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r- FeuerSeffrVericht. Wegen eines gefährlichen Brandes Kurde in der letzten Nacht der 16. Zug nach der Fennstratze 22/26 alar- miert. Dort standen auf dem Kohlenbahnhof Wedding Preßkohlen stapel in Flammen. Durch kräftiges Wassergeben und Umstapeln gelang es, den Brand zu lokalisieren. Derselbe Zug mußte vor dem Hause Pankstratze 1a ein Verkehrshindernis beseitigen. Am Grünen Weg 83 brannte Stroh in einem Pferdestall und Dirksen straße 66 ein Schornstein. Außerdem hatte die Feuerwehr in der Grenadierstraße und an anderen Stellen zu tun. Die Neue freie Volksbühne tritt im kommenden Monat in ihr 21. Spieljahr mit folgenden Eröffnungsvorstellungen ein:»Die Stützen der Gesellschaft" von Ibsen ,Gawsn" von Eduard Stucken , .Judith" von Hebbel ,Tartüff" von Moliöre- Fulda,.Der ideale Gatte"»vv« Wilde..Egmont",.Neue Jugend' von Tor Heöbrrg.Pariser Leben " von Offenbach ,Die Glocken von Corneville" von Rob. Planquette,Der Troubadonr". Die Nach» mittagsabteilungen sind bereits alle, die neuen Abendabteilungen schon zur Hälfte gefüllt. Für die noch offenen und die gemischten Abteilungen nehmen noch alle 82 Zahlstellen, sowie die Geschäfts- stelle, Köpnicker Str. 68, Anmeldungen entgegen. In der Gottschcid-Oper im Schillertheatrr 0 geht als letzte Neu- heit am Freitag Message rs feinkomische Oper.Die kleine M i ch u" in Szene. Vorort- �admcktem Rixdorf. Die hiesigen Mitglieder des Deutschen Holzarbeiter-Berbandes berieten am 16. d. M. in einer Versammlung über den Zusammen- schluß der Vorortzahlstcllen mit Berlin . In dieser Angelegenheit hielt der Gauvorsteher Stusche ein kurzes Referat, in dem er die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Zusammenschlusses aus- cinandersetzte. Die Mitglieder lehnten jedoch den Zusammenschluß ab mit dem Hinweis, daß sie ihre Selbständigkeit und die geringen Vorteile, die«hnen die eigene Zahlstelle noch biete, nicht aufgeben wollen. Auch der Bevollmächtigte von Berlin und Leipart vom Hauptvorstand vermochten nicht die Mitglieder zu einem Zusammen- schluß zu bewegen. Die Abstimmung ergab 264 Stimmen gegen und 64 Stimmen kür den Zusammenschluß. Mithin ist ein Zu- sammenschluß der Zahlstelle Rixdorf mit Berlin vorläufig gescheitert. Eharlottenburg. Ein größerer Fabrikbrand alarmierte gestern nacht die Charlotten- burger Feuerwehr. Im Hause Gutenbergstr. 3 brannte ein größerer Kessel mit Wachs, der sich in den Räumen der Deutschen Zerestn« werke befindet und zum Kochen von Kabelwachs benutzt wird. Da der Feuerherd sich unter dem Kessel befand, vermochte die Wehr die slrsache des Brandes nicht soforr zu entdecken, zumal die enorme Ranchentwickelung die Arbeiten sehr erschwerte. Unter großen Mühen mußte der 666 Kilogramm fassende Kessel abgefüllt und entfernt werden. Erst nach dieser Arbeit stieß man auf das Feuer, das be- reitS auf die Dampfwäscherei von Lowinsky überaeiprungen war. Erst nach dreistündiger Tätigkeit konnte die Gewalt des Brandes ge- brocken werden. Der Brandschaden ist durch Versicherung gedeckt, die Betriebe erleiden keine Unterbrechung. Köpenick . Im hiesigen Krankenhause verbrannt ist vorgestern ein zehn- jährigeS Mädchen. Das Kind riß während der Nacht ein Nachtlicht um, wobei die Betten in Brand gerieten. ES erlitt dabei so schwere Brandwunden, daß jede Rettung ausgeschlossen war. Teltow . Die gegenwärtige politische Lage beleuchtete Genosse Kubig in der am Dienstag stattgefundenen gut besuchten Mitaliederversamm- lung deS Wahlvereins. Dem Redner wurde lebhafter Beifall ge- spendet. Den Bericht von der Kreisgeneralversammlung erstattete Genosse W. Keßler. In der Diskussion wies Genosse W. Bonow darauf hin. daß die Beitragserhöhung im Kreise um 16 Pf. an- genommen sei, er könne sich jedoch mit der Erhöhung nicht einver- standen erklären. AlS Delegierte zur Verbandsgeneralversammlung wurden der Vorsitzende W. Bonow und F. Bielke gewählt. Zur Auf- nähme meldeten sich 2 Genossen. Weiffensee. Der Zusammenschluß aller am Orte bestehenden Arbeiter-Gcsang- vereine ist nunmehr erfolgt. Die Uebungsstunden deS neuen Ver- eins, der den NamenMännerchor Weißensee" führt, finden jeden Freitagabend von» bis 11 Uhr in Nestau- rantPrälaten", Lehderstr. 122 statt. Alle stimmbegabten Genossen werden gebeten, den Verein in seinem Bestreben, auf dem Gebiete deS Männergesanges mustergültiges zu leisten, durch regen Beitritt zu unterstützen. Birkenwerder . Gerüchte vou einem Morde waren gestern früh in Birkenwerder verbreitet. In der Nähe der dortigen Bahnstation fanden Passanten den Rumpf einer männlichen Leiche, von der die Füße abgetrennt waren. Anfangs glaubte man. daß eS sich um ein Verbrechen handle. Die ejugeleitetesn Ermittelungen ergaben jedoch, daß es sich un- zweifelhaft um einen Selbstmord handelt. Der Unbekannte hatte sein Jackett ausgezogen und sich dann vor einen heranbrausenden Zug geworfen; er wurde überfahren und der Körper furchtbar ver- stümmelt. Der Tote, dessen Hemd mit H. N. gezeichnet war. ist ein junger Mann von etwa IS 26 Jahren: er trug einen graukarierten Anzug und eisenbeschlagene Schnürstiefel, hatte dunkelblonde Haare und ein ovales Gesicht. Ein Gebiß fand man in der Tasche seines Jacketts. Die Leiche wurde beschlagnahmt. Spandau . Der KonsumvereinMerkur " hielt am Mittwoch im Lokale Gottwalt, Tchönwalder Straße 80, seine ordentliche Generalversamm- lung ab. Nach einem beifällig aufgenommenen Vortrag über die Notwendigkeit der vollständigen Sonntagsruhe wurden die Berichte des Vorstandes und des AufsichtsratS entgegengenommen. Die Be- richte zeigen ein ständiges Wachsen deS Vereins, besonders im letzten Vierteljahr. Im letzten Dreivierteljahr ist die Mitgliederzahl um 100 Proz. gestiegen; im gleichen Maße ist auch der Umsatz ge- wachsen. Zu einer teilwcis sehr erregten Debatte kam es anläßlich deS Antrages der Verwaltung auf Anstellung eine? Geschäftsführers, der nach vielem für und wider angenommen wurde. Genosse Hornig wurde dann fast einstimmig zum Geschäftsführer gewählt. Von den neu zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedern wurden die Genossen Neßling und Krause wieder und der Genosse MistelSky neu gewählt. ßm der frauenbewegunef. Brostkinder und Flaschenkinder. Eine Arbeit von Marie Baum bietet wertvolle? Material über die Sterblichkeit und Lebensbedingungen der Säuglinge im Kreise Nenß sowie in den Stadtkreisen M.-Gladbach und Rheydt und in dem Landkreise Gladbach. Danach ergeben sich folgende SterblichkeitS- : Kinder Brust- Flaschen- überhaupt linder linder Stadt Neuß.... 20,1 Proz. 11,4 Proz. 30.6 Proz. Landg. Neuß ... 16.0, 7,2 20,6, Stadt M.-Gladbach. 14,9 8,7 26,4 Landg. M.-Gladbach. 17.3. 8.6 34.7 Rheydt ..... 13,0 6.2. 26,4 Die Ergebnisse zeigen, in welch ungünstiger Weife die Flaschen- stillung gegenüber der Bruststillung auf die Lebenskraft des Kindes einwirkt. Je ausgedehnter die Bruststillung, je niedriger die Sterb- lichkeitsziffer. Daher auch die Sttllprämien. Aber diese entlocken der verdorrten Brust auch keinen Tropfen Milch. Da in unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung hauptsächlich die Arbeiterfrauen mitarbeiten muffen, hat auch deren Nachwuchs unter diesem Uebel- stand am meisten zu leiden. In M.-Gladbach und Rheydt wurden mittels Flasche genährt, wenn die Mutter erwerbstätig war, von hundert ehelichen Säuglingen 63 Kinder, wenn sie nicht erwerbstätig war, dagegen nur 34 Kinder. Im Landkreis M.-Gladbach wurden von den von der Statistik erfaßten 218 Flaschenkindern 17 Proz. desbalb nicht von der Mutter gestillt, weil diese aus beruflichen Gründen daran gehindert war; im Stadtkreis M.-Gladbach waren es von 139 Flaschenkindern 17 Proz., in Rheydt von 66 Kindern 13 Proz. und in Neuß von 61 Kindern 7 Proz. Noch häufiger als Fernsein der Mutter aber ist daS Versiegen der Milch Ursache der Flaschen- stillung. Selbstredend müssen die unehelichen Kinder zumeist unter der Mißgunst der Verhältnisse leiden. Jngendveranstaltungen. Schöneverg. Heute abend 8'/, Uhr bei Polchmann, Borbergftratze: Vortrag deS Genossen Schenk. Nachher Wahl deS Ausschusses. Wilmersdorf . Die jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen wessen sich zwecks gemeinschaftlicher Sviele am Sonntagnachmittag 3 Uhr bei Seile, Brandenburgische Sw. 100. Bei ungünstiger Witterung finden im Jugend- heim Gesellschaftsspiele statt. Der Jugendausschuß. Freie Jugendorganisation Tegel . Am Sonnabend, den 20. August, findet eine Nachtpartie statt. Abmarsch abends um lli9 Uhr vom Bahnhofs- Platz über Hennigsdorf Pinnow Borgsdors Lehnitzsee Oranienburg. Rückfahrt'/,8 Uhr morgens. Fahrgeld 40 Ps. Freie Jugendorganisation Steglitz und Umgegend. Sonnabend, den 20. August, abends 8 Uhr, findet bei Wahrendors, Groß-Lichtersekde, Bäkesw. 22. eine Bezirlsversammlung statt, in der Kollege E. Wenzel einen Vortrag über das ThemaWas will die Freie Jugendorganisation" Höst. Sonntag, den 21. August: Schnitzelpartie nach dem Kaiser-Wilhelm-Turm Schildhorn. Abmarsch sllr Steglitz , Friedenau , Kroß-Lichterselde und Lankwitz um 3 Uhr vom Bahnhof Steglitz , für Zchlendors um 9 Uhr vor- mittags vom Bahnhof Zehiendors. Tresspunkt der sämtlichen Abteilungen um 11 Uhr bei PamSoorn. Jeden Dienstag, Mittwoch und Freitag von ll,S Uhr ab Spielen aus den Rauhen Berge», Bergstraße, Ecke BiSmarck- straße. Kolleginnen und Kollegen l Sorgt für eine zahlreiche Beteiligung. Auch die erwachsene Arbeiterschaft wird gebeten, ihre Söhne und Töchter, sowie jugendliche Bekannte zum Besuch unserer Veranstaltungen an- zuhalten. Boxhagen- NummelSburg- Stralau. Die Jugendlichrn sowie die Mitglieder deS Arbester< Jugendheims werden ersucht, sich an dem vom JugeneauSschusse Groß-Berltn zum Sonntag, den 21. August, arrangierten MasscnauSsiug nach Sadowa Pserdebucht nebst Angehörigen vollzählig zu betelligen. Tresspunlt vormittags 9 Uhr im Jugendheim, Alt-Boxbageu 66, vorn 1 Tr. Abmarsch 9 Uhr 30 Min. Der Rückmarsch erfolgt abends 6 Uhr. Der Jugendausschuß. Sericdts- Leitung. Polizeieifer am Tage des Wahlrechtsspazierganges. MS am 6. März die Polizei Berlins in Erwartung des Wahl- rechtsspaziergangeS den ganzen Südosten der Stadt gegen den Treptower Park abgesperrt hatte, wurde in der Schlefischen Swaße unter anderen auch ein Schloflcr Müller verhaftet.-Ihm wurde vor- geworfen, daß er die Sistierung eines anderen Mannes mitPfui"- Rufen begleitet habe. Müller bekam ein Strafmandat wegen groben Unfugs, beantragte aber richterliche Entscheidung und wurde vor dem Schöffengericht freigesprochen. Auf Grund der Beweisaufnahme wurde als möglich angesehen, daß M. sich nicht an den Pfui-Rufen der Menge beteiligt und die Polizei ihn irrtümlich herausgegriffen habe. Die Staatsanwaltschaft war anderer Meinung und legte Berufung ein, und so hatte am Donnerstag das Landgericht I durch die Ferienstrafkammer 4o zu entscheiden. Die Beweisaufnahme er- gab kein anderes-Bild als in der Verhandlung vor der ersten Instanz. Schutzmann Bandekow und Schutzmann Schulz bekundeten wieder mit unerschütterlicher Bestimmtheit, M. habe mit gerufen, das hätten sie genau gehört und auch gesehen. Bandekow behauptete sogar, ihm sei bei den Rufen M.'s fast der Speichel mS Gesicht geflogen. Dem­gegenüber bekundeten die von der Verteidigung geladenen Zeugen Pukownick, Müller, Mügge, Bcholz, Wruck, der AngeNagte habe nicht gerufen. Einige dieser Zeugen versicherten überein- stimmend, sie hätten es hören und auch sehen müssen, wenn der dicht bei ihnen stehende M. sich an den Pfuirufen beteiligt hätte. Bandekow habe, als die Pfuirufe hinter ihm erschallten, fich um- gedreht, sei zurückgekommen und habe M., der im Gefühl seiner Unschuld ruhig stehen geblieben sei, herausgegriffen. Der Angeklagte legte eine Bescheinigung seines Arbeitgebers darüber vor, daß er an jenem Sonntag gegen Abend eine schleunige Arbeit hatte ausführen sollen. Er befand sich gerade auf dem Wege zu seiner Arbeitsstätte, als er dem Pvlizrieifer zum Opfer fiel. Indes, der Staatsanwalt hielt es für zweifellos, daß die SchntzmannSauSsagen vollen Glauben verdienten. Im Hinblick auf die damals in Berlin herrschende Stimmung sei eS ja selbstverständlich, daß die dem Arbeiterstandt angehörenden Entlastungszeugen, wenn sie auch nicht wissentlich die Unwahrheit sagen wollten, doch den Angeklagten in ihrem Sinne beurteilten und seine Sache günstiger darstellten. M. sei mit fünf Tagen Haft zu bestrafen. Der Bcrteidiger Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfcld erwiderte, den Angriffen des Staatsanwalts gegen die Entlastungszeugen wolle er nicht die Behauptung entgegenstellen, daß die Schutzleute vor Gericht an ihren Bekundungen festhalten, weil fit fie einmal in der Anzeige so gemacht haben. Bezweifeln müsse man aber doch, daß in jener erregten Situatton die Schutz- leute so sicher zu beobachten vermocht hätten. M. sei frei­zusprechen. Wolle aber das Gericht ihn für schuldig halten, so sei gegenüber dem noch unbescholtenen Manne eine Haft- strafe zu hart. Der Angeklagte selber erklärte, daß er, wenn er mitgerufen hätte, eS für ehrlos hallen würde, hier nicht offen die Wahrheit zu bekennen und die Folgen zu tragen. Das Gericht sah, im Gegensatz zu der ersten Instanz, ihn als überführt an. Den Schutzleuten sei zu glauben, daß sie sicher beobachtet und den Richtigen gegriffen hätten. DaS Urteil lautete aus 30 Mark Geldstrafe? wegen MS Unbescholtenheit wurde von einer Freiheitsstrafe ab- gesehen. Gleichfalls am S. März hatte in der Friedrichstraße nahe dem Stadtbahnhof ein Arbeiter Jxmeier, mit einer Gruppe von Wahl- rechtsspaziergängern heimkehrend, in ein Wahlrechtshoch eingestimmt. Er wurde festgenommen, bekam ein Strafinandat wegen groben Unfugs, erhob Widerspruch und erzielte vor dem Schöffengericht Freisprechung, weil das Wahlrechtshoch nicht al« grober Unfug an- gesehen wurde. Auch hier legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, über die am Donnerstag dieselbe Ferien-Strafkammer 4o des Landgerichts I entschied. Schutzmann Buttel» der Jxmeier fest- genommen hatte, hatteden Eindruck empfangen", daß I. ein An- führet sei und selber das Wahlrechtshoch ausgebracht habe. Eine Störung sei dadurch insofern entstanden, als Paffanten aufmerksam wurden und stehen blieben. Ein Dienstmanu Reinicke unterstützte die SchutzmannSauSsage, daß I. zuerst Hoch gerufen habe. Dagegen bekundeten die von der Berteidigung geladenen Zeugen ProzewSky und Kreuter, daS Hoch habe ein anderer ausgebracht, I. habe nur eingestimmt. Kreuter sagt«, während des HochS sei dem Schutzmann die Beobachtung durch einen vorbeifahrenden Omnibus beeinträchtigt worden. Er habe dann aber Jxmeier herausgegriffen, weil der ihm der Nächste war. Obwohl diese beiden Zeugen versicherten, dicht neben I. gegangen zu sein, meinte der Staatsanwalt wieder, sie würden wohl nicht so genau wie der Schutzmann beobachtet haben, und er beantragte drei Tage Hast. Der Verteidiger Rechts- anwalt Dr. Knrt Rosenfeld wieS hin auf die bekannte Kammer» gerichtsentscheidung, daß ein Wahlrcchtshoch an fich noch kein grober Unfug ist. Von einer Störung könne doch keine Rede sein, wenn bei dem Hoch Paffanten stehen bleiben, sonst müsse ja auch jedes andere Hoch als grober Unfug aufgefaßt werden. I. sei frei- zusprechen. Dieser Auffassung schloß das Gericht sich an. Es er« kannte auf Freisprechung, weil nicht, erwiesen sei, daß I. mit seinem Wahlrechtshoch die öffentliche Ordnung gestört habe. Ein Salzsäureattentat einer geschiedenen Frau gegen ihren früheren Ehemann lag einer Anklage wegen qualifizierter Körperverletzung zugrunde, welche gestern unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Geier die 2. Ferienstrafkammer des Landgerichts I beschäftigie. AuS der Untersuchungshaft wurde die Frau Margarete Hase vorgeführt. Die Beweisaufnahme entrollte ein recht trübes Ehebild. Der Sattlermeister Hase ging vor mehreren Jahren, nachdem er schon vorher zweimal verheiratet gewesen war, in Stettin mit der jetzigen Angeklagten eine Ehe ein, obwohl ihm bekannt war, daß diese unter sittenpolizeilicher Kontrolle gestanden hatte und auch schon wegen Körperverletzung mit einem Jahre Gefängnis vor- bestraft war. Die Ehe war von Anfang an nicht glücklich und be. kam dadurch einen unlittbaren Riß, daß H. dahinter kam, daß es seine Frau, den Gewohnheiten ihres früheren Lebenswandels ent- sprechend, mit der ehelichen Treue nicht genau nahm. Es kam zu einem Ehescheidungsprozeß, bei welchem die Frau als Klägerin auftrat, während der Mann die Widerklage wegen jenes Ehebruchs erhob. Nachdem dieser Prozeß schon mehrere Instanzen durch­laufen war. kam eine Versöhnung der beiden Eheleute zustande. Die Frau zog ihre Klage zurück, während der Ehemann trotz seines Versprechens die Widerklage weitergehen ließ. Diese Tatsache brachte die infolge ihrer früheren Ausschweifungen stark nervös- hysterische Frau in eine maßlose Erregung. Sie legte gegen ein Erkenntnis des Oberlandesgerichts Stettin Revision beim Reichs- gericht ein. Dieses machte die Entscheidung von einem Eide des Ehemannes Hase abhängig, ob dieser nach jener Aussöhnung noch zu seiner Frau in ehelichen Verkehr getreten sei oder nicht. Hase leistete den Eid, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Die Ehe wurde daraufhin geschieden. Nach einem bekannten Sprichwort bildet auch diese«cheidung keinen Hindernisgrund, daß H. zu seiner Ehefrau, die inzwischen nach der Paulstraße 34 in Berlin verzogen war, auch fernerhin in nähere Beziehungen trat. Die Angeklagte drang immer wieder in ihren geschiedenen Ehemann; sie wieder zu heiraten. Als sich dieser jedoch ablehnend verhielt, faßte die Angeklagte ihren Racheplan. Sie kaufte sich in einer in Alt-Moabit gelegenen Drogerie ein größeres Quantum Salz- säure. Als sie dann allends von ihrem geschiedenen Ehemann wieder aufgesucht wurde, entfernte sie sich einen Augenblick und schüttete die Salzsäure in einen Topf, um besser gießen zu können. Da sich H. auf ihre nochmalige Frage wieder weigerte, sie zum zweiten Male zu heiraten, goß sie ihm die ätzende Säure in das Gesicht. Die Folgen waren überaus schreckliche. Außer furcht- baren Brandwunden, welche die Säure hervorrief, wurden beide Augen des H. völlig zerstört, so daß er vollkommen erblindet ist. Nach ihrer entsetzlichen Tat stellte sich die Angeklagte auf dem Polizeirevier in der Flemmingstraße. Einem Schutzmann gegen- über, der sie festnahm, äußerste sie auf eine Bemerkung, daß H. das Augenlicht verlieren würde, daß sie sich hierüber freue, auch wenn sie fünf Jabre bekomme. Staatsanwalt Dr. Ludwig be, antragte mit Rücksicht auf die schweren Folgen der Tat der An» geklagten vier Jahre Zuchthaus. Das Urteil war qrhebliH Wlder und lautete auf nur 2Vd Jahre Gefängnis. Versammlungen. Darifverhandlungen der Ladentischler. Nach dem allgemelmu Tarifvertrag für die Holzindustrie soll für die Ladentischlereien Berlins ein besonderer Ortstarif geschaffen werden, und zwar auf Wunsch der Unternehmer, die für diese Branche offenbar weniger günstige Lohn- und Arbeitsbedingungen festgelegt wissen wollen als die allgemein geltenden. An einem derartig gestalteten Branchen, tarif haben die Arbeitnehmer natürlich kein Interesse, und siq wollen sich stattdessen lieber mit dem allgemeinen Tarif begnügen, Es haben nun bereits zweimal Verhandlungen mit den Arbeit-, gebcrn stattgefunden, aber ohne daß irgendwie eine Einigung zu-, stände gekommen wäre. Di« Arbeitgeber wollten den Tarif, den si« im Jahre 1907 aufgestellt haben, zur Grundlage der Verhandlungen machen. Dieser Tarif hat aber, wie auch das EinigungSamt er» klärte, nie Gültigkeit gehabt. Auch in der zweiten Sitzung, die am Donnerstag voriger Woche stattfand, zeigten die Arbeitgeber sehr wenig oder gar kein Entgegenkommen. Am Dienstag fand nun im Englischen Garten eine zahlreich besuchte Branchen-Ver- sammlung der Laden- und Kontortischler statt, in der Horn über die Verhandlungen berichtete. Das Angebot der Unternehmer lag der Versammlung gedruckt vor. Es enthält folgende Bestim» mungen: 1. Der Einstellungslohn beträgt mindestens 66 Pfg. pro Stunde, Kann ein Arbeiter entsprechend seinen Leistungen einen höheren Lohn beanspruchen, so ist derselbe nach 6 Tagen zu vereinbaren. Bei den so vereinbarten höheren Löhnen findet Nachzahlung für die vorgeleistete Arbeitszeit statt. (Hierzu erklärten die Arbeitgeber, daß der EinstellungS» lohn nur für die nichteingearbciteten, zugereisten und aus andern Branchen herüberkommenden Arbeiter gelten soll). 2. Bei Arbeiten außerhalb des Betriebes beginnt und endigt dies Arbeitszeit wie im Betriebe; für jede Fahrt nach und von den Vororten wird der Lohnbetrag für eine halbe Stunde vergütet. 3. Bei Montagearbeiten innerhalb Berlins und des Vorortverkehrs, sofern die Arbeitsstelle von der Werkstatt 1 Kilometer und mehr entfernt ist, wird neben der Vergütung des Fahrgelde? pro Stunde 10 Pfg. Montagezu schlag gezahlt. Muß Nachtquartier genommen werden, so wird dafür 2 Mk. extra vergütet. 4. Bei Arbeiten in Orten über den Vorortverkehr hinaus und be» Bezug von Nachtquartier wird pro Tag 1,76 Mk. und pro Nacht 1,75 Mk. einschließlich des Sonntags vergütet. Bei Arbeiten bis zur Dauer von nicht mehr als 3 Tagen beträgt die Ver« gütung 2 Mk. pro Tag und 2 Mk. pro Nacht. 5. Die Fahrt nach auswärts muß zu jeder Zeit ausgeführt werben. Dieselbe wird, wenn während der üblichen Arbeitszeit geleistet, in Lohn gezahlt. Mutz außer der Nachtfahrt noch Nachtquartier bezogen werden, so erKht sich die Entschädigung für diese Nacht um 1 Mk. Diese Vorschläge bleiben weit hinter dem zurück, was die Arbeitnehmer verlangen. Gefordert werden unter anderm als Einstellungslohn 60 Pfg., als Montagezuschlag 12 Pfg., samt einer besonderen Vergütung für besonders schmutzige Arbeit sowie bei Umzügen, und ebenso eine angemessene Entschädigung für Nacht» fahrten. Was diesen Punkt anbetrifft, so äußerten die Arbeit, gebet bei den Verhandlungen, wenn man die Nacht über im Eisen» bahnwagen sitze, sei das gerade so, als wenn man im Bette liege, eine Ansicht, die selbstverständlich von keinem Arbeiter geteilt wird, der dergleichen Fahrten zu unternehmen hat. In der Versammlung trat eine lebhafte Entrüstung über das Verhalten der Arbeitgeber zutage. Ihre Vorschläge wurden nach reger Diskussion einstimmig abgelehnt. Eine weitere VerHand» lung mit den Unternehmern soll am Freitag stattfinden. Amtlicher Marktbericht der städtischen Marktdallen-DtreMon über den Groghandel in den Zentral-Marttballen. Marktlage: Fletsch! Zufuhr stark, Gelchäst schleppend, Preise für Schweinefleisch anziehend, sonst unverändert. Wild : Zusubr reichlich. Geschäft etwas lebhafter, Preise gedrückt. Geflügel: Zufuhr reichlich, Geschäft flau. Preise nicht be- sriedigend. Fische: Zufuhr etwas reichlicher. Geichäst ruhig, Preise wenig verändert. Butter und Käte: Geschäft ruhig, Preise anziehend. Gemüse, Obst und Südfrüchte: Zufuhr genügend, Geschält schleppend, Preise wmtg verändert.