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Dreadnoüghts" bewutzt mtb jedtt vernünftige Mensch steht ein, daß 20 Treabnoughts gegen Deutschlands 10 oder IS weit besser wären als 40 Dreadnoughts gegen Deutschlands 20 oder 30. Die Schwierigkeit liegt nicht in der öffentlichen Meinung oder dem Parlament oder gar in der Presse, sondern in den beiden Regierungen und den geschickt organisierten Interessen, die direkt oder indirekt Vorteil aus diesen ungeheuren und profitablen Kontrakten der Eisenwarenbranche ziehen. Natürlich werden beide Admiralitäten verzweifelt gegen irgendeine Konvention ankämpfen, gerade wie sie für die Beibehaltung des Prisengeldes und des absurden Rechts, friedliche Kauffahrteischiffe in Kriegszeiten fortzunehmen und zu zerstören, kämpfen werden. Ich befürchte, daß die beiden Regierungen snach einer höchst christlichen Einleitungs- rede) eine Art Krupp-Armstrong-Pakt schließen werden, um das bestehende Tempo der Schiffsbauten beizubehalten. Der einzige Vertrag, der wohltuend und volkstümlich sein kann, ist ein Ab- kommen, das in Deutschland und Großbritannien eine wesentliche Anzahl der verschwendeten Millionen freisetztzur Abtragung der Schulden, Verringeruug der Steuern und zum nationalen Fort- schritt." Diese Anschauungen desEconomist " scheinen zwar nicht sehr hoffnungsfreudig zu sein, sie enthalten aber ein gutes Stück Wahrheit. Die Redakteure der beiden Londoner linksliberalcn Blätter«Morning Leader" und S t a r sprechen fich für die Abrüstungsbewegung aus. Auch die liberaleLiverpool Post" äußert diese Ansicht. Der Redakteur derMorning Leader" schreibt:Ich glaube, daß vernünftig denkende Männer aller Parteien bereit sind, den deutschen Aeußerungen zugunsten der RüstungS- einschränkungen Gehör zu schenken, vorausgesetzt, daß wir ein er- trägliches Maß der Ueberlegenheit, die für unsere nationale Sicher« heit notwendig ist, haben." Der auf der äußersten Linken der liberalen Partei stehendeStar" meint:«Vernünftige Leute hier wünschen eine Flotte nur zur Verteidigung. Wenn diese ge- sichert ist, so gibt eS kein Hindernis zur Rüstungs- einschränkung." DieLiverpool Po st" fügt ihrer Zu» ftimmung zu dem Projekte hinzu:ES besteht keine unüberwindliche Schwierigkeit in brzug auf einen Plan, der alle Großmächte umfassen würde, aber ein beschränkterer Plan würde unmöglich sein." Die Redakteure der unabhängigenGlasgow NewS" und der konservativenBristol Times and Mirror" sind beide einem Abkommen nicht abgeneigt; nur meint der erste, cS sei praktisch unmöglich, sich mit Deutschland darüber zu verstän- digen, waö eine angemessene Supreinatie der britischen Flotte sei. und der andere bemerkt, daß die Abneigung der Deutschen gegen die britische Suprematie überwunden werden müsse. Die liberale Leidester Daily Post" bejaht die beiden ersten Fragen und verneint die letzte. Desgleichen taten die unabhängigen liberalen East Anglian Daily Times". Die unabhängige Western Morning NewS" hingegen hält die Zeit für noch nicht gekommen, beantwortet die zweite Frage bejahend und erklärt die deutsche Forderung der absoluten Gleichheit als ein unübersteigbareS Hindernis. Allerdings muß man bei dieser Meinungsäußerung in Betracht ziehen, daß dieses unabhängige Blatt in Plymouth , dem großen Kriegshafen, erscheint. Maurice Hewlett , der bekannte Schriftsteller, schließlich drückt sich über das Zustandekommen eines Abkommen? zwischen Deutschland und Großbritannien sehr pessimistisch aus. Er erwartet bekanntlich die Lösung des Problems nicht von den Regierungen, sondern von dem arbeitenden Volke. Der Pessimismus, soweit die bürgerlichen Parteien und die Re- gierungen in Betracht kommen, ist voll berechtigt. Die Beteuerungen deutscher und englischer bürgerlichen Blätter mögen sehr verlockend klingen; aber die Arbeiterschaft wird sich hüben wie drüben sagen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Und zwar der Glaube an die Echtheit einer Bewegung, deren Urheber bei jedem Ansturm der Chauvinisten zu Kreuze kriechen und dem Marinemoloch die unerhörten Opfer fromm bewilligen. Denn kann es bestritten werden, daß der englische Liberalismus nicht minder als der deutsche in seinem Protest gegen die Flottenausgaben bis jetzt über die leeren Phrasen hinausgekommen ist? » Die Forderung einer Verständigung mit England hat natürlich den Ingrimm unserer Panzerplatteninteressenten und Flottenfcxe erregt. Und zweifellos würden sie ein noch weit lebhafteres Entrüstungsgeschrei über dieWürdelosigkeit" solch antinationalen" Beginnens anstimmen, wenn sie sich vor den Reichstagswahlen nicht alle Reserve aufer- legen müßten, um nicht die Illusion zu zerstören, als sei ein st weilen keine Flottenvermehrung zu ertvarten. Völlig schweigend vernrögen die Herren freilich die An- regung nicht hinzunehmen. Nachdem die von interessierten Kapitalistenkreisen ausgehaltenePost" sich gegen die Per- ständigung ereifert, geht auch der berüchtigte Flottentrciber Graf Reventlow in der letzten Nummer derDeutschen Tagesztg." mit dem schärfsten Geschütz gegen die Hochverräter einer Rüstungseinschränkung vor. Er macht dabei eine wahrhaft geniale Entdeckung. Die nämlich, daß ja die Verständigung mit England bpreits erreicht sei! Habe doch der englische Premier- nnnister erklärt, daß man in England überzeugt sei, daß Deutschland nicht gegen England rüste lDa haben Wir die Verständigung, die heißersehnte". Man weiß wirklich nicht, ob man es hier mit einer bloßen. allerdings bodenlosen Albernheit oder mit einem ebenso boden- losen Zynismus zu tun hat. Denn es kann dem Marinegrafen doch nicht unbekannt sein, daß die Verständigung in einer Ein- schränkung der Rüstuizgen bestehen soll, während diplo- matische Redensarten, wie die Asquiths, gerade dazu dienen, das Wettrüsten harmloser erscheinen zu lassen. DieDeutsche Tages-Ztg." läßt also ihren Flotten- Mitarbeiter über den., Verständigungsrummel" zetern und die Verständigungsidee für absurd erklären England möge, wird in dem führenden Bündlerblatt> brüsk erklärt, entweder ein für allemal auf seinen Anspruch auf Flottenüberlegenheit verzichten, oder bis etwa zum Jahre 1930 jährlich acht bis zehn Dreadnoughts bauen! Was einen interessanten Einblick in die R ü st u n g s p l ä n e unserer deutschen Flottcnfexe gewährt I Denn wenn für England eine der- artige Rüstung zur Aufrechterhaltung einer marinistischen Ueberlegenheit nottvendig sein soll, müßte doch auch Deutsch- laud bis 1939 jährlich miudesteuS 4 5 Dreadnoughts baue»! Nur in einem geben wir dem Grafen Reventlow recht. EinVerständigungsrummel" wird die ganze Preßdebatte über die Verständigung bleiben, wenn nicht in England sowohl wie in Deutschland daS Volk und die Volksvertretung die Regierung zwingt. schleunigst durch Berlangsamung der Schiffsbauten die ernst« l i ch e Bereitwilligkeit zu einer Mstungseinschränkung zu de- weisen l PolitilcKe CtcbcrHcbt Berlin, den 27. Juli 1910. Auch ein Dementi. DieNational-Ztg." veröffentlicht ein kurioses Dementi, daS allem Anschein nach keinen anderen Zweck hat, als das vermehrte Ansehen, das Bassermann durch die angeblich zwischen ihm und dem Reichskanzler stattgefundene Konferenz in den Augen mancher seiner Verehrer erlangt» etwas zu dämpfen. Das Dementi lautet nämlich: In verschiedenen Blättern findet sich die Mitteilung, daß der Abgeordnete Bassennann in Berlin eine Konferenz mit dem Reichs- kanzler v. Bethmann Holltveg gehabt habe, in welcher der Kanzler den Wunsch ausgesprochen habe, daß der Abg. Bassermann die Führung der nationalliberalen Fraktion beibehalten möge. Daraufhin habe Herr Bassermann sich entschlossen, sich dem parlamentarischen Leben weiter zu widmen. Au dieser ganzen Nachricht ist nurl richiig, daß der Abgeordnete Bassermann mit dem Reichskanzler auf der Fahrt von Karlsruhe nach Berlin eine mehrstündige Konferenz hatte. Alles andere, was über diese Unterredung be- züglich der Beibehaltung der Führerschaft usw. gesagt wird, ist von Anfang bis zu Ende erfunden." Also Bassermann hat nur mit dem Reichskanzler während einer Eisenbahnfahrt über Politik und Witterung geredet. Er ist nicht vom Kanzler zum Besuch eingeladen worden, dieser hat ihn nicht als Chef der nationalliberalen Partei begrüßt und ihm auch keinerlei Zusagen gemacht. Warum diese Fest- stellung? Was für ein Interesse hat dieNational-Ztg." daran, diese Mitteilung ostentativ ihren Lesern vorzusetzen? Sollte nicht vielleicht der Zweck der sein, den Lesern zu Ge- müte zu führen, daß Vassemann keineswegs in den Regierungskreisen als jene wichtige einflußreiche Persönlichkeit gilt, als die seine engeren Freunde ihn hinstellen. Der Fall Langhammer. Noch langem Hader ist der Tapetcnfabrikant und Abgeordnete Max Longhammer-Chemnitz endlich in aller Form aus der national­liberalen Partei Sachsens ausgeschlossen worden. Der Vorstand des Nationälliberalen Lande svereins für das Königreich Sachsen veröffentlicht eine langatmige Erklärung, ty der es heißt: » Leipzig , 28. Juli. »Der Vorstand des Nationolliberolen Landesvereins für daß Königteich Sachsen hat in seiner am 24. Juli 1010 in Leipzig abgehaltenen Sitzung einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: Herr Max Langhamemr wird hierdurch aus dem National- liberalen Landesverein für das Königreich Sachsen auSge- schlössen. Da nach g 1 der Satzungen die nationalliberale Partei Sachsens organisiert ist im Nationalliberalen Landesverein für das Königreich Sachsen, ist damit auch der Ausschluß aus der nationalliberalen Partei Sachsens ausgesprochen. Der Beschluß erfolgte gemäß den Satzungen auf Grund der Anträge des Nationalliberalen Deutschen Reichsvereins in Dresden und des KreisousschusscS für den 21. sächsisthen NetchS- tagSwahlkreis sowie auf Grund der folgenden Tatsachen. Begründet wird der Ausschluß mit dem Verhalten Lang- Hammers in der ,.Tiag"°Affäre, das heißt mit den eigenartigen Manipulationen, die sich Langhammer als Leiter des Tapeten- kartells, der Tapeten-Jndustrie-Aktiengesellschaft, erlaubt hat. Wie sächsische Blätter zu melden wissen, denkt der Abg. Lang. Hammer gar nicht daran, sein Mandat niederzulegen, bielmehr hat er die Absicht, die unzufriedenen Elemente in Sachsen zu sammeln und mit diesen eine ltnkS-nationalliberale Parteigruppe zu bilden. Blinde Justiz. Die Strafkammer in Duisburg verurteilte drei 10- bis 13jährige Schulknaben, die auf der Strecke Sterkvade-Neumühl Steine auf die Schienen gewälzt haben, um einen Zug zum Eni» gleisen zu bringen, zu je einem Jahre Gefängnis, obgleich der Zug das Hindernis ohne Schaden überfahren hatte. Mne harte Strafe für einen zwar sehr gefährlichen, aber doch immerhin in kindlicher Dummheit ausgeführten Jungenstreich. Ganz besonders schwer aber erscheint dieses Urteil, wenn man es mit einem vor einiger Zeit in Bonn «regen eines ähnlichen Delikts gefällten Urteil vergleicht. Dort hatten Studenten einen Zug der elektrischen Straßenbahn Köln-Bonn geradezu demoliert, die Bamten mißhandelt und bedroht, so daß eS als ein«vahrcS Wunder angesehen werden mutz, daß ein große» Unglück verhütet wurde. Die Studenten erhielten aber nur Geldstrafen von 3 03 0 M. Sieben der angeklagten studentischen Radaubrüder wurden freigesprochen. Die dummen Duisburger Jungen erhalten ein Jahr Gefäng. nts, die Studenten eine gelinde Geldstrafe. Sollten vielleicht die Duisburger Richter die zehn- bis dreizehnjährigen Jungen für ein- sichtiger, urteilsfähiger und intelligenter gehalten haben als Bonner Korpsstudenten, die die zwanzig bereit» überschritten haben? Ausgeschlossen scheint es nicht; denn sonderbar malt sich in manchen preußischen Juristenköpfen die Welt. Ja Sachen Richthosen schreibt dieKonservative Korrespondenz�: Durch die TageSpresse geht eine auf die Aussagen deS Witt« schaftSinspektorS Karl Kasten gestützte Aufstellung der angeblichen Einnahmen und der Steuerdeklarationen des LandratS a. D. Frhrn. v. Richthofen« Merlschütz, Mitglied deS Hauses der Abgeordneten. Wir sind hierzu zu folgender Erklärung ermächtigt: Die durch viele Zeitungen gehenden Mitteilungen deS Witt- schaftSinspektorS Karl Kasten über die Steuerdeklaration und die Einkommensverhältnisse des LandratS a. D. Frhrn. V. Richthofen- Mertschütz, M. d. H. d. Abg.. find falsch. Herr Frhr. v. Richthofen-Mertschütz hat am gestttgen Montag vor der Veranlagungskommission deS Landkreises Liegnitz auf Grund genauester Buchführung den Beweis erbracht, daß er sein Ein- kommen mit peinlichster Gewissenhaftigkeit deklattett und niemals einen Pfennig an Steuern zu wenig gezahlt hat. Selbstverständlich wird Herr Frhr. v. Richthofen- Mertschütz gegen den B e r b r e i t e r der Mitteilungen über seine Einkommensverhältnisse die erforderlichen Schritte unternehmen. Ohne in der Sache selbst eine Meinung abgeben zu wollen, müssen wir doch erklären, daß uns daS Vorgehen deS Frctherrn v. Richthofcn befremdlich erscheint. Die betteffende Veranlagungekommission ist unseres Erachtens gar nicht in der Lage, die Berechtigung oder Nichtberechtigung der gegen den konservativen Führer erhobenen Anschuldigungen festzustellen, da sie auf die Angaben und das Material des Frhrn. v. Richthofen selbst angewiesen ist. Mindestens hätte doch auch der Wirtschaftsinspektor Kasten selbst hinzugezogen werden müssen! Unserer Ansicht nach trägt aber die Staatsanwalt- schaft selb st resp. der Justizminister die Schuld daran, daß der Frhr. v. Richthofen zu so verfehlten Mitteln greift, um schleunigst die Haltlosigkeit der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu erweisen. Hätte die Staatsanwaltschaft auf die erstattete Anzeige hin sofort ein Verfahren eingeleitet, so könnten schon jetzt die für Herrn v. Richthofen so wichtigen Feststellungen getroffen sein. Jetzt werden erst die Prozesse gegen die Presse Klarheit bringen können. Schnell belohnt. Der Oberregierungsrat v. Eisenhardt-Rothe, der bisher in Merseburg Regierungspräsident war, ist an Stelle deS zum Ober- Präsidenten von Schlesien erkorenen Herrn v. Günther zum Unter st aatSsekretär im preußischen Staatsministerium er» nannt worden. Wahrscheinlich hat Herr v. Eisenhardt-Rothe sich oben durch eine Rede bemerkbar gemacht, die er Anfang Mai in Eisleben hielt. Damals hatte der Regierungspräsident dort einen neuen Ersten Bürgermeister einzusühren. Diese Gelegenheit schien ihm wie geschaffen, seiner Abneigung gegen die Sozial» demokratie Luft zu machen. In seiner Ansprache an den Bürgermeister gab er die Meinung zum Besten, es sei die erste Pflicht der Stadtverwaltung, insbesondere des Bürger- meisterS, dafür zu sorgen,daß die politischen, sozial» demokratischen Bestrebungen in die Stadtver- waltung nicht hineindringen." Tie objektivste BehSrSc der Welt. In dem Prozeß gegen den Genoffen Lingenauer in Braun» schweig vor dem dortigen Schwurgericht ist durch Zeugen festgestellt worden, daß der Polizeioberwachtnieister S t e i n m a n n ohne Per- anlassung mit dem Säbel auf den Angeklagten eingeschlagen hat. Rechtsanwalt Dr. Jasper erstattete deshalb namens deS An- geklagten bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Polizeibeamten. Die Slaaisanwaltfchaft hat diesen Antrag nunmehr abgelehnt und begründet das damit, daß der Beamte sich in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes befunden habe und zum Waffengebrauch berechtigt gewesen sei. auch gegen den ganz un- beteiligten Genossen Lmgenauer. Letzterer, der sich gegen den volizeilichen Angriff zur Wehr gesetzt hatte, saß vier Monate in Untersuchungshaft und wurde dann zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Abgeblitzt. Gegen den Genoffen Rechtsanwalt Dt. Jasper in Braun- schweig war ein Verfahren vor der Nnwaltskammer eingeleitet worden, weil er in den bekannten DemonstrationSprozeffen vor der Strafkammer des LandgerichtSdirektorS R o ß m a n n sich ungebührlich benommen habe. Eine damals über Dr. Jasper sofort verhängte Ordnungsstrafe von 50 M. wurde vom Oberlandesgericht wieder aufgeboben. Jetzt ist nun auch der Versuch, dem Genoffen Dr. Jasper disziplinarisch beizukommev, mißlungen. Der Ober- staatSanwalt beantragte die Einstellung deS Verfahren», in welchem Sinne dann auch entschieden wurde. Klerikale Gewissenöknechtung. Wie unverfroren fanatische Zentrumspriester in der Bekämpfung der ihnen nicht genehmen Presse vorgehen, dafür hier wieder ein Beispiel. Ein geistlicher Schultnspektor uamen? Morhardt in Ensseld stellte einen Lehrer zur Rive, weil er die(gemäßigt liberale) AugSb . Abendzeitung" lese. Und richtete an ihn den folgenden Erlaß: Da eine derartige Doppelseitigkeit nur dazu fühtt, den Charakter des Lehrers zu verderben und den christ- lichen Geist der Schule in schwerer Zeit zu schädigen, so wird der Lehrer Betz gebeten, sich über die schwebenden Fragen der Zeit anderswo zu orientieren als in einer kirchenfeindlichen und der katholischen Bevölkerung AergerniS gebenden Zeitung. Der Herr Lehrer wird ferner gebeten, dem Unterzeichneten innerhalb der nächsten Tage wissen zu lassen, wie er sich zu dieser Sache stellt, damit ein unnötiger Konflikt vermiede» Wird." Ob diese in die Form einerBitte" gekleidete Drohung de» gewünschten Erfolg gehabt hat, wird nicht berichtet. Anzunehmen ist es schon. So geht der ultramontane Klerus systematisch darauf aus. das Volk gegen alle nichlklenkalen Einflüsse geradezu hermetisch abzuschließen. Da ist es freilich kein Wunder, wenn die bayerische Wählerschaft nach wie voralleweil treu" zum Zentrum hält. Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben.. Als kürzlich in der Reichsratskammer der bayettsche Verkehr<» minister die Entwicklung der Sozialdemokratie mit der- jenigen des Urchristentums verglich, erhob sich bekanntlich der Bischof von RegenSburg und protestierte lebhaft gegen diese Parallele. Er gebrauchte dabei die Wendung, der Apostel PauluS habe in seinen Briefen beständig dahin gewirkt, daß man sich in die bestehenden Verhältnisse schicken müsse: wer Knecht sei, solle Knecht bleiben, wenn ihn nicht sein Herr freiwillig der Knechtschaft enthebe. Mit dieser Aeußming hat der Bischof seinen Zentrum»« freunden arge Verlegenheilen bereitet: machte er sich doch damit einen Standpunkt zu eigen, der der sozialen Bewegung jede Berechtigung abspricht. Die große Verlegenheit des Zentrum? kommt denn auch in dessen Presse zum Ausdruck, die nun schon vierzehn Tage lang eifrig bemüht ist, den Nachweis zu führen. daß der Apostel PauluS wirklich etwas derartiges geschrieben hat. wie der Bischof von ihm behauptet. Um die Hauptsache daß der Bischof jenen Grundsatz, der bei PauluS auS den geitverhält- nissen heraus verständlich ist. auch für die Gegenwart noch alsRormgeltenlassen will um diese unbequeme Tatsache drückt sich die klettkale Presse wohlweislich herum. Und doch wäre«S beispielsweise für die christlichen Gewerk» schatten außerordentlich interessant, zu erfahren, wie daS Zentrum darüber deckt und ob eS die Auffassung deS RegenSbmaer Bischofs billigt!_ Doch noch zur Verantwortung gezogen. Wir meldeten jüngst, daß der preußische Minister deS Innern in einem Rundschreiben die Zuwiderhandlung einiger Gemeindebehörden gegen die Borschristen deS 8 4 deS FreizügigkeitSgesetzeS gerügt hatte, durch die ein Mädchen zur Ermordung ihres unehelichen KindeS getrieben worden war, und wir forderten, daß die schuldigen Gemeinde- vorstände zur Verantwortung gezogen würden. Wie es scheint, hat man auch im Ministettum deS Innern eingesehen, daß mtt einer bloßen Rüge die Sache nicht erledigt sein kann. Der Regierung?- Präsident von Breslau ivurde angewiesen, eine Disziplinaruntersuchung gegen die schuldigen Gemeindebehörden einzuleiten, was inzwischen auch geschehen sein soll. Was bei der Untersuchung herauskommen wird, bleibt allerdings abzuwarten._ Komm, Bruder, nimm de« Bettelstab... In der bürgerlichen Presse ist den Veteoancn empföhle« worden, zum vierzigjährigen Gedenken an den deutsch -französischen Krieg Orden und Ehrenzeichen öffentlich zu tragen. Dazu wird derBerliner Volkszeitung" aus Veteranenkreisen geschrieben:. Die Erinnerung an die große Zeit läßt deutlich den Unter« schied zwischen einst und jetzt erkennen. Tie Helden, die ihre Gesundheit opferten für des Reiches Einigkeit, darben jetzt diel«. fach und gedenken voll Ingrimm der leeren Versprechungen, die der Reichstag ihnen gemacht. Vierzig Jahre sind seit dem Kriege vergangen, und über sechzig Jahre alt sind die meisten Kämpfer. Wer kann heut«, wo junge Kräfte über und über vorhanden sind. mit sechzig Jahren noch den Kamps ums Dasein erfolgreich führen I Trotzdem hat daS Reich für die armen Kämpfer, von denen viele auf die Gnade von Gemeinden und Angehörigen an» «Lieji» kad, nichts nbiig, Ws Mittel für sie schien, dte Nittel