Einzelbild herunterladen
 

|r. 183. 27. Iahrgavg. 1, WIM Ks JoriÄ" Knlimr Sunirfaj, 7.3up|Il910. Die totgeiagte Aahlrechttbeweguvg. Genossin Luxemburg hatte im März dieses Jahres erklärt, «S sei die Zeit gekommen zu schärferen Mitteln als Straßen� demonstrationen im Wahlrechtslampf zu greifen. Eine große Massew streikagitation müsse entfesselt werden, solle die Wahlrechtsbewegung nicht zusammenbrechen. Die Partei reagierte nicht auf diese Aufforderung und nun er- klärt Genossin Luxen, bürg am Ende ihrer bekannten Polemik, der Wahlrechtslampf in Preußen sei tatsächlich zusammengebrochen und zwar deshalb, weil ihre Aufforderung keinen Widerhall fand. Diese Konstatierung vollzog sie, kurz nachdem der badische Disziplinbruch die ganze Partei in tiefste Erregung versetzt hatte. Nichts konnte den badischen Parlamentariern gelegener kommen, als die Ausfälle der Genossin Luxemburg , die sich gegen dieselbe Seite richteten, gegen die die badischen Budgetbeioilliger den Kampf in erster Linie führen zu müssen glaubten: Die Parteigenossen Preußens und derenleitende Instanzen*. So nimmt sich denn der Karte ruher.Volksfreund* jetzt der Genossin Luxemburg aufs liebevollste an eine ganz ungewohnte Erscheinung. Zuerst brachte er einen Artikel Eisners zum Lob der Genossin Luxemburg , die wohl erkannt habe, daß der preußische Wahlrechtslampf weit wichtiger sei, als die badische Budget bewilligung. Dann veröffentlicht dort Gen. Kolb selbst einen Artikel, in dem er versichert: .Die Genossin Luxemburg ist gegen den Genossen Kautsky. gegen den Parteivorstand und gegen die überwiegende Mehrheit der ganzen preußischen' und sächsischen Sozialdemokratie zweifellos im Recht, denn sie hat unbestritten die Konsequenz der sozial revolutionären Taktik auf ihrer Seite.* Und früher heißt es dort: .Der Streit zwischen beiden dreht sich um die Taktik beim preußischen Wahlrechtskampf, von dem die Genossin Luxemburg mit Recht behauptet, daß er.mausetot* geschlagen sei. .Keine Demonstrationen, nicht einmal Versammlungen be fasten sich mit der Wahlrechtsfrage, die sturmahnende Rubrik des Wahlrechtskampfes ist aus der Parteipresse verschwunden**, schreibt sie in der.Neuen Zeit*. In der Tat, der mit so großem Elan inszenierte, von elementarer stürmischer Begeisterung ge- tragen? preußische Wahlrechtskampf ist total im Sande verlaufen, abermals auf das tote Gleise geschoben worden, ausgegangen wie das Hornberger Schießen! In dieser Konstatierung ist daS Paar einig. Bloß darin unter- scheiden sie sich, daß die Genossin Luxemburg meint, die Wahlrechts� bewegung sei deshalb.mausetot* geschlagen, weil ihre Anregung des Massenstreiks.mausetot* geschlagen wurde, indes Kolb meint, daß die Wahlrechtsbewegung nur dann hätte am Leben bleiben können, wenn die preußische Sozialdemokratie das badische Muster nachahmte. Trotz der unerwarteten Uebereinstimmung zwischen Kolb und Luxemburg wird Herr Bethmann Hollweg gut daran tun, sich auf ihre Konstatierungen nicht allzusehr zu verkästen und die preußische WahlrechtSbewegung nicht allzu sicher als.mausetot* zu bewachten. Er würde einige unangenehme Ueberraschungen erleben. Wäre die WahlrechtSbewegung wirklich zusammengebrochen, so müßte dies in der Stimmung der Partei zutage treten. Depression müßte in ihr herrschen. Zweifel an der eigenen Kraft. Wo aber ist derartiges bei uns zu finden? War unsere Partei jemals stolzer, fiegesgewisser, von ihren Gegnern mehr gefürchtet als jetzt? Man mutz ganz eigenartige Ohren besitzen, wenn man, wie jetzt die Genossin Luxemburg , in der Partei nichts hört als.kleinlautes Knurren der Bor« bereitungen für die Reichstagswahlen*! Die Nachwahlen zum Reichstag, die Schlag auf Schlag die Gegner niederwarfen, die ar- bewenden Masten hoch aufjubeln lasten, sollen nichts sein als.klein- lautes Knurren* I Man muß tief in seinem Schmollwinkel vergraben sitzen, wenn man heute in unserer Partei nichts hört, als.kleinlautes Knurren". Nie war die Kampfcslust und sieghafte Zuversicht der Masten größer als jetzt, und selbst die wegwerfendste Kunft und Industrie. WaS ist es für eine Lust zu leben! Nach tagelangem Regen lmd Schmutz scheint die liebe Sonne wieder, scheint auf Dächer und Swatzen, im Osten und Westen, im Noroen und Süden, kurzum in Berlin . Wo man geht und steht, empfindet man die wohlige Wärme, freut man sich der verjüngten Gesichter, und der Schatten, der uns überall hingeleitet, ist uns eine Freude, ein Freund, den man nicht missen möchte, aus Angst, daß er wieder abhanden kommen könnte! Ohne Schatten, keine Sonne! Denn der Schatten am Abend der sich von Laternenpfahl zu Laternen- pfähl an unsere Ferse heftet, gleicht nicht entfernt dem fröhlichen Schatten, dem wie ein Hund oder Duzfreund so getreuem Schatten der endlich wieder erwachten Augustsonne. Die Füße in einem Sonnenkringel, sonnige Wärme an Waden lmd Knien von der Sonne in meinem Gehirn ganz zu schweigen! beginne ich über die Kunst von heute zu schreiben. Ach, ich würde lieber Spalten voll über den Glanz auf meinen Blumen- topfen, den Glanz auf meinem Arbeitstisch, den Glanz auf dem Asphalt berichten, wo die Spatzen hin- und hertrippeln und tänzeln und miteinander karessieren, als ob die 1l) Gebote für Anstand unv Sitte nicht existierten. Ich würde tausendmal lieber über den köstlichen Sommer plaudern, als über die Kunst von heute, die, um es gleich von vornherin zu sagen, noch ein wenig reserviert u sagen, eine Dirne ist oder zur Dirne wird. Sollte dies für ae Dirnen, worunter es doch auch wirklich ehrliche, verständige und trotz ihres Polizeibüchleins zur Lebenseinsicht gelangte Frauen gibt, beleidigend klingen, so beeile ich mich, zu erklären, daß ich weit mehr Sympathie für die zerstörten Leben der unzähl- baren Berliner Frauen hege, als für die Tausende von Künstlern, die schonauf der Höhe" sind oder dorthin zu gelangen hoffen. Denn das ist eine Frage, die gar nicht oft genug gestellt werden kann sind die Künstler von heute, die ausschließlich für ihr eigenes Ich, für ihre eigenen kleinen Interessen, für ihrenRuhm", für ihre Börse und Arbeitgeberringen*, überhaupt einen Schuß Pulver wert? Durchwandeln sie die Schrecknisse des Daseins, um mit der Macht ihres Talentes leidenschaftliches Zeugnis davon abzulegen? Sind nicht drei Viertel von ihnen duldende, leidende Kaffeehausbesucher, ehrsüchtige Hanswürste, vor allem aber Fabri- kanten von nettem oder nett-erotischen oder sensationellen Romanen, Novellen und Gedichten? Sind für das überwiegende Gros dieser Menschen Verleger, wie die Scherl, Moste. Ullstein. Fischer usw., um nur ein pcrar der mächtigsten von ihnen herauszupicken, nicht Götter, nicht hervorragende Männer, nicht ganz exklusive Wesen, vor denen mar: sich neigt, vor denen gekniet wird, und vor deren Geschmack, Einsicht und Wünschen die allerbestenDichter* im Schweiße ihre�s Angesichts schaffen? Besteht bei den auserkorenen Geistern auch, nur ein kleines Fünkchen von Begeisterung für die Sache des Sozialismus, für das Schicksal und die Ideale des modernen Proletariats, für die getvaltige Strömung, die die Strömung»der Zukunft ist? Lesen sie etwas anderes als Zei- d und verächtlichste Behandlung des Wahlrechtskampfes wird diese begeisterte Stimmung nicht zu dämpfen vermögen. Wenn diese Stimmung heute nicht allein den Kampf ums preußische Wahlrecht, sondern den Kampf um den deutschen Reichstag belebt, so beweist das nicht, daß der erstere Kampf im Sande verlaufen ist, sondern nur, daß es nicht möglich ist, nach Be lieben die Massen immer und ununterbrochen auf dasselbe Kampf- objelt zu konzentrieren. Stärker als die stärkste einzelne Partei ist das Leben der gesamten Gesellschaft deS Kapitalismus, dieses wechselnde Leben und nicht die Vorschrift einzelner Parteiinstanzen oder gar einzelner Schriftsteller bestimmt, auf welches Gebiet sich jeweilig das Juteresse der Massen richtet. Danach müssen auch wir unsere Tätigkeit gestalten und unsere Kräfte stets auf jenes Gebiet konzentrieren, dem jeweilig das politische Interesse der ganzen ar- beitenden Massen gilt. Gerade in einer politisch regsamen Zeit wechseln diese Gebiete rasch. Sehen wir etwa in der französischen Revolution einen un- unterbrochenen Kampf um dieselbe Forderung? Nichts weniger als das. Es wechselten in ihr nicht bloß erregte Zeiten mit Ruhepausen, denn man kann nicht immer in höchster Erregung arbeiten; auch in den erregten Zeiten wechselten die Kampfgebiete: gestern galts dem König, heute der Pariser Gemeindeverwaltung, morgen den Brotwucherern, übermorgen dem Auslande usw. Nichts wäre sinn- loser gewesen, als zu glauben, eine dieser Bewegungen wäre deshalb zusammengebrochen, weil sie durch eine andere vorübergehend in den Hintergrund gedrängt wurde. So ist es auch töricht, von einem.Zusammenbruch* unserer prächtigen Wahlrechtsbewegung zu sprechen. Im Gegenteil! Ihr erster Zweck, die Verhinderung eines Schandgesetzes, das zugleich ein großes Hindernis jeder weitergehenden Reform gewesen wäre, ist völlig gelungen. Aber auch das andere, nächste Ziel ist erreicht: die preußische Wahlreform steht im Mittelpunkt der ganzen inneren Politik, die Regierung ist trotz allen WiderstrcbenS gezwungen, eine neue Vorlage einzubringen und damit aufS neue die heftigsten Kämpfe zu entfesseln, alle Parteien mästen sich nach ihrer Stellung zur Wahlreform orientieren. Der Kampf selbst hat das Siegesbewußtsein und das Machtgefühl der Massen außerordentlich gehoben und das brennende Interesse an den Reichstagswahlen ist nicht zuletzt durch den Wunsch hervorgerufen, diese Wahlen zu einer gewaltigen Abrechnung mit den bürgerlichen Wahlrechtsfeinden zu gestalten. Wenn je die Partei Grund zur Zufriedenheit mit dem Verlauf einer Aktion gehabt hat so weit Sozialdemokraten überhaupt zufrieden sein können, so seit Führung und Verlauf des preußischen Wahlrechtskampfes. Freilich können wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen, welche Bewegung uns morgen erfassen wird. Wir erhoffen vom deutschen Parteitag, daß seine Verhandlungen über die Wahlrechtsfrage das Signal geben werden, die Wahlrechtsbewegung im Herbst mit aller Kraft wieder aufzunehmen. Eine kräftige Führung des Wahlrechts kampfes ist zugleich die beste Vorbereitung für die kommende Reichstagswahl. Aber wer kann die Notwendig keit leugnen, diesen Kampf auch noch durch andere Kämpfe ergänzen zu müssen, vielleicht, um ein Beispiel zu nennen, durch einen Kampf um die Wahrung des Weltfriedens. Sind doch Faktoren an der Arbeit, die aus Angst vor dem Zusammenbruch der Regierung bei den nächsten Rcichstagswahlen auswärtige Ver Wickelungen herbeiführen wollen, um die rote Springflut durch einen patriotischen Sturmwind zurückzutreiben. Nicht allein darauf kommt es an, auf welchem Gebiete gerade gekämpft wird, sondern daß gekämpft und daß erfolgreich ge kämpft wird. Die einzelnen Gebiete unseres Kampfe? selbst stehen in innigster Wechselwirkung untereinander, und wir können nicht auf dem einen Gebiete siegen, ohne unsere Stellung auch auf den anderen Gebieten zu stärken. Wenn wir jetzt bei den Nachwahlen zum Reichstage so glänzende Erfolge davontragen, so hat der preußische Wahlrechtskampf auch sein gut Teil daran. Und umgekehrt, wenn wir einen machtvollen Sieg(.bei den Neichstagswahlen erkämpfen. so bedeutet das eine enorme Kräftigung unserer Partei für den Wahlrcchtskampf. Wenn dieser tunken mit und ohne Kritik über Theater und Bücher? Bemühen sie sich auch nur im allergeringsten, sich über das. wasunten* wühlt und schiebt und drängt, zu orientieren? Ist Dichten nicht etwas, das fern vonplatter Wirklichkeit* geboren wird? Ja, als die Elendsmalerei in der Zeit des Naturalismus Mode war, ja, damals durfte ab und zu ein wenig von den Welterschei- nungen genascht werden. Damals spielte Hauptmann den Vru- talen, denPfadfinder" in seinenWebern " und inVor Sonnen- aufgang", und auch andere bliesen sich zu roten Kampfhähnchen auf, aber das war ja bald vorbei. Es waren so wenig Ehren und noch weniger Tantiemen dabei einzuheimsen. Für Reinhardt und Brahm war die Torheit auf die Dauer nichts. Keine Kassen- einnahmen, keine Stücke mitTendenz". Und nur Shaw blieb durch seine Paradoxen in Gunst bei der zahlenden Bourgeoisie. Wer hat in den nachfolgenden Jahren würdig und ohne Mätzchen von unserer Weltanschauung aus geredet? Wer? Es tut mir leid, daß ich heute bei der prächtigen Sonne so übelgelaunt dar- über sprechen muß. Ich wage fast, keine Namen zu nennen. Von ie hundert Dichtern sind neunundneunzig schon bei ihren Lebzeiten gestorben und der Ueberlebende brütet bei einer Zigarette und einem Kaffee mit Schlagsahne, ob er sein Stück im fünfzehnten oder sechzehnten Fahrhundert spielen lassen, ob er seinen Roman Ullstein oder Scherl geben soll, und ob er nicht etlvas noch nie Dagewesenes ersinnen kann, um nichtvergessen" zu werden. Die paar Dichter, die einst eine Ueberzeugung hatten, sind ihre Ueber- zeugung los. Einen Theaterdirektor mit einer Ueberzeugung hat es nie gegeben, und ein Verleger, der ein Buch herausgibt, weil er es ohne Nebenabsichten schätzt, soll noch geboren werden. Einst in alter Zeit tvar ein wirklicher Dichter jemand, der sich berufen fühlte, einer, der sich mit Herz und Seele an seine Gemeinde wandte. In jener guten alten, längst vergangenen Zeit kannte ein Dichter keine schönere Leidenschaft, als zum Volke zu reden. der Barde eines Volkes zu sein, und was gelitten und gestritten wurde, wiederzugeben. Das geschieht jetzt nur noch in der sozia- listischen Presse. Vor dem Eingang jedes Theaters steht ein Polizist, um darauf zu achten, daß die Fabrik da drinnen keine verkehrten Grundstoffe verarbeitet. Und auch wenn kein Polizist dasteht, weiß der Theaterdirektor doch verteufelt gut, daß Loge und Orchestersessel, Parkett und Balkon seineKunden" sind, so gut wie der Verleger, der keine Inserate und Abonnenten verlieren will. Sind es denn heute die Künstler, die das Wort führen? Es ist ja zum Lachen! An der Spitze derKunstindustrie* stehen die Scherl, die Ullstein, die Fischer, die Moste usw., die den"all- gemeinen Geschmack" zu kennen sich anmaßen, und die nichts auf den Vergnügungsmarkt, in den literarischen Lunapark, auf den Bücherkorso bringen, ohne es vorher kastriert zu haben. Ein Pferd wird, wenn es jung ist, kastriert, auf daß es arbeiten kann. Der Dichter" von heute, der auf dem Vergnügungsmarkt mitreden will, wird durch die Großindustriellen des Theaters, der Zeitungen, der Zeitschriften, des Verlages kastriert. Ein Ullstein bezahlt beispielsweise für einen schlechten Hintertreppenroman von der einst begabten Clara Viebig , für einen Rudolf Stratz , für einen Ompteda , oder für die vornehm-klassischen Novellen, die seine Leser wieder aufgenommen wird, dürfen wir darauf rechnen, daß eS mit verdoppelter Kraft geschieht. Im großen und ganzen haben wir also allen Grund, mit unserer jetzigen Situation zufrieden zu sein und wir können das kleinlaute Knurren" darüber dem neuesten Block der Mißvergnügten überlassen. Weit weniger Grund zur Zufriedenheit hätten wir, wenn wir der Anregung der Genossin Luxemburg gefolgt wären. Sie meinte, nach dem Scheiter» der WahlrechlSvorlage sei die Regierung in einer argen Klemme gewesen. Diesen Moment hätte man ausnützen inüssen zu einer großen Massenstreikaktion. DaS mußte die WahlrechtSbewegung mächtig fördern. In Wahrheit konnte der Regierung nichts Besseres passieren, um sie aus der Klemme zu be- freien, in der sie heute noch steckt. Ein machtvoller Aufruf zur Mastenstreikaktion hätte bei der da- maligen Stimmung nicht die Gesamtmasse der Proletarier mit sich fortgerissen, sondern nur einen lebhaften Kampf innerhalb der organisierten Arbeiterschaft für und wider den Massenstreik entfesselt. Die Polemik, die sich nur in derNeuen Zeit* abspielte. weil niemand Miene machte, die Anregung der Genossin Luxemburg in die Praxis zu übersetzen, sie hätte sich in allen Organisationen der Partei und der Gewerkschaften entsponnen und sie tief zerklüftet, wenn ein praktischer Versuch zur Inszenierung eines MasseustreilS im Reiche gemacht worden wäre. Die Genossin Luxemburg nimmt das freilich sehr leicht. Ja sie sieht einen Vorteil darin. Sie meint: Wären die Gewerkschaftsführer allein in der jüngsten Wahl- rechtskampagne gegen die Losung des Massenstreiks öffentlich auf« getreten, so hätte dies nur zur Klärung der Situation, zur Schär- sung der Kritik bei den Massen geführt." Eine so gewaltige Aktion wie den Massenstreik wollte sie mi innerem Zwist beginnen! Gleichzeitig hätten wir alle bürgerlichen Elemente der Regierung zugetrieben. Das wäre zu ertragen gewesen, wenn es gelang, das Proletariat zu einer einheitlichen Aktion zusammenzufassen. Aber das Gegenteil wäre eingetreten. Wir einigten die Gegner und spalteten die eigenen Reihen das wäre im März oder April das Resultat eines Versuchs mit dem Massenstreik im Reich gewesen. Unter solchen Umständen hätte man mit inehr Fug von einem Zusammenbruch des WahlrechtskanipfeS reden können. Unter den Verhältnisten Deutschlands ist ein Massenstreik zu politischen Zwecken aussichtslos, wenn er nicht von der Masse des Proletariats einmütig gefordert und getragen wird. Darin, in der Auffassung der Situation und der Taktik des Massenstreiks unterscheiden wir uns von der Genossin Luxem- bürg. Den Weg. den uns Genosse Kolb weist, müssen wir dagegen grundsätzlich ablehnen. Er behauptet, es gibt nur zwei Wege, im Wahlrcchtskampf vorwärts zu kommen: entweder den Massenstreik unter allen Um- ständen, ohne Rücksicht auf seine Möglichkeiten und Aussichten das nennt nämlich Genosse KolbKonsequenz" I oder die badische Taktik. Da der Massenstreik im März nicht aussichtsreich war, schließt er, er werde unter allen Umständen unmöglich bleiben, und außer ihm gebe es nur ein einziges Mittel, von den Gegnern Konzessionen zu erlangen, die badische Praxis,die einzig mögliche Taktik innerhalb der Verhältnisse, in welche die deutsche Politik ein- gezwängt ist*. Diese Politik würde auf Preußen angewandt heißen, daß unsere Abgeordneten den bürgerlichen Wahlrechtsfeinden entgegen- kommen, auf Beseitigung des Dreiklassenwahlsystems verzichteten, sich mit einer kleinen Teilreform, etwa Einführung deS geheimen und direkten Wahlrechts begnügten und nun Ausschau hielten nach bnrger» lichen Parteien,- denen sie diese.Konzessionen* gegen Gewährung anderer Gefälligkeiten abHandel» könnten? Vielleicht daS Zentrum? Denn Freisinnige und Nationalliberale bilden keine Majorität. Wir fürchten, dieseeinzig mögliche Taktik* wird in der Sozial« demokratie Preußens nur eine Antivort finden: Uuehrerbietiges Gelächter I in seinen Blättern zu genießen bekommen, 55000, 20 000 und 30 000 M. Ein Scherl legt für die alle Literatur verulkenden, nichtsdestoweniger epochemachenden Erzählungen in derWoche", in derGartenlaube" oft 2 M. pro Zeile an. Für den Erstabdruck einer minderwertigen Arbeit, vorausgesetzt, daß sie romantisch wie ein Detektivroman, und daß sie nichts enthält, WaS den noch immer als Halbidioten verschlissenen Leser in seiner gottesgläubigcn, politischen oder anderen Ueberzeugung stört, werden Kapitalien von 10 000 40 000 M. bezahlt, so daß der glückliche, gottbegnadete Dichter, der ohne Tendenz, oder wenigstens ohne abweichende Tendenz arbeitet, wenn er sein gottbegnadetes Werk noch einmal in Buchform erscheinen läßt, durch die tägliche Industrie der Kunst, die nie Kunst war, ein Leben führen kann wie ein Prinz. Bücher von wirklich literarischem Wert, Bücher, die sich in empörender Naivität nicht den Forderungen der Industrie anpassen, werden entweder mitgroßem Leidwesen" abgelehnt, oder geraten in die Hände machtloser kleiner Verleger. Denn, können diese mit einer Bezahlung von 2, 3 M. pro Zeile konkurrieren? Und können sie anarbeiten gegen Ullsteinsche Preise von einer Mark(Elegant gebunden!) für im ganzen genommen Bücher sechsten Ranges, die innerhalb Jahresfrist wieder vergessen sind, und die dem deut- scheu Volk nur durch ihren Warenhauspreis einen Geschmack auf- drängen, der nicht dem Geist und den Wünschen des deutschen Volles entpricht! Und das Theater? Aber darüber ein andereSmal. Heinz Sperber. kleines feuiUeton. Der regeureiche August. Die außerordentliche Unbeständigkeit, die die Witterung trotz ihres hochsommerlichen Charakters seit Be- ginn dieses Monats aufweist, äußert sich in manchen LandcZteilen durch ganz ungewöhnlich große Niederschlagsmengen. Besonders das mittlere Norddeutschland ist von gewaltigen Wolkenbrüchen heim- gesucht worden. In Berlin sind während der ersten vier Tage des Monats nicht weniger als 121 Millimeter Regen ge» fallen; weitere Gewittergüsse am 6. August haben diese enorme Regenmenge abermals vermehrt. Abgesehen von einem großen Wolkenbruch, der am 14. April 1002 zn Berlin in wenigen Stunden die riesenhafte Menge von 166 Millimeter Regen lieferte, sind fast auf den Tag fünfzig Jahre vergangen, seit innerhalb ganz kurzer Zeit in Berlin so große Wasscrmasscn niedergegangen sind. Damals, am 30. und LI. Juli 1860 fielen während eineS zweiundvierzigstündigen Landregens 108,8 Millimeter Regen. Der August ist in der Reichshauptstadt jetzt schon regenreicher als der nasse Mai 1908; fährt er sofort, so wird er womöglich dem Juli 1007 gleich kommen, der 230 Millimeter Regen lieferte. Uebrigens er- streckt sich die Rcgenzone über einen großen Teil deS Gebiets zwischen der mittleren Elbe und Oder; weit südlich und südöstlich von Berlin , z. B. im Spreewald, sind gleich große Wasser» massen niedergegangen.