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vom Betrog zum lilord. Sitte Episode aus der Geschichte des amerika - nischen Zuckertrusts. New Dork, 31. Juli. (Eig. Wer.) Der Brooklhner Stadtteil Williamsburg hallte am letzten Donnerstag wider von Revolver- salven, die in frevlem Uebermute von den bewaffneten Söldlingen des Zuckertrusts gegen wehrlose und ruhige ausständige Arbeiter abgegeben wurden. Fünf Männer wälzten sich in ihrem Blute; einer von ihnen, Novakowsky, war bald darauf eine Leiche; außer dem zählt man Dutzende von minder schwer Verletzten. H. St. Morgan, Kassierer der an der Kent Ave. grlegencn Raffinerie des Zuckertrusts, der nach den übereinstimmenden Bekundungen mehrerer Zeugen den Mord an Novakowsky verübte, wurde ver- haftet, aber gegen 5000 Dollars Bürgschaft auf freien Fuß gesetzt; die SpezialPolizisten, welche gleichfalls auf die sich durch die Straßen bewegende Menge feuerten, blieben gänzlich unbehelligt. Sie können alsnützliche Elemente" weiterhin ungestört mit Knüppel und Revolver ihrer gemeingefährlichen, verbrecherischen Tätigkeit nachgehen. Drei Wochen ruht der Betrieb der Williamsburgcr Zucker- raffinerie, ein Werkführer trieb die Anmaßung so weit, einen Ar- beiter zu schlagen. Zwei Kollegen des Mißhandelten suchten diesen vor der Wut des rohen Burschen zu schützen. Zur Strafe wurden sie gleich dem Geprügelten wegenWidersetzlichkeit" entlassen. Glaubte der Trust doch, wie früher nach Belieben mit den mise- rabel entlohnten und daher minder widerstandsfähigen Arbeitern unspringen zu können! Aber seit dem letzten Frühjahre sind die Zuckerhausarbeiter organisiert und nicht mehr die wehrlosen Ob- jekte bubenhaften Uebermuts. Sie verlangten die Wiedereinstellung der drei Gemaßregelten und die Entlassung des schuldigen Werk- führerS, auf dessen Seite sich die Raffinerieverwaltung stellte. Die Arbeitseinstellung war die Folge. Acht Tage hatte sie gedauert, als die Fuhrleute, welche den Zucker von der Raffinerie nach dem nahe gelegenen Frachtbahnhofe fahren, in den Sympathiestreik eintraten. Letzten Donnerstag wurde die Beförderung des noch vorrätigen Zuckers nach der Dahn wieder aufgenommen. Die fast alle in der Nähe der Raffinerie wohnhaften Ausständigen, über 2000 an der Zahl, belebten die Straßen. Sie ließen die von Spezialpvlizisten bewachten schwerbeladenen, von Streikbrechern gelenkten Wagen der Raffinerie unbelästigt ihres Weges ziehen. Ein Junge streckte die Zunge gegen einen der SpezialPolizisten heraus. Dieser schlug mit seinem schweren Knüppel unbarmherzig auf den Knaben ein. Das war für die auf einer die Kent Ave. überspannenden, zwei Gebäude der Raffinerie mit einander verbindenden Brücke stehen- den, also sicherlich in keiner Weise bedrohten SpezialPolizisten und Beamten des Zuckertrusts das Signal, unter die Ausständigen zu feuern. Morgan verübte dabei den Mord an Novakowsky. So der Tatbestand nach dem gewiß unberdächtigen Zeugnis städtischer Polizisten, die von jeher dazu verwendet werden, Aus- ständige und Streikposten niederzuknüppeln; die daher von vorn- herein geneigt sind, durch ihre Darstellung feiernde Arbeiter ins Unrecht zu versetzen. Erblicken doch Polizei und Polizeirichter, wie sich aus Dutzenden amtlicher Aeußerungen nachweisen läßt, im Widerspruch zu den Bestimmungen des Gesetzes im Ausstand und Streikpostenstehen an und für sich eine Straftat. Mit welchen Elementen hat man es in den SpezialPolizisten zu tun? Was für eine Gesellschaft ist die als Zuckertrust bekannte American Sugar Refining Co.? Wie der Geier beim Aas. so findet sich überall, wo Lohn- kämpfe ausgefochten werden, Gesindel ein, das als berufsmäßige Streikbrecher ein halbmüßiges Dasein führen will. Von diesen Slbschaum werden besonders arbeitsscheue Subjekte, welche zudem vor keinem Verbrechen zurückschrecken, von den Unternehmern unter Zustimmung der Behörden mit Knüppel und Revolver bewaffnet, mit dem Schutze der anderen Streikbrecher und derAufrecht- erhaltung der Ordnung in und bei den Fabriken" beauftragt und SpezialPolizisten" genannt. Sie wissen, daß sie in Ausübung ihres sauberen Berufes ungestraft morden können; und sie tun es, sofern sich der erwünschte Borwand bietet, unbedenklich, wie die Erfahrung hundertfach lehrt. Der Zuckertrust ist seiner SpezialPolizisten und seiner Be- amten würdig. JameS F. Bendcrnagel, Morgans Vorgänger, ist wegen fortgesetzten Betruges und wegen Verschwörung zu betrüge- rischen Zwecken zu Arbeitshaus verurteilt. Dasselbe Schicksal traf eine Reihe anderer Beamten, darunter auch Charles H. Heike, den Sekretär und Schahmeister, also eine der leitenden Persönlichkeiten der American Sugar Refining Co. Die Verbrechen, derentwegen die Verurteilungen erfolgten, wurden im Interesse und mit Wissen der eigentlichen Magnaten des Trusts begangen. Die Wagen, aus welchen der importierte Rohzucker am Pier der Williamsburger Raffinerie gewogen wird, wurden seit ändert- hälb Jahrzehnten mit Federn und anderen betrügerischen Vor- richtungen versehen und das der Verzollung zu Grunde gelegte Gewicht zum Nachteil der Bundeskasse zu niedrig ermittelt. Nach gerichtlichen Feststellungen wurden die Vereinigten Staaten nahezu um zwei Millionen Dollars betrogen; in Wirklichkeit dürste eS sich um eine noch viel größere Summe handeln. Hat der Zuckertrust jahrelang mit Vorbedacht gestohlen, so ist sein Schuldkonto seit Donnerstag auch mit einem in aller Oeffent- lichkeit verübten Mord, mit einem am hellen Tage in den Straßen Brooklyns angerichteten Blutbad belastet. An schleichenden, aus reinem Dividendenhunger begangenen Arbeitermorden hat er außer. dem sein vollgerüttelt Maß verübt. Kein anderer Trust verdankt sein Wachstum und seine Blüte in höherem Grade dem Schutzzoll, der, wie seine Befürworter im Kongreß geltend machten, den Unter- nehmern die Mittel zur besseren Bezahlung ihrer Arbeiter ge- währen sollte. Und doch werden selbst in dem ob feiner Lohnver- Hältnisse berüchtigten Pittsburger Bergbaudistrikt keine elenderen Löhne bezahlt als von dem Zuckertrust, dessen Lohnsklavcn bei einer unerträglichen Hitze schuften müssen und langsam aber rettungö- loS dahinsiechen. Wie anderwärts läßt sich auch in den Vereingten Staaten die Beobachtung machen, daß gerade diejenigen Kreise, welche auf Kosten der Gesamtheit gemästet werden, sich am frechsten über die Gebote-der Menschlichkeit und die Gesetze hinwegsetzen. Für den grenzenlosen Uebermut der Zuckermagnaten trifft die Bundes- regierung direkt einen guten Teil der Schuld. Hat sie doch den Beamten Parr , der zuerst die Betrügereien der American Sugar Refining Co. feststellte, zur Strafe von Brooklyn entfernt, die Zoll- Hinterziehungen zunächst ungeahndet gelassen und damit die Have- meher, Heike und Bendernagel in dem Glauben bestärkt, daß sie für die Gerichte tabu sind. politifcbe(leberllcbt. Berlin , den 11. August 1910. Tie katholische �achbereinsb�vcgu�utttcr dem Einstuft Die angeblich interkonfessionellen, tatsächlich aber katho- lischen«christlichen« Gewerkschaften Westdeutschlands werden bekanntlich von den Leitern der katholischen Fach vereine, der sogenannten Berlin -Trierer Richtung, aufs schärfste befehdet, da nach deren Ansicht der katholische Charakter der christlichen Gewerkschaften nicht scharf genug hervortritt und die Zulassung protestantischer Arbeiter zu diesen Verbänden das Seelenheil der katholischen Gewerkschaftler aufs äußerste gefährdet. Natürlich schweigen die Verteidiger der christlichen Gewerkschaftsorganisationen und zu diesen gehören neben derKölnischen Volkszeitung" fast alle kleri kalen Blätter des Rhcinlandes mit Ausnahme der Mosel - gegend nicht zu diesen Angriffen, wenn sie sich auch meist in der Defensive halten, da sie recht wohl wissen, daß fast der gesamte Episkopat Deutschlands auf der Seite der katholischen Fachvereinler steht und nur widerwillig die christ- lichen Gewerkschaften duldet. So'entspinnt sich denn manchmal ein recht niedlicher Kampf zwischen beiden Richtungen, in dessen Verlauf sie sich gegenseitig die schönsten Sottisen sagen und allerlei pikante Einzelheiten aus der hinter den Kulissen betriebenen ultramontanen Mache auskramen. Beispielsweise schreibt in seiner letzten Mittwochsnummer der AachenerVolksfreund«, ein Blatt, das im Fahrwasser der Köln . Volksztg." segelt, aber dieses an innerer demagogischer Verlogenheit noch um einige Nasenlängen übertrifft: Die guten Absichten der Herren von Berlin -Trier in Ehren sehen sie denn nicht, wie die Erfahrung der Geschichte sie laut und eindringlich auf andere Wege weist? Sehen sie denn nicht, wie sie selbst Schritt für Schritt ack absurclum geführt werden? Sehen sie nicht ein, wie vor den Pfaden, die sie wandeln, die vernehmbar warnende Inschrift steht: Vostigia terront! Sie sind doch Männer, welche die Ereignisse des Tages mit offenen Augen verfolgen; dann ist es auch ihre Pflicht, die Lehren zu ziehen. Sie müssen als erfahrene Männer aber auch Manns genug sein, um sich frei zu halten von weltfremden Einflüssen kurzsichtiger Weiblichkeit, die s i ch, zumal wenn sie ein Ordenskleid trägt, andere Gebiete der Betätigung suchen möge als die Zerklüftung des k ath o lis ch en V o lks te ils und dessen Einflußlosigkeit im politischen, wirtschaftlichen und literarischen Leben. Als derVolksfreund" in dem ArtikelSchopen-Berlin- Trier" auf die geheimen Fäden und zugleich auf die große Gefahr hinwies, fand dieser Artikel die zustimmende Wiedergabe in der Köln . Volksztg." Nur glaubte das Blatt damals denVolks- freund" insofern belehren zu müssen, als es die Hauptstütze der gefährlichen Bewegung nach Berlin verlegte. Gewisse Ereignisse der jüngsten Zeit tchienen das auch zu bestätigen, als die Auslandspresse von Berlin aus mit Artikeln im SinneBerlin « Trier " reichlich versehen wird. Das ist indes wohl darauf zurückzuführen, daß ein führendes Mitglied dieser Richtung als geborener Luxemburger fremde Sprachen von Hause aus beherrscht und Beziehungen zur Sluslandspresse hat. Der Schwerpunkt der Be- wegung lie g t ab er s üd w e st w är ts. Kaplan Schapen und ein anderer im SinneBerlin-Trier" tätiger jüngerer Geistlicher arbeiten im Westfälischen, wenn auch ohne Erfolge. Dr. Kaufmann besorgt die Geschäfte in Köln . HassianuS sitzt in Mainz ; in Trier wissen die St. Josephsschwestern und der DaSbachsche Preßkonzern näheres zu berichten." Der Erguß ist recht interessant. Also die Leiter der katholischen Fach vereine stehen unter dem Einflußkurzsichtiger Weiblichkeit«, die ein Ordenskleid trägt, und in Trier spielen die frommenSt. Josephsschwestern« die Gön- nerinnen derFach Vereinsbewegung. Eine ganz allerliebste Enthüllung, die hier in seiner Wut das Aachener Blatt ausplaudert._ Augsburger Katholikentag. Das Augsburger Lokalkomitee für die b7. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands ladet zu dem vom 21. bis. August in Augsburg stattfindenden Katholikentag ein. In dem Auftuf heißt es: Ihr kennt selbst die Not der Zeit, die Bedürfnisse der Gegen- wart, die Bestrebungen der Gegner, den Kampf, der heutzutage auf allen Linien gegen das positive Christentum entbrannt ist. In diesem Kampfe steht nicht mehr Christ gegen Christ, sondern es stehen oder sollen stehen alle Christen vereint gegen den gemein- famen Feind, gegen den Unglauben und gegen das Freidenkertum, das nunmehr mit offenem Visier gegen Thron und Altar mobil macht. Enger Zusammenschluß aller treuen Christusbekenner, Erforschung der besten Abwehr- und Verteidigungsmiltel, Ausgleichung des doch nur vorgeblichen Gegensatzes zwischen Christentum und wahrer Kultur, Fortschrittsbestrebungen auf allen Gebieten der wahren Kunst und Wissenschaft, Stärkung der kirchlichen und staatlichen Autorität diese und manche andere einschlägige Frage soll be« raten, beschlossen und zur Durchführung vorbereuet werden." DaS Programm ist dasselbe der früheren Katholikentage. Die Hauptsache ist wieder das Eintrittsgeld.' Wer an allen Schau- stellungen teilnehmen will, hat 7,60 M. zu zahlen, und falls er«inen numerierten Platz wünscht. 11,60 M. Außerdem kostet die Karte zum Festmahl noch 4,60 M., Wein extra. Landtagsersatzwahl in Anrich. Bei der heutigen Landtagsersatzwahl im Wahlkreise I Nurich fProvinz Hannover ) wurden abgegeben für Oberbürgermeister Für- bringer(natl.) 147, für Schmidt(kons.) 143 Stimmen. Holländischer Protest gegen die Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein . DerNieuwe Rotterdamsche Courant« bespricht in einem Leitartikel die Frage der Rheinschiffahrtsabgaben und führt aus, daß die in Deutschland vom Bundesrat genehmigte und im Herbst im Reichstage einzubringende Vorlage über die Schiffahrtsabgaben für Holland unannehmbar sei. Eine Mitwirkung Hollands sei nur auf zweierlei Art denkbar: Es könnte dem neu zu errichtenden Rheinstromverband sich anschließen und als dessen Mitglied die nämliche Stimmen. zahl wie Preußen erhalten. Aber ein unabhängiger Staat könne einer Korporation nicht beitreten, die mit Stimmenmehrheit über seine Lebensinteressen entscheidet. Dabei könnten die Be- fugnisse des Rheinstromverbandes später erweitert werden und Holland könnte dadurch immerhin in eine unerwünschte politische Berührung mit deutschen Angelegenheiten kommen. Der zweite Fall wäre, daß Holland dem Verbände nicht bei- träte, aber das Minimum der Schiffahrtsabgaben bewillige und sich zu jedem Beschluß des Strombauverbanoes seine Zustimmung vorbehielte. Dann könnte aber jeder-Beschluß des Verbandes für Holland unwirksam gemacht werden, und damit wäre eine be- ständige Ursache für Scherereien zwischen dem Haag und Berlin gegeben. Jedesmal, wenn Holland einen Beschluß nicht bewilligte, und dies dürfte bei dem Jntercssenstreit öfter der Fall sein, würde auf Holland ein Druck ausgeübt werden und das Zu- ftandekommen anderer, mit den Schiffahrtsabgaben nicht zu- fammenhängenden Angelegenheiten von der Zustimmung zu den besagten Beschlüssen abhängig gemacht werden. Zwischen Holland und Deutschland wäre somit dauernd ein Stein des Anstoßes errichtet worden. Darum lehne Holland lieber jetzt den deutsche«.Antrag ab, damit sich nicht ständig Unannehmlichkeiten ergeben. '" Nach Set Stellung des holländischen SldTJes ist RkzNkeWM, daß in diesem Artikel die Meinung führender politischer Kreffc Hollands zum Ausdruck kommt. Ein Reformer erster Güte. Der Kriegsminister v. Heeringen reformiert eifrigst, von seiner epochemachenden Reform des Ehrengerichtsverfahrens gegen ver- abschiedete Offiziere haben wir bereits mit gebührender Ehrfurcht Notiz genommen. Herr v. Hceringen scheint aber die Lorbeeren gleich massenhaft einsammeln zu wollen, denn er reformiert noch immer weiter. Heute sei folgendes Reförmchen registriert: Zu den Truppenteilen, die praktisch gar keinen Wert haben, ge- hört das reitende Feldjägerkorps. Diese Feldjäger rekrutieren sich aus den sogenannten besten Kreisen und ihre Aufgabe besteht darin, dem Auswärtigen Amt als Kuriere zu dienen. Ein oder zwei der Herren haben stets Dienstbereitschast, d. h. sie müssen gewärtig sein, jeden Moment nach dem Auswärtigen Amt gerufen und von diesem mit mehr oder weniger wichtigen Schriftstücken nach dem Ausland gesandt zu werden. Trotzdem wird diese Truppe, die mit der Armee wenigstens im Frieden in gar keiner Beziehung steht, auS dem Heereselat besoldet. Für diesenaufreibenden Dienst" hatten die Feldjäger bisher Anspruch darauf, daß jede siebente Oberförsterstelle, die in Preußen ftei wurde, von ihnen besetzt werden konnte. Das ist nun geändert worden. Die Feldjäger werden künftig mit Ablegung des Examens als Assessoren eingetragen und dann nach ihrem Assessorendienst zu Oberförstern zunächst ohne Revier ernannt. Der Reichstag hatte schon einmal die Ausgabe für dieses sehr überflüssige Korps abgelehnt, auf Drängen der Agrarier gelang es aber, die Wiederherstellung dieser Ausgabe im Plenum deS Reichs- tages bei der dritten Lesung durchzusetzen. Wir find gespannt darauf, wie die nächste große.Reform« deS Herrn v. Heeringen aussieht._ Geht Kraetke? Wie dieNational-Zeitung" erfahren haben will, trägt sich der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke mit der Absicht, in den Ruhestand zu treten. Vorher will er aber noch die neue Fernsprech- gebührenordnung im Reichstag zur Durchführung bringen. Herr Kraetke hat es verstanden, den Ruhm der Reiibspost nact, Möglichkeit zu vermindern. Weshalb er noch die Fernsprechgebührenordnung im Reichstage vertreten will, ist eigentlich nickt recht ersichtlich, da er doch schon Mißerfolge genug zu verzeichnen hat. Man sollte meinen, die heftigen Angriffe, die mehr als einmal im Reichstage gegen ihn gerichtet worden sind, müßten ihm gezeigt haben, daß man längst den Wunsch hat, einen tüchtigen Fachmann anstatt eines Bureaukraten an die Spitze des deutschen Postwesens zu wissen. Der Rücktritt deS Herrn Kraette ist schon öfter als bevorstehend angekündigt. Hoffentlich ist die Nachricht diesmal zutreffend. Ein konsequenter Jung liberaler. Der Borsitzende des Banner jungliberalen Vereins Stadt« verordneter Vesper, hat seinen Vorsitz niedergelegt und seinen AuS- tritt auS der nationalliberalen Parte» erklärt, um sich der Fortschritt« lichen Volkspartei anzuschließen. Ein Zentrumsführer, der sich drückt, ist immer schon Herr Justizrat Trimborn in Köln geivesem Nur selten hat er in den Parlamenten die städtischen Interessen so vertreten, wie er es nach seinen Reden im Nathause Hütte tun müssen. Sobald er in Berlin weilt, opfert er alle Bedenken den Fraktionsinteressen, verriet er seine Wähler an die Slgrarier. Im Herbst vorigen Jahres mußte, er sozusagen an den Haaren herbeigeschleift werden, damit er seinen Wählern über die neuen Steuern Bericht erstatte. Zuerst hatte er den von der parlamenta- rischen Arbeit erschöpften Mann gespielt, um sich vor der Per- antwortung zu drücken. Trotzdem konnte er die weite Reise von Köln nach Breslau zum Katholikentag machen, an dem er sich von Anfang bis Schluß beteiligte und wo er allgemein durch sprudelnde Heiterkeit auffiel. Ebenso beteiligte er sich an dem Eucharistischen Kongreß. Unterdes fabelte man den Kölner Zentrumsanhängern vor, ihr Slbgeordneter sei krank. Genau so treibt Herr Trimborn eS jetzt wieder. Am 5. April hatte die Kölner Zentrumspartei eine große Versammlung«in- berufen,um den Wählern Gelegenheit zu geben, sich über die schwebenden politischen Fragen zu unterrichten". Wer aber nicht dabei war, das war der Vertreter Kölns im Reichstage und im preußischen Landtage. Wie um die Wähler zu höhnen. hatte er ein Begrüßungstelegramm von einer Reise nach Jerusalem an die Kölner Versammlung gesandt. Der Vor» sitzende der Kölner Zentrumspartei, Dr. M e r te n S. verkündete zugleich mit der Begrüßung: Heur Timborn werde bald nach seiner Wiederkehr Gelegenheit nehmen, zu seinen Wählern zu sprechen." Und der Hauptredner der Versammlung. Reichstagtsabgeordnetcr Oberland- gerichtsrat Marx, versicherte ebenfalls, daß Herr Trimborni n der nächsten Zeit seinen Wählern Bericht erstatten". Zum Schluß sandte die dermaßen zuftiedengestcllte Versammlung auf Vorschlag des Abg. Marx ein Begrüßungstelegramm an Herrn Trimborn nach Jerusalem . Das ist vor vier Monaten gewesen. Seit Monaten ist Herr Trimborn zurück. Aber auf den' Bericht, auf die Rechtfertigung des Verhaltens seiner Partei und seiner Perfon, insbesondere in der Wahlrechtsfrage, warten die Kölner Zentrumswähler immer noch. Für a l l e s hat Herr Trimborn Zeit, für Kongresse der verschiedensten Art, für Vergnügungsreisen und ähnliche Dinge, aber um die Taten des Zentrums vor der Oeffentlichkeit zu ve» treten, dazu mangelt ihm Zeit und Mut. Bei der künstigen Reichstagswahl wird sich in Köln Gelegenheit bieten, das Gebaren des Zentrumsführers Karl Timborn ins rechte Licht zu setzen. Emgereinigter" Wnhlrechtsfeind. Das Schöffengericht in Posen verurteilte den Schriftführer des dortigen Sozialdemokratischen Wahlvereins, den Genoffen David, wegen Beleidigung des Oberbürgermeisters Dr. Wilms zu 30 Mark Geldstrafe. David hatte in einer frei- sinnigen Versammlung den Oberbürgermeister wegen seiner Aeuße- rungen über daS ReichStagSwahlrecht im preußischen Herrenhause angegriffen. Der Oberbürgermeister fühlte sich beleidigt und lief zum Kadi. Herr Dr. WilinS hat zwar den Mut. unter dem Schutze der Jnunuililät im Parlament gegen die Volksrechte zu weltern, aber für seine Taten sich vor dem Volk zu verantworten» daS will ihm nicht passen._ Oeflermd). Der erschossene Spitzel. AuS Krakau wird uns geschrieben: Der ermordete Spitzel Ryb ak hat nie in einer sozialistischen Organisation eine Rolle ge- spielt, fondern gehörte der nationaldemokratischen Arbeiter- Vereinigung an, die die erbittetste Gegnerin aller sozialistischen Parteien Polens ist. In dieser Arbeitervereinigung hat Rybak als eine Art polnischer Asew gewirkt. Er gehörte der Leitung der nationalen polnischen Arbeiter. Partei an und redigierte auch zwei periodifche Zeitschriften der Partei. Rybak stand erwiesenermaßen im Dienste der Ochrana. wofür er. wie derNaprzod" meldet, fünfhundert Rubel monatlich bezog. Vom Polnischen Volksverein in Krakau bezog Rybak einen Monatsgehalt von 80 Kronen. Der Attentäter Trubnowski war beim Verhör sehr gefaßt. Er gab an, in Warschau als der Sohn eines Schlossermeisters geboren zu sein und gegenwärtig jm 83. Lebensjahre zu stehen, Er