irgend einer Partei für ihre Leistungen in dieser an frucht- baren Arbeiten so armen Legislaturperiode Ehre gebührt, so ist es die Partei- der irischen Nationalisten unter der Führung Redmonds. Der unerwartete Tod des Königs Eduard machte den Aus- sichten auf einen nahen Zusammenstoß zwischen der liberalen Regierung und den Lords ein Ende. Die von konservativer Seite angesagte Konferenz zwischen den Führern der beiden um die Ministersessel streitenden Parteien war den Regierungs- männern, die sich ihrer Schwäche, die von der Uneinigkeit zwischen den verschiedenen Teilen dör liberalen Partei her- rührt, Wohl bewußt sind, keineswegs unangenehm. Die konservativen Tarifreformer hofften, daß die Ausschaltung der unangenehmen Verfassungsfrage ihren Agitatoren freie Bahn schaffen würde. Für die Liberalen wiederum war diese Verzögerungspolitjk eine Rückkehr in ein Milieu, in dem diese programmlose Partei am besten gedeiht. Man sieht aus der Erklärung, die Herr Asquith vor kurzem im Unterhause abgab ünd in der er uns zu verstehen' gab, daß die Regierung keineswegs bereit sei, die Verhandlungen niit der Opposition schon jetzt abzubrechen, daß den Ministern das untätige Schlaraffenleben sehr gut gefällt. Uebrigens kann man aus dem höchst sorgfältigst abgefaßten Schriftstück auch herauslesen, daß sich die Regierung den Weg nach beiden Seiten offen lassen will? sie gibt den Linkslibcralen zu ver- stehen, daß die Konferenz im Grunde genommen nur eine un- Vcrmeidliche politische Komödie war, der man, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen, ein Ende bereiten werde, und den Whigs und Konservativen versichert sie, daß eine Ver- ständigung nicht ausgeschlossen sei und daß man eine die konservativen Elemente befriedigende Mittellinie finden »verde. Indem die Regierung in dieser Weise verständnisvoll bald mit dem linken, bald mit dem rechten Auge zwinkert, befriedigt sie beide Parteien; denn jede denkt, die andere werde hineingelegt werden. Indessen kann man schon heute ziemlich deutlich wahr- nehmen, wohin der Wind weht. Seit den letzten Wahlen ist ein bemerkenswerter wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen, wenn man den offiziellen Ziffern über die Ein- und Ausfuhr Glauben schenken will. Wir scheinen wieder einer jener kurzen Prosperitätsperioden entgegenzugehen, die die arbeitende Klasse ein wenig für die bittere Not der langen Depression ent- schädigt. Diese Erscheinung ivird nicht verfehlen, auf die Ent- Wickelung der politischen Verhältnisse Englands einen ausschlag- gebenden Einfluß auszuüben. Lcben doch die Tarifreformer gerade- zu von dem wirtschaftlichen Niedergang. Zu solchen Zeiten lieben sie es, die Not der arbeitenden Klasse Großbritanniens dem vermeintlichen Wohlstand der arbeitenden Klasse anderer und zwar schutzzöllnerischer Länder gegenüberzustellen, von deren wirklichen Lebensbedingungen der Insulaner, der bisher mit schlecht verhüllter Verachtung auf die Kontinentalen herabsah, keine Ahnung hat. Die gute Konjunktur bedeutet daher für die Tarifreformer ein arges Mißgeschick. Dazu konimen noch mancherlei andere Umstände, die den konservativen Agitatoren das Leben sauer machen. Die Volksbewegung in Amerika und nanientlich in Deutschland gegen die unersättlichen Kraut- und Schlotjunker fängt an, auch im britischen Volke aufmerksame Zuschauer zu finden, denen die Wunderkraft des schutzzöllnerischen Allheilmittels ver- dächtig zu werden beginnt. Ein neuer schwerer Schicksals- schlag traf die Tarifreformer vor einigen Tagen, als sich Kanada , die„weiße Dame des Nordens", die schönste Tochter der britischen Mutter, die das Mutterland Wirtschaft- lich an sich ketten müsse, um die Einheit des britischen Welt- retchs zu bewahren, aus dem Munde seines Premierministers sich für den Freihandel erklärte. Die Farmer des sich mit großer Schnelligkeit bevölkernden Westens, lehnen sich dagegen auf. von den mit hohen Schutzzöllen aufgepäppelten In- dustriellen ausbeuten zu lassen und haben erklärt, daß sie kein Interesse daran hätten, den Arbeitern Großbritanniens das Brot zu verteuern. Mag auch Sir Wilfrid Laurier nur ein Freihändler im Sinne der Pickwickier sein, die rasch zunehmende politische Macht des Westens wird ihn bald zu seiner alten Liebe zurückführen. Aus all' diesen Indizien kann man schließen, daß die Tarifreformbewegung in Großbritannien sich nicht, wie manche glauben, unaufhörlich weiter entwickeln wird. sondern vor dem Niedergange steht, wenn dieser nicht gar " schon eingetreten ist. Die liberale Regierung verfolgt deshalb keine un- intelligente Politik, wenn sie ruhig sitzen bleibt und die Dinge sich entwickeln läßt. Was sie gegen Mitte des Monats November, wenn daS Parlament wieder zusammentritt, zu tun gedenkt, weiß sie jedenfalls selbst noch nicht. Der Kampf gegen die. Lords, mit dem sie höchst- wahrscheinlich wieder aufwarten wird, ist ein ausgespielter Trumpf; nur die Linksliberalen. denen die ungleich- artige Zusammensetzung ihrer Partei und der daraus resultierende Mangel an Schlagkraft noch nicht zum Bewußtsein gekommen ist, hoffen noch auf einen Vernichtungs- krieg gegen die Lords. Bei der Arbeiterpartei erweckt dieser Schlachtruf kaum noch ein Echo. Gelingt es den sozialistischen Parteien Englands, bis zum Herbst die angebahnten Einigungsversuche zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen und mit vereinten Kräften die Politik und Haltung der Arbeiterpartei zu beeinflussen, so dürfte sich das Resultat der Wahlkampagne, deren Anfang um diese Zeit zu erwarten tft, für das englische Proletariat keineswegs ungünstig ge- stalten. Den Liberalen dürfte es alsdann schiverlich gelingen, das Volk wiederum mit verlockenden und unwirklichen Ver- fassungsfragen auf die falsche Fährte zu locken. politische Gebcrficbt. Berlin , den 8. August 1910. S entrumsgrunds ätze. Gas Zeittom hält, wie erst kürzlich wieder von seinen Blättern aus Anlaß des Martin Spahnschen Artikels im „Hochland " persichert wurde, unentwegt an seiner alten tradi- titnellen Forderung der Uebertragung des Reichstagswahl - «rechts auf Preußen fest. Wie es mit dieser Unentwegtheit bestellt ist, zeigen folgende Aeußerungen der„Germania " zu sdem kürzlich von uns wiedergegebenen Artikel des Professors jSchmoller: „Wir sind selbstverständlich ganz damit einverstanden, daß die Negieung eine neue(und'bessere) Wahlvorlage einbringe. Wir stimmen Herrn Schmoller auch darin zu, daß es bester und• klüger sei, ein notwendiges Zugeständnis rechtzeitig zu machen, als sie sich unter revolutionärer Erschütterung des �Staatswesens abzwingen zu lasten. Die grundsätzliche Korberung des Zentrums ist bekannt. Wenn eS sich in der verflossenen.Session vorläufig mit wenigem zufrieden geben wollte, so geschah es in der Ueberzeugung, daß mehr zurzeit nicht zu erlangen sei. Will Herr v. Bethmann Hollweg seinen früheren Entwurf in dem Maße preisgeben, daß er, der Forde- rung Schmollers entsprechend, die direkte und geheime Wahl bewilligt, so ist es uns gewiß auch recht. Zu be- denken ist aie't auch, daß der Staat nicht allein dadurch erschüttert werden kann, daß der Ach er on sich in Bewegung setzt. Wir möchten em Wahlrecht, das begründete und zeitgemäße Ansprüche der„Demo- kratie " befriedigt, ohne den Konservativen gewaltsam auf- gezwungen werden zu müssen." Diese Definition des unfreiwilligen Zentrumswitzblattes ist köstlich. Also grundsätzlich ist zwar das Zentrum für ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht für Preußen und hält mit Gottvertraueu und Ueberzeugung an dieser Forderung fest; aber Bedingung ist, daß die Konser- vativen sich auch zu dieser Forderung bekehren. Und da sie das nicht tun werden, so läßt trotz aller heiligen Grundsätze das Zentrum die Wörtchsn allgemein, gleich, direkt und geheim fallen und entscheidet sich, wenn es sein muß, für das ungleiche, indirekte und öffentliche Dreiklassenwahlrecht! Verlogenheit, dein Name ist Zentrum. Schutzzöllncr-Logik. Die industriellen Hochschutzzöllner sind eine höchst seltene Menschenspezies. Sie verlangen von ihren verschiedenen Vaterländern, daß sie ihre Produktion auf dem Inlandsmarkt schützen, das heißt durch höhe Schutzzölle die ausländische Konkurrenz möglichst ausschließen; verfährt aber ein anderer Staat ebenso und schneidet ihnen dadurch die Ausfuhr nach seinen Märkten ab, so schreien sie über Beeinträchtigung des Handels und fordern von ihrer Regierung ein energisches Einschreiten, nötigenfalls mit Waffengewalt. Dieselbe Schutz- Zollpolitik, die sie, wenn der eigene Staat sie befolgt, als große nationale Tat preisen, ist dann, wenn ein anderer Staat sie gegen ihren Export anwendet, eine Gemeinheit. Ein Beispiel für diese kuriose, durch das einseitigste Selbstinteresse diktierte Auffassung liefort aufs neue der schutzzöllnerische Zentralverbvnd deutscher Industrieller. Be- kanntlich ist Schweden dem Vorgehen des Deutschen Reichs gefolgt und hat ebenfalls seine Zollsätze hinaufgesetzt, beson- ders auf Jndustrieartikel. Dadurch ist der Abschluß emes neuen deutsch -schwedischen Handelsvertrages sehr erschwert, denn für eine ganze Reihe von Waren, die bisher ans Deutsch - land in Schweden eingeführt wurden, hat sich der Zollsatz nicht unbeträchtlich erhöht. Das hat den Zentralverband deutscher Industrieller bewogen, unter Bezugnahme aus frühere Eingaben sich nochmals an den Reichskanzler zu wenden und ihn aufzufordern, bei den Abschlußverhandlrmgen über einen neuen Handelsvertrag mit Schweden dahin zu wirken, daß die Sätze des schwedischen Zolltarifs dermaßen herabgesetzt werden, daß die deutschen Industriewaren, Haupt- schlich die Tertilfabrikate, nicht von der Konkurrenz ans den schwedischen Märkten ausgeschlossen werden. Ueber dieses Vorgehen berichtet der Zentralverband deutscher Industrieller selbst in einem Schreiben an die „Rhein.-Westf. Ztg.": „Er(der Zentralverband) hat zunächst den Nachweis ge- führt, daß schon in dem jetzt geltenden schwedischen Zolltarif für eine große Reihe von Positionen Zollsätze bis zu IS, 20, 30, S0 und 00 Proz. vom Wert der Waren vorhanden sind. Es wurden genaue Berechnungen für die hier zur Ausfuhr nach Schweden in Betracht kommenden Warengattungen dem Herrn Reichskanzler unterbreitet. Ferner wies der Zentralverband Deutscher Industrieller nach, daß der neue schwedische Zolltarif nicht nur Zollsätze enthält, die einem Wertzoll von IS, beziehungs- weise 20 Proz. entsprechen, sondern auch solche, die 40, S0, 60. 7S, 100 und mehr Prozent vom Wert darstellen. Es wurden dem Herrn Reichskanzler für die einzelnen Positionen und Warengruppen zahlenmäßige Ermittelungen vorgelegt. Außer den durch Beispiele nachgewiesenen hohen Zollsätzen, die in dem neuen schwedischen Zolltarif enthalten sind, wurde vom Zentralverband weiter dargelegt, daß für eine große Reihe von Positionen, die in dem bisherigen Zolltarif zollfrei belassen wurden, in dem neuen Tarif an Stelle der Zollfreiheit mehr oder weniger hohe Zollsätze eingeführt sind. Wie übertrieben hoch aber der Zollschutz in dem neuen schwedischen Zolltarif durchgeführt sei, dafür wurde auf folgende Bestimmung in der Tarifnummer 440 hingewiesen: „Für Gewebe mit eingewebtem Namen, Monogrammen, Buchstaben oder Ziffern erhöht sich der Zollsatz um 20 Proz. über den sonst für das Gewebe geltenden." Eine derartig ungerechtfertigte Bestimmung findet sich bisher in keinem Zolltarif der Aselt. Der Zentralverband hat dem Herrn Reichskanzler den Nachweis erbracht, daß der neue schwedische Zolltarif nicht einen Durchschnittssatz von 10 oder von IS Proz. des Wertes darstellt, sondern einen viel höheren Durchschnittswert der Waren re- präsentiert. Der' Zentralverbanö richte! an den Herrn Reichskanzler die Bitte, bei dem Abschluß des neuen Handelsvertrages dahin zu wirken, daß für eine große Reihe von Tarifnummern deS schwedischen Zolltarifes die Zollsätze weiter als bis zu 10 Proz. des Wertes der betreffenden Waren ermäßigt würden, um eine Ausfuhr aus Deutschland nach Schweden auch für die Zukunft zu ermöglichen. Es wurde dabei befürwortet, zum Vergleich mit den schwedischen Zollsätzen die Zölle des deutschen autonomen und Vertragstarifs heranzuziehen, die einem Wertzoll von Proz. bezw. einem noch geringeren Wertzoll entsprechen. Weiter wurde der Herr Reichskanzler gebeten, in dem neuen Handesvertrag zu vereinbaren, daß für diejenigen Positionen de? neuen schwedischen Zolltarifs� die bisher zollfrei belassen würden, auch wieder die Zollfreiheit zugestanden werde." Die industriellen Zentralverhändler sind recht sonderbare Käuze. Während sie bei den Zollkämpfen des Jahres 1902 Zölle forderten, die die ausländische Konkurrenz vom beut- schen Inlandsmarkt vertrieben, verlangen sie jetzt von Schweden , daß die deutschen Industriewaren, die bisher zoll- frei in Schweden eingingen, auch künftig keinen Zoll tragen. Reisepolitik. Der preußische oder, wie er von-der rohalistische« Presse ge« wohnlich genannt wird, der deutsche Kronprinz scheint sich das Signal der Huppen deS kaiserlichen Automobils, das der Berliner Volkswitz bekanntlich in die Worte übersetzt hat: Taril Tara! Bald hier, bald da! zur Richtschnur nehmen zu wollen, denn er wird demnächst wieder eine große Reise antreten, und zwar, wie offiziell verkündet wird. eine„Studien» und JnforMtiouSreise" nach Ostosie» unter Berührung von JndiW.-' Einige der konservativen Blätter sind über dieses dem teuren Vaterland vom Kronprinzen gebrachte Opfer ganz aus dem Häus- chen und schwelgen bereits in der Ausmalung all der riesigen poli- tischen Vorteile, die diese Reise Teutschland angeblich bescheeren wird. So schreibt die Post: „Diese amtlichen Quellen entstammende Nachricht, die sicher- lich von allen Vaterlandsfreunden mit großer Genugtuung be- grüßt werden wird, spricht zwar nur von einer Studien- und Informationsreise, aber wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir ihr eine hervorragende politische Bedeutung bei- legen. Wie die Reise des Prinzen Heinrich nach den Vereinigten Staaten förderlich für die guten deutsch-amerikanischen Be- Ziehungen gewesen ist, so wird sicherlich die Anwesenheit des beut- • schert Kronprinzen in Peking und Tokio die dortigen führenden Kreise neuerdings davon überzeugen, welch bedeutender und un- eigennütziger Freund Deutschland für sie bedeutet und noch mehr in kommenden Tagen bedeuten wird.... Wenn der Kronprinz mit seiner Reise dem Beispiele folgt, das der Zar als Großfürst-Thronfolger und der König von Eng- land als Prinz von Wales gegeben haben, so wollen wir nur wünschen, daß er trotz aller„höfischen Schranken" doch Gelegenheit findet, um aus eigener Anschauung heraus zu selb- ständigen Urteilen über die fremden Länder zu gelangem Und vielleicht wird auch nach Vollendung dieser ersten Weltreise eine neue ins Auge gefaßt: Ein Besuch der deutschen Kalo» nien! Davon würde sicherlich das gesamte deutsche Volk mit besonderer Freude Kenntnis nehmen." Hurra! Hurra! Hurra!_ Die Fleischteuerung. Trotz der schon sehr erheblichen Fleischteuerung ist in den letzten Tagen von zirka 40 Fleischerinnungen beschloffen worden. die Fleischpreise noch weiter zu erhöhen. Diese permanente Preissteigerung des Fleisches wird jetzt selbst bürgerlichen Kreisen zuviel. Die„Tägliche Rundschau" fürchtet, daß die Fleischteuerung, die die Gemüter ohnehin schon zu lange beunruhigt habe, dazu beitragen werde, die radikalen Strömungen im politischen Leben zu starkem Das Blatt fordert deshalb Erleichterung der Vieh- einfuhr: „Man braucht nicht ohne weiteres in die Forderung emzu- stimmen:„Die Grenzen auf!" Denn neben den Interessen der Konsumenten verlangen auch diejenigen der Produzenten die gebührende Beachtung. Aber unter voller Wahrung des Grund- satzes. daß der Schutz der heimischen Viehzucht vornehmstes Gesetz bleiben muß, sollte dafür gesorgt werden, daß eine, wenn auch nur vorübergehendeVerstärkungderFleisch. einfuhr ermöglicht wird. Man braucht lediglich an einigen Grenzstationen Schlachthäuser, die unter strenger staatlicher Aufficht stehen, zu errichten, um gegen das Schreckgespenst der Seuchengefahr ausreichende Bürgschaften zu bietem" Gegen den agrarischen Boykott. Der Hansabund hat gegen den Gemeindevorsteher bdn Niedermockstadt in seiner Eigenschaft als Vertrauensmann des Bundes der Landwirte die Einleitung des Disziplinar- Verfahrens bei seiner vorgesetzten Behörde beantragt, weil dieser Gemeindevorsteher aus Anlaß der Reichstagswahl in Fried» berg-Büdingen über die Nicdermockstädter Geschäftsleute, die in der Stichwahl sozialdemokratisch gewählt haben sollen, den Boykott verhängte. Die Geltendmachung privatrechtlicher Schaden» ersatzansprüche behielt sich der Hansabund vor. Der ehemalige Zenttnmsabgeordnete Fusangel ist am Sonntag in H a g e n i. W. an einer Lungenentzündung gestorben. Er ist ö8-Jahre alt geworden. Fusangel vertrat den Wahlkreis Arnsberg-Olpe-Meschede von 1833— 1907 und gehörte zu Anfang der Zentrumsfraktion an. Er geriet dann mit der offiziellen Zentrumsleitung in Differenzen und eS wurde ihm 1907 ein anderer Zentrumskandidat offiziell entgegengestellt, der Arbeitersekretär Becker, der auch mit 14 000 gegen die 9000 Fusangelschen Stimmen gewählt wurde. 1893 gründete FuSangel in Hagen ein eigenes Blatt, die„Westdeutsche Volkszeitung", in der er auch den Kampf gegen die offizielle ZentrumÄestung führte. Spanien . Zum Verständnis der Krise. Der spanische Genosse Fabra Ribas gibt in der Pariser „Hümanite" eine Darstellung der neueren EntWickelung Spaniens , der wir folgende lehrreiche Ausführungen entnehmen: Die gegenwärtigen Ereignisse sind nur äußere Kundgebungen einer langen, langsamen, peinvollen EntWickelung, die das spanische Volk jetzt durchzumachen beginnt. Mit den Flotten,, die vor 12 Jahren im amerikanischen Kriege untergingen, versank auch das alte Spanien der Ueberlieferung und der Cliquenherrschaft. um dem demokratischen und fortschrittlichen Spanien von morgen Platz zu machen. Seit der Entdeckung Amerikas am Ende des IS. Jahr» Hunderts bildete das militärische, daS geistliche und das Beamten» element eine einzige Macht oer Unterdrückung. Der Soldat er- oberte neue Länder. Der Priester ging daran, sie„für den Himmel zu retten", der Beamte, sie zu„zivilisieren". Man verbreitete in den Kolonien Religion und Kultur der Heimat und verschloß eifersüchtig die Grenzen bor den geistigen Bewegungen Europas . den Stürmen der Reformation, der Aufklärung, der französischen Revolution. Der religiöse Fanatismus und der Nationalstolz wurden auf die Spitze getrieben; die katholische Religion mit ihrer mittelalterlichen Philosophie war die Leuchte der ganzen Welt, und die Tapferkeit des spanischen Soldaten trug die Fahne von Kastilien über alle Länder. Diese ganze goldene Legende zerfiel plötzlich und für immer. als das Geschwader Ccrveras versenkt wurde, ohne sich nur ver- teidigen zu können, Santiago de Euba ohne Widerstand den Amerikanern überliefert und der Admiral Montojo das Gespött seiner Angreifer auf der Reede von Cavita wurde. Der furchtbare Schlag erschütterte den Einfluß der Diener des Herrn, zerstörte den Ruhm des Heeres und das Vertrauen zu den Herrschern de? Landes. Aber die herrschende Kaste wollte diese Wandlung nicht begreifen. Als es nach dem Verlust der letzten Kolonien galt, sich ernsthaft mit den Fragen des Heimatlandes zu befassen, hatte man ein leitendes Element, verrufen, unfähig und Freiveuter roher Art— auf der anderen Seite ein vielgeprüftes Volk, ohne jedes Vertrauen und entschlossen, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Begreift man nun, warum sich eines Tags die„katalonifche Solidarität" bildete, die Verbindung sämtlicher Parteien Kataloniens , um der Madrider Oligarchie die Herrschast streitig zu machen? Warum dieses Volk, das sich sonst ohne Murren in die Schlachthöfe Afrikas und der Kolonien hatte schleppen lassen, sich jetzt weigerte zu marschieren, die Flinten wegwarf, auf die Straße stieg und die Klöster in Barcelona und ganz Katalonien verbrannte? Manra aber und die Generale suchten hartnäckig die Ver- gangenheit durch die Diktatur aufrechtzuerhalten. Und die Kapita- listen in BiSeaha erklären im 20. Jahrhundert gegenüber dem so wohlbegründeten und würdigen Streikder Bergleute von Bilbao , sie könnten keine Zugeständnisse machen, um nicht der Autorität der Arbeitgeber einen schweren Schlag zu versetzen. Und die Kirche droht mit dem Bürgerkrieg, sobald eine gesetzliche Regelung der Beziehungen zwischen der weltlichen Gewalt und dem Vatikan versucht wird. Canalejas hat so eine Fülle von Aufgaben vor sich, die eise rasche Lösiuig erheischen, gebsi und hinter sich aber aur eine
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