Ar. 191. 27. ZahrMg.t WM dts Joraitls" Kerlim KcksdIM">-°»Die Caktik im NahlrechtsKarnpf.IX.Im dritten Teil ihres Artikels wendet sich Genossin Luxemburgdagegen, dafc KautSky die.Ermattungsstrategie'— eine neueEttkette für alte, wohlbekannte Dinge, die Ausnutzung der parla-mentarischen Mittel des bürgerlichen Staates zum täglichen Klassen-kamps zur Aufklärung, Sammlung und Organisation des Proletariats— dirett zum„politischen Testament' Friedrich Engels' erkläre.Engels habe in seinem Vorwort zu den„Klassenkämpfen inFrankreich" dargelegt, datz das Jahr 1843 denen unrecht(pA die, wie Marx und Engels damals auch uochgrauvren, daß man, da alle bisherigen Revolutionen Minoritäls-revolutionen waren, auch die sozialistische Umwälzung auf demWege einer Ueberrumpelung durch eine revolutionäre Minorität ein-leiten könne. Engels legt dar, wo es sich um eine vollständige Um-gestaltung der gesellschaftlichen Organisation handele, müßten dieMassen selbst init dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum essich handelt, für was sie eintreten sollen. Als hervorragendstesMittel zur Führung deA Kampfes in diesem Sinne hebt er die Be-Nutzung des allgemeinen Wahlrechts hervor. Weiter zeigt Engels,daß die ReUJion alten Stils, der Straßenkamps mit Barrikadenveraltet ist. Dieses„politische Testament' Engels habe mit derheutigen Situation und mit der Frage des Massenstreiks nichts zutun. Denn niemand habe an die plötzliche Einführung des Sozialismusdurch den Massenstreik oder an einen Barrikadenkampf gedacht, nochgegen die Benutzung des allgemeinen Wahlrechts oder gegen die Ilus-Nutzung des Parlamenarismus geeifert. Das Engelsiche Testamentwende sich, da es die veraltete Taktik der Ueberrumpelungen kritisiere,höchstens gegen den Genossen Kautsky selbst, der ja den Massenstreikals einen vom„Kriegsrat' geheim ausgeheckten Ueberrumpelungs-streich auffasse. Als heiteren Umstand, der beweise, wie wenig dieKamskysche Ermattungsstrategie mit dem Engelsschen Testament zutun habe, führt der Artikel an, daß Eduard Bernstein in den„So-ziolistischen Monatsheften' mit denselben Argumenten, stellenweisein fast wörtlicher Uebereinstimmung mit Kautsky, gegen die LosungdeS Massenstreiks in der gegenwärtigen Situation auftrete.„Der Masienstreik, wie er gegenwärtig im preußischen Wahlrechtskampf zur Debatte steht, war und ist von keinem Menschenals Gegensatz zum Parlamentarismus, sondern als seine Er-gänzung, ja, als Mittel, parlamentarische Rechte zu erringen,gedacht. Nicht als Gegensatz zum täglichen Werke der Schulung,Aufklärung und Organisierung der Massen, sondern als ein hervor-ragendes Mittel, gerade die Schulung, Aufklärung und Organi-fierung der proletarischen Masten zu fördern. Da Genosse Kautskynun diesem so gedachten Mastenstreik unsere altbewährteTaktik des Parlamentarismus entgegenstellt, empfiehlt erin Wirklichkeit vorläufig und für die gegenwärtige Situationeinfach NichtSalsparlamentarismuss nicht im Gegen-satz zum utopischen Barrikadensozialismus, wie Engels, sondernim Gegensatz zur sozialdemokratischen Masieaaktion des Proletariatszur Erringung und Ausübung politischer Rechte.'Genossin Luxemburg wendet sich alsdann gegen Kautskys Anschauung, daß von den kommenden Reichstagswahlen„alles Heil zuerwarten sei'. Sie glaube nicht, daß die Ausmalung des künftigenSieges in gar so leuchtenden Farben angebracht sei, sondern haltedafür, eS sei besser, uns auf die Wahlen mit allem Eiferund aller Energie, aber ohne übertriebene ErwartungenVorzubereiten. WaS aber habe der künftige Reichstagswahlstegmit der Frage deS preußischen Wahlrechtskampfes heute zu tun.Genoste Kautsky erwarte, der Wahlausfall werde„eine ganz neueSituation' schaffen. Die könne, da selbst 126 sozialdemokratischeAbgeordnete immer noch eine Mnorität im Parlament« wären unddamit also zunächst noch durchaus keine Umwälzungen der politischenLerhälwiste gegeben sei. nur im Staatsstreich, in der Kassierung desAeichStagswahlrechtS bestehen. Dann, meine KautSky, würden wirmit allen Mitteln, auch mit dem Mastenstreik vorgehen. Wenn aberder Massenstreik nicht einttete, so fielen die ganze Kombination unddie großen Aktionen in sich zusammen..... Suchen wir freilich unsere Takttk nicht auf die ReichstagSwahlen und den Staatsstreich zuzuspitzen, wollen wir unsüberhaupt nicht auf bestimmte Zukunftskombinationen einrichten,dann kann uns die Frage, ob wir mehr oder weniger Mandatebei den nächsten Wahlen erobern, ob der Staatsstreich dann er«folgt oder nicht, ziemlich kühl lasten. Tun wir nur in jedemkleines feuiUeton.Die Bilanz der Flugmaschineninbustrie. Die Flugmaschine,deren Führer heute allenthalben Triumphe feiern, ist in den wenigenJahren, ihrer Entwicklung zum Gegenstand einer bedeutenden In-dustrie geworden, die bereits mit stattlichen Zahlen rechnet. Voreinem Jahre noch zählte man alles in allem etwa 100 Aeroplane inEuropa; heute haben die Bleriot- Werkstätten seit der berühmtenersten Ueberquerung des Kanals allein schon 250 Apparate gebaut,Farman ist über 100 hinausgekommen und mit den übrigenSystemen, die ernsthaft zu rechnen sind, gelangt man zu der über-naschenden Zahl von ettoa 600 Maschinen. Fügt man die ver»schiedenen neuen Typen hinzu, die jetzt überall konstruiert werden,so kann man im ganzen etwa 700 oder 800 Flugmaschinen rechnen.Der kleinere Bleriot-Eindecker, der zuerst 10 000 Frs. kostete, wurdenach der Fahrt über den Kanal mit 12 000 Frs. bezahlt, und dieneueste Konstruktion kostet je nach dem Motor 16 000— 26 000 Frs.Die Preise der andern Systeme stellen sich nach den Katalogen wiefolgt: Henri Farman 28 000, Voisin 23 600— 26 000, Antoinette25 000, Maurice Farman 25 000, Sommer 28 000 Frs. Diese Preiseverstehen sich natürlich für die vollständige Maschine: das Gestellallein ohne Motor kostet etwa die Hälfte. Man sieht aus diesenZahlen, daß sich die Flugmaschinen heute noch gut bezahlt machen,und eine Anzahl Flieger glauben denn auch Ersparnisse machen zukönnen, indem sie nicht ganze Apparate, sondern nur einzelne Teilekaufen und dann selbst eine Maschine konstruieren: auch für solcheAufträge ist die neue Industrie lebhaft beschäftigt. Im ganzen sindin Frankreich seit einem Jahre für etwa 10 Millionen Frs. Flug-Maschinen gekauft worden.Der erste Omnibus. In Paris ist der durch Pferdekraft be-wegte Omnibus den Gang alles Fleischlichen gegangen, die Pariserwollen nur noch in„Autobussen" fahren. Das gibt AnatoleFrance Gelegenheit, in den„Annales" zu berichten, an welchemTage der erste Omnibus durch die Straßen von Paris rollte. DerGeburtstag des Omnibus war der 18. März 1662 und er hieß da-mals noch nicht Omnibus, sondern„Czrosse ä cinq sold" Wagenzu fünf Groschen). Der Herzog von Roannez, Gouverneur vonPoitou, der Marquis von Sourches und der Marquis von Crenanhatten den Plan gefaßt, auf einer bestimmten Strecke Mietwagenzum Gebrauche der Bürger fahren zu lassen. In dem Gründungs-komitee befand sich auch Blaise Pascal, und von der Hand seinerSchwester ist uns eine genaue Schilderung sowohl von der äußerenGestalt dieser ersten Omnibusse, wie vor allem auch von der Pom-pösen Feier erhalten, die an jenem 18. März 1662 stattfand. Manhatte vorerst einmal sieben solcher Wagen gebaut, von denen dreian der Porte Saint-Antoine und vier vor dem Luxenbourg statio-niert waren. Zur bestimmten Zeit fand sich eine große Zahlstädtischer und königlicher Beamten und Staatspersonen ein, undder Abgeordnete des Königs hielt eine Rede, in der er auf dieNützlichkeit des neuen Unternehmens hinwies und das„geringeVolk" an des Königs Statt mit strengen Strafen bedrohte, falls esgegen die Wagen irgend etwas Gesetzwidriges unternehme. Diesgeschah im Luxenbourg. An der Porte Saint-Antoine erfolgte zurMoment in der Gegenwart unsere Pflicht, um in jeder ge-gebenen Situation das Höchstmaß an Aufrüttelung und Aufklärungder Massen zu leisten und aus der Höhe der Situation und ihrerAnforderungen zu sein, dann werden wir bei j e d e m weiterenGange der Ereignisse unsere Rechnung finden. Will man hin-gegen, wie Genosse Kautsky, eine ganze„Ermattungsstrategie"für heute mit einer Aussicht auf Großtaten der„Nwderwerfungsstrategie' im nächsten Jahre begründen, wobei diese letztereauch noch erst von einem eventuellen Staatsstreich abhängig ist,dann bekommt unsere„Strategie" eine leichte Aehnlichkeit mit der-jenigen der kleinbürgerlichen Demokraten in Frankreich, die Marxim„Achtzehnten Brumaire' so genial charakterisiert hat: Ueberdie eigenen Halbheiten und Niederlagen in der Gegenwart pflegtensie sich mit der Hoffnung auf Großtaten bei der nächsten Gelegen-heit zu trösten. Ueber den 13. Juni verlrösteten sie sich mit derttefen Wendung:„Aber wenn man das allgemeine Wahlrecht an-zugreifen wagt, aber dann I Dann werden wir zeigen, wer wirsind. Xous verrons..."Im vierten Teil behauptet Genossin Luxemburg, Kautsky hätteseinen Mahnruf im Namen der„Ermattungsstralegie", die alle ihreHoffnungen auf die kommenden Reichstagswahlen setze, nicht erstgegen die jetzige Erörterung des Massenstreiks, sondern bereits gegendie Stratzendemonstrationen richten sollen, ja schon gegen den Be-schluß des preußischen Parteitages, der in seiner Resolution die An-Wendung„aller zu Gebole stehenden Mittel' in Aussicht stellte,wobei der Referent erklärte, daß darunter auch der Masienstreik zuverstehen sei und daß seine Anwendung abhänge von dem Gradeder Entflammung, den wir in den Massen hervorrufen. Die De«monstrationen seien somit von vornherein im Zusammenhang mit derLosung eines eventuellen Massenstreiks gedacht gewesen, alsMittel, jenen Grad der„Entflammung der Massen' zu erreichen, beidem die schärfsten Mittel zur Anwendung kämen.„Diese De-monstrationen fielen also bereits bedenklich aus dem Rahmen der„Ermattungsstrategie' ins Gebiet der„Niedcrwerfungsstrategieheraus und leiteten zu dieser letzteren direkt hinüber." Umsomehr,als die Straßendemonstrationen allein und mehr noch als derMassenstreik die Eventualität eines Zusammenstoßes mit der Militärmacht in sich trügen, eine Eventualität, die die„Ermattungsstrategie'vermeiden müsse. Seltsamerweise befürworte aber Genosse Kautskydie weitere Anwendung von Straßendemonstrationen. Freilich wolleer sie ohne Steigerung, ohne Zuspitzung. DaS sei aber eine reintheoretische Auffassung der Demonslralionen, der Massenaktion überHaupt, die mit ihren wirklichen praktischen Bedingungen nichtrechne...... Wenn wir große proletarische Masten auf die Straßezur Demonstration rufen; wenn wir ihnen erklären, die Situationsei eine derarttge, daß einzig und allein durch ihre eigene Mastenaktion, nicht durch parlamentarische Aktionen, der Zweck erreichtwerden könne; wenn eS unS gelingt, immer mehr die Masten zuentflammen; wenn die Straßendemonstrationen immer mächtigerund der Elan, die Kampfftimmung, immer größer, zugleich dieunvermeidliche Verschärfung der Verhälwisse mit der Staatsmacht,die Möglichkeit der Zusammenstöße mit der Polizei und demMilitär immer größer wird, dann ersteht in den Massen vonselbst die Frage: Was weiter? Die Demonstrationen bringen jadie Lösung nicht; sie sind der Anfang, nicht das Ende der Masten«aktton; sie schaffen zugleich von selbst eine Zuspitzung der Lage.Und wenn die von uns entfachte Massenbewegung nach weiterenDirektiven, weiteren Aussichten ruft, so müssen wir ihr dieseweiteren Aussichten zeigen, oder— wenn wir das aus diesemoder jenem Grunde nicht im stände sind— dann bricht auch dieDemonstratiönsbewegung über kurz oder lang zusammen, sie mußzusammenbrechen."Kautsky bestreite daS unter Berufung auf Oesterreich, wo derWahlrechtskampf ein Dutzend Jahre gedauert habe, wo man die Be«wegung ohne jede Steigerung und Zuspitzung im Gang halten konnte.Darin irre Kautsky. Die Massenbewegung habe vielmehr von 1897 bis1906, also etwa acht Jahre lang vollständig daniedergelegen. Auf allenParteitagen der österreichischen Genossen bildeten die Klagen überdiesen ZusanMienbruch der Massenaktton eine ständige herrschendeNote. Der Artikel zitiert verschiedene derartige Aeußerungen aufden österreichischen Parteitagen. Erst unter dem unmittelbaren Ein«druck des siegreichen Mastenstreiks in Rußland, der das VerfassungS«manifest des 30. Oktober erzwang, wurde eine Mastenbewegung inOesterreich wieder möglich. Tatsächlich habe das österreichlscheProletariat die Wahlreform nur in den zwei stürmischen An-läufen anfangs der 90er Jahre und 1906 durchgesetzt, undselben Zeit ein gleiches, dann gingen die Wagen, einer nach demanderen, unter dem Geleit eines Reiters ab. Der Erfolgwar schon in kurzer Zeit groß, und besonders die Kaufmannschaftder Rue Saint-Denis verlangte, daß eine zweite Linie durch dieseStraße gelegt würde. Man war bereit, ihnen zu willfahren, dabefanden sich Roannez und Crenan eines Tages im Louvre undunterhielten den König über diese neue Linie, als Ludwig XIV.sie plötzlich fragte: Und wo bleibt unsere Linie? Infolgedessenwurde die zweite Linie durch die Rue Saint-Honorö gelegt, wasam 16. April 1662 geschah.Ein echter Tropenregen. Wenn in unseren Gegenden gelegent«lich einmal ein Regenfall eintritt, der im Verlauf von 24 Stundenmehr als 60 oder gar gegen 100 Millimeter NiederschlagShöhe er-gibt, so ist das etwaS ganz Außerordentliches, und die in Mittel-deutschland Anfang August in vier Tagen gefallene Regenmenge von180 Millimeter wurde als ein Rekord für diese Jahreszeit bezeichnet,so lange meteorologische Beobachtungen bestehen. In tropischen Ge-bieten der Erde geht es denn doch ein wenig anders zu. Besondersausgiebige Regenfälle hat beispielsweise während deS letzten Jahresdie Insel Jamaika zu verzeichnen gehabt, und vielleicht ist eineRegenwoche, die dort über dem gebirgigen Teil der Insel hin-gegangen ist, als der stärkste Rcgenfall zu bewerten, der überhauptbisher irgendwo beobachtet worden ist. Es fielen dort nämlich imVerlauf von acht Tagen 3300 Millimeter, davon 760 an einemeinzigen Tage. An einer anderen Station wurden 2960 MillimeterRegenhöhe in 16 Tagen gemessen. Damit ist Jamaika in Wett-bewerb mit dem berühmtesten Regenort der Erde getreten, demPlatz Tscherrapundschi in Asfam am Südfuß des Himalaja, der diegrößten Jahresmengen an Niederschlägen überhaupt aufzuweisenhat. Dort ist einmal an einem einzigen Tage ein Regeufall von1000 Millimetern beobachtet worden und ein anderes Mal ein solchervon 2800 Millimetern in fünf Tagen. Danach kann man sich un-gefähr vorstellen, was für Ueberschwemmungen trotz aller Vorsichts«maßregeln bei unS eintreten würden, wenn solche Regenfälle hiervorkommen könnten.Humor und Satire.In der Sauregurkenzeit.Johann Orth gefunden! In einer Laubenkolonie beiBerlin lebt ein Einsiedler, der den übrigen Kolonisten längst durchsein vornehmes Wesen verdächtig war. Zufällig sah ihn ein ehe-maliger intimer Freund Johann Orths, der Kellner Zwerschina, underkannte ihn sofort. Ein Doppeladlerwappen an der Laube benahmden letzten Zweifel.Schreckliche Ereignisse im Freibad Wannsee.Das häufige rättelhafte Verschwinden Badender hat eine fürchterlicheAufklärung gefunden. Meerungeheuern ist es gelungen, sich in denWannsee einzuschleichen. Herr Privatier Lepke wurde, während eram Srrande seine Zeitung las, das Opfer eines- riesigen OttopuS.Frau Restaurateur Krause wurde beim Schwimmen von einemHaifisch verschlungen. Sie konnte ihrem Gatten noch ein letztesLebewohl zuwinken. Der trostlose Herr Krause, welcher Mitglieddes Tierschutzvereins ist, ließ dem Haifisch sofort vier Kognaks ein«flößen.beide Male sei die Bewegung mit der Entschlossenheit zumMassenstreik fest verknüpft gewesen. Im Jahre 1906 waren die Vor«bereitungen zum Massenstreik in ernstester Weise gettoffen. Es kamnur deshalb nicht dazu, weil die Regierung alsbald daS geforderteZugeständnis machte..... Bezeichnenderweise tauchte auch in Oesterreich, als inder tristen Zwischenzeit nach Mitteln gesucht wurde, die Massen«bewegung zu beleben, jedesmal wieder— die Losung deS Masten«streils auf. In Graz wie in Salzburg verwandelte sich die Debatteüber die Wahlrechtsbewegung in eine Debatte über den Massen«streik. Die Genossen fühlten nämlich alle, was Resel in Graz aus-gesprochen hat:„eine Wahlrechtsbewegung köune man nur danneinleiten, wenn man sie bis zum Aeußersten durchzuführen ent«schlössen sei". Freilich genügt die Entschlossenheit allein nicht, dennweder Mastenstreik noch Massendemonstrationen lasten sich künstlichaus dem Boden stampfen, wenn die politische Situation einerseitsund die Stimmung der Massen andererseits nicht eine entsprechendeSteigerung erfahren haben. Man soll sich aber keinen Illusionenhingeben, daß man umgekehrt eine Massenbewegung, daß manDemonstrationen jahrelang ohne Steigerung und ohne die Ent«schlossenheit zum schärfsten Kampf aufrechterhalten könne.Wie wenig dies möglich ist, beweist der bisherige Verlaufunserer eigenen Wahlrechtsbewegung in Preußen. Daß vor zweiJahren die begonnene erste Demonstrationsbewegung nach kurzerZeit eingestellt wurde, obwohl der Elan der proletarischen Massedurchaus nicht im Abflauen begriffen war, ist ja eine bekannteTatsache. Aber auch in diesem Jahre verrät die Be«wegung in gewisser Hinsicht dieselben Züge. Bei jedergroßen Demonstratton, die in Berlin veranstaltet wurde,hatte man das deutliche Gefühl, daß sie mit dem innerenGedanken unternommen wurde:„Nun aber Schluß I' Nachder großartigen Demonstration im Tiergarten am 6. März,die ein großer Schritt vorwärts war von der Demonstration des12. Februar, war die Stimmung der Massen in Berlin so gehoben,daß sich für die Partei, wenn es ihr wirklich darum zu tun war,die Demonstralionen„immer mächtiger' zu gestalten, die Pflichtergab, eine nächste passende Gelegenheit zu ergreifen, um eine neuenoch wirksamere Demonstration zu veranstalten. Eine solche Ge«legenheit bot sich aber, und eine glänzende— am 18. März oderwenigstens am nächsten Sonntag nach dem 13. März. Anstatt dessenund um dieser Demonstratton aus dem Wege zu gehen, wurdenam 16. März jene drei Dutzend Versammlungen in Berlin an-geordnet, die angesichts dex Stimmung der Massen» und nach dem6. März einen kläglichen Rückzug bedeuteten. Der 18. März aber—ein Datum, das in diesem Jahre für die Massenbewegung eineBedeutung und Aktualität erlangt hatte, wie noch in keinemfrüheren Jahre, der Jahrestag der deutschen Revolution und derPariser Kommune, der sich für die Aufrüttelung der Masten, fürpolitische Rückblicke und geschichtliche Analyse, für unbarmherzigeKritik der bürgerlichen Parteien glänzend verwerten ließ— der18. März wurde in Berlin überhaupt nicht gefeiert. Weder eineDemonstration, noch auch nur Massenversammlungen, noch eineGedenkschrift— ein matter Leitartikel im„Vorwärts" und keineZeile in der„Neuen Zeit'— das war die Art, wie man die aus-gezeichnete Stimmung der Masten zu„immer machtvolleren De«monstrattonen' wahrgenommen hat. Und dies ist ganz natürlich.Geht man nicht an die Demonstrationen mit der klaren Ent-schlossenheit heran, die Bewegung immer weiter zu treiben undvor ihren Konsequenzen nicht zurückzuschrecken, dann ergibt sichjene Zaghaftigkeit, die der Möglichkeit jeder stürmischeren Demon«stration lieber aus dem Wege geht."Genossin Luxemburg meint weiter, wenn in den Provinzen, wodie Genossen auch den 18. März nach Möglichkeit ausgenutzt habenund wo die Losung des Massenstreik» immer lauter wurde, dieKampfstimmung und die Entschlossenheit nicht so groß gewesen wäre,so wäre eS nicht zu den Demonstrationen des 10. April gekommen.Nachdem man aber in Berlin am 10. April den großen Sieg überdie Reaktton erfochten, das Recht auf Straßendemonstrationen durch-gedrückt habe, sei es die Pflicht der Partei gewesen, dies neu«errungene Recht aufs äußerste auszunutzen. Aber während eS imganzen Lande am 1. Mai selbst in den kleinsten Orten Straßen«demonsttationen gab, habe in Berlin keine stattgefunden, weder eineerlaubte, noch eine unerlaubte....„Während die parlamentarische Behandlung der Wahlrechts«Vorlage— das Hinundher zwischen dem Herrenhaus und demAbgeordnetenhaus— noch eine monatelange Frist und Gelegenheitzu Demonsttationen bietet, und während die Stimmung derDer Weltfriede gesichert! Einem sächsischen Ingenieurist soeben eine Erfindung patentiert worden, die den Bau weitererDreadnougths überflüssig und Seekriege in Zukunft unmöglich macht.Von einem Aeroplan aus wird Seifenpulver auf das Meer herab«geschüttet. Durch den Wellenschlag wird ein schöner fester Seifen«schäum erzeugt, der die Schiffe völlig einhüllt. Bei den nächstenFlottenmanövern wird die Sache sämtlichen Ldmiralen der Weltvorgeführt werden._ s-SimplicisfimuS'.)Notizen.— Theaterchronik. Im Kleinen Theater erscheintam Donnerstag Abel Hermants Lustspiel.LuxuSzug' wieder aufdem Spielplan.— Das renovierte Friedrich-Wilhelm«städtische Schauspielhaus eröffnet die neue Spielzeit unterLeitung von Waldemar Runge am 1. September mit GoethesFaust". Es sind weiter in Aussicht genommen:„Die Hermanns«schlacht' von Kleist,„Die Ahnfrau' von Grillparzer,„Genoveva�von Hebbel,„Nordische Heerfahrt" von Ibsen,„Cyrano" von Rostand,„Revolutionshochzeit" von Michaelis u. a. An Uraufführungenwerden u. a. versprochen:„Der Herzog von Perugia' von Bernoulli,„Die Tragödie einer Ehe' von C. M. Jacoby, das Lustspiel„Kletten"von Brieux.— Abonnements werden zu bedeutend ermäßigtenPreisen für sechs verschiedene Stücke in Abständen von je 14 Tagenausgegeben.Ein Jahn« Standbild wurde in Frehburgan der Unstrut, wo Jahn die letzten Jahre seines bewegten Lebenszugebracht hatte, im Jahn-Museum enthüllt.— Die arktische Studienreise der Zeppelin-Gesellschaftist nach einem Telegramm aus Hammerfcst dorthin aus Spitzbergenzurückgekehrt. Es sind natürlich alle Aufgaben zur Zufriedenheitgelöst worden(die Bereisung des Nordpols im Luftschiff könnte alsolosgehen). In Spitzbergen sollen alle(?) in Frage kommendenBuchten besucht worden sein. Am 3. August drang der„Phönix"ins Eis ein. Der 4. August brachte den Höhepunkt der Spritzfahrt;man bedenke: Prinz Heinrich, Zeppelin und der Geheimrat Hergesellstiegen mit dem Fesselballon auf I— Was an der ganzen Fanfaredran ist, wird man das nächste Jahr sehen. Wir fürchten, die Lust-schiffe werden den Nordpol und Umgegend ungeschoren lasten(unddie Veranstalter beabsichttgen auch nichts Ernstliches).— Der Erfinder des Saccharin, Dr. Fahlberg, ist inBad Nassau gestorben. F. hatte seine Entdeckung bereits 1879 lnNew Jork gemacht, aber die Herstellung im großen, die ihmMillionen einbrachte, begann erst in den 80er Jahren. Saccharin,der künstliche Süßstoff, der 600 mal so süß wie Zucker ist, wird ausSteinkohlenteer gewonnen, das ja auch Ausgangspunkt für vieleandere chemische Entdeckungen wurde. DaS Saccharin hat bekannt«lich keinen Nährwert; es ist besonders für Kranke dienlich, denenZucker verboten ist. Durch Reichsgesetz ist die Fabrikation unterKontrolle gestellt und die Verwendung als Zuckerersatz außer zumedizinischen Zwecken(im agrarischen Jntcreste) verboten.— Der VI Internationale Esperantokongreßwurde am Montag in Washington in Anwesenheit von etwa1000 Delegierten, darunter zahlreichen Deutschen, eröffnet. Es sind37 Länder und neun Regierungen vertreten.