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mit dtt Opposition des Freisinns gegen die Reichssinanzreform hausieren l Die freikonserbative Presse bläst wieder mal zur Sanimlung aller bürgerlichen Parteien. Die.Po st* schreibt u. a.: Unaufhaltsam geht der Zug nach linls weiter, Nachwahl auf Nachwahl bringt einen neuen Sozialdemolraten in den Reichstag. Sollte uns vor der Neuwahl noch eine Reihe Ersatzwahlen be- schert sein, so würden die Roten ihre fünf Dutzend voll be» kommen noch im alten Reichstag. Daß unter den obwaltenden Umständen ein ruhmreicher Sieg wie im Jahre IM? nicht zu er- warten war, wurde allgeinein angenommen. Aber selbst in links- liberalen Kreisen rechnete man doch damit, daß einer der bürger- lichen Kandidaten mit dem Sozialdemokraten noch in die Stich- Wahl kommen würde.* Auch die ultramontaneGermania  * ruft zur Samm- lung aller bürgerlichen Parteien auf. Sie stellt es wieder einmal so dar, als ob eigentlich nur die Liberalen durch ihre Kritik der Schnapsblocktaten die Niederlage der Schnapsblockbrüder und die Triumphe der Sozialdemokratie verschuldet hätten: Jedenfalls zeigt die Wahl wieder, daß die Liberalen nur für die Sozialdemokraten arbeiten und selbst immer leer ausgehen müssen. Wäre die von ihnen behauptete starke liberale Strömung im Lande vorhanden, so hätten sie es doch wenigstens zur Stichwahl bringen müssen. Wann soll denn der Aufschwung endlich kommen?" Dabei liegt es für jedermann klar zutage, daß der Liberalismus erst recht abgewirtschaftet hätte, wenn er sich mit der Steuer- ausplünderung und den sonstigen reaktionären Taten des Schnaps­blocks solidarisch erklärt hätte I Die liberale Presse würdigt die Situation verständiger; doch kann sie es sich törichterweise nicht verkneifen, den neu- gewählten Abgeordneten Genossen Göhre als Revisionisten und quasi Bundesgenossen und Diilchbruder des Liberalismus zu charakterisieren. So schreibt dasBerliner Tageblatt*: Der neue Abgeordnete Göhre gehört zu jenen Sozial- demokraten, die aus der nationalsozialen Bewegung in das sozialdemokratische Lager hinübergewechselt sind. Daß er ein Mann von Charakter ist, hat er auf dem Dresdener   Partei- tage gezeigt, als er dem Parteipapst Bebel einPfui* entgegen- schleuderte. Man wird ihn auch heute noch in die Reihe der r c v i s i o n i st i s ch e n Sozialdemokraten stellen müssen, und an sich ist es natürlich erfreulich, daß die revisionistische Richtung innerhalb der Sozialdemokratie verstärkt wird. Nur wird man wünschen müssen, daß die Revisionisten endlich aus ihrer Reserve heraustreten und auf dem Magdeburger  Parteitage für eine positive Politik wirken. So groß immer die Erfolge der Sozialdemokratie sein mögen, so ist sie doch nicht aus eigener Kraft imstande, die herrschende Reaktion zu überwinden. Das ist nur durch ein taktisches Zusan, menarbeiten der Sozialdemokratie mit dem Liberalismus möglich. Dafür die nötigen Bor- bedingungen zu schassen, das ist die eigentliche Aufgabe des Tages.* Such dieV o s s i s ch e Zeitung' meint, daß die Wahl GöhreS eine Verstärkung des revisionistischen Flügels in der sozialdemokratischen Fraktion bedeute. Die liberalen Blätter be- gegnen sich in dieser Darstellung mit der alldeutschenTäglichen Rundschau*, die da meint: Ein Wermutstropfen fällt in den Freudenbecher des Vorwärts  * und der Seinen. Göhre ist Revisionist. Er hat sichnoch während deS Wahlkampfes ausdrücklich zum Revisionismus bekannt. Und das muß gerade jetzt schmerzlich sein für die Berliner   und Leipziger   Obergenossen, weil gerade jetzt die Auflehnung der süd- deuischen Fronde der denkenden Welt wieder einmal zeigt, wo die heimlich-, aber unheilbare innere organische Krankheit der Sozial- demokratie sitzt.* Wir wissen nicht, ob Genosse Göhre Anspruch auf die Ehre solch alldeutscher und liberaler Belobigung hat, ob er Revisionist ist oder nicht. Wir haben während der Wahlkampagne nicht danach gefragt, wie denn die Sozialdemokratie im Kampfe gegen die bürgerlichen Parteien stets in voll st er Geschlossenheit ge- kämpft hat. Und wir glauben, daß daS auch in Zukunft so sein wird! Auch halten wir eS wirklich für keine besonders schlaue Taktik der liberalen Presse, dem oder jenem Genossen gleich die lobende liberale Zensur aufzukleben, die dem Proletariat keineswegs als Empfehlung gilt. Wenn aber dasBerliner Tageblatt" die positive Arbeit der Sozialdemokratie im Sinne der Budgetbewilliger und Hofgänger gewissermaßen für die Vorbedingung eines taktischen Zusammenarbeitens zwischen Sozialdemokratie und Libe- raliSmus erklärt, so zeugt das von bemitleidenswerter politischer Kurzsichtigkeit. Denn wir sollten meinen, daß bei den allgemeinen ReichStagSwahlen Liberale und Sozialdemokraten bei den Stich- Wahlen und nur darum kann es sich handeln! sehr wohl zusammengehen könnten, ohne daß die Sozialdemokra- tte vom Liberalismus oder umgekehrt der Libe- ralismus von der Sozialdemokratie irgendein Opfer des Prinzips oder der Ueberzeugung ver» langte! Wir wenigstens verlangen vom Liberalismus kein solches Opfer. Wenn sich aber der Liberalismus einbilden sollte, daß die Sozialdemokratie ihm zuliebe solche Opfer zu bringen geneigt sei, so befindet er sich gründlich auf dem Holz- w e g e. Das wird ihm der Magdeburger   Parteitag mit aller Deut- lichkeit beweisen. Sollte unter solchen Umständen aber der Liberalismus ein Bündnis mit der Rechten dem Zusammengehen mit der Sozial- demokratie vorziehen, umsoschlimmerfürihn! * Nach den letzten Meldungen wurden Stimmen abgegeben für unseren Genossen Göhre 14 831, für den Kandidaten der Fort- schrittlichen Volkspartei B r o d a u f 4717 und den Kandidaten der Reformpartei F r i t s ch e 4630. Im Jahre 1607 entfielen auf den Kandidaten der Reformpartei Zimmermann 14 237, auf die Sozialdemokratie 11231 Stimmen. Insgesamt wurden Stimmen abgegeben im Jahre 1607: 25 618, diesmal jedoch nur 24173. Die Wahlbeteiligung ging also um 1430 Stimmen zurück. DaS geschah aber nur zuungunsten der bürgerlichen Parteien. Die für die Kandidaten der bürgerlichen Parteien abgegebenen Stimmen gingen gegen 1607 um 4360 zurück, während für die Sozialdemo- kratie 3550 mehr abgegeben wurden. Ohne jeden Zweifel kann man also behaupten, daß die Sozialdemokratie ihren Stimmen» zuwachS von den Gegnern erhalten hat. ütigsdiitger tistholikentzg. (Telegrapchischer Bericht.) Gestern abend fand in Augsburg   wieder eine öffentliche Ver- sammlung des Katholikentages statt. Auf der Vorstandstribüne hatten sich unter den Ehrengästen wieder die Bischöfe eingefunden, die von der Versammlung lebhast begrüßt wurden. Den Vorsitz führte der zweite Vizepräsident, Reichstagsabgeordneter Speck- München. Es sprach Dr. theol. Bernhart-München   über dieBil- dungSaufgaben" der deutschen   Katholiken". Professor Dr. Maus- bach-Münster i. W. überFrauenbildung und Frauenstudium*, Landtagsabgeordneter Rechtsanwalt Graf v. Pestalozza-Nürnberg überModernes KreidenkertuM". " Der Vortrag des Herrn Mausbach bot wenig Interesse; er wiederholte im wesentlichen nur, was er schon in früheren Jahren gesagt hat, daß der Schwerpunkt des Lebens der meisten Frauen im Hause liege, in der Familie, und deshalb die Ausbildung der Frau zuerst auf die tüchtige Ausrüstung für den Stand der Ehe und für die Mutterschaft gerichtet sein müsse. Interessanter waren die Ausführungen des Herrn Berhart. Er sieht in dem Suchen nach Gott   die höchste Bildungs- und Kultur- arbeit. So sagte er z. B.: Nur die gewaltige Spannung zwischen Mensch und Gott kann die höchste Kultur gebären. Sonst verfällt der Mensch der Unklarheit des Aesthetizismus, er klammert sich an den Schimmer von Geist, der ihm aus den Werken der Schönheit entgcgenleuchtet, die ihn aber nicht erlösen kann. Wir rufen ein unversöhnliches Nein, wenn die Kultur die Menschen auf sich selber stellen will und gottlos mit Prometheus   trotzt:Hier sitze ich, forme Menschen nach meinem Bild, ein Geschlecht, das mir gleich sei, zu leiden, zu weinen, zu genießen und sich zu freuen und dein nicht zu achten wie ich!" Auch in der Kulturarbeit der Gegenwart Gottes werden die Kräfte lebendig. Der Grund- zug der Seele unserer Zeit ist das Suchen. Dem Suchen aber ist das Finden verheißen. Einer ehrlich ringenden Zeit können wir nicht fern stehen, denn der Katholizismus ist die göttliche Ant- wort auf die ewig unzerstörbaren Bedürfnisse der Menschenseele.* Und weiterhin: Wir verachten den Aesthetizismus: es gibt einen ewig un- verrückbaren Vorrang des Sittlichen, und hinter dem Schönen ist sehr viel Häßliches, das nach Barmherzigkeit ruft. Wir grüßen jede starke Künstlerpersönlichkeit, die sich an christliche Stoffe wagt. Wir glauben an die Macht der Zeit, uns bald eine Kunst zu schaffen, vor deren Säulen und vor deren Bildern wir uns wie vor der alten Kunst zur Andacht sammeln." Der Vortrag des Grafen v. Pestalozza-Nürnberg war nur eine Fortsetzung dieses Gedankenganges. Er erklärte schlankweg:Der Katholikentag ist der wahre, der hoch st e Kultur- t a gl,", » * Augsburg  » 25. August.  (Telegr. Bericht.) In der heutigen letzten geschlossenen Versammlung beschäftigte man sich zunächst mit der Schulfrage, dann mit der guten Literatur* und darauf mit den Anträgen, die sich auf die Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit beziehen. Der erste Antrag stammt vom Reichstagsabgeordneten Roeren und hat folgenden Wortlaut: Die 57. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands  ruft mit Nachdruck die Katholiken Deutschlands   zur energischen Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit auf, wie sie sich ins- besondere in der Ausstellung und dem Vertrieb unsittlicher Bilder und Drucksachen zeigt. Sie lenkt die Aufmerksamkeit der Katho- liken auf die Bestrebungen und erfolgreiche Tätigkeit des Ver- bandes der Männervereine zur Bekämpfung der öffentlichen Un- sitlichkeit und befürwortet wärmstens für alle, namentlich für alle größeren Städte die Gründung solcher Vereine und den Anschluß an den Verband. Insbesondere weist sie auf die überhandnehmenden skandalösen Bühnenauffüh- rungen und kinematographischen Darstel- l u n g e n hin, die eine überaus große Gefährdung von Sitte und Tugend des ganzen Volkes, namentlich der Jugend, in sich schließen, und gegen welche nur ein energischer Zusammenschluß aller Gutgesinnten schützen kann." Ein weiterer Antrag des bayerischen Kammerpräsidenten Dr. v. Orterer empfiehlt allen deutschen   Katholiken, die sich die Be- kämpfung der sich immer mehr aufdrängenden öffentlichen Unsitt- lichkeit zur Aufgabe gestellt haben, den Beitritt zu den SittlichkeitS- vereinen._> Ein dritter Antrag schließlich betonte, daß man die immer mehr um sich greifende und immer dreister auftretende P r o st i t u t i o n bekämpfen müsse. Die Begründung der Anträge übernahm Reichstagsabgeordneter Speck-München: Wir haben leider durch unseren Verein zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit bis jetzt nicht die Erfolge erzielt, welche wir erwartet haben. Einerseits liegt die Schuld daran an den Gesetzen selbst, die keine genügenden Handhaben boten, um dem Staatsanwalt und der Polizei das Recht zu geben, überall da einzuschreiten, wo wir cS im Interesse der Oeffentlichkeit für notwendig hielten.(Sehr richtig!) Andererseits haben wir uns darin getäuscht, wenn wir annahmen, daß in Süddcutschland unsere Geschworenengerichte auf diesem Gebiete der öffentlichen Meinung mehr Rechnung tragen würden, als die juristisch gebil- deten Richter. Bedauerlicherweise haben wir die Erfahrung machen müssen, daß die Geschworenengerichte in Fällen auf Frei- sprechung erkannt haben, die direkt nach der öffentlichen allge- meinen Meinung als Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit an- zusehen waren. Was sollen wir nun tun? Der einzige Weg, den wir haben, ist der Weg der Selbsthilfe. Wir wollen einfach die Geschäfte, welche noch künftig Bilder ausstellen, die geeignet sind, das öffentliche Schamgefühl zu verletzen, boykottieren. (Lebhafter Beifall.) Wir sagen, in Geschäfte, die unser christ, liches Gefühl in dieser Weise verletzen und die in dieser Weise mit dazu beitragen, die Sittlichkeit aus dem Herzen unserer Jugend zu reißen, gehen wir nicht hinein.(Stürmischer Beifall.) Mit diesem Mittel hat man in Köln   bereits sehr gute Erfolge erzielt." Alle drei Anträge wurden selbstverständlich einstimmig an- genommen. »» « Außerdem fand um 10 Uhr in der großen Festhalle d.ie letzte öffentliche Versammlung statt. An erster Stelle sprach der ReichStagsabgeortznete Gröber über den »Sozialen Klassenkampf". Er führte aus: Klassenkämpfe hat es gegeben, solange die Welt steht. Die Klassenkämpfe selbst sind aber nicht naturnotwendig, sondern sie sind eine Krankheit des sozialen Lebens, die nach Heilung ruft.(Sehr richtig!) Alle Klassen sind auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung angewiesen. Der ganze Organismus muß leiden, wenn auch nur ein Glied der Klasse krank ist. Nicht die Verstärkung der Klassengegensätze ist das Natürliche, sondern das Natürliche ist die Aussöhnung der Klassen und der Ausgleich der verschiedenen Interessen.(Lebhafter Beifall.) Nichts ist ver- kehrter und schädlicher als die systematische Verhetzung der Ar- bester durch die Sozialdemokraten.(Sehr richtig!) Eine solche Kampfmethode mag vielleicht geeignet sein, eine Partei zu- sammenzuhalten, die auseinanderzugehen droht, oder eine Masse von Mitläufern herüberzuziehen, aber zur Ueberwindung der äußeren wie der inneren Schwierigkeiten kann ein solcher Klassenkampf nicht führen.(Sehr richtig!) Im Gegenteil, die Schwierigkeiten werden vermehrt, die besitzenden Klassen werden verbittert, in denen doch viele wackere Arbeitgeber sich befinden, die eS mit den Arbeitern gut meinen und die für die Ar- beiter vielfach schwere Opfer bringen.(Beifall.) Aber durch den Klassenkampf wird solchen Leuten der gute Wille genommen, wenn sie sehen, wie alles, was sie für ihre Arbeiter tun. in der schmählichsten Weise verdächtigt, ver- unglimpft und in den Kot gezogen wird.(Sturmi- scher Beifall.) Den Koalitionen der Arbeitnehmer sind in letzter Zeit die Koalitionen der Arbeitgeber gegenübergetreten. Auch für die Arbeiter selbst wirkt der Klassenkampf aufs äußerste jchädltck. Die Ausstachclung oller Leidenschaft«» im Klasse»», kämpf korrumpier! die Arbeiter.(Sehr richtig!) Ich fitetse zum Beweise hin auf den Terrorismus gegen die christlichen Gewerk- schaften, gegen einzelne christliche Arbeiter, die nur ihrer Vater- ländischen Gesinnung Ausdruck gegeben haben. Das sind Scheußlichkeiten. Brutalitäten, die nur eine Schmach in der Geschichte der deutschen   Arbeiter- Welt genannt werden können.(Minutenlange Bei- fallskundgebungen.) Unter diesem Terrorismus haben vor allem, wie gesagt, die christlichen Gewerkschaften zu leiden, weil in ihnen die Sozialdemokratie ihre gefährlichsten Gegner sieht. Ich glaube, es ist eine Pflicht für uns, daß wir gerade wegen dieses harten unausgesetzten Kampfes, wegen dieser bitteren Bedrückung so mancher Mitglieder der christlichen Gewerkschaften ihnen heute unsere Anerkennung und Dank aussprechen.(Stürmischer Bei- fall.)" Darauf folgte eine lange Philippika gegen Sozialdemokratie, Liberalismus, Unglauben. Geheimratsdünkel usw., bis schließlich das Gerede in ein Lob der arbeiterfreundlichen katholi- schcn Kirche ausklang: In jahrhundertelanger Arbeit hat die Kirche die Arbeiter aus dem Zustand der Sklaverei zur Freiheit�geführt, zur völligen Gleichberechtigung mit allen anderen Ständen des Volkes.(Stur- mischer Beifall.) Wie einst die römischen Plebejer auf dem heiligen Berge ihre Rettung gefunden haben, so finden auch heute. die bedrückten Klassen der Handarbeiter Hilfe auf dem heiligen Berge, auf dem Felsen, auf dem Christus die Kirche gebaut hat. (Stürmische minutenlange Beifallskundgebungen.)" Dann erfolgte nach einem Vortrag des Realgymnasial» lehrers Bornewasser- Köln über dieFürsorge für die schulentlassene Jugend" sowie Schlußansprachen des Vorsitzenden Dr. M a r x- Düsseldorf   und des Bischofs von Augsburg  , der allen seinen Segen erteilte, der Schluß des Katholikentages. poUtifebe öcberfkht. Berlin  , den 25. August 1910. Die Ausweisung als Strafe für Arbeitersolidarität. Die Ausweisung dient in Nordschleswig nicht nur als Strafe für dänische Gesinnung, sie wird auch als Strafe benutzt für Be- tätigung der Arbeitersolidarität. Denunzieren die Hetzpresse und die nordschleswigschen Hakatisten jeden, von dem sie glauben, daß seine Gesinnung nicht preußisch gestempelt ist und der durch die Ausweisung getroffen werden kann, so tun die Unternehmer ein gleiches mit ihnen unbequemen Ar» b e i t e r n. Und die Behörden lassen sich nicht lange mahnen, sie sind den Hakatisten ebenso getreue Handlanger wie den Scharf- machern! Am Montag sind in Apenrade   die dänischen Zimmerer Siasmussen aus Horsens  , Ohlsen aus Skelskör und Nielsen aus Helsingör   mit vierundzwanzig stündiger Frist aus- gewiesen worden. WaS Haben sie verbrochen? Während der Bauarb eiterauSsperrung weigerten sich einige Zimmerer, den Extrabeitrag zu zahlen und traten aus dem Ver- bände aus. Die drei oben genannten Zimmerer und noch ein vierter, der schon vor zirka acht Tagen nach Dänemark   zurückgereist ist, lösten ihr Arbeitsverhältnis beim Bauunternehmer Clausen, weil sie mit den Kollegen, die wegen der Extrabeiträgs in kritischer Zeit dem Verband den Rücken gekehrt hatten, nicht zusammen- arbeiten wollten. Sie fanden anderswo Arbeit. Der Untev» nehmer Clausen aber, der noch vor wenigen Jahren Mitglied des Verbandes und der sozialdemokratischen Partei war, lief zur Polizei und meldete dort die Freveltat der Verbändler! Die Polizei wußte Rat; sie befriedigte daS Rachebedürfnis des Unternehmers und wies die drei Dänen aus, weil sielästig gefallen" seien. Wären die drei als Streik- b r e ch e r nach Deutschland   gekommen, hätten sie sich wahrscheinlich der größten Aufmerksamkeit und Zuvorkommen- heit der Polizeibehörde zu erfreuen gehabt! Polizei und Staatsanwalt in Dortmund  . Am Abend des 14. Februar d. I. war in Dortmund   Stadt- verordnetensitzung. Unsere Genossen hatten eine Wahlrcchts-Juter- pellation eingebracht, die aber unterdrückt wurde. Draußen warteten einige hundert Arbeiter auf das Schicksal der Interpellation. Bald sprengten Berittene durch die Straßen und auch eine größere Ab« teilung Schutzleute zu Fuß erschienen, mn die Straßen zu. säubern. Infolge des Auftretens der Polizei sammelte sich immer mehr Volk an, die Demonstration war fertig. Auf dem Markt und auch an anderen Stellen der Stadt zogen die Schutzleute blank und hieben auf die Menge ein; es ist auch zu Verletzungen gekommen. Namentlich werden die Berittenen beschuldigt, von der Waffe Gebranch gemacht zu habe». Die Kritik der Arbeiterzeitung" an diesen Vorgängen hatte einen Polizei- beleidigungSprozeß zur Folge, der mit der Ver- urteilung des verantwortlichen Redakteurs Genossen Beyer endete. In dem Prozeß haben sämtliche Beamten beschworen, es sei weder blank gezogen noch gehauen worden. Dies bekundeten insbesondere der Polizeiinspektor Richard, der Polizeikommissar Schrank, der Wachtmeister K e s s e l h u t und vier weitere berittene Schutzleute. Richard beschwor außerdem noch, daß keine Kriminalbeamten w Zivil tätig gewesen seien. Schrank beschwor, er sei mit aus- gebreiteten Armen seinen Schutzleuten vorauSgezogen, damit er die Gewalt über sie nicht verliere. Dagegen bekundeten eine große Zahl Zivilzeugen, daß doch mit blanker Waffe dazwischen gehauen worden sei. ES waren sogar Zeugen da, die Verletzungen erlitten hatten. Andere Zeugen bekundeten, daß Kommissar Schrank selbst über die Straße gelaufen sei mit halb aus der Scheide gezogenem Säbel. Nach dem Prozeß meldeten sich noch eine große Zahl Zeugen für die verschiedensten Einzelheiten. Es meldeten sich T e s ch ä s t S- leute, Reisende, Architekten. Techniker, Kellner ans den Wirtschaften am Markt, lauter unbeteiligte Zu- schauer, die der Sozialdemokratie fernstehen. Nun reichte Ge- »osse Beyer eine Meineidsanzeige ein gegen den Polizeikommissar Schrank und fünf berittene Schutzleute. 34 neue Zeugen sind allein dafür vorhanden, daß die Berittenen gehauen haben. Mehrere neue Zeugen sind dafür benannt worden, daß auch eine Menge Krimiualbeamter in Zivil dabei war. Wohl an 15 Zeugen sind für die Tatsache genannt worden, daß Kommissar Schrank mit halb gezogenem Säbel gelaufen ist. ESsindgerade vier Monate her. daß die An- zeige erstattet wurde. Nun endlich, nach wiederholter Mah» nung durch dieArbeiterzeitung", ist der Bescheid der Staats- anwaltschaft gekommen: Das Verfahren ist in alle» Fällen eingestellt worden! Es ist kein einziger der ncnbcnannten Zeugen vernommen worden, die Strafverfolgung wird einfach abgelehnt. Der Herr Staatsanwalt meint, es seien im Prozeß gegen Beyer ja Zeugen vernommen, die bekundeten, die Polizisten hätten gehauen. DaS Gericht habe aber diese Aussagen gegen die Beamten nicht bewertet und eS sei nicht anzunehmen, daß das Gericht durch die Vernehmung der n e u b e n a n n t e n Zeugen zu einem anderen Resultat kommen werde I Das heißt mit anderen Worten: bringt Zeugen so viel ihr wollt, uns gilt nur daS Zeugnis der Beamten! Bei einer anderen Gelegenheit hat der Erste Staats- anwalt Friedheim zu einem bekannten Juristen, als dieser eine Straf« anzeige gegen einen Beamten einreichen wollte, geäußert:Ich werde