auSschutz zu der für den 31. Juli geplanten, aber bon der Regierunguntersagten Kundgebung ließ in Bilbao Zettel anschlagen, in denendie Katholiken aufgefordert werden, auf alles vorbereitet zu sein,und eiftig dafür zu wirken, dag am 31. Juli ErgebenheitStelegrammean den Papst abgehen.Bilbao, 30. Juli. Angesichts der herrschenden Erregung hat derGouverneur eine für Sonntag geplante katholische Kund«gebung untersagt. Der veranstaltende Ausschuß hat euer-zischen Einspruch gegen dieses Verbot erhoben.RulUand.Weitere Senatorsrevisionen.Aus Petersburg wird uns vom 27. Juli geschrieben:Die Senatorsrevisionen erfahren immer neue Er-Weiterungen. Allmählich hat sich das Netz dieser Aufräumungs-versuche so ausgebreitet, daß man in Petersburg an ihreZentralisierung herangeht und ein einheitliches Ressortfür alle diese Angelegenheiten schaffen will. Die zahllosen Pana-mas, die Rußland zugrunderichten, werden nur sozusagen buch-mäßig festgestellt werden. Ob damit auch wirklich daseigentliche Ziel, ihre endgültige Abschaffung, erreicht werden wird,darf man mit Flug und Recht bezweifeln, solange das größteP a n am a, die vom ehemaligen Regiment überkommene russischeBureaukratie, noch immer im wesentlichen unangetastet bleibt. Essind eben vorläufig nur unangenehme Schikanierungen, die größereVorsicht erheischen und verstärkte Erpressungen notwendig machen.Momentan ist wiederum der K a u k a s us an der Reihe, wozu Beginn des Herbstes eine Senatorsrevision die gesamte Inten-dantur untersuchen soll. Die Revisionen in den anderen Gebietenhaben nämlich bereits zahlreiche Einzelheiten zutage gefördert, dieauf den Kaukasus als einen Mittelpunkt der Inten-danturverlotterung hinweisen. Außerdem hat im der-gangenen Frühling der Titularrat Schtschewelew dem General-revisor Garin ein mit Dokumenten versehenes Memorandum überdie kaukasischen Zustände überreicht, das von haarsträubendenEinzelheiten zu berichten weiß. Wie in Kiew, kommt hier nochspeziell das sexuelle Gebiet in Betracht. Insbesondererichtet sich die Anklage gegen einen der hervorragendstenJntendanturbeamten, der seine Position dazu zu benutzenpflegte, um seine Untergebenen zu homosexuellenAusschweifungen zu verleiten. Unter Namensnennungenwerden darüber scheußliche Tatsachen angeführt. Wer dem per-Versen Herrn nicht willig war, hatte die schlimmsten Verfolgungenauszustehen. So z. B. der Sekretär K.> als er voller Entrüstungseinem Chef entgegenrief:„Nicht dazu diene ich Seiner KaiserlichenMajestät, um solche Gemeinheiten zu treiben". Nicht wenigerschlimm, wenn nicht noch schlimmer, erging es natürlich einem an-deren Schreiber, der für die gemeinen Aufforderungen dem Chefein Glas an den Kopf geworfen hatte. Wer aber den niedrigstenInstinkten dieses Jntendanturbeamten nachkam, der gelangteschnell in die Höhe, erhielt einen guten Posten, große Gratifika.tionen usw.Für diese Scheußlichkeiten bringt Schtschewelew reichlicheBeweise, die er den Aufzeichnungen des Militärhospitals ent-nommen hat. Denn dort wurden bei den untergeordneten Beamten,die eine Kur durchmachen mußten, die betreffenden Angabenprotokollarisch notiert. Der Kaukasus wird demnach ein besondersschreckliches Bild liefern.Snglsncl.Der Geist Karls des Zweiten.-London, 28. Juli.(Eig. Ber.) Wer gestern im englischenUnterhause der Debatte über die veränderte und gemilderteFassung der königlichen Glaubcnserklärung lauschte, hätte meinenkönnen, er lebte in der zweiten' Hälfte des siebzehnten Jahrhun-derts. Religiöse Fanatiker können bekanntlich einen Radau machen,dessen Größe in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl steht; die Heils-armee liefert dafür das beredteste Zeugnis. Dreihundert Männ-kein versammelten sich gestern in der Caxton Hall in der Nähe desParlamentsgebäudes und versuchten unter der Führung des wildenPuritaners Kensit nach der Downing Street zu marschieren.wurden aber von der Polizei daran verhindert. Einige HundertSandwichmänner marschierten den ganzen Tag lang mit In.schriften, die die Handlung der Regierung verurteilten, im Gänse-marsch durch die Straßen Wtstminsters. Die Regierung nahm dieseKomödie sehr ernst und ihre Redner ergingen sich in langen Aus-einandersetzungen über die historische EntWickelung und Bedeutungder Erklärung.In dieser historischen Debatte, wie sie von einem Redner ge-nannt wurde, fehlte natürlich auch der Geist Karls des Zweitennicht. Er kehrte in jeder Rede mit derselben Regelmäßigkeit wiederwie der Kof Karls des Ersten in den Schriften Mr. Dicks imDickensschen Roman. Am interessantesten wurde dieser alte könig-liche Liederjahn von dem konservativen Führer Balfour behandelt;denn seine Ausführungen spiegeln sehr treu die frische kritischeStellung des modernen Engländers dem monarchistischen Aber-glauben gegenüber wieder. Balfour bemerkte:„Er(der Vor-redner) sggte, Karl der Zweite sei fünf Jahre bor seinem Toderömisch-katholisch gewesen. Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Be-hauptung auf authentischem Material beruht. Ich wußte nicht,daß man absolute Sicherheit besitzt, daß Karl der Zweite einrömischer Katholik war, bevor er in artioilo mortis war, obwohler zweifelsohne sehr ausgesprochene Sympathien für die römisch-katholische Kirche eine Reihe von Jahren vor seinem Tode hegte.Was ist nun das Argument des geehrten Vorredners in bezug aufKarl den Zweiten? Er sagte, er sei ganz sicher, daß Karl derZweite wohl die veränderte Form, nicht aber die ursprünglicheForm der Erklärung angenommen haben würde. Er hat keineGelegenheit gehabt, Karl den Zweiten zu befragen.(Gelächter.)Soweit ich mir eine Meinung über den Cbarakter dieses aus-gezeichneten Monarchen(Gelächter) habe bilden können, bin ichder Ansicht, daß dieser, wenn es ihm gepaßt hätte, weder der einennoch der anderen Form Schwierigkeiten gemacht haben würde.!(GeIächter.) Ich glaube, sein Genie würde sich als aus der Höheder Zeit stehend erwiesen haben, welche Alternative sich ihm auchgeboten haben würde."(Gelächter.)Aber was hilft hier alles Gelächter? Der liederliche und ge-wissenlose Karl der Zweite und sein blöder Bruder Jakob derZweite spielen nach wie vor eine große Rolle in der Politik deSprotestantischen Belfast.Cürhci.Unruhe» auf SamoS.Konstontinopel, 30. Juli. Wie die Blätter melden, ist gesternein Bataillon nach SamoS abgegangen. Die Pforte hat denProtestdepeschen auS SamoS, welche die Absetzung deS FürstenKopassiS verlangen, nicht stattgegeben. Der Fürst hat den B e-lagerungSzustand über Karlovassi verhängt. Ein Kanonen-boot und zwei Torpedoboote sind bereits nach SamoS abgesandtworden.Zmeriks.Menschenschinderei auf Hawai.Gegen die schamlose Behandlung russischer Arbeiterauf den im Besitze der Bereinigten Staaten stehendenSüdseelnsekn hat eine große Versammlung in New N o r k Siek-lung genommen. Die Verhältnisse auf den dortigen Pflanzungensind so traurig, daß selbst japanische und chinesische Arbeiter esdort nicht aushielten. Als mit Spaniern und Portugiesen dieselbeErfahrung gemacht worden war, ließen die Pslanzer unter glän-zenden Vorspiegelungen 1500 russische Bauern aus Sibirien nachHawai locken. Sie verdienten dort: die Männer 5, die Frauen3 Dollar wöchentlich, die ihnen aber durch Trucksystem wieder ab-gepreßt wurden. Unter dem Einfluß aufgeklärter Landleute orga-nisierten sich die Russen und stellten Forderungen. Die Folge wardie Entlassung aller, die nun in der Fremde dem Hungertodausgesetzt sind. Die„Rädelsführer" wurden als„Vagabunden"ins Gefängnis gesteckt. W a s s i l ie w, der Führer der Bewegung,soll sogar als„Anarchist" an Rußland ausgeliefertwerden. In der Versammlung wurde von russischen Genossen dieSachlage dargestellt und erklärt, daß zugunsten der Verschlepptenauf Grund des amerikanischen Gesetzes, das die Einführung vonKontraktarbeitcrn verbietet. Entschädigungsklage angestrengt werdensoll. Ein scharfer Protest wurde beschlossen, der auch dem Präsi-deuten und den zuständigen Regierungsstellen überreicht werdensollte. Ob es helfen wird?Em der Partei.Aus den Organisationen.Im Wahlkreise Harburg-Tostedt wurde folgende Resolution zumbadischen Budget st reit angenommen:„Die am 24. Juli 1910 in Harburg a. E. tagende Generalver-sammlung des Sozialdemokratischen Vereins für den 1?. Hannover-schon Reichstagswahlkreis anerkennt mit einem großen Teile, speziellsüddeutscher Parteigenossen, daß die Frag« der Budgetbewilligungfür die Sozialdemokratie nicht nur eine rein prinzipielle, sondernauch eine taktische Frage sei. Aus letzterem Grunde wirdeine Schablonisierung dieser Frage auch stets zu Konflikten inner-halb unserer Partei führen, wie dies neuerdings wieder der Fallgewesen infolge der Zustimmung der badischen sozialdemokratischenLandtagsfraktion zu dem Budget. Die Generalversammlung istdaher der Ansicht, daß die Entscheidung solcher taktischen Fragenzwar im allgemeinen Sache der jeweils dabei in Betracht kommendenParlamentsfraktion sein muß, jedoch nur nach vorherigemEinvernehmen mit dem Parteivorstand und derzuständigen Landes- bezw. Bezirks- oder Kreisleitung; Ausnahmenkönnen nur in dringenden Fällen zugelassen werden, denn unsereParlamentsvertreter dürfen keine absolut sou-veränen Faktoren innerhalb unserer Partei sein.Daß ein solcher dringender Fall auch bei der badischen Budget-bewilligung vorgelegen habe, vermag die Generalversammlungnicht einzusehen, trotz der diesbezüglichen Erklärungen desGenossen Frank in der Mainzer..Volkszeitung". Wenn nach diesenErklärungen die badische Fraktion schon seit Monaten sich darineinig war, daß sie dem Budget zustimmen müsse, so hatte sie hin-reichend Zeit zur Rücksprache mit den ihr über-geordneten Parteiin st anzen. Das Unterlasse�dieser Rücksprache kommt gewissermaßen einerBrüskierung der Partei gleich.Die Generalversammlung verurteilt ferner entschieden dieBeteiligung unserer badischen Landtagsabgeordneten an den Ova-tionen fürden Grotzherzog. Solche Ovationen sind De-monstrationen für die Monarchie, die ein Sozialdemo-krat mich deih populärsten Monarchen gegenüber grundsätzlichund unter allen Umständen z>: unterlassen hat.Wenn die badischen Landtagsabgeordneten nach der Erklärung desGenossen Dr. Frank der Ansicht siyd, daß man als Parteigenosse denGenossen gegenüber den Mut haben müsse, unter Umständen ,.un-ausführbare Partcitagsbeschlüsse unausgeführt" zu lassen, dannmuß ein Parteigenosse ober unter allen Umständen auch denheutiges volksfeindlichen Staätseinrichtungen gegenüber sozial-demokratischen Bekenne rm u t betätigen."Der sozialdemokratische Wahlverein für Leipzig-Land nahmnach einem Referat des Genossen S e e g e r einstimmig folgendeResolution an:„Die Parteiversammlung des 13. sächsischen Reichstagswahl-kreises sieht in der Budgetbewilligung der badischen Landtags-fraktionLmehrheit einen bewußten und gewollten Dis-z i pl i n b r u ch. eine Verhöhnung und Herausforde-rung der Partei. Dieser Disziplinbruch ist das schwersteAttentat auf die Einheit der Partei und ist in Verbindung mit denblamablen monarchistischen Huldigungen ein beabsichtigter Verstoßgegen die bisherige Grundanschanung und Taktik der Partei. DiePersammlung fordert vom Parteitag in Magdeburg, daß gegen dieDisziplinbrecher auf Grund des Organisationsstatutsvorgegangen wird, und daß er durch eine unzweideutigeWillenskundgebung solche, die Partei aufs schwerste schädigendenVorkommnisse in Zukunft unmöglich macht."Der Sozialdemokratische Berein in Kielhielt am Donnerstagabend eine sehr stark besuchte Mitgliederver-sammlung ab. Die Versammlung nahm zunächst den Bericht desVorstandes entgegen. Der Verein hatte am 1. Juli 1909 4287männliche und 467 weibliche, am 1. Juli 1910 4665 männliche und572 weibliche Mitglieder. Die Zunahme von 378 männlichen und105 weiblichen Mitgliedern ist nur gering, woran hauptsächlich dieschlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der letzten Jahre im Bau-gewerbe schuld sind. Die tatsächliche Zahl der organisierten Ge-nassen und Genossinnen in Kiel ist aber bedeutend größer. DieStadtteile Gaarden, Ellerbek und Wiirterbek haben noch aus der Zeitvor der Eingemeindung ihre selbständige politische Organisation.Der sozialdemulratische Verein in Gaarden zählte am 1. Juli 19101485 männliche und 306 weibliche, der für Ellerbek 338 männlicheund 50 weibliche, der für Wintcrbek 658 männliche und 121 Weib-liche Mitglieder. In Wirklichkeit sind also in Kiel(ziemlich 200 000Einwohner) 7146 männliche und 1049 weibliche Mitglieder derParteiorganisation vorhanden. Der Sozialdemokratische. Verein inKiel(ohne dioSOrganisation in Gaarden, Ellerbek und Winterbek)vereinnahmte im Berichtsjahre 30 908.25 M. und gab aus 27 519,57Mark. Die Tätigkeit deS Vereins im Berichtsjahre war eine äußerstintensive. Der Glanzpunkt der Veranstaltungen war die wuchtigeProtestvcrsammlung gegen den Besuch des Blutzaren am 15. Juli1909, in der Genosse Dr. Liebknecht-Berlin sprach, die glänzendeFriedensdemonstration am 15. August 1909, in der die GenossenMacdonald-England, Meyer-Dänemark, Nielssen-Schweden, Lcgienund BerNstein-Deutschland referierten, und endlich der so über allesErwarten gelungene Halbtagsstreik am 15. März 1910 als Wahl-rcchtsdcmonstration.Die Versammlung beschäftigte sich dann in ihrem weiteren Verlaufe mit dem Disziplinbruch und der Hofgängerd der badischensozialdemokratischen Landtagsabgeordueten. Genosse B r e c o u rleitete die Diskussion ein. Er meinte, die hier und da zutage ge-treten« Ansicht, man müsse angesichts der bevorstehenden Reichstags-wählen die Erörterung der Frage möglichst vermeiden, sei durchausirrig. Eine solche oberflächlich zur Schau getragene Einheit derPartei sei durch und durch faul und brüchig und müsse zu dengrößten Enttäuschungen führen. Klarheit müsse geschaffen werden.Redner wies an der Begründung, die die Genossen Kolb undDr. Frank und die Mannheimer„Volksstimme" und der Karlsruher„Volksfreund" der Zustimmung zum Budget gegeben, nach, daß derVerstoß gegen den Beschluß des Nürnberger Parteitages bewußtund mit Absicht herbeigeführt worden sei. Die Partei dürfe sichdas unter keinen Umständen bieten lassen. Ebenso scharf verurteiltRedner dix Hofgängerei eines Teiles der badifchcn sozialdemo«kratischen Fraktion und empfahl schließlich folgende Resolution zurAnnahme:.....Die Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins in Kielsieht in der Zustimmung der Mehrheit der badischen sozialdemo-kratischen Landtagsfrartion zu dem Staatsbudget einen bewußtund mit voller Absicht herbeigeführten Verstoß gegen den Beschlußdes Nürnberger Parteitages(1908). Die Gesamtpartei darf einensolchen Disziplinbruch, der den demokratischen Grundsätzen direktins Gesicht schlägt, unter keinen Umständen ruhig hinnehmen, willsie nicht die bisherige Einheit und Geschlossenheit der Aktion, dieerste Porbedingung aller sozialdemokratischen Erfolge, und damitsich selbst aufgeben.Die Teilnahme ciires Teiles der badischen sozialdemokra-tischen Abgeordneten an höfischen Kundgebungen ist weder mitden republikanischen Grundsähen der Partei noch mit der Partei-tradition in Einklang zu bringen, sie dient nur dazu, unsereStellung zur Institution der Monarchie zu verschleiern und kanndarum nur parteischädigend wirken.Die Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins in Kielerwartet von dem Parteitag in Magdeburg, daß er das Partei-vergehen der badischen Bndgetbewilliger und Hofgänger feststelltrind entschlossen gegen ihre die Partei schädigende HaltungStellung nimmt.Genosse Henschel: Die Mehrheit der badischen sozialdemo»kratischen Kammerfraktion hat sich durch ihre Handlungsweiseaußerhalb der Partei gestellt, solche Leute können nicht mehr alsParteigenossen betrachtet werden. Wohin die Reise gehen soll, da»zeigt mit erschreckender Deutlichkeit die von' bestimmter Seite inden„Soziallstischen Monatsheften" empfohlene Taktik. DieBadenser haben mit dieser Taktik den Anfang gemacht. Die Parteimuh einmal mit eisernem Besen auskehren. Genosse Niendorf:Die Sozialdemokratie hat besonders jetzt alle Ursache, ihr Endzielhochzuhalten, denn sonst steht cs auch mit ihrer Realpolitik schlecht.Der Revisionismus ist eine Krankheit am Körper der Partei, diedurch dne Redikalkur beseitigt werden muß. Die schlcSwig-hol»steinische Delegation darf nicht wieder eine solche schachernde Hal-tung auf dem Magdeburger Parteitage einnehmen wie mit derResolution Frohme auf dem Nürnberger Parteitag.— Die vomGenossen Breeour vorgeschlagene Resolution wurde darauf ein»st i m m i g angenommen._lieber die Eutwickelung der Partei im fünften mecklenburgischenWahlkreise berichtete in der Generalversammlung deS sozialdemo»transchen Vereins Rostock Genosse Emil Werne r. Trotz erheb»licher Mitgliederverluste durch die Krise und die Aussperrung gelangeS. den Mitgliederstand auf dem Niveau des Vorjahres(2680) zu erhalten. Allein in der Stadt Rostock wurden 390 Mit-glieder neugewonnen. Eine starke Steigerung erfuhr die Zahlder weiblichen Mitglieder, die allein in Rostock von 59 imJahre 1909 auf 286 stieg. Infolge der vom letzten Partei-tage angenommenen Beitragserhöhung erfuhr das Kassen»wcsen einen erfreulichen Aufschwung. Die Einnahmen betrugen6649,59 M. gegen 5022,24 M. im Vorjahre, die Ausgaben5491,27 M, gegen 3915,08 im Jahre 1909. Der Kassenbestand stiegvon 1107,16 M. auf 2413,74 M. Die Maifeier erfreute sicheiner Teilnahme, wie sie noch nicht da war.Im ganzen Kreise fanden im Berichtsjahre 74 Vereins- und 24öffentliche Versammlungen statt. Die Zahl der Filialen deS Wahl»Vereins ist»m eine gestiegen, Filialen bestehen jetzt in den Orten Rostock,Doberan, Warnemünde, Kessin, Kröpelin, Neubuckow, Bötzow, Schwaan»Gehlsdorf, Brunsbaupten. Die Zahl der Leser des Partei»b l a t t e s. der„Mecklenburgischen Volkszeitnng". hat sich im Kreiseum 200 vermehrt, bei den ungünstigen Verhältnissen ein schöner Er-folg. Erheblichen Fortschritten bei den Kommunalwahlensteht daS miserable Wahlrecht entgegen, daS in den einzelnenGemeinden besteht.(So ist die Erwerbung des Bürgerrechtesin Rostock an eine Gebühr von 15 M. gebunden, in Doberanan 31,95 M. und den Besitz eines eigenen Grundstückes, i»Reubnckow an 10 M.. in Schwaan an 20 M.). Trotzdem hat diePartei in Rostock heute 4 Vertreter und in Schwaan und Doberanje eine»,Weiter wurden im Berichtsjahre im Kreise 32 000 Flugblätter(Schnapsblock im Bilde), 6000 Vollslalender und 6000 Flugblätter(Landarbeiter, wacht auf!) verteilt.Die Jugendorganisation hat eine gute EntWickelunggenommen. Klage wurde geführt über die wütende Bekämpfungdieser Organisation durch die Kleinmeister.Im Karlsruher„BolkSfreund" schreibt Gen. A.Lei cht:„Nach-dem Sie nun einige Male schon Aeußerungcn in zustimmendemSinne gebracht haben, werden Sie wohl auch mir einige AuSfüh-rungen gestatten. Nach meiner genauen Kenntnis stand es b e iden führenden Genossen schon nach Nürnberg fest,daß die badische Landtagsfraktion Heuer wiederfür das Budget votiere. Nur ganz triftige, schwerwiegendeGründe, die aber bei den: bekannten„Willen zur positiven Arbeit"niemals eintreten konnten, hätten unter Umständen ein entgegen-gesetztes Votum bewirkt. Die jetzige Budgctbcwilligung war undsollte ein Vertrauensvotum für die Regierung darstellen. DaSi st Tatsache. Genosse Dr. Frank sagt zwar, daßMinister b. Bodman eine komplizierte Natur sei. Dem stimme ichunumwunden bei. nur glaube ich, daß sich eben diese„komplizierteNatur" viel mehr zu unseren Ungunsten als umgekehrt gezeigt hat. Dann ist auch m. E. ein Unterschied zu machen zwischendem, was man tun muß und man tun kann. In all den kriti»sierten Fällen lag aber eine zwingende Notwendigkeit nichtvor; sowohl bei der Zustimmung zum Staatsbudget als zu derfortgesetzten„Hofgängerpolitik". Man kann sich de? Eindrucks nichterwehren, daß sich unsere Führer, nur um Politik zu machen,bewußt mit den bekannten ParteitaySbeschlüssen, die doch jeden-falls nicht für die Katze gemacht werden, in Widerspruch bringenwollten. ES ist daS gute Recht der Genossen, etwaige unpassendeBeschlüsse zu kritisieren; aber solange sie noch Mitglieder derGesamtpartei sind, haben sie sich zu fügen. Mit demselbenRecht, wie hier die Fraktion sich glaubte über die Köpfe der Ge-nassen hinwegsetzen zu dürfen, mit demselben Recht könnten auchbadische Organisationen ähnlich mit badischen Parteitags».beschlüssen verfahren. Warten wir ab,Nun will ich aber auch auf die sachliche Seite eingehen. Wiehat sich die Regierung im allgemeinen gestellt? Sozial»demokraten dürfen nicht Staatsbeamte sein. Wiewar die Antwort ans die Interpellationen betr. Maurer streikund Fleischversorgung? Ungenügend und teilweise direktantisozial. Wie steht es mit dem Dreiklassenwahl-recht bei der Gemeindereform, dem die Fraktion zugestimmt hat?Und weiter hat man über 100000 M. für einen Hof wagengenehmigt, während für die brotlos gewordenenBrauereiarbeiter infolge der„schlechten' Finanzlage"nichts übrig blieb. Wie steht es weiter mit den kirchlichenDotationen im Budget? Dadurch wird ja unser diesbezüglicherProgrammpunkt, auf den wir bislang immer stolz waren, zurreinen Farce. Hat es aber weiter noch Wert, im Landedraußen über die Unzweckmätzigkeit der Militär- und anderenHurravcreinc zu sprechen, wenn sich unsere Führer als Rep ubli»kaner an höfischen Zeremonien und Veranstaltungen beteiligen,die nicht einmal den Sckdn einer Notwendigkeit(wie dies inWürttemberg der Fall ist) an sich tragen? Für eine derartige„positive Arbeit" danke ich und mit mir wird wohl auch ein großerTeil der badischen Parteigenossen der Anschauung sein, daß diese?keine Klassenpolitik getreu unserem Programmist, sondern unabwendbar mit dazu beiträgt, unsereklaren Ziele zu verwässern. Deshalb ist auch die Zu»stimmung zum Etat mit all seinem Drum und Dran zu be,dauern."