Nr. 197. 27. Jahrgang. I KnlU ks.liitiiiiirlö" Mitimch, 21 AyH 1910. Cbren-Cebius. Herr Rudolf Lebius , der Wandelbare, dürfte nichl viel Leute Auftreiben, die ihn für einen Gentleman halten. Trotzdem wird mancher seine Fähigkeiten noch besser würdigen, wenn er folgendes beeidigtes, notarielles Protokoll liest, das der„Hohenstein-Ernst- thaler Anzeiger" veröffentlicht Darin he igt es u. a. wörtlich: „Die Eheleute Krügel erklären sich bereit, sich als Zeugen cid lich von mir vernehmen zu lassen. Sie werden durch das Zeugnis des mir persönlich bekannten Expedienten Friedrich Eduard Vogel von hier legitimiert. Die Zeugen wurden von mir eingehend auf die Bedeutung des Eides hingewiesen und hierauf und zwar zunächst Herr Krügel in Abwesenheit seiner Ehefrau vernommen wie folgt: Herr Krügel sagte aus:.,...Zur Sache: Gegen Mitte November 1909 kam eines Tages der mir bis dahin unbekannte Journalist Rudolf Lebius aus Charlottenburg in meine Wohnung(es war gegen Abend) und fragte mich, ob ich im Besitze eines Tagebuches meines verstorbenen Bruders Louis Napoleon Krügel sei, er be- absichtige einen humoristischen. Kalender herauszugeben uns wolle in diesem Kalender einige der Taten beschreiben, die mein Bruder Louis Napoleon in hiesiger Gegend mit Karl May vollbracht habe. Ich erwiderte ihm. ein Tagebuch meines Bruders hätte ich nicht. Auf weiteres Befragen sagte ich, dah ich wohl einiges wisse, aber nur das, was mir mein Bruder Louis Napoleon , mit dem ich früher zusammen im Waldenburgischen gearbeitet habe, während der Frühstücks- und Vesperpausen erzählt habe. Lebius bat mich, ibm das zu erzählen, was ich von meinem Bruder gehört hätte und ihn zu diesem Zwecke in das hiesige Hotel„Drei Schwanen" zu begleiten. Er erklärte dazu, ich könne viel Geld dabei verdienen. Ich bin darauf mit ihm in das Hotel„Drei Schwanen" gegangen und habe dort im Gastzimmer ihm alles er- zählt, was ich aus den Erzählungen meines Bruders noch wußte, habe aber dabei Herrn Lebius darauf hingewiesen, ich wisse nicht, ob das, was ich erzähle, auch wahr sei, ich wisse das nur aus den Erzählungen meines Bruders. Gegen Weihnachten erhielt ich aus Eharlottenburg ein Exem plar der Zeitschrift„Der Bund " zugeschickt, in welchen, die gröbsten Anschuldigungen gegen Karl May erhoben wurden. Neben Er- Zählungen, die ich Herrn Lebius nach den Mitteilungen meines Bruders gemacht hatte, waren ein großer Teil solcher Behauptungen aufgestellt, von denen mir mein Bruder nichts mitgeteilt hatte und die ich für durchaus unwahr hielt. Ich ärgerte mich damals sehr darüber. Herrn Lebius überhaupt Mitteilung gemacht zu haben, da ich annahm, daß der Artikel im„Bund" sich lediglich auf meine Mitteilungen stützte und die Zusätze freie Erfin- düngen des Herrn Lebius waren. Eine Erklärung Herrn Lebius gegenüber habe ich nicht abgegeben. Nach langer Zeit, wohl im Juni 1919, erhielt ich von Herrn May die Privatklage, in der ich beschuldigt wurde, alles das über Herrn May geäußert zu haben, was in dem vorerwähnten Artikel des„Bund" stand, also auch das, ivas mir von meinem Bruder Louis Napoleon gar nicht erzählt, sondern meiner Meinung nach von Herrn Lebius erfunden war. Hiervon habe ich sofort Herrn Lebius benachrichtigt und angefragt, was ich nun tun solle. Herr Lebius schrieb, wir seien im Rechte, ich solle die zwei Schriftstücke, die er mir mitschickte, unterschreiben, bei Gericht einreichen und im. übrigen mich an Herrn Rechtsanwalt Carstanjen in Hohenstein- Ernstthal wenden. Das habe ich getan. Am Sonntag, den 7. August 1919, erhielt ich ein Telegramm von Herrn Lebius, in welchem er mich Montag, den 8. August, nach- mittags 2 Uhr in das hiesige Hotel„Gewerbehaus" bestellte und sich bereit erklärte, mir den entgehenden Arbeitsverdienst zu ersetzen. Als ich hinkam, war Lebius in einem von ihm ermieteten Zimmer des ersten Stockwerkes. Dort ersuchte er mich, mit ihm in die„An- lagen" spazieren zu gehen, da im Nebenzimmer der Amtsrichter wohne. Wir gingen hierauf in die Parkanlagen des hiesigen Erz- gebirgsvercins und dort erklärte mir Lebius, ich brauchte keine Angst zu haben, wir würden den Prozeß gewinnen, ich sollte nur alle in der Klage enthaltenen Punkte aufrechterhalten und als wahr bezeichnen und sollte tun, als wenn ich sie alle selbst miterlebt hätte und nicht bloß aus Mittei- lungen meines Bruders wüßte. Er werde die Beweise liefern. Ich erwiderte ihm, ich könne doch unmöglich das, was ich von meinem Bruder gehört hätte, als eigene Erlebnisse hinstellen, und � könne doch die unwahren Angaben des fraglichen Artikels nicht als Tatsache behaupten. Herr Lebius erklärte hierauf, das sei alles Mumpitz, wenn nur zwei oder drei Fälle erwiesen würden, das andere sei Nebensache, ich solle nur so aussagen, wie er mir an- gegeben habe. Im weiteren Verlaufe des Gespräches erklärte er, wahrschein- lich würde ich auch in dem Charlottenburger Prozeß als Zeuge abgehört werden, da solle ich dann ebenso aussagen und auch so tun, als wennich das, was mein Bruder erzählt hat, und was sonst noch in dem Artikel behauptet werde, selbst mit erlebt hätte. Wenn dann die Prozesse sämtlich vorbei seien und wenn wir siegreich gewesen sein würden, so werde er mir als Bcloh- nung 2999 Mark zahlen. Ich lehnte sofort ab, irgendeine Unwahrheit zu sagen. Lebius wiederholte dann seine Zusicherung, mir 2999 Mark zu zahlen, wenn wir die Prozesse gewinnen würden, noch zwei- oder dreimal. Als ich dabei blieb, daß ich keine Unwahrheit sagen würde, erklärte er noch:„Dann sind wir geschiedene Leut e."... Hierauf wird vernommen Frau Krügel und sagt aus, wie folgt: ..... Gegen 8 Uhr abends desselben Tages kam hierauf ein Herr in meine Stube, und ich dachte mir sofort, daß das Herr Lebius sein müsse. Er fragte nach meinem Manne, der nicht zu Hause war, und erklärte, als ich nach seinem Namen fragte, er sei aus Chemnitz . Nachdem er von mir gehört hatte, mein Mann sei nicht zu Haufe, entfernte er sich, kam aber gleich darauf wieder und sagte, ich möchte meinen Mann, sobald er käme, in den „Schwan " schicken. Darauf sagte ich ihm auf den Kopf zu, er sei Herr Lebius aus Charlottenburg , was er nach einigen Zwischen- äußerungen zugab. Hierauf legte ich ihm die Privatklage zur Durchsicht vor. Er wollte sie mitnehmen, ich gab sie aber nicht her. Darauf hat er sie durchgelesen. Währenddessen hielt ich ihm vor, was denn werden solle, wenn mein Mann Strafe erleiden würde, er habe doch meinen Mann belogen, er habe erklärt, er wolle einen Kalender herausgeben, womit mein Mann sich Geld verdienen könne und jetzt bekomme er deswegen eine Klage zugeschickt. Lebius erklärte darauf, wenn mein Mann bestraft würde, werde er mich und meine Kinder nicht sitzen lassen, sondern unterstützen. Ferner fragte er:„Leiden Sie Not?", und als ich hierauf nicht antwortete, nahm er sein Portemonnaie zur Hand und erklärte, er wolle mir 29 Mark geben. Ich erwiderte: „Das nehme ich nicht!" Darauf ging er, erklärte aber an der Tür noch: Warum haben Sie die 29 Mark nicht genommen; ich nehme 5 Pfennig, wenn sie mir jemand schenken w i l»l."... Hierauf wird Herr Krügel nochmals vorgerufen und erklärt: „... Am fraglichen Tage habe ich Herrn Lebius im genannten Hotel getroffen und ihm auf sein Ersuchen die Privatklage, die ich eingesteckt hatte, behändigt. Auch an diesem Tage führte mich Lebius in die Parkanlagen und schon hier instruierte er mich, ich solle bei den früheren Angaben stehen bleiben, die Beweise werde er beibringen, ich solle mich nicht fürchten, wenn ich b e st r a f t würde, käme er dafür auf. Dabei fragte er mich nach meinem Wochenvcrdienst und erklärte, als ich diesen Verdienst an- gab, daß, wenn ich bestraft würde, er meiner Frau zu deren Lebens- unterhalt wöchentlich 18 M. bezahlen würde, solange meine Haft dauer e." Auch diese Niederschrift wurde Herrn Krügel von mir vor- gelesen und von ihm genehmigt. Hierauf leisteten die Zeugen in Gemäßheit des Z 392 Z.-P.-O. den Zeugeneid vorschriftsmäßig ab. L. S. Dr. Oskar Dierks, K. Sächs. Notar." Wahrlich, die Unternehmer können auf ihren bezahlten Mit- Helfer im Kampfe gegen die Arbeiter stolz sein. Die Sache, die Lebius vertritt, harmoniert mit seinem Charakter. Bilder vom Katholikentag» Augsburg , 22. August. Man mag dem Katholikentag alles nachrühmen, nur eines ver- mag auch der wohlwollendste Beobachter nicht zu entdecken: Die heilig inbrünstige Stimmung. DaS Ganze erscheint mehr wie ein Masseneinbrnch hungriger und durstiger Fremdlinge; die plötzliche Vermehrung einer Stadt von 199 909 Einwohnern(mit verhältnismäßig wenigen Gasthäusern) um fast die Hälfte muß nichts wie eine tilmultnarische Aufregung hervorbringen. So ist dem Zentrums- tag ein Massenmord von unschuldigen Kälbern vorausgegangen, 1209 ihre« Stammes sollen ihr Leben für die Ungläubigen haben Hingeben müssen; und am Sonntagabend ist namentlich das Personal der Gastwirtschaften in völlig erschöpftem Zustand. 45 999 Personen haben die Eisenbahnen— 85 Sonderziige— am Sonntag früh in die Stadt geschleppt und 49999 am Abend wieder heimgebracht. Die Zahl der Teilnehmer am Festzug wird von dem offiztellen Festblatt auf 35 999 geschätzt; meine eigene gewissenhafte Zählung aber er- gibt höchstens 25 999. Viele hatten es wegen der quälenden Hitze vor- gezogen, in den Wirtschaften zu bleiben,� wie denn auch die größte aller Arbciterversammlungen in der Festhalle nur eben so zahlreich besucht war, daß die Redner— Adel und Arbcitersekretäre— eine Corona um die Tribüne hatten. Die Sanitätskolonne wurde 89 Mal zur Hilfe gerufen. In diesem Jahrmarktstreiben gewahrt man nur selten ein liebenswürdig stilles Bild. Am Sonmagvormittag brachten junge Burschen dem AugSburger Bischof ein Liederständchen. An der Pforte seines grünumhegten, herrlich ruhigen Heims entließ dann der Bischof die Sänger. Der wohlbeleibte Herr mit dem gemütlich Augen Gesicht,»u seinem lichtvioletten Gewände, wirkte recht bildhaft, wie er jedem Einzelnen die Hand reichte und freundliche Worte des Dankes an die beglückten Burschen richtete. Die Szene atmete etwas wie Gemeinschaftsgefühl, und wenn sie auch nur geschickte Technik sein mochte, so läßt sich doch gerade aus solchen väterlich demokratischen Zügen ein gut Teil des Einflusses erklären. Auffällig wirkt immer wieder der Gegensatz, wie sehr der hohe Klerus in Tracht. Haltung und Körper auch die ästhetischen Bedürfnisse zu be- friedigen bemüht ist. während die niedere Geistlichkeit in sinnen- feindlicher Häßlichkeit der Kleidung und häufig auch in höchst undisziplinierter Leibiichkcit ihren Stolz sucht. Während des Festzuges konnte man einen Augenblick den Geist dieser Veranstaltung von Grund aus verwandelt glauben. AuS der Gruppe eines Arbeitervereins ertönte plötzlich die— Marseillaise , die von kräftigen Stimmen begonnen, aber bald wieder abgebrochen wurde. Welchen Text sie der revolutionären Melodie untergelegt haben, konnten wir nicht vernehmen. Aber eS war doch wenigstens fchon die Melodie, wie eine Verheißung einer freien Zukunft. Freilich musikalisch sind die Frommen auch sonst unbedenklich. So spielte eine Jugendkapelle den weltlich-sündhaflen Carmen-Marsch, indem sie allerdings die Sinnlichkeit dieser Musik durch falsches Spiel erheblich abtöteten. Mache im übelsten Sinne war es, wie der Bauerndoktor Heim mit Erzberger in der Maximilianstraße , der alten Hauptstraße Augsburgs , einem unerreichten Wunder verlorener Städtevaukunst. auf einem Auto sich aufgepflanzt hatten und nun GtNtralvtrsmllNllung des Uerbilndes der FitHoppHtn, Stelndrncker und vemandten Geiverbe. Hamburg , 22. August. Am Montagnachmittag wurde im Gewerkschaftshause zu Ham- bürg die von öS Delegierte», vier Vorstandsmitgliedern, einem AuS- schuß- und einem Redaktionsmitgliede deS Verbandsorgans besuchte die ganze Zeit lang die unablässigen Hochrufe der Festzügler huldvoll entgegen nahmen. Diese bis in alle Einzelheiten im voraus geregelte„Stimmung" des Katholikentages läßt überhaupt jeden echten Eindruck schnell wieder verschwinden, der an sich unler dem Gefühl des Massen- aufgebots einstehen könnte. Nach wenigen Minuten der Teilnahme ninnt man schon das bestimmte Urteil, daß das Ganze eine leere widerwärtige Karrikatur des Gottesdienstes ist. Die von der lebendigen Teilnahme ausgeschlossene Menge betätigt sich, statt durch Diskussion, mit Zwischenrufen, die mechanisch geregelt sind, wie die Chorrufe im kirchlichen Ritus. Beifall, Händeklatschen, Heiterkeit, die in regelmäßigen Abständen, ohne jeden Anlaß, betätigt werden, sind keine elcmenentaren Stimmungs- ausbrüche. keine Improvisationen, sondern eben nur feste Bestand- teile der— Geschäftsordnung. Und eine Gruppe von Geistlichen wirkt ganz deutlich und recht plump als Stimmführer für die höchst unmotivierten Ausbrüche der Begeisterung der— Masse; daS ließ sich namentlich in der ersten geschlossenen Sitzung höchst lustig be- obachten. Die innere Oede wird noch fühlbarer durch die religiös gefärbte Routine, die unerträglich gesalbte und gezierte Redeweise. die von den Laien noch pastoraler getönt wird als von den Geist- lichen, und endlich durch die süßliche gegenseitige Anhimmelung. Alle Ansprachen und Reden sind vorher festgestellt, soweit sie für die Oeffentlichkeit bestimmt sind. Daher denn das hiesige offizielle Festblatt, da§ täglich erscheint, am Montag in aller Frühe schon den Wortlaut aller Ergüsse bringen konnte, die am Sonntagabend von statten gingen— eine namentlich für die ZentrumSpresse erstaunliche journalistische Leistung, die da- durch erklärlich wird, daß sie eben vorher schon gesetzt waren. Eine kleine Abweichung vom Programm, die sich der Vorsitzende des LokalkomiteeS in der Begrüßungsversammlung am Sonntag« abend zuschulden kommen ließ, konnte in dem Bericht des Festblattes nicht mehr ganz berücksichtigt werden und wurde damit zum Vor- räter dieser Organisation. So ist auch die ganze Tendenz der Veranstaltung vorher pein- lich geregelt. Mit ganz besonderer Eindringlichkeit wird diesmal Frieden und Toleranz gegenüber der anderen Konfession gepredigt. Um so wilder schrillt der Schlachtruf gegen Freidenker und Modernisten. Selbst das historische Vergleichsbeispiel ist vorher angeordnet: es kehrt bei mehreren Rednern wieder. Dieser Katholikentag soll so eine Art neue Schlacht auf dem Lechfelde sein gegen die„Hunnen" des Unglaubens, gegen die Hunnen des Wortes und der Feder. Dieses Anstürmen gegen die Freidenker ist aber auch nur ein Ersatz für das Kulturkampfsalz, das nachgerade dumpf ge- worden ist. Es kostet immer mehr Mühe, sich als die Ver- folgten darzustellen und so den Fanatismus aufzupeitschen. Und wenn gar in Augsburg , wo der liberale BürgermeisteramSonntag dicGläubiaen — eben noch hatte die klerikale Augsburger.Postzeitung" die Liberalen für schlimmere Kirchenfeinde als die Sozialdemokraten ausgegeben! �„tiefempfunden" begrüßte und der Vorsitzende des LokalkontiteeS das hohe Lied der Toleranz sang:„Unsere Redner werden über olles sprechen, aber über eines werden sie nicht sprechen: über die Verhüllnisse einer anderen Konfession". Ucber Bauch- anbeter darf nicht gesprochen werden, also los auf die Atheisten, Modernisten, Freidenker. Unter diesem Mangel an wirklich begründeter Kampfesstimmung Generalversammlung eröffnet. Außerdem sind erschienen die Ver- treter der Tapetendrucker. Formstecher und Chemigraphen. Die Generalkommission ist durch Dublin - Berlin vertreten, der auch zugleich Vertreter des Buchdruckerverbandes ist. Als Gäste sind Ver- treler anderer graphischer Organisationen anwesend. In seiner Begrüßungsrede betont der VerbandSvorsitzcnde S i I l i e r- Berlin, daß dieses Jahr auch ein Jahr des Jubiläums für den Verband sei, denn vor 25 Jahren sei in Berlin der Grund- stock für den Verband gelegt worden durch Gründung eine? Fach« Vereins. Andere Städte folgten, und im Jahre 1899 sei in Magde- bürg der Zentralverband ins Leben gerufen worden. Anfangs 2359 Mitglieder zählend, betrug die Mitgliederzahl bei der Ver- schmelzung(1995) 11 599 und ist jetzt auf über 17 599 gestiegen. Durch die Tarifbewegung seien die Mindestlöhue ganz bedeutend in die Höhe gegangen, so daß jetzt auch in den kleinsten Orten der Anfangslohn für einen Gehilfen nach beendeter Lehrzeit 13 M. betrage. Im Namen der Hamburger Kollegen heißt Ulrich die Dcle« gierten herzlichst willkommen, im Namen des österreichischen Zentral- Verbandes übermittelt Mühlborger- Wien die Brudergrüße seiner Organisation, den Arbeiten der Generalversammlung besten Erfolg wünschend. Außer den rein geschäftlichen Angelegenheiten stehen auf der Tagesordnung die„Taktik bei Lohnbewegungen",„Unser Verhältnis zu den ckudercn graphischen Gewerben" und die„ReichSversichcrungS- ordnung". Abgesehen von dem Punkt„Taktik bei Lohnbewegungen", tragen die auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände einen rein geschäfts- mäßigen Charakter. Dem gedruckt vorliegenden Geschäftsbericht, der eine dreijährige Periode umfaßt, entnehmen wir folgende Angaben: Vom Verbände der Photographen traten 257, vom Verbände der Formstecher 439 Mitglieder über. Am 1. Januar 1997 betrug die Gcsamtmitgliederzahl 15 768, am I.Januar 1919 17 595, am 1. April 1919 17 397. Als Ursache dieses kleinen Rückganges in der letzten Zeit wird das Zurückgehen des Berufes bezeichnet.„Eine ganze Reihe von Mitgliedern suchten sich eine Existenz in anderen Berufen und traten damit auch in andere Organisationen über," heißt eS diesbezüglich im Bericht. Der Lehrlingsabtcilung ge« hörten am 1. Januar 1919 3396 an gegen 2464 am 1. Juli 1993. Diese Abteilung wurde am 1. März 1993 ins Leben gerufen. Der Kassenbericht umfaßt die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. März 1919, also einen L�jährigen Zeitraum. Die Gesamt- einnähme beläuft sich auf 2 373,769,94 Mark, die Gesamt- ausgäbe auf 2 698 613,36 Mark. Die LehrlingSabteilung ver- eiunahmte mit dem 7595,83 Mark betragenden Zuschuß auS der Gewerkschaftskasse des Verbandes 37 956,33 M. und verausgabte 36 464,19 M. Die in Liquidation befindliche Witwen- und Waisenkasse des Senefelderbundes vereinnahmte 26 481,35 M. und verausgabte 393 187,67 M. Der Kassenbestand bei Auf- lösung des Bundes bezifferte sich auf 383 939,91 M., der Ueberschuß der Allgemeinen Unterstützungskasse auf 76454,96 M., so daß eine Gesamteinnahme von 485 975,32 M. zu verzeichnen ist, der die genannte Ausgabe gegenübersteht. Der Kassenbestand betrug am 2. April 1919 182 787,65 M. Das Vermögen deS Verbandes betrug am 39. März 1919 883 393 M. Bei der Ver» schmelzung am 1. Juli 1995 wurden vom Senefelderbnnd 261 998 M. und vom Verband 257 543 M. übernommen. Unter den AuSgabeposien stehen für Krankenunterstiitzung 812 169 M., Arbeits- losenunterstützung 436 639 M., Extraunterstlltzung 165 894 M., Reise« Unterstützung 88 398 M., Umzugskosten 41 958 M.. Gemnßrcgclten- Unterstützung 28 567 M., Rechtsschutz 5710 M., Sterbegeld 39 629 M„ Witwenunterstützuug 123 953 M. und Jnvalidenuntcrstütznng 239 433 M.— Was die Lohn- und Tarifbewegungen in der Berichts- Periode anlangt, so fanden 225 Lohnbewegungen mit und ohne Streiks statt; es kamen in Betracht 159 Orte mit 433 Betrieben und 5252 Beschäftigten. Durch die Tabaksteuer ist der Beruf stark in Mitleidenschaft gezogen worden, weil jetzt weniger farbige Packungen in Frage kommen; zum Teil wird die bunte Packung ganz ausgeschaltet.„Wir können uns also bei der deutschen Reichsregierung bedanken, daß sie durch solche unsinnige, zum mindesten wirtschaftlich schwer schädigende Steuerschraube ein gut Stück unseres Erwerbslebens vernichtet hat. Wäre die Plakatsteuer auch noch Gesetz geworden, wie es die Reichsregierung beabsichtigte, dann könnten ruhig etliche Hundert, ja Tausende Kollegen unserer Branche unseren Beruf ver- lassen, weil die Industrie zum guten Teil vernichtet wäre, was einer in Deutschland nicht verfolgten, sondern längst verfolgenden Partei litten die Ansprachen in der BegrüßungSversammlung. Sie waren schal und geschwätzig. Nur eine markante Erscheinung hob sich aus den bürgerlichen Mittelmäßigkeiten hervor: der brasilianische Titularbischof Bahlmann, der Sohn eines Oldenburger Schul- lehrers, der die Grüße von Brasilianern, Indianern imd Franziskanern überbrachte. Eine schlanke, hohe Erscheinung mit einem hageren, herrschaftsgewohnten Zäsarenkopf und dunkel glühenden Augen, in einem zartgrauen Gewände, von dem sich die leuchtend roten Handschuhe mit dem mächtigen goldenen Ringe wirksam abhoben. Der war viel weniger fromm verzückt wie der Direktor der Münchener Staatsbibliothek Grauert, der vor dem Lokalkomitee seinen Dank aussprechen sollte, sich aber in einen unendlichen Phrasenschwall verlor und mit fürchter- lichem Pathos persönliche Bekenntnisse seines Christentums ablegte. Der tanzte außer der Reihe, weshalb denn der Bericht des Fest« blattes nichts von dieser langen Rede iveiß, die in dieser kühl über- legten künstlichen Welt geistlicher Diplomatie und— Demagogie stilwidrig und parodistisch störte. Einen bedeutenden Raum nehmen diesmal in den unendlichen Veranstaltungen die Akademiker ein. Die katholischen Studenten- Vereinigungen veranstalteten am Montag vormittag eine Wagen- ausfahrt. Die jungen, glattgescheitelten pomadisierten Herren fanden in ihren bunten Jacken viel Publikum. Namentlich Frauen und Kinder drängten sich dicht und manche Jungfrau streute Blumen in die Wagen der ineusurenfreien Helden. Auch die Esperantisten haben sich jetzt katholisch organisiert. Eine Enttäuschung brachte die katho- tische Lehrerversammlung. Der modernistisch verdächtige Herr Spahn junior hielt eine professoral matte Rede über die Notwendigkeit katholischer Lehrerverciuigungen und konfessioneller Schulen— er war ganz korrekte Gesinnung. Von dem Vorsitzenden der Ver- sammlung wurde Bayern als das Land gefeiert, wo man noch etwas von Schulen versteht. „Nach der gestrigen Parade beginnt heute der Ernst"— mit dieser unvorsichtigen Wendung eröffnete heute Herr Reifert, der Rechtsanwalt der strenggläubigen Professoren gegen die Würzburger Modernisten die erste geschlossene Versammlung. Das Präsidium wurde gewählt: Oberlandesgerichtsrat Marx wurde erster Präsident, der das Amt schon in einer breitspurigen und geschwollenen Rede an- nahm, ehe er eigentlich gewählt war. Erster Vizepräsident ward ein Feudaler auS der sächsischen„Diaspora", Graf Schönburg-Glauchau, der Schutzherr Karl Mays, zweiter Vizepräsident der Münchener Eosiu-Agrarier Speck . Telegramme an Papst, Kaiser , Prinzregenten wurden abgefertigt, der Geschäftsbericht des Zentralkomitees debatte- los erstattet. Endlich wurden noch die Anträge ohne Diskussion er- ledigt, die nicht erst in die Ausschüsse verwiesen wurden. Karl Bachem behandelte die römische Frage. Vom gefangenen Papst ist längst nicht mehr die Rede, die Forderung der Unab- hängigkeit des Kirchenstaates wird kaum noch angedeutet. Dafür gibt eS eine Polemik gegen die jüngst in einer Schweitzerschen Broschüre'behandelte Auffassung, daß das Papsttum nicht göttlichen Ursprungs sei. Wie, ruft Herr Bachem mit einer eigens für diesen Zweck erfundenen neuen Logik aus, läßt sich sonst erklären, daß das Papsttum alle weltlichen Dynastien überdauert hat. Freilich geht es dem Papsttum gegenwärtig übel: Frankreich und jetzt auch Spanien hat den Bruch mit ihm vollzogen, wie vorher schon Italien . Um
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten