weltreich im Chaos versinken." Wir sehen hier, welch seichte Gründe selbst ein so gescheiter Kopf wie Balfour anführen muß, um eine innerlich längst überlebte Jnstitutton zu stützen. Für die Republik . Loudon, 25. Juli. Der Sozialistenführer Keir Hardie hielt gestern in Ehester the Street eine Rede, in welcher er in heftigen Worten die Exi st enzberechtig ung der Monarchie angriff.Das war", so erklärte er,der Beginn einer politischen Dummheit von Seiten der Nation, als sie die Existenzberechtigung deS Königs anerkannte und die Z i v i l l i st e, die ein Verbrechen an öffentlichen Geldern ist, bewilligte." Der Streik der Angestellten der Nordost-Eisenbahn, fügte er hinzu, sei eine der bemerkenswertesten Bewegungen in der Jndustriegeschichte. Der sozialistische Deputierte beglückwünscht sich. konstatieren zu können, daß der alte GeistderRevolution noch immer in England lebe. LI» Mfcher Genoffe über die Budget- bewilligung. Die., Mannheimer VokkSstimme"> veröffentlicht Stimmen aus Arbeiterkreisen" über die Budgetbewilligung, dar- unter folgenden Artikel des Genossen H. Merkel: Vor zwei Jahren versuchten die Genossen die Frage der Zu- stimmung oder Ablehnung des Budgets als eine Frage der Taktik hinzustellen und argumentierten, daß es taktisch notwendig war, dem Budget zuzustimmen. Der Parteitag in Nürnberg ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat erklärt, die Genossen haben aus prinzipiellen Gründen stets gegen das Budget zu stimmen. Nachdem so der Parteitag vor zwei Jahren also nicht etwa vor einem Menschenalter entschieden hatte, konnte man normaler- weise annehmen, daß die Sache erledigt sei. Gewiß hat kein Mensch aus der Erklärung der 67 angenommen, daß diese Er- klärung etwas anderes sei. als eine Kundgebung, daß diese Ge- nossen den Beschluß des Parteitages für falsch halten. Es dachte niemand daran, daß diese Genossen nun eine besondere Partei sein wollten, die nicht der Disziplin einer Gesamtpartei unterstände. Wer die Berichterstathmg des Genossen Geiß hörte, war hocherfreut, daß die Sache er- l e d i g t und die Genossen, deren Meinung nicht siegte, sich mit dem Votum des Parteitages abgefunden hatten. Mir ist nicht er- innerlich, daß auch nur ein Genosse anders dachte und die Resolution, die sich mit den Beschlüssen deS Parteitages ein- verstanden erklärte, wurde e i n st i m m i g angenommen. Als in der letzten Monatsversammlung der Genosse Geiß den Hergang der diesmaligen Budgetzustimmung erklarte, ließ er daran auch keinen Zweifel, daß die Fraktion der Meinung war, sie müsse den Beschluß der Gesamtpartei achten, nur die bekannten Gründe hätten plötzlich die Nichtachtung erfordert. Es war also eine Handlung, die gewissermaßen im Affekt erfolgte. Wer die Ge- nossen persönlich kennt und sich weiter die Situation vergegen- wärtigt, in welcher der Beschluß erfolgt«, der konnte immerhin die Sache nachträglich tadeln, aber die Situation v e r st e h e n. Es ist ja nun außerordentlich peinlich, später zuzugeben, daß man sich gründlich hat verblüffen lassen, aber zweifellos ist es so. Wer unsere Abgeordneten zu gescheit dafür hält, der lese die Er- klärung des Genossen Frank nach. Inzwischen hat aber der Ge- nasse Kolb aus feinem Herzen keine Mördergrube gemacht und sucht von seinem prinzipiellen Standpunkt aus die Zustimmung politisch zu rechtfertigen. Das muß nun den stärksten Widerspruch hervorrufen, und wenn wir Badenser jetzt in der gesamten Partei- presse nebst der demokratischen Presse von Barthschcr Sorte arg ver- möbelt werden, so haben wir uns dafür bei dem Genossen K o l b zu bedanken. Kehren wir zunächst zu der ersten Erklärung der Frak- kion zurück. Sie bedeutet zweifellos nur eine Erklärung für den Disziplinbruch, der als solcher auch von der F r a k t i o n empfunden wurde. Geiß sagte, daß die Fraktion bei Fassung ihres Beschlusses sich der Konsequenzen voll bewußt war. Wenn das richtig wäre. dann wäre die einmütige scharfe Abwehr der nicht interessierten Karteipresse völlig gerechtfertigt. Die zwanzig Genossen sitzen auch än den Augen der bürgerlichen Gegner nicht als Vertreter von Lörrach , Schopfheim , Durlach usw. im Landtag, sondern als An- gehörige der int ernationalen, der deutschen , der badischen Sozialdemokratie im Landtag. Denken wir « doH M jn ynsexp Sitttg tiev, wxyn wjr mit im politischen Gegster ringen, wie wir uns stolz als Stückchen der Sozialdemo- kratie, der kühnen, zükunftSfrohen Partei fühlen, der trotz alledem am Ende der Sieg gehören mutz. Bei aller Achtung vor den Per- sönlichkeiten unserer führenden Abgeordneten sieht doch auch der Gegner in denselben den Mann, hinter welchem die ganze große Arbeiterbewegung steht. Wie verächtlich würde in den Augen eines Bodman , Dusch, Zehnter usw. der ehemalige Tüncher und An- streicher Kolb dastehen, der sich erdreistet, sich als gleichberechtigt mit dieser hochwohlgeborenen Menschensorte zu reden und zu schreiben, wenn die Sozialdemokratie nicht hinter ihm stünde. Und nicht nur die badische, sondern die deutsche und die internationale Sozialdemokratie. Die Macht unserer Partei beruht aber auch auf unserer Grundsätzlichkeit, unserer Disziplin u»> Unbeugsamkeit. Wie erbärmlich haben ähnliche Bestrebungen wie sie sich Kolb wünscht, zum Beispiel in Frankreich und Italien , Schiffbruch gelitten. Jn Frankreich regieren Männer, die einst zur Partei gehört hatten, und die Arbeiterlaufenhundert- tausendweise ins syndikalistische Lager und kümmern sich den Teufel um die Politisiererei der Briand , Viviani u. a. Die �Regenten regieren nicht Frankreich , sondern sind Geschäftsträger der korrum- pierten Geldsäcke. Arbeiter gegenüber haut der Säbel und schießt die Flinte; letztere mit Stteikkugeln, damit die nützlichen Ausbeutungsobjekte nicht massenhaft zugrunde gehen, sondern wie- der repariert werden können. Wie sieht es dagegen bei uns aus, wo dieverknöcherte" Partei sich nicht reformistisch revidieren lassen will? Wir verlangen auch von unsergu Besten, daß sie DiS- ziplin halten. Wir dulden keine Seitensprünge. Unsere Taktik muß von der Gesamtpartei gebilligt und getragen wer- den. Wir schicken uns eben an, einen gewaltigen Stoß gegen die herrschende Gesellschaft zu führen. Mit heißer Begierde sehen wir den nächsten ReichstagSwahlen entgegen, wo wir nicht nur um Man« date kämpfen, sondern wo die gewaltige Macht, die wir repräsen- tieren, an unfern Siegen jedem unserer Genossen eindringlichst vor- demonstriert werden soll, wo das Proletariat sich die Kraft zum ent­scheidenden Sturm auf die preußische Junkerfeste holen und im Osten und Westen unseres weiten Vaterlandes den Kraut- und Schlotbaronen zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß uns die Welt gehören wird. Als böse Schatten im vorigen Jahre unsere KampfeSfreudigkeit für die LandtagSwahlen trübten, da hat man uns gesagt:Seid einig, vergesset was war, es geht dem gemein- samen Feind entgegen. Und wir hatten vergessen. Wir haben uns gut geschlagen". Wie ein kalter Reif in der FrühlingSnacht, hat die fatale Ueberschötzung der Bedeutung der parlamentarischen Aktion gewirtt. Die Urquelle unserer Kraft, unsere stolze Disziplin. ist angegriffen. Die Einheit unserer Gesamtpartei wird gerade in dem Moment gewaltsam zerrissen, wo wir alle als deutsche Sozialdemokraten die deutsche Reaktion angreifen. Bei allen Wahlsiegen muß die bang« Frage auftauchen, ist der Gewählt« uns nicht jetzt ent. rissen, steht er jetzt nicht über uns, außerhalb unserer straffen DiS- ziplin? Was nach der Richtung gesündigt wurde, läßt sich nicht wieder gut machen. Wenn die Fraktion sich der Konsequenzen ihres Handelns bewußt war, dann muß viel, sehr viel auf dem Spiel ge- standen haben. Wir haben einmal beschlossen, daß die Fraktion ein Gesetz bezüglich der Städteordnung abzulehnen habe, in welchem ein Klassenwahlrecht vorgesehen war. Der Genosse P f e i f f l e hat in einer Monatsversammlung erklärt, daß selb st ver stand. lich keinem solchen Gesetz zugestimmt Kerben könne. Ich dachte mir dabei, der Genosse Pfeiffle irrt sich, ein solches Gesetz wird angenommen werden, wenn es eine Verbesserung bringt. Nichts in der Partei regte sich, als unsere Genossen dem Gesetz zustimmten. Wir sind also keine Prinzipienreiter und nehmen was uns gebührt, auch in Abschlagszahlungen. Aber indem unsere Genossen dem Budget zustimmten, haben sie das Empfinden erweckt, daß wir darauf verzichten, eine revolutionäre Partei zu fein, haben den Graben zu- geschüttet, der den ausgebeuteten Proletar trennt vom Staat feiner Ausbeuter, und haben damit namens dieses Proletariats erklärt, daß es auf die Todfeind- fchaft diesem Staat gegenüber verzichtet. Selbst. verständlich wolltenunsereGenossendaSnichtsagen, aber mir scheint, daß sie im anderen Lager die gleichen Ge- fühle ausgelöst werden. Der Nürnberger Beschluß wurzelt also tief in dem Empfinden der proletarischen Masse der Industriezentren, die den kapitalistischen Staat am entwickelsten sich gegenübersehen. Deshalb stehen unsere Genoffen im industriell ent- wickelten Norden so völlig verständnislos dem Verhalten der badischen Landtagsfraktion gegenüber. Die batjischen Genossen meinen nun, die Folgen einer Ablehnung des Budgets seien unüber» sehbar gewesen. Das meine ich auch, nur verstehe ich etwas anderes darunter. Ich meine zunächst, wenn unsere Genossen das Budget abgelehnt hätten, daß wir alle sie im schönsten herzlichsten Einvernehmen empfangen hätten, daß wir uns über ihre Erfolge gefreut hätten, und daß unser schönes Badenerland wieder in den Geruch des liberalen Muster- ländchens gekommen wäre. Wir wären einig und ge- schlössen in den Reichstagswahlkampf ein- getreten und hätten dabei auch als Erfolg des Ganzen unseren badischen Reattionären manches Hünerauge abgetreten. Die Ver» treter einer so gestärkten Sozialdemokratie hätten für unser engeres Vaterland sicher nach dem nächsten Landtag noch schönereTeil» erfolge heimgebracht als dieses Mal. Was hätte die schivarz- blaue Reaktion getan? Sie hätte getobt. Tobt sie jetzt nicht? Sie hätte vielleicht beim Großherzog den Minister Bodman zu Fall ge. bracht. Ja, aber warum hätte sie das fertig bringen könnend Wenn der badisch« Großherzog glaubt, sein Minister sei monarchisch bis auf die Knochen, behält er ihn, wenn er ihn fortjagt, tut er eS, weil unsere Genossen für ihn stimmen und der Großherzog jetzt den Anschuldigungen des Stotzingen Glauben schentt. Oder ist das Toben der Schwarzblauen so aufgefaßt worden, daß wir unsere Stimmen verlieren konnten? DaS scheint mir arg unrichtig zu sein, denn unsere Genossen find doch gewählt worden, weil ihre Wähler ihreUuzufriedenheitmitdem heutigen Staat dokumentieren wollten. Die Ursachen dieser Unzufriedenheit sind aber fortdauernde, sich stets vermehrende. Geschah das Vertrauensvotum aus Dankbarkeit für die Rede in der Ersten Kammer und das scheint mir der Beweggrund dann war das ein Stück Sentimentalität, das geradezu naiv ist. Keiner der Gründe rechtfertigt den Disziplinbruch, und einigermaßen kann der Schaden repariert werden, wenn die Genossen zu den Genossen sagen, wir haben uns in der Abschätzung der Wirkung unsere» Votums geirrt. Damit hört die Befehdung auf, wenn die Masse der badischen Genossen dann erklärt, wir tadeln euer Votum und verlangen von euch, daß ihr g e n a u s o g u t w i e w i r die Disziplin achtet. So könnte auch die Gesamt- Partei den Streit als einen häuslichen betrachten, der ge- schlichtet ist, bevor die Partei in Magdeburg zu ernster Arbeit zu- sammenkommt. Ich habe aber die Ueberzeugung, wenn die badischen Genossen ihren Gewählten nicht Vorhalt machen, wird der P a r t e i» tag ein Machtwort sprechen, um solchen Sprüngen vor» zutotgen. Lnj> Hann ist der Fall für alle Teil? vi.el schmerzlicher., politilchc Oebcrlxcbt Berlin, den 25. Juli 1910. Wichtige Versammlungen. Heute abend nehmen die Wahlkreise Groß-BerltnS zum Parteitag in Magdeburg Stellung. Die Wichtigkeit der Tagesordnung erfordert die Teilnahme jedes Parteigenossen an den heute stattfindenden außerordentlichen Generalversamm­lungen._ Die Rückkehr zurBesonnenheit". Wiederholt erst am Sonnabend wieder im Leitartikel Großblock-Jllusionen" haben wir darauf hingewiesen, daß es polittsch verkehrt sei. der in jungliberalen Blättchen auf- tauchenden Forderung eines Anschlusses der Nattonalliberalen an die links von ihnen stehenden Parteien irgend welche größere Bedeutung beizumessen; denn hinter diesen Blättchen stehe nur ein geringer Teil der in der nationalliberalen Partei maßgebenden Schichten. Nicht bei den jungliberalen. sondern in den grotzindustriellen und agrarischen Elementen liege das Schwergewicht dieser Partei. Tatsächlich konzentriert sich denn auch bereits die national- liberale Presse immer mehr rückwärts und zwar in einem recht schnellen Tempo. Selbst Blätter, die noch vor kurzem zwischen dem rechten und linken Flügel der nattonalliberalen Partei hin und her pendelten, rücken behende auf die rechte Seite hin» über. So schreibt dieKöln . Ztg.": Man kann sehr wohldie politischen Vorgänge in Baden ver- stehen", die auf praktische Arbeit gehende Polittik der Sozialdemo- kraten unterstützen und das Zusammengehen im badischcn Parlament billigen und dennoch sehr scharf betonen, daß an eine Aende« rung der Stellung von Liberalismus und Sozial» demokratie nicht gedacht werden kann. Das verbietet sich von selbst, weil man sich nicht mit denen verbünden kann, die sich selbst rühmen, Todfeinde der bürgerlichen Gesellschaft zu sein; d a S würde selbst dann höchst bedenklich werden, wenn der Revisionismus in den Norden vordränge und einmal im Reiche die Macht gewönne. Mit einer Sozialdemokratie, die sich der revisionistischen Taktik bediente und die radikalen Unarten abgelegt hätte, ließ sich gesellschaftlich und parlamentarisch sicher leichter ver- kehren; politisch aber bliebe der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozial» demokratie." Deutlicher noch zeigt die Auffassung des größten Teils der Nationalliberalen folgende Aeußerung derNattonall. Mitteil."(Korrespondenz der nationalliberalen Partei in der Provinz Brandenburg ): Daß die Debatten der letzten Wochen den Charakter unserer Partei als einer Mittelpartei, die jedem Radikalismus, mag er mm rechts oder links stehen, scharf entgegenzutreten hat, deutlich hervor» gehoben haben, das kann als eine sehr erfreuliche Wirkung dieser Erörterungen betrachtet werden, umso erfreulicher, als auch Männer des linken Parteiflügels, so Weber und Moldenhauer, den man wohl nicht mit Unrecht als Vater des Jungliberalismus bezeichnen darf, sich zu dieser Anschauung durchgerungen haben. Jn der Tat, wer auch nur ein wenig dies Struktur der nationalliberalen Wählerschaft studiert, wird es für das allein mögliche halten müssen, daß wir noch schärfer wie gegen eine» Konservatismus ,s der sich zu einer agrarischen Interessengruppe umgebildet hat, gegen die Sozialdemokratte Front zu mache» haben, wollen wir nicht unsere Wähler sicher verlieren und unseres historischen Charakters, ders unsere Lebensberechtigung darstellt die Verttetung des maßvollen nationalen Liberalismus zu sein, verlustig gehen. Man studiere doch einmal die Herkunst unserer Abgeordneten; von 50 Reichstagsabgeordneten sind Sv von über» wiegend ländlichen Wahlkreisen entsandt, wobei noch Kreise wie Brandenburg -Westhavelland , Frankfurt -LebuS , Ditmarschen als städtische Wahlkreise rechnen; von 64 Ab« geordneten der preußischen LandtagSfraktion sind mindestens SS, wenn nicht mehr, Vertreter ländlicher Wählerschaften und außerdem entstammt eine stattliche Anzahl der übrigen aus Kreisen, in denen die Klein» und Mittelstadt überwiegt. Sind da? Wählerschaften, die dem Radikalismus zuneigen? Jn den Großstädten gehört vornehmlich ein Teil der liberalen Berufe und die wohlhabenderen Schichten von Handel und Gewerbe zu uns. Wer da glaubt, diese Schichten der Bevölkerung zu einer Gemeinsamkeit mit der Sozialdemokratie führen zu können, wird sich gar elend täuschen; glücklicherweise, denn die radikale Art der Agitation, die wir uns dann angewöhnen müßten. paßt gar wenig zu uns, andere können eS besser und wir würden schließlich immer nur der Sozialdemokratie die Wege zu unseren Wählern ebnen." Auch die scharfe, höhnende Weise, mit der dieNational- liberale Korresp.", das offizielle Jnformationsorgan der Partei, die Vorschläge und Wünsche der Jungliberalen abferttgt, ist bezeichnend dafür, welche Elemente die Oberhand haben. Das Blatt schreibt nämlich: «Gewiß wäre es verkehrt, wenn man deren Stimmen nicht hören wollte. Aber die Art und Weise, wie sie sich Gehör zu verschaffen suchen, indem fie mit der Eingebildetheit des Besser» wissen» den Weg bereiten, ist entschieden zu verurteilen. Eine Kritik an der bisherigen Taktik und ein Urteil darüber, welcher Weg weiter einzuschlagen ist, möge man in erster Linie der gegebenen Instanz überlassen, wie das in jedem Betriebe üblich und für eine disziplinierte Kampfesweise unerläßlich ist." Bassermann bleibt. Die nationalliberaleKönigSberger Allg. Ztg." bestättgt die Meldung derFranks. Ztg.", daß der Abgeordnete Baffermann jüngst (am 16. Juli) in Berlin beim Reichskanzler weilte und sowohl mit dem Kanzler wie mit dem Staatssekretär Delbrück konferiert hat. Herr v. Bethmann Hollweg soll Herrn Bassennann bewogen haben, im Reichstag und an der Spitze der nationalliberalen Partei zu verbleiben. Wörtlich heißt eS in der.Königsberger Allg. Ztg.":Wir halten uns für befugt, diese Meldung auSdrück« lich zu bestätigen, wollen aber nicht leugnen, daß auf Grund dieser Verhandlungen Herr Boffermann jetzt eher geneigt sein dürfte, die Leitung der Partei und ReichstagSfraltion weiter in der Hand zu behalten." Wie es heißt, ist der im Besitz des Zentrums befindliche badische Wahlkreis W a l d k i r ch dazu auSerfehen, Herrn Baffermaun einen Unterschlupf zu bieten._ Geht Tirpitz? Such dieDeutschen Nachrichten" wollen aus angeblich einge- weihten Kreisen wiffen, daß der Staatssekretär v. Tirpitz sein« Demission eingereicht hat. Herr v. Tirpitz soll bereits vor längerer Zeit den Kaiser um seine Enthebung vom Amte gebeten haben, doch hätte e« dieser damals verstanden, Herrn v. Tirpitz zu bewege«, einstweilen von seinem Abschied Abstand zu nehmen. Der Staats» sekretär hätte aber jetzt sein Gesuch erneuert.