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Ar. Kl. N.ZahrMz. 3. Keilm des Ismiirls" Kerlim WlksdlM Wtwoch. l7. August im, Berliner   JVaebriebten. Die Lungenheilstätte Gravowfer war von unS vor einiger Zeit zum Gegenstand kritisierender Be- trachtungen gemacht worden. Der Chefarzt Dr. Schultes unternahm darauf den Versuch, sich mit einer lahmen Erwiderung zu wehren, indem er eine nebensächliche Einzelheit korrigierte. Wir gönnen solchen Herrschasten dieses billige Vergnügen, wenn sie nur hinterher die Mißstände beseitigen, die wir gerügt haben. Unsere Kritik an der Anstalt Grabowsee richtete sich vornehmlich gegen den dort herrschenden Brauch, die Patienten zu allerlei keineswegs gesundheitsschädigenden Arbeiten zu nötigen, die man Kranken doch zu allerletzt zumuten sollte. Hierin soll seitdem sich einiges geändert haben, aber zu wünschen bleibt sagt man uns leider auch jetzt noch genug, und noch immer ist nicht die Klage verstummt, daß Patienten zu schweren Arbeiten herangezogen werden. Wir wiederholen: die Hausordnung spricht von l e i ch t e n Arbeiten", an denen die Kranken.sich, soweil. eS zur Förderung ihrer Gesundheit nötig ist, auf ärztliche Anordnung zu beteiligen haben". Andere Klagen beziehen sich auf die B e k ö st i g u n g, die sehr wenig schmackhaft sei. Diese Beschwerde kehrt hier und in anderen Anstalten immer wieder, es ist aber meist überaus schwer, bestimmte Feststellungen darüber zu machen, weil in diesem Punkt die Meinungen auch unter den Pattenten gewöhnlich sehr auseinander- gehen."Bezüglich Grabowsees wird indes behauptet, daß manche Speisen gelegentlich auch in der Qualität nicht einwand- frei seien. Ein paar Patienten hatten darüber geklagt, daß das Schmalz beziehungsweise die Wurst ihnen zu unappetitlich dufte. Der Arzt Dr. v. Homaier soll geantwortet haben mit dem Rat, trocken Brot zu essen. Und der Beschwerdeführer, dem die Wurst verdächttg vorkam, wurde von der Oberschwester belehrt, eS sei ja nur der Darm, der so rieche. Merkwürdiges berichtet man uns über die Kleidung, die den Pattenten in der Anstalt gewährt wird. Sie soll oft schon so abgenutzt sein, daß immer wieder Reparaturen nötig werden. Wenn dann ein Patient z. B. seine Hose als nicht mehr benutzungs fähig anmeldet und um Ersatz bittet, kann's passieren, daß ihm empfohlen wird, sich ins Bett zu legen, bis die Hose geflickt ist. Auf berarttge Redensarten die richtige Autwort zu geben, ist da draußen in Grabowsee riskant. Du kannst nie wissen, ob du nicht wegen.Unbotmäßigkeit" rascher entlassen wirst, als dir lieb ist. Bei solchen plötzlich verfügten Ausweisungen wird in Grabowsee ebenso wie in vielen anderen Anstalten dieser Art nach dem Grundsatz verfahren, daß der Ucbeltäter un- verzügu seine Sachen zu packen hat, damit er in kürzester Zeit abdampfen kann. Bor einigen Wochen hat ein Pattent, der entlassen wurde, aber seine reparaturbedürfttgen Sttefel einem Schuhmacher nach Oranienburg   mitgegeben hatte, die Anstalt Grabowsee in Holzpantinen Verlasien, weil ihm nicht erlaubt wurde, länger in ihr zu weilen. Daß er in Holzpantinen den Heimweg antrat, kann dem Personal nicht unbekannt geblieben sein; der Pattent soll ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß er seine Stiefel noch beim Schuhmacher in Oranienburg   habe. Uns wundert nur, daß die Anstalt ihm die Benutzung ihres Eigentums der Holzpantinen über die Entlastung hinaus gestattete. Man kann eS begreifen, daß derartige Zustände und Borkomm niff« nicht dazu beitragen, das BerhältniS zwischen Patienten und Personal steundlicher zu gestalten. Wir fürchten auch, baß der K u r erfolg dadurch nicht gefördert wird. Wie sagt doch die Hausordnung?»Zum Kurerfolg ist nicht nur gute körperliche Pflege der Kranken, sondern vor allem auch ihre ungestörte seelische Ruhe notwendig." Aber dieser Satz der Hausordnung soll aller dings nur dazu dienen, die daran anknüpfende Mahnung zum »vohlgesttteten Verhalten der Kranken gegen einander' zu be Münden._ Bon einen gewaltigen Fener ist vorgestern das Grundstück Warschauer Straße 01, an der KopernikuS- straße, bettoffen worden. Leider find bei dem Brande mehrere Feuerwehrmänner verletzt und andere schwer erkrankt. Ueber das Feuer, das erst nach fiebenstündiger Tätigkeit gelöscht war, wirb uns berichtet: Am Montagabend wurde die Feuerwehr von vier Seiten auS nach der Warschauer Straße 01 alarmiert. Als Brandinspestor Teubner dort mit den Zügen V, 0, 7 und 8 ankam, stand das zweite Ouergebäude in Flammen. Diese hatten an den großen Vorräten, besonders an Holzleisten und Brettern, reiche Nahrung gefunden. Der Brandherd lag allem Anschein nach im Keller des großen Gebäudes. Die Hitze, die sich entwickelte, war unerträglich, noch mehr aber die enorme Oualmentwickelung. Brandmeister Foth ließ wegen der großen Gefahr für die übrigen Bettiebe in den an» grenzenden Gebäudeteilen alle Wachen benachrichtigen, Branddirektor Reichel eilte sofort zur Brandstelle, wo inzwischen noch andere Züge eingetroffen waren. Von allen Seiten wurde vorgegangen. Mit achtzehn Schlauchleitungen, darunter 4 U- Rohre und 14 0- Rohre von Dampfspritzen, wurde stundenlang Wasser gegeben. Höfe, Treppen und Fußböden, besonders der Keller standen bald unter Master. Trotzdem war die Löschung schwer. Die Flammen fanden immer neue Nahrung an den Hölzern und unter der Einwirkung der Hitze oerdunstete das Wasser schnell. Der Feuerwehrmann Fischer erkrankte so schwer auf der Brandstelle, daß er gleich nach dem Krankenhause am Friedrichshain   geschafft werden mußte. Ober feuerwehrmann Welack wurde dann ebenfalls auf Anraten eines Arztes nach diesem Krankenhause gebracht. Die Feuerwehrmännner Zippan, Kmschke, Peukert, ZiSke und Pußlack, sowie der Oberfeuerwehrmann Juschkat wurden infolge Erkrankung nach ihren Wohnungen entlasten, dieselben werden ärztlich be- handelt. Dann wurde der Feuerwehrmann Schulz mit einem Tender nach dem Krankenhause geschafft und der Feuerwehrmann Herrmann mit einem Fahrzeug nach seiner Wohnung gebracht. Der Riesenkellkr, in dem mehrere Eisenbahnzüge Holz lagerten, ist natür- lich total ausgebrannt. Die oberen Stockwerke haben trotz der un- beschreiblichen Hitze dank der feuersicheren Konstruktion nur wenig gelitten. Eine Dampfmaschine scheint etwas beschädigt zu sein. Der Schaden wäre unendlich größer geworden, wenn die Mauern und Pfeiler aus festen Quadern und die feuersicheren Decken nicht stand- gehalten hätten. Die Feuerwehr hielt sie aber tapser unter Wasser und dadurch gelang es, die oberen Geschoste zu schützen. Hier bei diesem Riesenbrande hat sich wieder einmal zur Evidenz gezeigt. welchen Wert eine solide Baukonstruktton besitzt. Ohne diese wäre das große Grundstück verloren gewesen. Die Feuerwehr war gestern noch bis Mittag an der Brandstelle tättg, um das Master aus den Kellereien zu pumpen. Gleichzeittg hatte die Feuerwehr zwei größere Brände auf dem Echlcsischen Güterbahnhof am Rummelsburger Platz zu löschen, wo Borräte an Preßkohlen sich entzündet hatten und in einer Aus- behnung brannten, daß tüchttg Master gegeben werden mußte. Grober Uufug lag wieder einmal einer Feuermeldung zugrunde, die nachts um 2 Uhr von der Kurfürstensttaße 150 einlief. Der Täter ist leider unerkannt entkommen. Durch Kurzschluß kam abends in einem Kinematographen-Theater in der Sttaße Alt-Moabit 122 Feuer aus, das auf seinen Herd beschränkt werden konnte. In der Mariannenstr. 43 brannte eine Schaufenstermarkise. Auf dem Hofe des Krankenhauses Moabit  , Turmfttaße, geriet am Dienstag ein Automobil in Brand und in einem Laden in der Hohenlohestt. 4 mußten Preßkohlen abgelöscht werden, die sich dort selbst entzündet hatten. Wie gestern abend gemeldet wmde, ist in dem Befinden der erttankten Oberfeuermänner und Mannschaften eine Besserung ein- getteten. Die Feuerwehr war am Dienstag noch bis zum Abend an der Brandstelle mit Auspumpen des Masters und dem Austäumen der Brandstelle beschäftigt. Zur Löschung deS Brandes wurden von den 8 Dampfspritzen über eine Million Liter Wasser verbraucht. Der Schaden wird von mehreren Versicherungsgesellschaften gettagen. Wie hoch derselbe ist, ließ sich gestern noch nicht feststellen. Im Zeiche« der Leibesübungen. Zur dritten Turnstunde ist unseren Schulen eine neue Anordnung beschert worden. An den Tagen, an denen kein Turnunterricht stattfindet, sollen nach guter Lüftung in den Klassenzimmern noch bester aber im Freien 5 bis 10 Minuten AtmungSübungen angestellt werden. Hiermit bereits angestellte Versuche sollen zu guten Ergebnissen geführt haben. So sehr alle dahin gehenden Bestrebungen mit Freuden zu begrüßen find, so sehr ist es aber auch wünschenswert, daß darunter nicht wichtige Lehrfächer leiden. Daß man die dritte Turnstunde gerade dem Deutschunterricht abgezwackt hat, ist sehr bedauerlich. Könnte man nun nicht das Frischeluftschnappen in den Religionsunterricht verlegen? Ausstellung von felbstgezogene« Slune«. Der Verein zur Pflege der Blumenzucht in der Volksschule veranstaltet vom 25. 30. August im Humboldihain eine Ausstellung, die den Schülern und Eltern zugänglich sein soll. Die von den Schülern im Laufe des Sommers gepflegten Pflanzen sollen zu malerischen Gruppen vereinigt werden und den Zweck haben, weitere Kreise für die Sache zu interessieren. Gut gewachsene Exemplare find von den Schülern in den Schulen abzugeben, von wo sie durch die Pflanzenwagen nach dem Humboldt« haiu befördert werden. Hoffentlich bekommen die Kinder ihre Blumen auch unversehrt und sicher wieder zurück, so daß sie nicht um eines dekorativen Zweckes willen um den Erfolg ihrer Mühen kommen. Die städtische Deputation für Kuustzweckr hat zm Erlangung von künstlerischen Modellen für die Anferttgung von Plaketten, welche von der Stadtgemeinde Berlin   in geeigneten Fällen verliehen werden sollen, unter den in Deutschland   ansässigen Künstlern einen Wett- bewerb ausgeschrieben. Für diesen Wettbewerb find Preise von 4000 M. bis 1000 M.(im Gesamtbettage von 8000 M.) ausgesetzt worden. Die Modelle find bis zum 1. Februar 1911 bei der Deputtaion, Rathaus, Zimmer 90, einzureichen. DaS Preisrichteramt haben übernommen: Stadtverordneter, königl. Baurat Profeffor Cremer; Stadtbaurat, Geheimer Baurat Dr. Ludwig Hoffmann  ; Bürgerdeputterter, Bildhauer Profeffor F. Schaper; Bildhauer Profeffor I. Taschner; Bildhauer Profeffor Tuaillon. Die Wett« bewerbs-Bedingungen find von der Deputatton unentgeltlich zu beziehen Schnell« Lelohmmg. Eine Dame rettete vor vier Wochen, während sie bei ihrem Onkel in der Sommerftifche zu Besuch weilte, ein Kind vom Ertrinken. Wer daS meistens sehr umständliche Ver« fahren bei der Verleihung der preußischen Rettungsmedaille kennt, den wird es wundern, daß diese Dame schon die Rettungsmedaille am Bande erhalten hat. Die Glückliche ist nämlich die Tochter eines königlich preußischen Generals und die Richte eines königlich preußischen Landrats. In Zukunft sollen alle nichtadeligen Personen aus unteren und untersten Ständen, die einen Mitmenschen aus Todesgefahr retten, innerhalb vier Wochen mit der Rettungsmedaille bedacht werden. Die bisher in solchen Fällen übliche öffentliche Belobigung nach ftühestenS Jahresfrist im Amtsblatt der Regierung gibt es nur noch beim Aufhalten durchgehender Gäule. Mit Ausnahme von Schutz« lcuten, die ohne weiteres auf die Rettungsmedaille Anspruch haben. Die Aufnahme in die städtische Taubstummenschule findet anfangs April und Oktober statt. Eltern oder Vormünder taubstummer schul- fähiger und noch nicht eingeschulter Kinder werden darauf aufmerksam gemacht, daß Anmeldungen zum bevorstehenden Wintersemester bis spätestens 1. Oktober er. bei dem stellvertretenden Direktor, Lehrer Dost, MarkuSstr. 49, anzubringen sind. Darlehen auf Möbel. Unter der Bezeichnung»Geld« verkehr" befindet sich in den bürgerlichen Blättern täglich eine Anzahl kleiner Anzeigen, durch die S e l b st g e b e r oder Bank- kommissionäre Gelddarlehen oder GeschäftSgelder ohne Bürgen auf Möbel gegen mäßige Zinsen und bequeme Rückzahlung, diskret, bei sofortiger Auszahlung anbieten. Wer käme dadurch wohl nicht auf den Gedanken, daß eine neue Zeit angebrochen sei, in der den Pfandhäusern eine gefährliche Konkurrenz erwachsen muffe. Wie war eS nur möglich, daß man solange die Notlage so unbequem er- tragen hatte, indem man sich von dem lieben Eigentum, daS irgend einen Wert für andere darstellt, trennte und Uhren, Ringe, Kleider, Wäsche und Betten usw. zum Leihhause brachte. Geld auf Möbel, nattirlich ohne dieselben entbehren zu müssen, da« Pf and stück im eigenen Hause, ist eine Idee, die ohne Zweifel auch bei denen anziehend wirkt, die nicht auS Rot   ums tägliche B r o t sondern z u GeschäftSzwecken, zu Reisen, Ver- gnügungen usw. momentan geldbedürftig sind. Auf diese Weise sind die Wartezimmer dieser inserierenden Geldgeber über füllt. Besonderes Verttauen genießen natürlich schon wegen der Schnelligkeit der Erledigung die Selbstgeber oder Darlehnsbanken. Auch in der Rosenthalersttaße befindet sich eine DarlehttSbank*. DaS Wartezimmer ist schon vormittags überfüllt. Der Reihe nach treten die Darlehnssucher, natürlich einzeln, bei dem Herrn Direkror ein, der in weißer Weste seine.Patienten" empfängt. Ohne viele Worte zu machen, erklärt der Herr Direktor:»Wir geben Geld auf Möbel, natürlich nach dem Taxwert." Auf die weitere Frage, ob die Bank etwa die Möbel in Verwahrung nehme, entgegnet der Herr Direktor:Wir haben doch keinen Speicher. Wir verlangen nur Rechte an Möbeln und schließen dann einen Verttag über die Rückzahlung", dabei schiebt er ein AnttagSsormular vor, das der Geldsuchende nur mit der Höhe deS gewünschten Darlehens und seiner Unterschrift zu versehen hat. Alsdann verlangt der Herr Direktor einen Vorschuß zur Deckung der Auslagen für die Besich- tigung und Taxierung der Möbel in Höhe von 0 M., worüber er folgende Quittung erteilt:Für Auslagen und Aufwendungen in meiner Angelegenheit habe ich heute nach§ 652 Abs. 2 des B. B.-G. sechs Mark gezahlt," damit wäre das Geschäft erledigt. Der Geld- suchende wird darauf entlassen mit dem Wunsche, dafür zu forgeu, daß im Laufe deS Tages jemand zu Hause sei,' da derBeamte" sofort den Auftrag zur Prüfung erhalte und sobald der Bericht bei der Bank eingehe, werde das Darlehen sofort ausgezahlt. Am nächsten Tage erscheint denn auch tatsächlich ein Angestellter der Darlehnsbank, besichtigt und taxiert die in Frage kommenden Möbel, nimmt darüber unter Benutzung eines Formulars einen Bericht auf und läßt sich die Mietequittung zeigen. Am dritten Tage soll dann die Auszahlung erfolgen. Wenn die Darlehnssumme die knappe Taxe nicht übersteigt und deswegen eine Ablehnung nicht möglich ist. verlangt dann der Herr Direktor, daß ihm Anrecht an den Möbeln verschafft werde. Ueber die Form schlägt er dann ver, die Möbel nach einem Lombardspeicher schaffen zu lasten, damit er die Sachen kaufen und beleihen könne. Der Darlehnsuchende ist enttäuscht. Auf seine Erwiderung, daß ihm davon, obgleich er danach geftagt, bei Erteilung deS Auftrages nichts gesagt sei, anderenfalls er darauf verzichtet haben würde, erklärt der Herr Direltor, daß ihm anders gesetzliche Anrechte, indem die gekauften suchen geliefert würden, nicht verschafft werden könnten. Er gehe streng nach dem Gesetz, da er stch vor Schwindlern schützen müsse. Auch oas Verlangen, dann wenigstens den Vorschuß abzüglich der minimalen Unkosten für den Taxator zu erstatten, lehnt der Herr Direttor rundweg ab, da er dieselben seinem Taxator zahlen müffe, andernfalls er den Bericht nicht bekomme. So war die neuzeitliche Einrichtung mit dem Darlehn auf Möbel eine Täuschung des Geldbedürftigen. Wie vielen mag es so ergchen und wie viele in Not befindliche Arme opfern noch auf diese Weise die letzten 0 M. als Auslagenvorschuß, um sich den Rat dafür zu holen, die Möbel auf einen Lombard- speicher schaffen und sich dann beleihen zu lassen. Deshalb Vorsicht vor dieser Kreditreform, die sich als leichte Geldquelle ftir die»Dar- lehnsbank" selbst erweist. Ein gefährlicher Stellenschwindler wurde von der hiesigen Kriminalpolizei unschädlich gemacht. Ein Arbeiter Johannes Voigt  , der ausschließlich vom Schwindel lebte, trieb sich besonders an den Arbeitsnachweisen der Bäcker und Fleischer umher, gab stch für den Werlmeister eines großen Betriebes aus und schwindelte Arbeit- suchenden vor. daß er ihnen sofort lohnende Beschäftigung geben könnte. Froh, Arbeit gefunden zu haben, gingen die Leute gleich mit ihrem neuen Werkmeister mit, der sie unverzüglich in den Bettieb einführen wollte. Am nächsten Eckhaus fiel eS ihm ein. rasch noch seiner Schwester, die dort wohne, guten Tag zu sagen. Zuweilen war es auch ein Bekannter, den er im Vorübergehen begrüßen wollte. Bald kam er dann aus die Straße zurück und erzählte dem neuangenommenen Manne, seine Schwester oder der Bekannte wolle eine Reise antteten und dafür von ihm 60 M. leihen. Er gebe sie gern, habe aber leider augenblicklich nicht soviel bei sich. Bereit- willigst sprang auf den ersten Wink der neue Arbeiter ein und gab. was er hatte. Voigt ging wieder in das HauS hinein, um das Geld abzuliefern und verschwand mit der Beute durch den zweiten Ausgang. Acht Fälle dieser Art sind ihm nachgewiesen. Unter dem Verdacht deS Totschlags fcstgeuommen wurde der 33jährige Arbeiter Richard Roggow aus der Koloniestraße. Es handelt sich um einen Vorfall, der sich am Montag in der Kolonie- straße 73 abgespielt hatte. Dort stürzte der Arbeiter Voit vom Dache und starb bald darauf. Der Arbeiter Roggow, der auf dem Dache mit beschäftigt war, stellte den Vorfall so dar, als ob Voit durch einen Fehltritt oder sonst ein Versehen ohne seine Schuld vom Dache gefallen sei. Er behauptete, den Voit nicht angerührt zu haben. Die eingehende Zeugenvernehmung soll jedoch die Dar» stellung Roggows vollständig widerlegt haben. Roggow wurde in« folgedessen festgenommen und unter dem Verdacht des Totschlags dem Untersuchungsrichter zugeführt. Große Empörung löste am Sonntagabend unter den Paffanten ein Borgang aus, der sich in der Provinzstraße in R ei nicken» d o r f abspielte. Ein Fahrgast wurde, weil zwischen ihm und anderen Fahrgästen ein Stteit um den Platz entstanden war, an der Haltestelle des genannten Straßenzuges von dem Schaffner so- wie dem Führer eines Wagens der Linie 30(Schönholz Reinicken- dorf) ausgefordert, den Wagen zu verlassen. Da der Fahrgast bereits bezahlt hatte, wollte er diesem Ersuchen nur dann Folge geben, wenn er das Fahrgeld wieder zurückerhalte. Plötzlich wurde der Fahrgast von einem Hund angesprungen und in bei: Arm ge- bissen. In unmittelbarer Nähe befanden sich drei Gemeindediener, denen der Hund gehörte. Da der Fahrgast wenig Neigung empfand, sich von einem Polizeihund zerfleischen zu lassen, suchte er diesen mit dem Schirm abzuwehren. Doch in diesem Augenblick sprangen auch schon zwei der dort stehenden Gemcindediener hinzu, nahmen den Fahrgast fest und führten ihn nach der in der Hoppestraße be- findlichen Wache. Unterwegs wurde dem Arrestanten, der sich sofort bereit erklärt hatte, den Beamten zu folgen, der Knebel am Hand» gelenk angelegt. Auf der Wache steckte man den Arrestanten in die Arrestzelle, in welcher er von>/x10 Uhr bis Vzl Uhr nachts ver­bleiben mußte. Wie uns mitgeteilt wird, konnten die Beamten die verschloffene Tür der Arrestzelle nicht wieder aufbekommen, so daß sie erst nach längerer Zeit wieder zu dem Arrestanten gelangen und ihn fteilasien konnten. Soweit der uns geschilderte Vorgang. Ist eS an sich schon unerhört, daß verhaftete Personen, die auch nicht den geringsten Widerstand auf dem Gang zur Wache anwenden, geknebelt und auf der Wache stundenlang ihrer Freiheit berauht werden, so muß es jeden Menschen empören, daß Polizeihunde auf das Publikum losgelassen werden. Bis jetzt hieß es, die vier- beinigen Polizeigehilfen seien vermöge ihres ausgeprägten Geruchssinnes vorttefflich zur Ausklärung von Verbrechen geeignet; sollte es jedoch dahin kommen, daß diese Hunde bei xbeliebiger Gelegenheit auf das Publikum loögelaffen werden, so wäre es die höchste Zeit, daß diesem sträflichen Unfug Einhalt geboten würde. Wir können nicht an- nehmeil, daß die Gerneindediener angewiesen sind, den Hund wie dies hier geschehen, auf harmlose Personen loSzulaffen. Unmenschlich lange Arbeitszeit! Kürzlich fand vor dem Berliner   KaufmannSgericht eine auch von uns mitgeteilte Verhandlung statt, in deren Verlauf der Vorsitzende es als unmenschlich bezeichnete, daß die Klägerin, eine Verkäuferin, Tag für Tag zwölf Stunden hintereinander an die Arbeit gefesselt worden ist. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung des eingeklagten Nestgehaltes verurteilt. Gegen diese sehr verständige Auffaffung deS Gerichtsvorsitzenden wendet sich eine dem»Berliner Tageblatt" zugegangene Zuschrift aus I Arbeitgeberkreisen, in der die Ansicht vertreten wird, daß die Verkäuferin im Detailbetrieb nur zwei bis drei Stunden täglich wirklich zu arbeiten hat, während in der übrigen Zeit das Geschäft nur .klappert". Die Verläuferin habe also genug Zeit, stch durch Lektüre weiter zu bilden, kleine private Handarbeiten anzufertigen und an der Ladentür frische Luft zu schöpfen. der Laden während der gesamten Geschäftszeit nicht geschlossen werden könne, sei eine größere Mittagspause, namentlich in Filialen, undurchführbar. DaS verbiete sich auch aus der Unmöglichkeit, für Vertretung, Kassenübernahme, Warenveramwortlichkeit und dergleichen zu sorgen. Alles, was der betreffende menschenfreundliche Arbeitgeber hier als unmöglich hinstellt, müßte und lvllrde sofort möglich werden, wenn derartige Geschäftsinhaber gesetzlich gezwungen sind, ihrem Filialpersonal eine anderthalb- oder zweistündige Mittagspause zu gewähren. Der Artikelschreiber läßt sogar durchblicken, daß jetzr noch nicht mal die gesetzlich vorgeschriebene halbstündige Mittagspause, weil sie mit den praktischen Geschäftsvcrhältnissen unvereinbar sei, innegehalten, vielmehr die Verkäuferin gezwungen wird, vom Mittag« effen aufzuspringen und Kunden zu bedienen. Nur weil eine Vorschrift über eine längere ungestörte Mittagspause leider noch nicht besteht, hälr man sich für berechtigt, die Arbeitskrast und Arbeitszeir der Verkäuferin bis zur äußersten Grenze der Möglichkeit auszunutzen. Grundverkehrt ist auch die Meinung über die.wirkliche" Arbeitszeit. Weiß der kaufmännische Einsender noch nicht, daß in d--r weit über- wiegenden Mehrzahl von Ladengeschästen den Verkäuferinnen daS Sitzen hinter dem Ladentisch streirg und bei Strafe der Entlassung verboten ist? Wie sollen sie da wohl Handarbeiten an- ferttgen können? Auch diejenigen Ladengeschästsinhaber, welche ihren Verkäuferinnen gestatten, bei kundenleerem Laden an der Ladentür herumzustehen und frische Lust zu schöpfen, werden wohl mit der Laterne zu suchen sein. Genau so steht eS mit der Lektüre. Die übergroße Mehrzahl aller Geschäftsleute dulden die Lektüre bei Verkäuferinnen während der Beschäftigungszeit nicht, weil das Lesen nach ihrer Ansicht auf eintretende Kunden keinen guten Eindruck macht. Jede Verkäuferin wird bestätigen, daß die UiuätigW im LadWgeschäst weit mumgeilehmer empfunden wird