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It. 187. 27. Zahtgavs. filojf Ks Joniiiitto" 5nilaz> 12. ZsMß 1910. üuch ein Hrbeltswllliser.*) von Karl KautSky , I. 1. Parteidisziplin. Einer der beliebtesten Vorwürfe unserer Gegner ist der, daß die Sozialdemokratie nichtpositive" Arbeit leistet. Wie lächerlich dieser Vorwurf ist, wenn man unterpositiver" Arbeit die mora-- tische, intellektuelle und physische Hebung des Proletariats versteht, wurde schon oft genug nachgewiesen. Aber unsere Gegner ver» stehen etwas anderes unterpositiver" Arbeit. Wir haben in Deutschland kein parlamentarisches Regime. Die Regierungen werden nicht von der Mehrheit des Parlamentes eingesetzt, sondern vom Monarchen. Das Parlament zwingt der Negierung nicht die Gesetze auf, sondern es vereinbart sie mit ihr. Bestimmungen, die die Einzclregierung im Staate oder die vcr- bündeten Regierungen im Reiche ablehnen, werden nicht Gesetz, sebst wenn eine erdrückende Mehrheit für sie im Paulament vor« handen ist. Zu alledem kommen in den Einzelstaaten noch die Ersten Kammern. Vom Standpunkt der bürgerlichen Parteien scheint es da, als könne im Parlament positive Arbeit, das heiht die Schaffung von Gesetzen, nur geleistet werden im Einvernehmen mit den Regie- rungen.Positiv arbeiten", nennen sie mit der Regierung zu- sammen als Regierungspartei nicht als regierende Partei arbeiten, Selbst den so harmlosen und so sehr nach der Regie« cungsgunst lüsternen-Freisinnigen wird vorgeworfen, sie seien eine rein negierende Partei, wenn sie einmal nicht anders können, als Opposition zu machen, um sich nicht zu blamieren. Die Sozialdemokratie hat es bisher stets abgelehnt, in dieser Artpositive" Arbeit zu leisten. Sie fand stets, die wirksamste Methode, Reformen durchzusetzen soweit solche bei den gegebenen Machtverhältnisien überhaupt durchzusetzen sind, sei die. an die Massen zu appellieren, bei allgemeinein gleichem Wahlrecht an die Wähler, und durch die Furcht von diesen den Regierungs- Parteien und Regierungen so viele Konzessionen abzupressen als möglich. Jetzt haben sich aber Genossen gefunden, die die bürger- liche Argumentation annehmen, die der Partei vorwerfen ebenso wie es unsere Gegner tun. sie weigere sich, positive Arbeit zu leisten, und im Gegensatz zur großen Mehrheit der Partei ihre Bereitwilligkeit erklären, im Sinne der bürgerlichen Parteien und Regierungen positive Arbeit«ju leisten. Wie bei anderen Arbeitswilligen, so geht eS auch bei diesen positiv Arbeitswilligen ohne Disziplinbruch nicht ab. Die Badener Budgctbewilliger sind im Grunde nichts anderes als politische Streikbrecher Zur Rechtfertigung seiner Handlungsweise hat jetzt einer dieser Arbeitswilligen, Genosse Kolb, ein kleines Schriftchen heraus- gegeben unter dem Titel:Die Taktik der badi Aschen Sozialdemokratie und ihre Kritik"(Karlsruhe , Kuchdruckerei Geck, 40 Seiten). Er gibt zu, daß die badischen Budgetbewilliger einen Disziplin- bruch begangen haben, aber daran sei nur der Nürnberger Beschluß schuld, der ihnen Unmögliches zumute undden zulässigen Begriff der Disziplin überschreite"(S. 22). Er beruft sich auf David, der in Nürnberg erklärt hatte: »Die Disziplin kann nur bis zu der Grenze gehen, wo die Ueberzeugung anfängt, daß ein Beschluß der Sache schaden könnte. Wenn Sie etwas anderes konstruieren wollen, dann nennt man das nicht Disziplin, sondern Kadavergehorsam." DieS Wort gefällt Kolb so gut, daß er es fett drucken läßt und «och mehrmals wiederholt, wobei er hinzufügt: Niemals darf eine Partei den Disziplinbegriff so auf die Spitze treiben, daß dadurch einem großen Teil ihrer Anhänger das politische Rückgrat gebrochen und ihnen eine bewußte Heuche- sei zugemutet wird." Danach hört also die Disziplin dort auf. wo sie mit der Ueber- geugung in Widerspruch kommt. Haben unsere Disziplinbrecher überlegt, welche Konsequenzen dieser Grundsatz nach sich zöge? Nehmen wir an, in einem Industriezweig einer Stadt breche ein Streik aus. In einer Fabrik sind die Arbeiter der Ueber» zeuyung, der Streik sei unzweckmäßig, sie würden mehr erreichen, wenn sie sich mit ihrem Unternehmer auf guten Fuß stellten. Will #) AuS derNeuen Zeit" Nr. 45. kleines feuilleton. Reinhardt in München . Aus München wird uns geschrieven: ES ist für Max Reinhardt und seine Truppe in diesem Sommer schwerer wie in den beiden Borjahren innerhalb des Münchener Kunstsommers feine ihm gebührende Stellung zu erringen und zu behaupten. Denn die Konkurrenz auf allen Gebieten der Kunst ist 1S10 zu groß. ES ist erstaunlich, was sich da alles in den paar Sommermonaten zusammendrängt: eine Schumann-Gedenkfeier, die Richard- Strauß - Woche. Mozart- Festspiele im Residcnztheater, Wagner im Prinzregententheater . Sommergastspiele eines Ber - liner Ensembles im Lustspielhaus, Konrad Dreher im Neuen Unioulheater. Beethoven- Brückner- BrahmS- Zyklus, Lehär- Fall- Strauß als AuSstellungs- Walzerdirigenten, ein französt« scheS Musikfest, die Uraufführung der Mahlerfchen VHL. dazu Ober- ommergau, Parfefal-Luftfahrten, Sioux« und Negerkapellen: wo soll da schließlich das Interesse und die Konzentrationsfähigkeit der so überaus in Anspruch genommenen zahlungsfähigen Fremden her- kommen I? So erklärt sich auf die natürlichste Weise auch der mangel- baste Besuch der Reinhardtschen Bühneusestspiele im Müuchener Küustlertheater. Reinhardts Programm ist diesmal ein vor- wiegend klassisches. ES gab bisher Aufführungen deS .Kaufmann von Venedig", desSommernachtslraumS". deS Wiinermärchens", der Aristophanischen.Lysistrata" in GolinerS Bearbeitung, die Münchener Premiere von HoffmannSthalS Novität.CHristinaS Heimreise". Bevorstehen die beiden Faust" in Erters vielumstrittener Ausstattung.Minna von Barn- Helm".Hamlet ",Julius Cäsar ", dieOrestie" und als dekorativer Clou deS jungen Freksa orientalische PantomimeSumurun". Wahrlich, ein reicher und vielseitiger Arbeitsplan, der die Wunder der Reinhardtschen Regie und des Ensemblespiels in allen möglichen Stilarten zeigen kann. CHristinaS Heimreise" hat nach der Umarbeitung bei ihrem ersten Ericheinen in München nicht viel Glück gehabt. Reinhardt und seine Getreuen mühten sich um ein bleiches Werk. dem weder dio unvergleichliche Leuchtkraft seiner Inszenierung noch das lebenpulsende Spiel seiner Darsteller die richtige Theaterfarbe und Theaterwirkung zu geben vermochten. Hoffmannsthal ist ja immer mehr Poet als Dramatiker gewesen. Allem in diesem romantiichen Stück strotzender Abenteuer hantiert er nur mit Impressionen. Die Gestalten zerrinnen in der Luft. Ein welliger Lyrismus von Stimmung. Farbe, Ton, träumerisch sinnend, bald erwärmt, bald feurig erhitzt nnt Bildern, Gedanken und Worten. Aber alles bleibt nur ein loses Gefüge von burlesken und schwärmerischen Begebenheiten, dem alle straffe Linienführung und mannhafte Gestal- tung fehlt. Florindo ist Hoffmannsthal: ein inkurabler Aesthet, der in allen Situationen des Lebens und der Liebe mit Anstand und Gefühl reflektiert und sich in stilisiertem endlosen Wortgepränge verliert. Nein, der Wiener Dichter bleibt auch hier, wo er scheinbar aus mystischen Tiefen an die Oberfläche des realen Kolb behaupten, ihre Ueberzeugung enthebe jene Arbeiter ihrer disziplinarischen Pflichten und erlaube ihnen den Streikbruch? Aber vielleicht wird er sagen, ja, das möge für das gewerk - schaftliche Gebiet gelten, nicht aber für das politische. Folgen wir ihm auf dieses. Die Mehrheit der Genossen im Wahlkreis sellt einen revisi- onistischen Kandidaten auf, etwa Kolb oder Ouessel. Die Minderheit ist derUeberzeugung", daß dieser Kandidatder Sache schadet". Also hat sie nach Kolb das Recht, für diesen Kandidaten nicht zu stimmen, ja sogar, ihm einen Gegenkandidaten entgegenzustellen. Denn von Radikalen verlangen, einen Revisionisten zu wählen, hieße doch, ihnendas politische Rückgrat brechen und eine be- wußte Heuchelei zumuten". Ebenso steht es aber mit der Parteiprcsse. Ist irgendwo eine Minderheit mit der Haltung ihres Parteiorgans unzufrieden, hat sie dieUeberzeugung", daß esder Sache schadet", dann steht ihr nach Kolb das Recht zu, ein Gegenorgan zu gründen, denn dies schädliche Organ" zu unterstützen, wäre dochbewußte Heuchelei". In der Tat sind wir in Frankreich schon so weit gekommen. Zuerst verlangten die Abgeordneten für sich die Unabhängigkeit von der Disziplin, das Recht, ihre Ueberzeugung höher zu stellen als die Disziplin, dann ging das aber auch auf ihre Wähler über. Neben den Parteikandidaten tratenunabhängige" Sozialisten als Kandidaten auf, und neben der Partcipresse gaben unabhängige Sozialisten besondere Blätter heraus. Auf diese Weise kommt die Partei zur Auflösung, wenn es ihr nicht gelingt, wie es in Frankreich ja schließlich zum großen Teil gelungen ist, der Parteidisziplin wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen. Sicher ist es schlimm, wenn Ueberzeugung und Disziplin in Widerspruch miteinander geraten, aber daraus folgt nicht, daß die Ueberzeugung das Recht haben soll, die Disziplin zu durchbrechen. sondern vielmehr, daß ein ersprießliches Zusammenarbeiten auf die Dauer innerhalb einer Partei nur für Leute möglich ist, die in den wesentlichen Dingen der gleichen Ueberzeugung sind. Das Wort Kadavergehorsam auf die Parteidisziplin anzu- wenden, ist aber lächerlich. Der militärische Kadavergehorsam unterstheidet sich in zwei sehr wesentlichen Punkten von der Partei- disziplin. Einmal darin, daß niemand gefragt wird, ob der Soldat sein und bleiben will. Er muß. Dagegen wird niemand gezwungen, unserer Partei anzugehören. Sie zwingt also auch niemand zu bewußter Heuchelei. Bewußte Heuchelei begeht nicht derjenige, der der Parteidisziplin entsprechend handelt, sondern derjenige, dessen Ueberzeugung unvereinbar ist mit der der Partei und der doch in ihr bleibt. Bei den Budgetbewilligern liegt indes die Sache weit weniger gefährlich. Die Forderung der Budgetvevweigerung ist eine Forde- rung, die bloß an die Parlamentarier gestellt wird. Der Nürnberger Beschluß verlangt von den Parlamentariern, die unserer Partei angehören, daß sie das Budget ablehnen, er verlangt aber nicht, daß der Genosse Kolb Parlamentarier sei. Kommt ein sozialdemokratischer Abgeordneter zur Ueberzeugung, die Budgetverweigerung bedeutet einen tiefgehenden Schaden für unsere Sache, so stellt ihn daS noch nicht vor das Dilemma des Disziplin- bruchs oder des Ausscheidens aus der Partei, sondern nur vor das Dilemma des Disziplinbruchs oder des Verzichtes auf sein Mandat. Glaubt ein sozialdemokratischer Abgeordneter nicht die Ver» antwortung für die Befolgung des Nürnberger Beschlusses tragen zu können, dann yibt ihm das keineswegs das Recht, die Einheit- lichkeit der Partei zu durchbrechen und die Partei dadurch aufs tiefste zu schädigen. ES legt ihm nur die Pflicht auf, vor die Ge- nassen seines Wahlkreises zu treten und zu erklären: Unter diesen Bedingungen bin ich nicht der richtige Vertreter für euch. Sucht euch einen anderen Vertreter, dessen Ueberzeugung mit dem Partei« tagsbeschluh besser harmoniert. Das ist die einzige Antwort, die ein sozialdemokratischer Ab- geordneter oder Vertrauensmann der Partei überhaupt zu geben hat, wenn ein Parteibeschluß ihm Pflichten auferlegt, die er glaubt, nicht erfüllen zu können oder zu dürfen. Die Partei verlangt von niemand ein Opfer seiner Ueberzeu- gung, sie bricht niemand sein politisches Rückgrat, mutet stiemand politische Heuchelei zu. Aber die Beachtung ihrer Beschlüsse muß sie von jedem verlangen, der ihr angehört und so lange er ihr an- gehört. Und von ihren Abgeordneten darf sie erwarten, daß sie der Masse der Genossen mit gutem Beispiel vorangehen, sich nicht über die Beschlüsse der Partei erhaben dünken. DaS ist noch lange kein Kadavergehorsam, sondern frei- Daseins heimgekehrt ist, ein blasser Schönredner, ein romantische Literat, in dessen Adern Orangenwasser fließt.... Viel besser als die drei Hauptfiguren Florindo, Christina und Kapitän, die Moissi , Frl. HeimS und Diegelmann vollendet spielten, find zwei Nebenfiguren geraten, ein malayischer Diener(S Ä i 1 d k r a u t) und ein philosophischer Hausknecht, mit dem Waßmann erschütterte. m. Ostende alS Seebad für Arbeiter. Das muß doch ein rechter Glückspilz von einem Arbeiter sein, werden sich die meisten Leser sagen, der sich einen Aufenthalt in dem als teuer verschrienen See- bad Oslende leisten kann. Auch der gewöhnliche Besucher Ostendes wird dieser Ansicht beipflichten, wenn er auf der prächtigen breite» Promenade am Meeresstrand die blasierte Lebewelt beirackitet, die in einem so sonderbaren Gegensatz steht zu der unzählbaren Schar der jubelnden Kinder, die auf der weiten reinen Sandfläche leckere Sand- kuchen backen, Kanäle graben und kunstvolle Monumentalbauten auf« führen. Und dennoch ist es von allen Seebädern gerade Oftende, daS den Arbeitern, die so glücklich sind, Ferien machen zu können, die Annehmlichkeiten des Seebades bieten kann. Daß heute auch ein Arbeiter Ostende besuchen kann, sei es aus Gesundheits­rücksichten oder zum Vergnügen, verdanken wir der bewundernS- würdigen Tatkraft unserer belgischen Genossen. Ostende besitzt schon seit sieben Jahren ein Volkshotel, die Hotellerie du Pcuple", wo man für billiges Geld unterkommen kann. Man trifft dort um die Sommerzeil Genossen aus Belgien und allen umliegenden Ländern. Aus Großbritannien , wo eine große Anzahl Arbeiter die jährlichen Ferien nicht mehr als ein Ideal, sondern als etwas SelbsterständlicheS, für die Gesundheit eines jeden arbeitenden Menschen Notwendiges betrachten, sind stets Genossen vertreten, und auch aus Deutschland stellen sich immer eine stattliche Anzahl Besucher ein. Das Volkshotel ist eine Gründung der Geuter Sozialisten. Als diese nämlich vor einigen Jahren fanden, daß sie zum Zwecke der Agitation eines Lokals bedurften, gründeten sie die GesellschaftDie Sonne", die sich zum Ziel setzte, in allen Orten, wo sich Ansätze zu einer sozialistischen Organisation zeigten, die Genossen mit Versammlungslokalen zu ver- sorgen. Auf Betreiben der Genoffen Dr. Terwagne und Ed. Anseele, die im Jahre 1903 imVooruit" die Notwendigkeit eines Volkshotels in Ostende betonten, entschloß sichDie Sonne", ein Haus in Ostende zu erwerben. Die GenossenschaftVooruit" von Gent half und noch im selben Jahre kaufte man ein Grundstück von 400 Quadratmeter. Mit dem Grundstück erwarb man das darauf befindliche geräumige Gebäude, das ein großes Restaurant, einen Speisesaal und 40 Zimmer enthielt. Gleich schnellte die Zahl der Ostender Genoffen, die sehr arm sind und sich bis dahin mit einem Keller als Versammlungslokal begnügen mußten, in die Höhe, und auch alle anderen von' den Sozialisten begonnenen Unternehmungen. Gewerk- schaften und Genossenschaften, fingen an zu gedeihen und stehen heute auf festen Füßen. Das Unternehmen war von Anfang an ein Erfolg. DaS soll nicht heißen, daß»Die Sonne" Prosite macht. Nein, die paar willige Disziplin, weil ja die Zugehörigkeit zur Partei und dw Annahme eines Mandats keine Sache des Zwanges ist. Aber noch in einem zweiten Punkte unterscheidet sich dre Partei- disziplin bei aller Strenge vom Kadavergehorsam: durch das Recht der Kritik. Jeder muß den Parteibeschlüssen nach« kommen, solange sie bestehen, aber jeder hat daS Recht, an ihnen Kritik zu üben und dahin zu wirken, daß sie geändert werden. Mögen die badischcn Genossen die Mehrheit der Genossen von der Richtigkeit ihrer Taktik überzeugen, und kein Parteitag wird ihnen mehr etwas in den Weg legen. Auch Genosse Kolb versucht in der hier besprochenen Broschüre die Parteigenossen zu überzeugen. Aber er scheint von vornherein kein großes Zutrauen zur Ueberzeugungskraft seiner Argumente zu haben, denn er erklärt: beschließt was ihr wollt, wir fügen unS nicht, wenn der Beschluß gegen uns ausfällt. Anders ist es nicht aufzufassen, wenn er sagt: Was wir fordern und worauf wir bestehen müssen, ist die Beseitigung eines Beschlusses(des Nürnberger), der gleicher- maßen für die Disziplin wie für die Einheit der Partei ge« fährlich ist"(S. 26). Und früher schon erklärte er, daß die badische Landtagsfraktion sich in dieser Frage nicht unterwerfen kann(im Original fett gedruckt. X.), tveil sie sich damit unrettbar lächerlich und politisch unmöglich machen würde..... Die Partei darf und kann keinen Beschluß auf- recht erhalten, der große und wichtige Teile ihrer parlamentari» schen Vertretung zur Heuchelei und zur Praisgabe ihrer Ueber« zeugung zwingt. Man treibe endlich in solchen Situationen keine Sentimentalität mehr. Hier ist es Pflicht jedes einzelnen, mann« Haft und unerschütterlich zu seiner Ueberzeugung zu stehen, und wenn eS nicht anders geht, mit ihr zu fallen.". Angesichts dieser Sprache wird sich der Parteitag wohl bor allem genötigt sehen, festzustellen, daß seine Beschlüsse unter allen Umständen für jeden bindend sind, der als Parteigenosse betrachtet werden will. Es wäre ja zwecklos, Beschlüsse irgendwelcher Art zu fassen, wenn sie bloß für die Mehrheit verbindlich wären und die Minderheit das Recht hätte, zu erklären, sie widersprächen ihrer Ueberzeugung und darum könne sie sich ihnennicht unterwerfen", Es wäre nichts verkehrter, als wollte man Disziplin und Ein­heit der Partei durch Unterlverfung unter die Diktate Kolbs und seiner Freunde retten. Es hieße die Einheit und Disziplin dadurch retten zu wollen, daß man diejenigen frei gewähren läßt, die an ihrer Auflösung arbeiten. 2. Die Monarchie. Aus den Worten Kolbs spricht eine verzweifelte Stimmung: so unentbehrlich erscheint ihm die Budgetbewilligung, so unermeßlich der Schaden der Dudgetverweigerung, daß ihm nicht bloß einmaliger Disziplinbruch, sondern selbst Zersplitterung der Partei noch wem- ger schädlich erscheint. Da darf man einigermaßen neugierig sein, durch welche unerhörte Tatsachen eine so unerhörte Auffassung be- gründet wird. Und was von der Budgetbewilligung, gilt ebenso von der Hofgängerei, die ebenfalls allen bisherigen Anschauungen unserer Partei ins Gesicht schlägt. Wer nun erwartet, in der Schrift Kolbs Tatsachen öder Er- wägungen kennen zu lernen, die eine auch nur einigermaßen ein- wandfreie, geschweige denn eine zwingende Begründung deS Disziplinbruchs und der Hofgängerei enthalten, wird schwer ent- täuscht werden. Man darf annehmen, daß Kolb in seiner Broschüre alles vorbrachte, was die badische Fraktion zu ihren Gunsten vorzu- bringen weiß. Es ist auffallend dürftig. Noch mehr. Die ein­zelnen Argumente widersprechen sich, schlagen einander gegen- seitig tot. Einmal behauptet Kolb, der Disziplinbruch erkläre sich aus den ganz eigenartigen Verhältnissen Badens, die außerhalb Badens nur schwer zu begreifen seien und die eine besondere parlamentarische Taktik erheischten. Dann aber sagte er, die parlamentarische Taktik der Badener Landtagöfraktion sei die einzig rationelle, die auch in den andern Staaten und im Reich zum Durchbruch kommen müsse, wenn wir Fortschritte machen wollen und doch soll dieselbe Taktik niemand verstehen können, der nicht in alle Mysterien des badischcn Ländchens eingeweiht ist! Und ebenso gehts mit der Hofgängerei. Die Akte, die man de« ladischen Fraktion vorwirft, lverden einmal als einfache Höflichkcits» akte oder von der Geschäftsordnung auferlegte Bedingungen hin- gestellt leere Zeremonien ohne jede Bedeutung. Dann aber wird auf ihre hohe Bedeutung hingewiesen und bemerkt, daß sie Vorbild- lich für unsere Haltung zur Monarchie in den anderen Staaten seien, welche Haltung wir einer gründlichen Revision zu unterziehen hundert Frank Ueberschuß, die in den letzten sieben Jahren erzielt worden sind, sind kaum der Rede wert. Ueberschüsse zu er- zielen, ist auch nicht die Absicht der belgischen Genossen; es soll vor allen Dingen der Arbeiterschaft die Möglichkeit geboten werden, die Freuden des Meeresstrandes zu genießen und sich zu erholen. DaS Volkshotel rechnet je nach der Lage deS ZjmmerS 4 Frank, 4.60 und 5 Frank für volle Pension. Die Zimmer sind äußerst sauber, die Nahrung vorzüglich und so reichlich, daß auch der größte Esser befriedigt wird. Die Besucher meiden meistens den osfiziellen Badeplatz, wo das tägliche Bad eine an» sehnliche Geldsumme verschlingt, und gehen hinaus in die Dünen, wo sie als eine große sozialistische Familie ihre See-, Sand-, Luft- und Sonnenbäder nehmen. Man nimmt eine Schaufel mit, um am Meeresstrande ein großes Loch zu graben, das mit Hilfe von Spazierstöcken, Schirmen und Handtüchern in eine Art Höhlenzelt verwandelt wird, in dem sich die Genossinnen an- und auskleiden können. Eine bunte und lustige Gesellschaft ist eS. die in den Sommermonaten im Volkshotel ein« und auszieht und manch herzliche Freundschaft ist hier schon zwischen den Genossen der ver» schiedcnen Nationen geschlossen worden. Wie vorzüglich diese von den belgischen Genossen geschaffene Einrichtung ist, beweist die Tatsache, daß sich auch manche Personen, die unserer Bewegung fernstehen, als Gäste einfinden. DaS ist vielen Genossen, die ,m Hochsommer, wenn alle 70 Betten besetzt sind, vergeben» anklopfen, keine angenehme Talsache. Diese Fremd- linge in unserem Lager handeln anscheinend nach dem Goethewort. daß der deutsche Mann den Franzmann nicht liebt, aber seine Weine gern trinkt. Sie mögen die Sozialisten nicht, aber unsere Butter« brote essen sie gern. Das Volkshotel in Ostende wird von Jahr zu Jahr beliebter. Schon ist es viel zu klein für die Bedürfnisse aller derer, die eS be­nutzen wollen, und schon denkt man an eine Erweiterung. DaS ist ein erfreuliches Zeichen der wachsenden Kulturbedürsnisse der Arbeiter» schaft. Mag auch der Spießbürger an seinem Biertisch über die Be- gehrlichkeit der Arbeiter poltern und über den Proletarier im See» bade öde Witze machen, der Sozialismus wird nicht ruhen und rasten, bis daß sich ein jeder, der der Gesellschaft die Kraft seiner Muskeln oder seines Hirns opfert, im Sommer aus dem Lande, im Gebirge oder an der See erholen kann. Notizen. Theaterchronik. Die erste Novität de? Deutschen Theaters in der neuen Spielzeit istSimson und Delila", ein« Tragikomödie von Sven Lange. T�Mascagni als Erfinder. MaScagni , der gegen- wartig eine Konzertreise in Amerika unternimmt, soll, nach englischen Meldungen, eine Vorrichtung erfunden haben, die mit einem Piano berbuuden wird und die Noten, wie sie gespielt werden, sofort zu Papier bringt. Man soll mit Hilfe dieser Vorrichtung imstande sein, jede musikalische Jmprovisatton sofort in einer Abschrist sestzulegen. (Die Sache klingt etwa» amerikanisch.)